Jakob Lorber

Großes Evangelium Johannes - Band 10

Ein Buch der Offenbarungen Jesu durch Jakob Lorber

Lehren und Taten Jesu während Seiner drei Lehramts-Jahre. Durch das Innere Wort empfangen von Jakob Lorber. Nach der Siebten Auflage.

Copyright © 2000 by Lorber-Verlag, Hindenburgstraße 5, D-74321 Bietigheim-Bissingen.

Inhaltsverzeichnis

Zum Gesamtverzeichnis

1. Des Römers Vorschlag zur schnellsten Verbreitung der Lehre Jesu.

2. Die Mängel einer gesetzmäßigen Ausbreitung des Reiches Gottes.

3. Der geheilte römische Richter bekehrt seine Freunde.

4. Perser und Inder werden von Raphael gerettet.

5. Jesu Reise nach Genezareth.

6. Das Mahl bei Ebal.

7. Die Störung des Mahles durch den römischen Hauptmann und seine Krieger.

8. Ein Wunder Jesu ernüchtert die Römer.

9. Über die Auferstehung des Fleisches.

10. Die philosophischen Fragen des Hauptmanns.

11. Des Hauptmanns Bedenken gegen die Göttlichkeit Jesu.

12. Jesu fortwährende Bemühungen um die Menschen.

13. Der Hauptmann bittet um Aufklärung über das Wesen der Erde.

14. Raphael als Lehrer der Astronomie.

15. Raphael erklärt die Verhältnisse der Planeten zur Sonne.

16. Die Bedingungen zur Erlangung der Weisheit.

17. Raphael begründet seine Macht.

18. Die Frage des Hauptmanns über das Töten der Tiere.

19. Des Hauptmanns Frage nach dem Zweck des Kampfes in der Natur.

20. Die Hauptgründe der Mannigfaltigkeit der Schöpfung auf Erden.

21. Die Seelensubstanz und deren stufenweise Befreiung aus der Materie.

22. Die Zusammensetzung der Menschenseele.

23. Vom Verfall der reinen Lehre.

24. Des Hauptmanns Vorschlag zur Entlarvung der falschen Propheten. Ein Notabene für die Jetztzeit

25. Über die geistlichen Verhältnisse der Gegenwart.

26. Vom falschen Prophetentum der Gegenwart.

27. Die Unmöglichkeit der Religionskriege.

28. Die Zukunft der Zeremoniellen Kirche.

29. Die Zukunft der Staaten Europas und Amerikas.

30. Die Ordnung der Entwicklung. Jesus in der Gegend von Cäsarea Philippi

31. Die Zweifel der Anhänger Jesu.

32. Das Gebet Jesu. Jesus in der Bergstadt Pella

33. Jesus beim Wirte zu Pella.

34. Jesus in der Schule von Pella.

35. Das Abendmahl in der Herberge.

36. Jesus und der römische Hauptmann.

37. Die geheilte Veronika dankt Jesus.

38. Jesu Ermahnung an den Rabbi.

39. Die Bewohner von Pella werden von den Jüngern und Jesus belehrt.

40. Jesus betrachtet mit dem Hauptmann auf einem Hügel den anbrechenden Morgen.

41. Die Jünger suchen Jesus.

42. Der Hauptmann tröstet die Jünger.

43. Das Frühstück der Veronika.

44. Die große Bedeutung der Lehre Jesu gegenüber seinen Taten.

45. Die Einwände des Dieners.

46. Die Bedeutung der Wahrheit.

47. Des Hauptmanns Pellagius Frage über Besessenheit.

48. Zwei Besessene werden zu Jesus gebracht.

49. Pellagius heilt einen Besessenen.

50. Jesus treibt siebzehn Geister aus einem Besessenen.

51. Des Wesen der fünf zuerst ausgetriebenen Geister.

52. Die Geschichte der siebzehn Geister.

53. Die Ermahnung Jesu an den Anführer der ausgetriebenen Geister.

54. Über die Gefahren beim Genusse unreiner Speisen. Jesus in Abila

55. Die Reise nach Abila.

56. Jesus in der Wohnung der zehn Judenfamilien.

57. Des Ältesten Zeugnis von Jesus.

58. Die Entsprechung der Erneuerung der Burgruine.

59. Die Burg Melchisedeks.

60. Aus der Zeit des Königs von Salem.

61. Das Abendmahl in dem alten Speisesaale.

62. Der Lärm vor dem Judenhause.

63. Die wahre Sabbatheiligung.

64. Die Frage der Belehrung der abergläubischen Heiden.

65. Über die Methode der Belehrung.

66. Der Bürgeroberste von Abila.

67. Der Hauptmann belehrt den Bürgerobersten über Jesus.

68. Liebe und Geduld, die beiden Haupttugenden des Menschen.

69. Das Mittagsmahl und der Abschied Jesu. Jesus in Golan

70. Die Ankunft in Golan.

71. Die Heilung des kranken Weibes und der beiden Töchter des Wirtes durch Jesus.

72. Der Wirt und sein Weib staunen über die Wundermacht Jesu.

73. Das Wesen des Reiches Gottes.

74. Die Belehrung des Wirtes und des Hauptmanns.

75. Die Ankündigung eines nahen Sturmes.

76. Die Sturmnacht.

77. Im Freien nach dem Sturme.

78. Des Hauptmanns Rede vom rechten Gottsuchen.

79. Die guten Vorsätze des Nachbarn.

80. Die Nachwehen des Sturmes und Erdbebens.

81. Der Nachbarn Rede über die Macht des Galiläers.

82. Die Rückkehr zur Herberge.

83. Die Frage des Hauptmanns nach seinem Verhalten den Priestern gegenüber.

84. Die Bedeutung der Liebe.

85. Die Heidenpriester verteidigen ihr Verhalten in der Sturmnacht.

86. Der Hauptmann belehrt die Priester über die Nichtigkeit des Götzendienstes.

87. Die Befragung der Priester durch ihre Kollegen.

88. Der Entschluß der Priester.

89. Der Dank der Priester.

90. Vom Verhalten der wahren Jünger Jesu. Der Dank in Aphek

91. Die Abreise nach Aphek.

92. Beim römischen Wirte in Aphek.

93. Die Gedanken des Wirtes über Jesus.

94. Jesus heilt die Kranken in der Herberge.

95. Jesus erzählt den Bildungsgang des Priesters.

96. Die Belehrung Jesu über den Verfall der Menschheit.

97. Das rechte Gottsuchen.

98. Jesus veranschaulicht das rechte Gottsuchen.

99. Der Priester will sein weltliches Leben rechtfertigen.

100. Die früheren Offenbarungen Jesu dem Priester gegenüber.

101. Des Hauptmanns Bedenken über die Naturschönheiten.

102. Die Bitte und das Versprechen der Priester.

103. Das Entsprechungswunder für die bekehrten Priester.

104. Des Jüngers Andreas Rede von den Werken und Worten Jesu.

105. Das wunderbare Morgenmahl.

106. Von der Beseitigung des Heidentums.

107. Über Nächstenliebe.

108. Jesu Verheißung und Mahnung.

109. Die Allmacht Jesu und ihre Einschränkung.

110. Die Frage des Hauptmanns nach der Hölle.

111. Der Zweck der Zerstörung der äußeren Form.

112. Der Zweck der Krankheiten.

113. Über die Schwierigkeiten der Umkehr verirrter Seelen im Jenseits.

114. Die zwecklose Erziehung eines Tyrannen.

115. Eine Verheißung Jesu über die letzte Zeit.

116. Die geistige Umgebung Jesu.

117. Die Bürger von Aphek bewundern die befruchtete Gegend.

118. Die Abreise Jesu von Aphek. Jesus auf dem Wege nach Bethsaida

119. Das Zusammentreffen der Karawane aus Damaskus.

120. Jesu Worte an die Karawane.

121. Jesu Einkehr in einer Herberge bei Bethsaida.

122. Jesus enthüllt dem Wirte die Ursache des Ausbleibens seiner Söhne.

123. Der Glaube und das Vertrauen des Wirtes.

124. Jesu Frage nach dem Messias.

125. Jesu Zeugnis von Sich.

126. Die Fischmahlzeit.

127. Die geistige Allgegenwart Jesu und die Führungen Seiner Gnade.

128. Vom Verbreiten der Lehre Jesu und vom Segnen.

129. Jesus erklärt das Universum zwecks Bekämpfung des Aberglaubens.

130. Von der Astrologie und anderen Irrtümern.

131. Die Notwendigkeit der Vorsicht beim Lehren.

132. Die gesegnete Landschaft.

133. Die zweite Aussendung der Jünger.

134. Die Organisation der Jünger Jesu.

135. Der Fischteich des Wirtes.

136. Der Wirt belehrt die Gäste über die Umänderung des Landes.

137. Die Erkenntnis der Gäste.

138. Das Bekenntnis des Ältesten.

139. Die Frage nach dem Nächsten.

140. Das Gleichnis vom Gutsherrn.

141. Jesu Voraussage über Seinen Tod und Seine Auferstehung. Jesus in zwei weiteren Städten

142. Auf der Weiterreise.

143. Jesus in der armen Herberge der Basaltstadt.

144. Das Fischwunder.

145. Die Wirtin und ihre Dienstboten.

146. Über die Liebe gegen Andersgläubige.

147. Von der Zulassung der Mißstände und des Verfalls unter den Menschen.

148. Die Ursachen der Krankheit des Wirtssohnes.

149. Die zwei Fremden aus Ninive.

150. Die religiösen Zustände in der Heimat der zwei Fremden.

151. Von den Gerichten Gottes und ihren Wirkungen.

152. Die Wirkung der Verbreitung des Evangeliums. Von der Wiederkunft Jesu

153. Die Frage der Auferweckung der Gläubigen am Jüngsten Tage.

154. Jesus begründet Seine Gnade.

155. Der Begriff der Ewigkeit.

156. Über das letzte Gericht.

157. Jesus gibt Johannnes und Matthäus Winke für ihre Aufzeichnungen.

158. Das Historische der Basaltstadt und ihrer Umgebung.

159. Vom Wesen der Sonne.

160. Jesu Voraussage über die Aufnahme der Fremden bei ihrem Könige.

161. Die Ausbreitung der Lehre Jesu in Babylon.

162. Jesus segnet die wüste Gegend der räuberischen Hirten. Jesus in der Stadt am Nebo

163. Jesus und die Pharisäer vor dem Stadttore.

164. Das Weinwunder in der römischen Herberge.

165. Die Besprechung des Weinwunders.

166. Die Befreiung und Bekehrung der vor dem Stadttore von Löwen bewachten Pharisäer.

167. Die Voraussage Jesu an Barnabas.

168. Das Glaubensbekenntnis des Oberstadtrichters.

169. Die materialistische Kritik des Oberstadtrichters an der Entwicklung des Menschen.

170. Einige Denkfragen Jesu an den Oberstadtrichter.

171. Über das Wirken der Kräfte.

172. Der Verkehr mit den Jenseitigen. Die innere geistige Sehe.

173. Eine Geistererscheinung.

174. Erlebnisse im Jenseits.

175. Führungen im Jenseits.

176. Die Frage nach der Hölle und ihren Geistern.

177. Die Götzenbilder im Hause des Wirtes.

178. Auf dem Berge Nebo.

179. Der sonderbare Sonnenaufgang.

180. Die Entartung der jüdischen Lehre.

181. Die Vernichtung der Hausgötter in der Herberge.

182. Die Ursachen der Leibeskrankheiten.

183. Der Kampf in der Natur.

184. Der Zweck des Kampfes in der Natur.

185. Ein Beispiel einer Tierseelenvereinigung.

186. Die scheinbare Begünstigung der Heiden durch Jesus.

187. Die Liebe Jesu zum Judenvolke.

188. Von falschen Christussen, falschen Propheten und falschen Wundern. Verhaltungswinke für die Jünger.

189. Die Schwierigkeit des Lehramtes.

190. Der Apollopriester erkundigt sich nach Jesus.

191. Wahre Gottesverehrung und Götzendienst.

192. Die Entstehung des Götzentums.

193. Die Entstehung der Apolloverehrung.

194. Jesu Mahnung zur Liebe und Geduld in der Mission für Seine Lehre.

195. Die Allgegenwart und Allmacht Jesu. Vom Wesen der Seele und vom Vorgang des Sehens.

196. Ein Bild von der geistigen Entwicklung des Menschen.

197. Vom Auf- und Absteigen der Engel.

198. Das Erscheinen der Engel.

199. Über das Wirken der Engel.

200. Eine Probe der Macht Raphaels.

201. Die veränderte Gegend am Berge Nebo.

202. Raphaels Beweis seiner Schnelligkeit.

203. Der leuchtende Stein von der Sonne.

204. Die Tierwunder Raphaels.

205. Die verwunderten Diener fangen und zähmen die Elefanten.

206. Der Grund der Seligkeit der vollkommenen Geister.

207. Von der Unfaßbarkeit der Schöpfung.

208. Die wunderbare Speisung in der Herberge.

209. Der Ernährungsprozess des menschlichen Körpers.

210. Die wichtigsten Nahrungsmittel für den Menschen.

211. Jesus als allmächtiger Schöpfer.

212. Petri Bekenntnis und Bitte um Erklärung des Gleichnisses vom Sämann.

213. Über das Predigen des Evangeliums aller Kreatur.

214. Die Bilder vom Augenausreißen Händeabhacken und vom Essen und Trinken des Fleisches und Blutes Jesu.

215. Die rechte Anwendung des Gebotes der Nächstenliebe.

216. Vom ungetreuen Haushalter.

217. Die Erklärung des Gleichnisses vom ungerechten Haushalter.

218. Das Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen.

219. Die Kennzeichen eines falschen Propheten.

220. Über die Wundertätigkeit.

221. Von der Bekehrung durch Wunder.

222. Notreife und vollreife Seelen.

223. Judas Jschariot.

224. Die Warnung Jesu vor Trägheit.

225. Über die Sparsamkeit.

226. Ein Morgengruß der Kraniche.

227. Die Wasseraufnahme der Vögel.

228. Über das Fliegen der Menschen. Jesus im Jordantale

229. Jesus mit den Seinen im Jordantale.

230. Der unartige Wirt.

231. Jesus meldet dem Wirte eine Karawane an.

232. Des Wirtes Urteil über die Juden.

233. Weitere Urteile des Wirtes über die Juden.

234. Jesus zeugt von Sich und Seiner Mission.

235. Die Entstehung des Toten Meeres.

236. Die Entstehung des Kaspischen Sees.

237. Die Frage des Wirtes nach dem Grunde der Zerstörung Babylons und Ninives.

238. Die Geistespest der Trägheit.

239. Eine Kritik der mosaischen Speisevorschriften.

240. Ernährungswinke. Die Mängel der Prophetengesetze.

241. Die Unvollkommenheit des menschlichen Wissens.

242. Die römische Toleranz.

243. Die schlechten Absichten der Pharisäer.

244. Die Kritik des Wirtes über die jüdische Priesterschaft.

Der Herr in der Gegend von Cäsarea Philippi, Fortsetzung. (Kap.1-24)

1. Kapitel. Des Römers Vorschlag zur schnellsten Verbreitung der Lehre Jesu.

1. Darauf begaben wir uns abermals ins Freie, und zwar an das Ufer, wo wir uns schon am frühen Morgen befanden.

2. Als wir allda eine Zeitlang ohne einen Wortwechsel zugebracht hatten, da trat der Römer zu Mir hin und sagte: „Du einzig und allein wahrer Herr und Meister, voll der reinsten Liebe und Weisheit und göttlichen Kraft, mir ist nun ein seltener Gedanke gekommen. Für die Menschen kann es auf dieser Erde doch nichts Beseligenderes, Glücklicheres und somit auch Wünschenswerteres geben, als daß Deine Lehre mit ihrer lebendig wundervollsten Kraft in möglichst kurzer Zeit unter ihnen ausgebreitet würde; und das ginge nach meiner Meinung ja eben nicht allzu schwer.

3. Siehe, Du bist allmächtig; ein Gedanke von Dir, erfüllt mit der Allmacht Deines Willens, – und auf der ganzen Erde besteht kein Götzentempel und kein Götzenbild mehr. Sind diese Hauptstützen des alten, finstern und bösen Aberglaubens aus dem Wege geräumt, und das blitzschnell zu gleicher Zeit an allen Orten der Erde, so werden die Menschen sicher darüber erschrecken und darauf bald nachzudenken anfangen, wie und warum solches geschehen ist, und was es zu bedeuten hat.

4. Darauf sollen die vielen von Dir und Deinem Reiche gute und wahre Kunde Habenden vor die zum Teil erschreckten und zum Teil staunenden und nach dem Grunde solcher Erscheinung fragenden Menschen hintreten und sie zu lehren anfangen in Deinem Namen, und so sie irgend Kranke finden, sie auch also heilen, wie Deine schon ausgesandten Jünger in Joppe die hier gewesenen Kranken geheilt haben, – und ich meine, daß auf diese außerordentliche Weise Deine Lehre am ehesten und sichersten bei allen Menschen Eingang finden müßte. Die Menschen können das nicht bewirken, weil sie dazu die Mittel nicht besitzen; Du aber hast dazu die Mittel, durch die ein größtes Werk schnell zustande käme. Wäre das denn nicht tunlich, oder stünde das im Widerspruch mit Deiner Weisheit und Ordnung?“

5. Sagte Ich: „Ja, Freund, wenn Ich nur so ein purer Mensch wäre und nach deiner Art dächte und urteilte, da ginge solch eine Geschichte schon an; aber Ich sehe und beurteile als ein ewiger Meister alles Seins und Lebens die Sache ganz anders denn du, und so kann Ich in deinen Rat nicht eingehen.

6. So Ich alle Götzen samt ihren von den Menschen erbauten Tempeln auf einmal vernichtete, da müßte Ich vorerst ihre Priester vom Boden der Erde rein hinwegfegen; die Priester sind aber auch Menschen, begabt mit freiem Willen und bestimmt, sich selbst zu entfalten und in sich zu gründen das geistige Leben, und es gibt unter den Götzenpriestern denn doch auch eine Menge, die bei sich im geheimen schon lange nach der Wahrheit des jenseitigen Seelenlebens forschen, und es wäre darum nicht fein, sie darob zu vernichten, weil sie Götzenpriester sind.

7. Würden aber all die Götzentempel samt den Götzen auf einmal vernichtet werden und die Priester blieben, so würden sie solch eine Erscheinung dem Volke als den Zorn der Götter verkünden und es nur zu bald zu unerschwingbaren und auch grausamen Opfern mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln nötigen. An vielen Orten tun das die Priester ohnehin, so das Volk opferlau wird, daß sie einen oder den andern Tempel in der Nacht zerstören und dann dem Volk den Zorn und die Rache eines beleidigten Gottes laut verkünden, worauf das Volk dann noch finsterer, abergläubischer und unbekehrbarer wird.

8. Zudem sind Wunder und allerlei Zeichen kein rechtes und wahres Bekehrungsmittel, besonders für ein im Geiste noch viel zu wenig gewecktes Volk. Sie nehmen den Menschen wohl schnell und leicht gefangen und bestimmen ihn mit unwiderstehlicher Gewalt, das ungezweifelt zu glauben, was ihm zu glauben vorgestellt wird; es gibt aber in dieser Zeit – wie es auch in den Vorzeiten gegeben hat und auch in der Zukunft stets geben wird – besonders unter den Priestern aller Art Magier, die allerlei falsche Wunder und Zeichen wirken. Wo aber hat das Volk die Einsicht und jene helle Beurteilung, die falschen Wunder und Zeichen von den echten und wahren zu unterscheiden?

9. So Ich dir die Fähigkeit erteilte, unter den Heiden echte und wahre Zeichen zu wirken, die Priester der Heiden aber wirkten gleich den früheren Essäern dir gegenüber ganz ähnliche falsche Zeichen, wie wirst du da dem blinden Volke beweisen, daß nur deine Zeichen die allein echten sind?“

10. Sagte der Römer: „Ja, ja, Herr und Meister, Du hast in allem recht; die lichte Wahrheit allein ist es, durch welche die Menschen mit der Zeit zur wahren inneren Lebensfreiheit gelangen können!

11. Von Dir aus vor uns blinden Heiden derartige Zeichen und Wunder zu wirken, die – soviel wir im alten Fache der Magier eine Einsicht haben – von keinem Menschen bewirkt werden können, ist zur vollen Beweisstellung Deiner Göttlichkeit sicher notwendig, und Dir kommt es denn auch zu, neben Deiner Lehre, die an und für sich selbst schon ein größtes Wunder ist, auch andere Zeichen und Wunder zu wirken, auf daß wir desto klarer einsehen, daß Deine Worte nicht Menschen-, sondern Gottesworte sind; aber so Deine heilige Lehre einmal auch von Deinen Jüngern den andern Menschen also gepredigt und gelehrt wird, wie Du sie Deine Jünger gelehrt hast, so wird sie auch als eine reinste und lebensvollste Wahrheit aus den Himmeln angenommen, erkannt und handelnd beachtet werden, und das größte Zeichen und Wunder wird sie selbst dadurch bewirken, so die nach ihr treu handelnden Menschen in sich das erreichen werden, was sie verheißt. Aber freilich wird es lange hergehen, bis diese heilige Lehre unverfälscht zu allen Menschen der Erde gelangen wird. Allein, Du bist der Herr und weißt es am besten, wo, wie und wann ein Volk für Deine Lehre reif sein wird.“

12. Sagte Ich: „Ja, Freund, also ist es, und du hast nun richtiger geurteilt denn zuvor mit deiner sogleichen Vernichtung aller Götzen und ihrer Tempel!“

2. Kapitel. Die Mängel einer gesetzmäßigen Ausbreitung des Reiches Gottes.

1. (Der Herr:) „Wenn du einen Samen in die Erde legst, so bedarf es ja auch einer Zeit, bevor er zu keimen beginnt und nach und nach zu einer vollreifen Frucht wird. Es ist für den Ackersmann freilich wohl eine Sache der Geduld, so er von der Zeit der Aussaat bis zur Zeit der Ernte doch beinahe ein halbes Jahr lang warten muß; es wäre ihm auch sicher lieber, so er heute säte und morgen schon ernten könnte! Und siehe, wie bei Gott alle Dinge möglich sind, so wäre bei Gott auch das leicht möglich zu bewirken; aber dabei sähe es dann mit der geistigen Bildung des Menschen um vieles schlimmer aus denn so! Da würde der gewinnsüchtige Mensch in einem fort säen und ernten; der träge aber würde in die stets größere Trägheit versinken, was sich von selbst leicht einsehen und begreifen läßt. Darum ist die Ordnung, wie sie in allem auf dieser Erde von Gott aus bestimmt ist, dem Menschen gegenüber schon ohnehin die beste und zum Behufe seiner geistigen Entwicklung die zweckmäßigste.

2. Was von Zeit zu Zeit schnell entstehen muß, das braucht von der ersten Periode des Entstehungsgrundes bis zu jener des vollen und wirkenden Sachzustandes wahrlich kein halbes Jahr Zeit, zum Beispiel der Wind, der Blitz, der Regen und noch vielerlei derartige Erscheinungen, die, so sie notwendig sind, nach dem Willen Gottes auch sogleich dasein müssen; aber andere Dinge, mit denen sich die Menschen zu beschäftigen haben, haben gleich dem Menschen ihre Zeit, und so auch die Ausbreitung Meiner Lehre, die ausschließlich allein nur für die Menschen von Mir in diese Welt gebracht und gegeben wird in dieser Zeit und ebenso auch in der Zukunft.“

3. Sagte darauf der Römer: „O Herr und Meister, das sehe ich nun alles ganz klar ein, daß es auf dieser Erde der Menschen wegen schon recht und richtig alles also sein und bestehen muß, wie es ist und besteht; aber so ich bedenke, daß man nur durch den Glauben an Dich und durch das Handeln nach Deiner Lehre das wahre, ewige Leben seiner Seele gewinnen kann, und daß darum Milliarden von Menschen, die von Dir und Deiner Lehre noch gar lange hin nichts vernehmen werden, an ihren Seelen sicher Schaden erleiden werden, so wird mir deshalb bange in meinem Gemüte, und ich habe nur in dieser alleinigen Hinsicht eine möglichst beschleunigte Ausbreitung Deiner Lehre gewünscht!“

4. Sagte Ich: „Solch ein Wunsch an und für sich macht deinem Herzen eine rechte und wahre Ehre und Meinem Herzen eine rechte Freude! Es ist wohl ganz wahr, daß nur Ich allein die Tür zum ewigen Leben der Seele eines jeden Menschen bin; wer an Mich glaubt und nach Meiner Lehre lebt und handelt, der überkommt das ewige Leben.

5. Du hast aber gestern auf dem Berge ja die Seele deines Vaters und die Seelen mehrerer deiner Bekannten geschaut und sogar gesprochen und sahst auch das lose Treiben von gar vielen im Jenseits. Ich sage es dir, daß auch ihnen das Evangelium von Meinen zahllos vielen Engeln verkündet wird. Die es anhören, annehmen und sich danach richten, werden auch zur Seligkeit gelangen, doch so leicht und so bald nicht wie auf dieser Erde, auf der der Mensch viele und oft recht schwere Kämpfe mit der Welt, mit seinem Fleische und mit noch gar vielen anderen Dingen – wenn auch kurz dauernd – in aller möglichen Geduld, Selbstverleugnung, Sanftmut und Demut durchzukämpfen hat.

6. Darum sei dir um niemand im großen Jenseits allzu bange; denn Gottes Liebe und Weisheit und große Erbarmung waltet überall, auch im großen Jenseits. Die sie ergreifen und sich nach ihr fügen und richten werden, die werden nicht verlorengehen; die aber das hier, wie auch jenseits nicht tun werden, bei denen gilt der Satz, wonach demjenigen kein Unrecht geschieht, der das Böse, ihm Schadende selbst will. – Bist du, Freund, mit dieser Meiner ganz klaren Erklärung zufrieden?“

7. Sagte der Römer: „Ja, Herr und Meister, mit dieser Erklärung bin ich nun vollkommenst zufrieden; denn sie entspricht allen Anforderungen des vernünftigen Menschengemütes und ist voll rechten Trostes für unsere Seelen; Dir darum alle unsere Liebe, Ehre und Anpreisung jetzt und in alle Ewigkeit!“

8. Mit dem war unser Römer denn auch völlig zufrieden und stellte darauf wenig Fragen in dieser Art mehr an Mich.

3. Kapitel. Der geheilte römische Richter bekehrt seine Freunde.

1. Es kam aber darauf ein Diener des Markus zu uns hin, und zwar mit einem Auftrag an den Römer von seiten mehrerer seiner Badefreunde, die sich nach ihm angelegentlich in der großen Bade- und Heilanstalt zu erkundigen angefangen hatten, da er ihnen als nach ihrer Meinung noch Ungeheilter zu lange außerhalb der Badeanstalt geblieben war.

2. Hierauf fragte Mich der Römer, was er nun tun solle; denn er wollte Mich in der Anstalt bei den andern Gästen nicht ruchbar machen.

3. Ich aber sagte zu ihm: „Was da betrifft deine Freunde und Bekannten, so kannst du mit ihnen wohl im Vertrauen schon von Mir reden und wie du dem Leibe nach gesund geworden bist.

4. So sie glauben werden, soll es mit ihnen auch besser werden; so sie aber nicht völlig glauben werden, da wird es mit ihnen auch nicht besser werden. So sie aber werden Mich Selbst zu sehen und zu sprechen verlangen, da mache ihnen eine rechte Gegenvorstellung, bei der dich des Markus Diener wohl unterstützen wird. Verlangen sie aber trotz all dem noch nach Mir, so lasset sie herauskommen; doch vor den Juden, Pharisäern und andern Priestern rede nichts von Mir!

5. Und so kannst du nun mit dem Diener dich schon in die Anstalt begeben, auf daß den Gästen deine längere Abwesenheit nicht zu auffällig werde.“

6. Auf diese Meine Worte erhob sich der Römer und ging, vom Diener begleitet, in die Anstalt.

7. Als er dort angekommen war, da ersahen ihn alsbald seine Freunde und Bekannten, eilten zu ihm hin und bestürmten ihn mit tausend Fragen.

8. Er (der geheilte Römer) aber sagte: „So lasset mir doch Zeit, und betrachtet mich zuvor ein wenig aufmerksamer, und saget mir dann, wie ihr mich findet!“

9. Hierauf besahen ihn alle möglichst aufmerksam, und ein Römer, auch aus Tyrus, sagte: „Aber beim Zeus, du scheinst ja ganz kerngesund zu sein! Wie bist du denn draußen so völlig gesund geworden, während dein gestriger Gesundheitszustand doch keineswegs irgendeine so baldige und vollkommene Heilung erwarten ließ?

10. Hast du im Hause des Markus etwa irgendeinen besseren Arzt gefunden, als da in der Anstalt die drei Ärzte sind, oder noch irgendeine etwa geheim gehaltene neue Heilquelle? Erzähle uns das umständlich, auf daß auch wir hinausgehen und unser Heil finden mögen gleich dir!“

11. Hierauf erzählte ihnen der Römer alles, was er gehört, gesehen und erfahren hatte.

12. Als aber seine Freunde solches alles vernommen hatten, da zuckten sie mit den Achseln. Und der eine sagte: „Freund, das sind Dinge, die sich beinahe noch schwerer glauben lassen als die Sachen unseres fabelhaften Göttertums!

13. Ich habe von dem sonderbaren Wirken und Handeln deines neuen Gottes, der aber doch uns allen gleich ein aus einem Weibe geborener Mensch mit Fleisch und Blut ist und ebensogut wie wir alle sterben wird, auch schon gar manches aus treuer Zeugen Munde vernommen; aber ich konnte mich nicht erwehren, meine alte Überzeugung, die ich aus den Büchern über all die vielen großen und berühmten Menschen gewonnen habe, auch an diesem deinem Gottmenschen von neuem wieder bestätigt zu finden.

14. Die Vergöttlichung der großen und in einem oder dem andern Fache berühmten Menschen ist schon eine so uralte Sache, daß man ihren Ursprung gar nicht mehr bestimmen kann, und es ist unter uns das schon seit alters her sprichwörtlich geworden, daß ohne einen göttlichen Anhauch kein großberühmter Mann besteht. Und so ist es nun sicher auch mit deinem neuen Gott, der ein Galiläer sein soll, der ganz gleiche Fall.

15. Er ist ein Mensch von entschieden seltenen Talenten und Befähigungen, die er in irgendeiner altberühmten Schule ausgebildet hat, und leistet nun Fabelhaftes und für uns Laien offen Wunderbares, wofür ihm auch alle Ehre gebührt; doch daß er darum vor uns Menschen gleich den uralten Weisen sich auch als ein Gott darstellt, das ist eine eitle Sache, die den recht natürlich vernünftig gebildeten Menschen nie völlig gefallen wird. Ich möchte mich von ihm recht gerne heilen lassen und ihn darum auch nach seinem Verlangen belohnen; aber daß ich ihn für die Heilung gleich als den einen, allein wahren Gott annehmen und verehren soll, das, Freund, geht mir nicht ein, trotz seiner im Ernste reinsten Lehre.

16. Wer das, was du von ihm hier uns erzählt hast, als eine ausgemachte Wahrheit glauben kann, gut, der glaube es und lebe und sterbe in solch seinem Glauben so glücklich als möglich; ich für mich aber werde solch ein Glück schwerlich je mit ihm teilen!“

17. Sagte der römische Richter: „Ihr seid doch alle gleich mir geweckte Männer von vieler Erfahrung und könntet darum für die Wahrheit aller Wahrheiten schon empfänglicher sein, als ihr eben seid!

18. Überall glauben die Menschen an ein oder auch mehrere Gottwesen; aber kein Mensch kann der vollsten Wahrheit nach sagen und behaupten, daß er ein solches Gottwesen je wirkend unter den Menschen gesehen und darüber eine untrügliche Selbsterfahrung sich verschafft habe, wie ich sie mir hier verschafft habe.

19. So ihr aber das nun mir nicht glauben möget, daß ein Mensch, dem alle Kräfte und Elemente gehorchen, und dem Genien aus den Himmeln wunderbar zu Diensten stehen, ein Gott ist und unfehlbar sein muß, dann begreife ich es nun erst recht, wie schwer bei den Menschen dieser Erde Seine rein göttliche Lehre Eingang finden wird.

20. Habt ihr denn schon je einen noch wahreren Gott gesehen, um nun beurteilen zu können, ob Der, von dem ich euch alles haarklein erzählt habe, was Er Selbst spricht und tut, ein wahrer Gott ist oder nicht? Kurz und gut, ihr könnet nun glauben, was ihr wollt, – ich aber werde bei meinem Glauben verbleiben mein Leben lang und werde dafür das ewige Leben meiner Seele sicher um so wahrer überkommen, da ich es nun in mir lebendigst fühle und es in der Folge noch heller in mir fühlen werde.

21. Wer soll und kann denn eher ein wahrer Gott sein: ein erdichteter, wie wir deren leider eine Unzahl haben, die alle tot sind, und von deren keinem noch je eine wunderbare Wirkung an uns Menschen übergegangen ist, oder ein lebendigster Mensch, vor dessen allmächtigstem Wort und Willen sich alle Kräfte der Himmel und dieser Erde allergehorsamst beugen?

22. Ich meine da, daß solch ein Mensch der Gott ist, von dem alle die jüdischen und uns nicht unbekannten Weisen geweissagt haben, daß Er in dieser Zeit als der Herr im Fleische und Blute zu den Menschen dieser Erde kommen werde und ihnen das wiedergeben werde, was sie durch ihre Trägheit, Weltliebe und Herrschsucht verloren haben.

23. Und dieser Gottmensch ist nun da und lehrt und wirkt den alten Verheißungen völlig gemäß. Wie sollte ich etwa euch zuliebe das zu meinem größten Lebensheile nicht glauben, was ihr aus sehr seichten Gründen nicht glauben könnet? Ich bedaure wahrlich einen jeden, dem nun seine Glaubensaugen nicht zu öffnen sind.“

24. Auf diese Worte des Richters wußten die andern nicht, was sie ihm dagegen einwenden sollten; denn er war von Mir im Herzen erleuchtet und stellte ihnen stets die triftigsten Gegenbeweise dar.

25. Aber erst am dritten Tage gelang es ihm, sie gläubig zu machen, worauf er sie denn auch nachmittags zu Mir herausbrachte und Ich sie auch geheilt habe. Sie wurden darauf voll Glauben und lobten die Mühe des Richters, daß er auch sie zum größten Lebensheile gebracht hatte. Sie verblieben samt dem Richter noch den ganzen vierten Tag bei Mir und ließen sich in allem unterweisen, wobei unser Raphael wieder recht viel zu tun hatte.

26. Am fünften Tage morgens nach dem Morgenmahle reisten sie voll Dank und voll Glauben nach Tyrus und einige nach Sidon ganz gesunden Leibes zu den Ihrigen zurück.

4. Kapitel. Perser und Inder werden von Raphael gerettet.

1. Die fünf Tage hindurch, die Ich zugleich mit den nun bekannten und vollends bekehrten Römern bei Markus zubrachte, geschah nichts von irgendeiner besonderen Erhebung (Bedeutung). Wir machten kleine Bereisungen in der Umgegend, und Ich heilte hie und da einen Kranken, und am zweiten Tage hatte Markus eine große Fischerei auf Mein Wort unternommen und einen überreichen Fang gemacht.

2. Am sechsten Tage näherte sich frühmorgens ein Schiff dem Bade. Wir waren vor dem Morgenmahle, wie gewöhnlich, am Ufer des Meeres versammelt und betrachteten die mannigfachen Morgenszenen und Erscheinungen, und Raphael erklärte sie den Jüngern und dem noch anwesenden Kisjona und Philopold, worüber bis auf Judas Ischariot alle eine übergroße Freude hatten.

3. Das sich dem Ufer nahende Schiff hatte Perser und sogar etliche Indier an Bord und hatte mit den ziemlich stark gehenden Wogen seine Not. Die Schiffer waren Gadarener und kannten unser stark klippiges Ufer, darum sie denn auch ein paar hundert Schritte vom Ufer entfernt herumlavierten, wo und wie sie sich dem Ufer gefahrloser nahen könnten. Da aber der ziemlich heftige Morgenwind nicht nachließ, so gaben die Schiffer Zeichen ans Ufer herüber, daß sie Not hätten, und verlangten Hilfe.

4. Hier fragte Mich Markus, was da zu tun sein werde, so Ich da aus irgendwelchem Grunde kein Wunder wirken wollte.

5. Sagte Ich: „Bis wir das Morgenmahl werden zu uns genommen haben, können sich die Perser und Indier mit ihren Tieren und Zauberdingen schon von den Wogen ein wenig ängstigen lassen; so wir dann wieder ans Ufer zurückkehren werden, dann wird es sich schon zeigen, wie dem Schiff zu helfen sein wird.“

6. Mit dem war Markus denn auch zufrieden, und wir begaben uns darauf denn auch sogleich ins Haus zum wohlbereiteten Morgenmahle.

7. Nach einer Stunde Zeit gingen wir alle wieder ans Ufer und fanden das vorbezeichnete Schiff in der gleichen Not und Bedrängnis. Nun erst gab Ich dem Raphael einen Wink, das Schiff ans Ufer zu befördern. Dieser bestieg nun, um den Ankommenden nicht auffällig zu werden, ein Boot und ruderte rasch hinaus zum großen Schiff.

8. Als er dort ankam, da fragten ihn die Schiffer, ganz erstaunt über seinen Mut: „Was willst denn du schwacher Junge hier? Bist du uns zu Hilfe gekommen? Da wird uns wenig geholfen sein; denn du hast ja nicht einmal ein Seil, noch einen Haken in deinem Boot! Womit wirst du da unser starkes und großes Schiff an deinem leichten Boot befestigen und es uns dann über eine sichere Tiefe ans Ufer bringen helfen?“

9. Sagte Raphael mit lauter Stimme: „Das wird meine Sache sein! So ihr wollt und euch mir anvertraut, da kann und werde ich euch wohl helfen; so ihr mich aber dazu für zu schwach haltet, dann lasset euch bei diesem starken Wogengang von wem andern helfen!“

10. Sagte ein Schiffer: „So zeige uns denn deine Kunst und Stärke, und das sogleich, so wir dich darum bitten; denn sonst müssen wir bald zugrunde gehen!“

11. Hier ergriff Raphael einen vom großen Schiff hervorstehenden Balken und zog dasselbe pfeilschnell ans Ufer; und da er dadurch, wie auch durch seinen Willen eine große Masse Wasser gewisserart dem Ufer zuschob, so berührte des Schiffes Boden auch die Seichten des Bodens nicht und erlitt sohin auch keinen Schaden.

12. Die Schiffer und die Reisenden konnten nicht zur Genüge erstaunen über die ihnen völlig unbegreifliche Kraft des Jünglings, der mit der Macht der Elemente derart spielend verfuhr, als hätte er es, statt mit dem Meer und dem starken Wind, mit einem an einem Grashalme hängenden Tautropfen und mit einem ganz leisen Morgenhauch zu tun.

13. Nachdem sich die Schiffer nun am ruhigen und sicheren Ufer befanden, so belobten sie sehr den Mut, den guten Willen des Jünglings und ganz besonders seine seltene Kraft und Geschicklichkeit in der Anwendung derselben, die für sie alle ans rein Wunderbare reiche, und fragten ihn, wieviel Lohn sie ihm dafür zu geben hätten.

14. Raphael aber sagte: „Ich für meine Person bedarf eures Lohnes nicht. So ihr aber irgendeinen noch ärmeren Menschen findet, als ihr selbst es zum größten Teile seid, so erweiset ihm dafür Liebe und Barmherzigkeit!“

15. Das machte alle stutzen, und selbst die Fremden sagten: „Wahrlich, das ist ein seltener Jüngling!“

16. Diese Begebenheit hatte ein großes Aufsehen gemacht, und alle Diener des Markus kamen ans Ufer, um nachzusehen, was sich da wieder Großes und Unerhörtes ereignet habe.

17. Und als die Sache ihnen näher aufgeklärt wurde, sagten alle: „Ja, ja, so der Himmel und die Erde sich durch den Herrn vereinen, dann werden die Wunder beinahe schon zu ganz natürlichen Erscheinungen; wenn aber der Herr Sich einmal wieder hinter alle Sterne zurückbegeben wird, dann wird es wieder einen großen Mangel an derlei großartigen und seltensten Ereignissen auf der Erde unter den Menschen haben!“

18. Darauf fingen die Reisenden an, ihre Sachen ans Land zu setzen, und erkundigten sich, wie sie zu Lande ihre Reise weiter bis an das große Meer fortsetzen könnten. Das wurde ihnen denn auch angezeigt, und unser Raphael übernahm auf Meinen Wink die Weiterbeförderung, ohne den Reisenden irgend im geringsten zu verraten, daß er mehr als ein gewöhnlicher Erdenmensch sei. Wohl aber hat er die Reisenden dann in Tyrus darauf aufmerksam gemacht, in wessen Nähe sie sich dort befunden haben, wo er sie auf eine wunderbare Weise gerettet hatte.

19. Als die Reisenden das vernommen hatten, da wollten sie wieder umkehren, um Mich Selbst persönlich kennenzulernen, und boten dem Raphael große Summen darum. Da aber verschwand Raphael urplötzlich vor ihren Augen und befand sich wieder bei uns.

5. Kapitel. Jesu Reise nach Genezareth.

1. Es war aber nun schon der achte Tag, den Ich mit Meinen Jüngern in der Ruhe bei Markus zugebracht hatte; und es fragten Mich Markus und auch die Jünger, warum Ich denn diese etlichen Tage nahezu in einer völligen Ruhe zugebracht habe, was sie bei Mir noch nicht erlebt hätten.

2. Sagte Ich: „Wir haben nun nahe an dritthalb Jahren Tag für Tag ohne Unterlaß gearbeitet, und Meine Lehre ist schon weit und breit ausgebreitet; und es war darum nun denn auch einmal an der Zeit, daß wir hier eine wahre Sabbatruhe hielten, und ihr habt dabei Zeit gewonnen, vieles aufzuzeichnen.

3. Aber von jetzt an wird es mit dem Ruhenehmen sein Ende haben. Wir werden nun in die rechte Zeit der großen Stürme kommen, und in kaum einem halben Jahre wird wohl der größte Sturm kommen, der den Hirten schlagen wird, und viele Schafe Seiner Herde werden sich zerstreuen in der Welt und werden um Meines Namens willen verfolgt werden von einem Weltende zum andern! Wenn das aber geschehen wird, dann erst werdet ihr vollends einsehen und erkennen, warum Ich hier nun etliche Tage geruht habe.“

4. Diese Meine Rede hatte alle traurig gestimmt, und auch die Maria sagte: „Herr, Dir ist ja alle Macht gegeben auch über den Satan; lasse die Stürme nicht über Deine Stirne kommen!“

5. Sagte Ich: „Das sind Dinge, die nur Ich verstehe; darum redet nichts Weiteres mehr darüber! Denn es muß der Tod und das Gericht der Welt und ihrer Materie für ewig überwunden werden!“

6. Darauf sagte niemand mehr etwas. Und da Ich das nach dem Mittagsmahle am Tische geredet hatte, so wollte Markus, um Mich heiterer zu machen, noch mehr Wein auftragen lassen.

7. Ich aber sagte: „Freund, laß das nun gut sein; wir haben alle zur Genüge!

8. Laß aber ein gutes Schiff bereiten, denn in einer Stunde muß Ich nach Genezareth zu Ebal! Wer Mich dahin geleiten will, dem steht es frei. Meine Jünger können mit Kisjona Mich begleiten, der auch mit Maria und Philopold Mich nach Genezareth geleiten soll.“

9. Auf diese Worte machten sich alle auf die Füße, und wir fuhren in einer Stunde schon nach Genezareth. Die Fahrt übers Meer Galiläas dauerte bei drei Stunden Zeit, und wir gelangten in die bedeutende, schon bekannte Bucht von Genezareth, die auch den Namen ,See Genezareth‘ führte.

10. Also in dieser Bucht angelangt, fanden wir Fischer des Ebal, die gerade mit dem Fischfange für unseren Ebal beschäftigt waren, aber seit frühmorgens wegen des noch immer ziemlich stark wogenden Wassers nur sehr wenige Fische gefangen hatten.

11. Als unsere Schiffe in ihre Nähe kamen, da hielten wir ein wenig inne, und Ich fragte die Fischer, ob sie wohl schon einen reichlichen Fang gemacht hätten.

12. Diese aber sagten (die Fischer): „Freund, heute sieht es mit unserer Arbeit sehr böse aus! Der See ist seit einigen Tagen sehr unruhig, und da sieht es mit unserer Arbeit stets schlimm und mager aus. Unseres Herrn Fischbehälter sind bereits leer, und er muß sich nun schon Fische von andern Orten herbringen lassen, um die stets vielen Gäste nur einigermaßen befriedigen zu können. So ihr auch nach Genezareth reiset, werdet ihr mit Fischen sehr spärlich bedient werden.“

13. Sagte Ich: „Werfet nun eure Netze noch einmal ins Wasser, und ihr sollet mit dem Fange zufrieden sein!“

14. Als Ich solches zu den Fischern gesagt hatte, da erkannten Mich mehrere von ihnen und sagten: „Heil uns, und alles Lob und aller Preis Dir! Vergib uns, o Herr und Meister, unsere Blindheit; denn wir hätten Dich wohl beim ersten Anblick erkennen sollen, da Du doch vor einem Jahre ebenfalls unseren Ort mit Deiner heiligen Gegenwart gesegnet hast! Ja, auf Dein uns bekannt allmächtiges Wort werden wir sicher einen reichen Fang machen, und Ebal und sein ganzes Haus werden alsbald erkennen, wer hier der große Fischmeister war!“

15. Darauf warfen sie die Netze ins Meer und fingen so viele der besten Fische, daß sie dieselben kaum in ihren Schiffen und Booten unterbringen konnten.

16. Als sie mit dieser Arbeit fertig waren, da entstand unter ihnen ein großer, Mich lobpreisender Jubel, und sie fuhren vor uns nach Genezareth, wo sie Ebal mit seinen Leuten am Ufer erwartete, weil er einen reichen Fang sehr wünschte, da er viele Gäste hatte; und er hoffte von diesem Morgen um so entschiedener auf einen reichen Fang, da seine Tochter Jahra einen hellen Traum hatte, in dem sie Mich mit Meinen Jüngern und Freunden hatte auf dem Wasser ankommen sehen, und daß die Fischer darum auch einen gesegneten Fang machen würden.

17. Als die Fischer nach einer halben Stunde Zeit am Ufer von Genezareth ankamen und Ebal ersah, welch reichen Fang sie gemacht hatten, da sagte er sogleich mit aufgehobenen Händen: „O meine Tochter, diese fromme Seele hat ein wahres Gesicht gehabt! Das ist ein Segen meines Herrn, meines Gottes! Ihm sei darum alles Lob und aller Preis!“

18. Hierauf fragte er die Fischer, ob sie Mich nicht in ihrer Nähe entweder auf einem Schiffe oder an irgendeinem Ufer gesehen hätten.

19. Die Schiffer aber zeigten ihm sogleich die sich noch in einiger Ferne auf dem See befindenden Schiffe und sagten: „Siehe, dort kommt Er mit Seinen Jüngern und Freunden! Heil uns und dem ganzen Orte, daß Er uns wieder besucht!“

20. Als Ebal das vernommen hatte, berief er sogleich sein Weib, seine Kinder und seine alten und treuen Diener und trug ihnen auf, für den Tisch zu sorgen, und daß der eine neue Speisesaal für Mich und für die mit Mir Kommenden wohl bereitet werde, und daß in denselben nur die kommen dürften, die Ich erwählen werde.

21. Auf diese Anordnung Ebals bewegte sich alles in größter Eile, um das in Vollzug zu bringen, was er angeordnet hatte. Er selbst aber bestieg mit der Jahra ein kleineres Schiff und fuhr Mir entgegen; und als er und die Jahra Mich von noch einiger Ferne ersahen und an Meiner Seite die ihnen schon bekannte Mutter Maria, den Raphael, Kisjona, Philopold, Johannes, Petrus, Jakobus und den alten Markus, der Mich auch nach Genezareth geleitete, da hoben sie vor übergroßer Freude die Hände empor und grüßten uns mit den üblichen Zeichen auf das freundlichste. Als sie erst vollends in unsere Nähe kamen, da wollte es mit den liebfreundlichsten Begrüßungen kein Ende nehmen. Beide, Ebal und Jahra, stiegen in unser Schiff und überließen ihr Schiff ihrem Schiffer zur Rückfahrt.

22. Es ward da um vieles gefragt, und Ich Selbst erzählte dem Ebal in gedrängtester Kürze die Hauptmomente Meines Wirkens nach der Zeit, als Ich das erste Mal von Markus weiterzog, worüber er und Jahra die größte Freude äußerten.

23. Bei dieser Gelegenheit erreichten wir denn auch das Ufer von Genezareth und fanden die Fischer noch in der vollsten Beschäftigung, ihre Fische in die Fischbehälter zu schaffen.

24. Hier erst sagte Ebal zu Mir: „O Herr, vergib es mir, daß ich ob meiner wahren Freudetrunkenheit beinahe gänzlich vergessen habe, Dir für das große Geschenk der Fische, an denen ich schon einen großen Mangel litt, alsogleich offen und laut zu danken!“

25. Sagte Ich: „Lasse du, Freund Ebal, das nur gut sein; denn du weißt es ja, auf was Ich beim Menschen schaue und horche, und eines andern und weitern bedarf es zwischen uns nicht! Darum sei du nur ganz heitern Mutes, und bleibe fortan so, wie du bis jetzt warst, und du wirst dich auch fortan Meiner Liebe, Gnade und Freundschaft zu erfreuen haben. Jetzt aber begeben wir uns in den neuen Saal, allwo wir noch Weiteres miteinander besprechen werden!“

6. Kapitel. Das Mahl bei Ebal.

1. Darauf verfügten wir uns in den Saal, und alle verwunderten sich über die Größe, Schönheit, Reinlichkeit und Bequemlichkeit dieses Bauwerkes, das von einem griechischen Baumeister ausgeführt ward. Wir nahmen darauf Platz am großen Tische, um den sich ganz bequem bei hundert Gäste lagern konnten, und Ebal ließ sogleich Brot und Wein in rechter Menge herbeischaffen, auf daß wir ein kleines Vormahl halten konnten, bis das eigentliche Hauptmahl bereitet wurde, das aber auch nicht lange auf sich warten ließ. Wir nahmen denn nach dem Wunsche Ebals auch sogleich etwas Brot und Wein zu uns, und es ward bald lebhaft im Saale.

2. Unsere Jahra, die abermals kaum von Meiner Seite wegzubringen war, aber besprach sich nun mit der Mutter Maria und mit Raphael. Letzteren fragte sie um manches, was sie in ihren Träumen geschaut und auch vernommen hatte, und er erklärte ihr das freundlichst. Und Maria konnte über die Weisheit Jahras nicht genug staunen und koste sie herzlich. Ebal aber, an Meiner rechten Seite sitzend, erkundigte sich nach den Namen einiger ihm fremden Jünger, die Ich ihm denn auch ansagte.

3. Als wir so in aller Freundlichkeit eine kleine Stunde Zeit zugebracht hatten, da brachten die andern Kindern und Diener auch schon das bestbereitete Mahl, und wir fingen denn auch alsbald an, dasselbe zu uns zu nehmen.

4. Als die Kinder und Diener Ebals alle Speisen auf den Tisch gebracht hatten, da kamen sie auch zu Mir hin und brachten Mir einen rechten Gruß und Dank darum, daß Ich diesem Orte abermals die Liebe erwies, ihn persönlich zu besuchen. Und Ich legte ihnen die Hände auf und stärkte sie, wofür sie Mir abermals dankten, und wonach sie sich an ihr Geschäft begaben, – denn sie hatten diesmal viele fremde Gäste zu bedienen, die auch hier nun ihrer Gesundheit wegen sich aufhielten; denn seit Meinem ersten Hiersein war das ehedem sehr ungesunde Genezareth umgewandelt worden in einen Heilort, und ganz besonders die von Mir eigens gesegnete Wiese.

5. Als wir in einer guten Stunde Zeit das gute Mittagsmahl verzehrt hatten, da fragte Mich Ebal, was Ich am Nachmittag etwa unternehmen werde.

6. Sagte Ich: „Mein Freund, es wird sich bald eine gar tüchtige Arbeit für uns darbieten und wird uns bis in die sinkende Nacht hin vieles zu schaffen machen! Du selbst wirst Mich der beendeten Arbeit wegen nicht genug loben können. Doch für jetzt ruhen wir noch eine kleine Zeit hindurch in diesem Speisesaale; denn wir brauchen diesmal die auf uns wartende Arbeit nicht aufzusuchen, – sie wird uns nur zu bald von selbst finden!“

7. Nach dem ruhten wir alle am Tische noch so eine halbe Stunde lang, und die Jünger befragten sich untereinander, was es etwa wieder sein werde, das der Herr Selbst eine tüchtige Arbeit bis in die sinkende Nacht hin nenne. Einige meinten, es werde wahrscheinlich wieder eine ärgerliche Pharisäergeschichte zum Vorschein kommen, oder es lauern etwa schon wieder irgend neu ausgesandte Herodianer auf Ihn oder auf die Jünger des Johannes, die dem geilen Fuchs auch ein Dorn im Auge sein sollen.

8. Als die Jünger noch also fort untereinander berieten über das Wesen und Worin- Bestehen der von Mir angekündigten tüchtigen Arbeit, da trat ein sehr verlegen aussehender Diener eiligst in den Saal.

9. Und Ebal, dem des ihm nur zu wohlbekannten Dieners verlegenes Gesicht gleich auffiel, stand schnell auf, ging zum Diener hin und sagte: „Benjamin, mein alter treuer Diener, was bringst du für üble Kunde mir? Denn aus deinen unsteten Augen lese ich nichts Gutes!“

10. Sagte der Diener: „Ebal, du mein Gebieter und Herr, es ist, was mich deucht, zwar eben nicht etwas Arges im Anzuge; aber gerade angenehm wird die Sache weder für dich noch für die anwesenden Gäste sein. Du kennst ja den neuen römischen Hauptmann, der erst vor etlichen Wochen etwa aus der Gegend um Bethlehem hierher versetzt worden ist. Er ist hier sonach ein neuer Besen und will denn auch zur Vergrößerung seines Ansehens auch über alle die Maßen rein kehren. Dieser hat durch seine allsehenden Kundschafter und feinschmeckenden Wachen von der Ankunft dieser hohen Gesellschaft vernommen und ist der Ansicht, es hätte ihm gleich bei der Ankunft dieser Gesellschaft gemeldet werden sollen, wer alles da angekommen sei, woher, warum und wohin man sich dann weiter bewegen werde, und ob sich darüber ein jeder für sich oder einer für alle legitimieren könne.

11. Nun, diese Meldung ist bei dieser Gelegenheit sicher ob der großen und allgemeinen Freude über die Ankunft des Heilandes, die wir alle schon lange sehnlichst gewünscht haben, unterblieben, und darum sind bei dem stolzen Römer nun schon gleich alle seine Teufel losgeworden. Er wartet draußen auf dich und will mit dir reden.“

12. Als Ebal dieses aus dem Munde des alten Dieners Benjamin vernommen hatte, da ward er ordentlich unwillig und sagte: „Nein, es ist aber in dieser Welt das doch sonderbar, daß es selbst für den ehrlichsten und gottergebensten Menschen nie einen ganz seligen Tag geben kann, an dem nicht so ein recht arger Weltdämon einem sein ohnehin mit allerlei Sorgen behaftetes Leben vergällen möchte!“

13. Sagte Ich: „Mein Freund, laß darob fahren deinen Ärger! Wäre diese Welt nicht von Gott zu einer Lebensprobestätte bestimmt, in welcher ein jeder Mensch sich gleichfort bis zu seiner vollen geistigen Wiedergeburt in aller Geduld, Sanftmut, Demut und Liebe zu üben hat auf dem Wege der äußersten Selbstverleugnung, so wäre Ich Selbst nicht zu euch gekommen, um euch in allem mit dem besten und lebenswahrsten Beispiel voranzugehen. Wollen die Menschen dieser Erde Kinder Gottes derart werden für ewig, wie du dir hier an Raphael, den du wohl kennst, ein Beispiel nehmen kannst, so müssen sie sich auch die Mittel, die von Gott verordnet sind zur Erreichung des höchsten Lebenszweckes, in dieser nur kurz dauernden Probelebenszeit in aller Geduld und Ergebung in den Willen des allweisesten Vaters gefallen lassen.

14. Gehe denn nur hinaus und verhandle mit dem römischen Hauptmanne, auf daß du der erste bist, der sich von der tüchtigen Arbeit überzeugt, die uns heute bis in die sinkende Nacht bevorsteht!“

15. Sagte Ebal: „In Deinem Namen, o Herr und Meister; ich werde es ja gleich erfahren, was da alles herauskommen wird!“

16. Hierauf begab er sich eiligst hinaus zum Hauptmanne, der schon in der höchsten römischen Ungeduld mit mehreren seiner Untergebenen auf ihn harrte.

7. Kapitel. Die Störung des Mahles durch den römischen Hauptmann und seine Krieger.

1. Als Ebal vor dem Hauptmanne stand, da herrschte dieser ihn gleich mit zornglühenden Augen folgendermaßen an (der Hauptmann): „Ist das bei dir die Art und Weise, wie meine Gebote hier beachtet werden, und weißt du noch nicht, welche Folgen den Nichtbeachter der Gesetze Roms zu treffen haben?! Warum hast du es diesmal unterlassen, mir von der Ankunft einer bedeutenden Anzahl Fremder alsogleich Anzeige zu machen, auf daß ich durch diese meine Diener mich hätte überzeugen können, ob die Angekommenen hier auf eine bestimmte Zeit Aufnahme finden können und dürfen oder nicht?“

2. Sagte hierauf Ebal: „Gestrenger Herr und Gebieter, seit du hier deine Gesetze mit aller von uns Bewohnern dieser Stadt ungewohnten Strenge ausübst, habe ich wegen einer Nichtbeachtung deines Willens von dir noch nie eine Rüge bekommen, und ich habe auch diesmal nicht aus irgendeinem Widerwillen gegen deine stets härter zu ertragenden Anordnungen die von dir verlangte alsogleiche Anzeige der Ankunft nicht irgend von fremden Gästen, sondern von meinen altbekannten und ehrlichst besten Freunden unterlassen, sondern nur infolge meiner höchsten Freude über ihre Ankunft rein vergessen, meiner mir nun wohlbewußten Pflicht nachzukommen, und ich glaube, an dich keine Fehlbitte zu richten, so ich für dies alleinige Mal um eine gnädige Nachsicht dich anflehe.“

3. Sagte der Hauptmann: „Das Gesetz kennt da keine Rück- und Nachsicht! Du hast mein Gesetz, ob infolge einer Vergessenheit oder infolge eines Widerwillens gegen dasselbe – was bei mir eins ist –, übertreten und bist sohin denn auch unnachsichtlich strafbar. Die Strafe nur will ich pur in Berücksichtigung dessen, weil du ein erster und angesehenster Bürger dieser Stadt bist, in keine Körper- aber in eine bedeutende Geldstrafe umwandeln; und solltest du meinem gerechten Verlangen nicht nachkommen, so lasse ich dir deine Kinder als Geiseln gefangennehmen, und du wirst so lange nicht zu ihrem Besitze kommen, bis du mir die verlangte Summe bis auf den letzten Stater wirst bezahlt haben! Die Strafe aber beträgt tausend Pfunde Goldes und zehntausend Pfunde Silbers und ist binnen dreier Stunden an mich zu bezahlen! Du weißt nun, was du für dich zu tun hast, und ich bin mit dir zu Ende. Und jetzt geht meine Amtshandlung an deine angekommenen Freunde über, und so führe mich nun alsogleich in deinen neuen Saal!“

4. Ebal ward über die rücksichtslose und allerungebührlichste Strafe in Geld, dessen er bei weitem nicht in der geforderten Menge besaß, ganz kleinmütig, vertraute aber dabei gleich lebendigst auf Mich, und daß Ich ihm auch sicher helfen würde, und führte in solchem Vertrauen den Hauptmann und seine finsteren Helfershelfer denn auch sogleich zu uns in den Saal, welchen eben der Hauptmann auch von außen mit seinen Soldaten wohl besetzen ließ.

5. Wir waren noch voll heitern Mutes am großen Tische, als der Römer mit einer wahrhaft zornglühenden Herrschermiene in den Saal mit großer Barschheit und Arroganz hereintrat und sogleich mit Heftigkeit die Frage an uns stellte: „Ist ein jeder von euch für sich oder einer Herr für alle, wie das oft bei Reisenden vorkommt?“

6. Sagte Ich: „Ich bin für alle ein wahrer und alleiniger Herr! Was willst du von uns noch ein Weiteres über deine ausgesprochene unmenschliche und in keinem römischen Gesetz begründete Geldstrafe für unseren biedersten Freund Ebal? Willst du etwa auch uns mit derlei Strafen belegen?“

7. Sagte der Hauptmann: „Die, über die du Herr bist, sind straffrei; du aber, der du vor mir wenig Achtung zu haben scheinst, weil du über meine Strafbemessung ein böses Urteil aussprachst, wirst mir in drei Stunden dieselbe Summe erlegen, die du für deinen Freund Ebal als für zu unmenschlich und in keinem römischen Gesetz begründet gefunden hast! Ich werde euch Juden die Gesetze Roms schon als wohlbegründet zeigen und sehr begreiflich machen! Ich habe geredet, und ihr wisset, was ihr zu tun habt!“

8. Sagte Ich: „Was aber dann, so wir deinem allerungerechtesten Verlangen erstens nicht nachkommen können und zweitens auch nicht nachkommen werden? Denn wo steht es geschrieben, daß ein römischer Hauptmann das unbedingte Recht habe, in Freundesland also Erpressungen zu machen wie in den Ländern der Feinde?

9. Zeige Mir deine Vollmacht als vom Kaiser selbst ausgehend oder von seinem Oberstatthalter Cyrenius! Hast du solch eine Vollmacht nicht, dann wirst du es mit Einem zu tun bekommen, der eine allerhöchste Vollmacht in Sich vor deinen Augen birgt; und hätte Ich diese nicht, da würde Ich nicht also mit dir reden!

10. Du bist zwar hier nun ein stolzer, harter und beinahe nicht mehr erträglicher Gebieter; aber darum sind doch andere über dich, bei denen die von dir zu unmenschlich Bedrückten sicher mehr Gerechtigkeit finden werden denn bei dir. Darum weise Mir deine Instruktionen entweder vom Kaiser selbst oder vom Oberstatthalter vor, sonst werde Ich dir Meine Vollmacht vorweisen!“

11. Diese Meine ernsten Worte machten den Hauptmann stutzen, und er sagte nach einer kleinen Weile Nachdenkens (der Hauptmann): „Eine geschriebene Vollmacht habe ich nicht, weil sie in meiner Stellung kein römischer Hauptmann vonnöten hat; ein jeder aber steht unter dem Eid der Treue für den Kaiser und für das ausschließliche Wohl Roms. So ich diese zwei Punkte durch mein Handeln im Auge behalte, kann mich niemand wegen meiner Strenge zu irgendeiner Verantwortung ziehen! Wo hast denn hernach du deine allerhöchste Vollmacht?“

12. Sagte Ich: „Verlange du sie nicht vor der Zeit kennenzulernen!“

13. Sagte der Hauptmann: „Meinst du denn, ein Römer ist ein furchtsamer Hase, der gleich vor einem schlauen jüdischen Fuchs die Flucht ergreift? O nein, ein Römer ist wie ein Löwe, der auf alle Tiere ohne Scheu und Furcht seine Jagd macht!“

14. Hierauf gab er einem seiner Diener einen Wink, und dieser öffnete die Tür, durch die alsbald bei dreißig bis an die Zähne bewaffnete Krieger eindrangen.

15. Als diese unseren Tisch in einer gewissen Ordnung umringten, da sagte der Hauptmann mit einer sehr herrischen Stimme: „Siehe, du höchst bevollmächtigter Jude, das ist meine effektive Vollmacht, die euch so lange gefangenhalten wird, bis ihr meiner Forderung Genüge leisten werdet! Kennst du diese Vollmacht?“

16. Sagte Ich: „Ja, Mein stolzer und bis jetzt noch sehr blinder Römer samt deinen Helfershelfern und Kriegern, diese deine Vollmacht kenne Ich schon seit gar lange her; aber sie wird dir für diesmal nichts nützen! Denn weil du Mir nun die volle Schärfe deiner Zähne gezeigt hast, so werde auch Ich dir – aber nur so ein Sonnenstäubchen groß von Meiner Allvollmacht zeigen, und es wird dir daraus vollends klar werden, daß nicht du Mein, sondern nur Ich für immerhin dein Herr sein und bleiben werde!

17. Siehe, dieses Saales Raum ist hoch und weit, sieben Manneslängen erreichen kaum die Decke, bei zwanzig ist er lang und bei zwölf breit! Ich will aber nun, daß ihr von Meiner inneren Allvollmacht samt euren scharfen Waffen über die halbe Höhe des Saales frei in der Luft schweben sollet, und wir wollen dann sehen, was euch eure scharfe und löwenartige Vollmacht nützen wird; und bis du von deiner ungerechtesten Forderung an Ebal und Mich nicht völlig abstehen wirst, wird dein Fuß keinen festen Boden berühren! Es geschehe, da nun Ich geredet habe!“

8. Kapitel. Ein Wunder Jesu ernüchtert die Römer.

1. Als Ich solches ausgesprochen hatte, da schwebten schon alle in der vorbestimmten Höhe in der Luft des Saales, und da allda jeder allen festen Stützpunkt verlor und mit dem auch das Gleichgewicht, so hingen bald die meisten wegen ihrer heftigen Sträubebewegung kopfüber in der Luft, und ein durch des Saales hohe Fenster durchstreichender Wind in wirbelnder Art trieb sie von einer Wand des Saales zur andern, und keiner konnte dem andern nur die geringste Hilfe leisten. Etliche versuchten, ihre Waffen nach uns herabzuwerfen; aber auch diese blieben in der Luft hängen.

2. Als sich der Hauptmann beinahe eine halbe Stunde lang samt seinen Helfern in dieser für ihn unerhörten Stellung befunden hatte, da fragte Ich ihn, sagend: „Was hältst du nun von Meiner Allvollmacht? Findest du nicht, daß der Löwe Judas mächtiger ist als deine scharfe römische Vollmacht, die du auch einen Löwen nanntest, der auf alle Tiere Jagd mache und nicht einem Hasen gleich vor einem schlauen Judenfuchs die Flucht ergreife?“

3. Darauf schrie der Hauptmann auf Mich aus der Luft herab: „Ich bitte dich, du Haupt aller Magier oder du als ein Halb- oder Ganzgott, befreie uns aus dieser höchst unerträglichen Lage, und ich will von der ausgesprochenen Strafe ganz abgehen; denn ich sehe nun nur zu klar ein, daß alle Macht selbst des größten Reiches der Erde keinen Wettkampf mit dir eingehen kann! Befreie mich aus dieser höchst jämmerlichen Lage, und ich werde mich nebst dem vollen Nachlasse meiner euch diktierten Strafe um euch weiter auch nicht im geringsten mehr kümmern, von dieser Sache schweigen wie eine ägyptische Pyramide, und ihr könnet in dieser Stadt verweilen, solange ihr wollt, und ich werde niemanden von euch nötigen, diesen Ort zu verlassen!“

4. Sagte Ich: „Höre, Ich durchschaue dein Herz und sehe, daß es dir mit deinen Versprechungen noch nicht vollkommen ernst ist; aber da Ich Meine Macht sicher besser kenne als du die deinige, so will Ich denn auch deine Bitte erhören, und es soll dir wieder der Boden der Erde zu einem festen Stützpunkte werden!“

5. Als Ich solches ausgesprochen hatte, erhielten alle eine aufrechtstehende Stellung in der Luft und sanken dann ganz gemächlich wieder auf den Boden der Erde, der hier auch den Boden des Saales bildete, herab.

6. Als sie wieder festen Fußes waren, da entließ der Hauptmann sogleich seine Kriegsknechte und gab auch den den Saal von außen umgebenden Wachen den Befehl, sich in ihre Wohnhütten und Schanzlagerstätten zu begeben, was denn auch alsogleich geschah; er aber blieb mit zwei seiner ersten Unterführer bei uns im Saale, setzte sich an einen kleinen Nebentisch und ließ sich Brot und Wein geben, und sagte nun zu Ebal (der Hauptmann): „Das kannst du und jener Allmächtige für den vollen Nachlaß uns schon gewähren! Hättest du mir draußen von der Macht dieses sonderbarsten Menschen etwas gesagt, so hätte ich auch sicher menschlichere Forderungen an dich gestellt! Wer hätte es aber auch nur ahnen können, daß sich unter diesen deinen sein sollenden alten Freunden ein den Göttern ähnlich allmächtiger Magier befindet?

7. Bei uns Römern gilt das ja für etwas, das inmitten eines heftigsten Kampfes sich als ein Wink der Götter darstellt, und wo der Kampf ein völliges Ende nimmt.

8. Ich habe in der Luft deines Saales viel Angst ausgestanden, weshalb ich ordentlich schwach geworden bin, und so will ich mich denn nun auch hier wieder stärken; zweitens aber möchte ich mit dem Wundermanne nun im guten und vollen Ernste zu keines Menschen Schaden eine nähere Bekanntschaft machen, deren er mich wohl etwa würdigen wird, da ich ihm nirgends mehr bedrohlich in den Weg treten werde. Und darum lasse du mir und auch meinen beiden Dienern nun einen besten Wein bringen und etwas Brot und Salz!“

9. Ebal ließ das sogleich geschehen, und die drei wurden sogleich bestens versorgt und aßen und tranken. Als sie sich aber von ihrer Angst und Furcht vor Mir beim Weine ein wenig erholt hatten, da fingen sie denn auch lauter und mutiger an zu reden, und der Hauptmann wollte sich schon mehrere Male von seinem Stuhl erheben und zu Mir gehen, um sich mit Mir in ein Gespräch einzulassen; aber seine beiden Diener widerrieten ihm das, indem es nicht rätlich wäre, sich mit den Hauptmagiern eher in ein Gespräch einzulassen, als bis diese es irgend selbst wünschten. Und so blieb der Hauptmann noch ruhig und ließ sich noch mehr Wein bringen.

9. Kapitel. Über die Auferstehung des Fleisches.

1. Da es bei dieser Gelegenheit aber schon gegen die Neige des Tages zu gehen anfing und wir schon lange Zeit unter allerlei nützlichen Besprechungen beim Tische zugebracht hatten, so fragten Mich die Jünger, ob es nicht gut wäre, auf eine Zeitlang ins Freie zu gehen.

2. Sagte Ich: „Für heute ist die Arbeit, die noch in ihrem schwierigsten Teile unser harrt, wichtiger als die Freie, die hier in Genezareth nicht viel Anmutiges bietet. Wer von euch aber ins Freie gehen will, dem steht es frei; Ich aber bleibe hier.“

3. Als Ich Mich so geäußert hatte, da sagten die Jünger: „Herr, wo Du bleibst, da bleiben auch wir! Denn nur bei Dir ist es allzeit gut; ohne Dich ist allenthalben Gericht, Verderben und der starre Tod.“

4. Sagte Ich: „Also bleibet denn, wo das Gottesreich und sein ewiges Geistleben waltet; denn Ich Selbst bin die Wahrheit, das Gottesreich, die Auferstehung und das ewige Leben. Wer an Mich glaubt, der wird das ewige Leben überkommen, da Ich ihn auferwecken werde am jüngsten Tage. Wer in Mir bleibt im Glauben und in der Liebe, in dem bleibe auch Ich; in wem aber Ich bleibe, der hat schon in sich das ewige Leben und wird den Tod niemals sehen, fühlen und schmecken. Also bleibet denn hier bei und durch eure Liebe in Mir!“

5. Hier fragte Mich Ebal, sagend: „Herr und Meister, die Juden glauben zum größten Teil an eine Auferstehung auch des Fleisches im Tale Josaphat. Diese Sache kommt mir darum denn doch ein wenig sonderbar vor! Denn erstens wird wohl nur der geringste Teil im Tale Josaphat beerdigt, und zweitens: Was wird denn dann mit jener Menschen Leiber an dem geheimnisvollen Jüngsten Tage geschehen, die von einem Tale Josaphat nie gehört haben und sonach weit woanders verstorben und zum Teil verbrannt und zum Teil vielleicht auch uns Juden gleich in die Erde verscharrt worden sind? Und endlich drittens: Was wird mit jenen am Jüngsten Tage geschehen, die das Meer und andere Gewässer verschlungen haben und oft mehrfach von den wilden Tieren aufgezehrt worden sind? Wann wird der von den Pharisäern oft so überschrecklich beschriebene Jüngste Tag nach unserer Zeitrechnung kommen?

6. Herr und Meister, Du siehst, daß diese Dinge der noch so reinen Menschenvernunft nicht eingehen können! Nur der finsterste und nie etwas denkende und prüfende Aberglaube der allergemeinsten und -niedrigsten Juden und auch der Heiden in ihrer Art kann auf solche Ungereimtheiten halten; dem Denker aber schaden sie und benehmen ihm den Glauben an eine rein göttliche Offenbarung, an die Unsterblichkeit der Seele nach dem Tode des Leibes und ebenso an eine einstige Auferstehung des Fleisches an dem gewissen Jüngsten Tage. – Was sollen wir nun davon halten?“

7. Sagte Ich: „So, wie es euch die Pharisäer lehren, gar nichts! Denn der Leib, der auf eine kurze Zeit der Seele zu einem nach außen hin handelnden Werkzeuge dient, wird weder im Tale Josaphat noch irgendwo anders auf dieser Erde als das, als was er der Seele hier auf eine kurze Zeit gedient hat, an einem gewissen Jüngsten Tage auferweckt und mit der Seele wieder vereinigt werden.

8. Was die Auferstehung des Fleisches der Wahrheit nach betrifft, so sind unter dem Fleische zu verstehen die Werke, welche die Seele mit ihrem Leibe ausgeübt hat.

9. Das Tal Josaphat bezeichnet den Zustand der inneren Seelenruhe, so ihr Handeln stets ein gerechtes war. In dieser Ruhe, die von keiner Weltliebe und Begierde und deren Leidenschaft gestört wird, und die einem völlig ruhigen Wasserspiegel zu vergleichen ist, in dem du die Abbilder der fernen und nahen Gegenden ungetrübt erschauen kannst, besteht denn auch schon der Anbeginn des wahren Jüngsten Tages der Seele, ihrer Auferweckung durch Meinen Geist in ihr und zugleich auch ihrer Auferstehung zum ewigen Leben.

10. In diesem Zustande ersieht dann die Seele schon die guten Früchte ihrer Werke und fängt an, sich ihrer stets mehr und mehr zu freuen; in diesem Erschauen besteht die wahre Auferstehung des Fleisches.

11. Es heißt ja: Ein sterblicher und vergänglicher Leib wird in die Erde gesät, und als ein unsterblicher und unvergänglicher wird er wieder auferstehen. Wenn du das auf deinen materiellen Leib beziehst, da mußt du freilich wohl in eine große Irre geraten; so du das aber auf die guten Werke der Seele, die ihr wahrer Leib sind, beziehst, so gelangst du dadurch zur Wahrheit. Denn siehe, ein jedes gute Werk, das eine Seele mit ihrem Leibe auf dieser Erde ihren Nächsten gegenüber ausgeübt hat, geht auch, wie alles auf dieser Erde, vorüber und stirbt schon nach der Tat; denn wenn du einen Hungrigen gesättigt, einen Durstigen getränkt, einen Nackten bekleidet und einen Gefangenen erlöst hast, da dauert die edle Tat nicht gleichfort, sondern dauert nur die kurze Zeit des Handelns hindurch! Darauf wird sie von dir oftmals vergessen und so auch von dem, dem du sie erwiesen hast, und ist somit zu Grabe getragen und als sterblich und vergänglich in das Erdreich der Vergessenheit gesät; aber an dem dir gezeigten wahren Jüngsten Tage der Seele wird sie als für ewig dauernd von Meinem Geiste in der Seele auferweckt, aber nicht mehr in der Form der vergänglichen irdischen Tat, sondern in der Form der ewig dauernden Frucht.

12. Wie wird aber diese dann aussehen? Siehe, die wird jenseits zur herrlichsten, mit allem best- und reichst versehenen Wohngegend für ewig der Seele werden, in der sie höchst selig von einer Vollkommenheit zur andern sich emporschwingen wird!

13. Wie demnach die Werke einer Seele hier beschaffen sein werden, so werden sie ihr dereinst als Wohngegenden dienen. Und siehe, darin besteht die wahre Auferstehung des Fleisches! Das glaube und halte; denn also und nimmerdar anders ist es!“

14. Sagte Ebal: „Ja, das klingt freilich ganz himmelweit anders, als was die blinden Pharisäer vor dem blinden Volke dahergeschwatzt haben, und damit ist auch die reine Menschenvernunft vollkommem einverstanden, und es geht ihr ein neues, großes Licht auf. Aber von dem Fleische, das der Seele hier gedient hat, wird also auch nicht ein Sonnenstäubchen groß im Jenseits, mit der Seele vereint, zu einem ewigen Leben auferstehen?“

15. Sagte Ich: „Als ein Bestandteil der durch Meinen Geist ewig lebenden Seele nicht, da sie selbst zu einem puren Geiste wird ihrem Innern nach! Aber was da betrifft den Umriß ihrer äußeren Form und besonders aber ihre Bekleidung, da werden auch die Seelenätherteile ihres diesirdischen Leibes in geistiger Reinheit mit ihr wieder vereinigt werden, doch von dem groben Organleibe auch nicht ein Atom groß; denn für diesen Leib ist das bestimmt, was für alle andere Materie der Erde bestimmt ist, die auch stets und stets also in bessere Naturgeister aufgelöst wird, so wie sie auch ursprünglich aus viel minder reinen und auf einer sehr untersten Gerichtsstufe stehenden Naturgeistern zusammengefügt wird.

16. Die schon die grobe Materie verlassenden Naturgeister können mit der Zeit auch zu Menschenseelen werden; doch ein Näheres in dieser Sphäre wirst du erst dann einsehen, so sich deine Seele in dem gewissen Tale Josaphat befinden wird. Darum nun nichts Weiteres mehr davon!

17. Der Hauptmann und seine beiden Diener haben nun wohl deine Fragen und Meine dir gemachten Erklärungen mit großer Aufmerksamkeit angehört, aber nichts von allem verstanden; daher werden sie nun bald mit ihrer Griechenweisheit uns zur Last werden, – und so wollen wir mit aller Geduld ihren Angriff auf uns ein wenig in der Ruhe abwarten!“

10. Kapitel. Die philosophischen Fragen des Hauptmanns.

1. Als Ich solches dem Ebal gesagt hatte, erhob sich auch schon der Hauptmann von seinem Stuhle und bewegte sich mit einem freundlichen Angesicht zu Mir hin. Als er sich bei Mir befand, da sagte er: „Du großer und machtvollster Meister in der geheimnisvollen Sphäre deiner Kunst und Wissenschaft, durch die du dir alle die geheimen Kräfte der Natur vollkommen untertan gemacht hast, ich habe euren Gesprächen mit gespannter Aufmerksamkeit zugehört und daraus entnommen, daß ihr alle dem jüdischen Gotteskulte angehört, der viel Gutes, aber daneben recht viel Schlechtes enthält, aus dem sich die vielen Mißbräuche eurer Priester in einem noch viel ärgeren Grade nach und nach entwickelt haben als bei uns Heiden, wie wir von euch Rechtgläubigen genannt werden.

2. Aber sei es nun, wie es da wolle, du machtvollster Meister scheinst in eurer Gotteslehre viel tiefer eingeweiht zu sein als der sonst auch recht weise Ebal?! Nur begreife ich nicht, was du damit hast sagen wollen, wo du also sprachst, als seiest du allein das Grundprinzip alles Seins, Lebens und Fortbestehens! Du seiest die Wahrheit und das ewige Leben; wer an dich glaube und dich liebe, der werde keinen Tod jemals sehen, fühlen und schmecken. Also seiest du auch derjenige, der die Seelen am Jüngsten Tage zum ewigen Leben auferwecken werde, und dergleichen noch mehreres.

3. Ist das nur so deine weise Redeweise, oder bist du selbst der Gewisse oder dasjenige geheimnisvolle Ich, der sich uns Menschen als der Grund alles Seins, Lebens und Bestehens darstellt? Ich bin in der alten Griechenweisheit kein Laie, und du könntest mit mir schon auch reden in deiner Weisheit, die ich nun näher kennenlernen möchte!“

4. Sagte Ich: „Setze dich denn an diesen Tisch mit deinen beiden Unterdienern, und wir wollen dann sehen, wie weit ihr zu bringen sein werdet!“

5. Hierauf berief der Hauptmann sogleich die beiden Unterdiener an unseren Tisch.

6. Und als diese sich bei uns befanden, da sagte Ich zum Hauptmann: „Nun rede offen, was du von Mir erfahren willst! Doch von dem, was Ich ehedem mit dem Freunde Ebal geredet habe, rede nicht; denn das faßt dein Verstand nicht!“

7. Als der Hauptmann das vernommen hatte, geriet er in eine Verlegenheit und wußte nicht, um was er Mich so ganz eigentlich hätte fragen sollen. Nach einer Weile Überlegens sagte er: „Vollmächtigster Meister, in welcher mir sicher ganz unbekannten Schule bist denn du gebildet worden?“

8. Sagte Ich: „In Meiner höchsteigenen, und das schon von Ewigkeit her; denn ehe noch ein Sein im endlosen Raume sich befand, war Ich Meinem innersten Geiste nach da und erfüllte die ewige Unendlichkeit!“

9. Als der Hauptmann das vernahm, sah er Mich groß an und sagte: „Ist dein Innerstes denn größer als dein Äußerstes? Siehe, du redest verworren! Wie sollen wir das verstehen? Was hast du damit sagen wollen?“

10. Sagte Ich: „Die volle Wahrheit; aber da in dir bis jetzt noch keine Wahrheit ist, so kannst du diese erste Wahrheit auch nicht verstehen. Höre aber, Ich will dir ein Näheres eröffnen!

11. Siehe, im Anfange alles Anfangs und vor dem Sein alles Seins war das Wort! Dies Wort war bei Gott, denn Gott Selbst war das Wort, und alles, was da ist und den endlosen Raum, von dem schon eure Weisen geredet haben, erfüllt, ist durch das Wort geschaffen worden und nichts ohne dasselbe.

12. Das ewige Wort hat nun Fleisch angenommen aus Sich und kam nun als ein Mensch zu Seinen Menschen in diese Welt, und die Seinen erkennen es nicht! Und du bist auch ein Mensch und erkennst das ewige Wort in Mir nicht, dieweil du blinden Herzens bist. – Hast du denn der Juden Propheten nicht gelesen?“

13. Sagte der Hauptmann: „Wohl habe ich sie, wie vieles andere, gelesen; aber wer kann diese verstehen? Eure Priester verstehen sie nicht; wie sollte ich als ein Römer sie verstehen? Sie schrieben ebenso unverständlich, wie du nun zu mir über dich geredet hast!

14. Ich sehe es schon, daß ich mit dir zu keiner Klarheit jemals gelangen werde, und wir fangen, so es dir genehm ist, lieber über andere Dinge zu reden an! Sage mir doch, du sonderbar vollmächtigster Meister, in welchem Lande bist du denn geboren, und welchem Volke gehörst du dem Leibe nach an!?“

15. Sagte Ich: „Siehe, – da, neben Mir sitzt Meines Leibes Gebärerin; darüber besprich dich mit ihr!“

16. Darauf wandte sich der Hauptmann an die Maria, und diese hat in einer sehr gedehnten Rede ihm alles von ihrer Empfängnis bis zu Meinem zwölften Jahre haarklein erzählt, was es mit Mir für eine stets wunderbare Bewandtnis hatte.

17. Diese Erzählung machte die drei Römer sehr stutzig, und sie wußten nun nicht, was sie so ganz eigentlich aus Mir machen sollten. Denn an ihre Götter hatten sie schon lange keinen Glauben mehr, und noch weniger an den Gott der Juden; sie lebten nach Epikur, und eine Gottheit war ihnen ein Unding. Nun aber entdeckten sie in Mir göttliche Eigenschaften, wußten aber nicht, wie sich diese mit einem nach ihrer Meinung nur auch zeitlich lebenden und bestehenden Menschen einen können.

18. Es fragte Mich darum der Hauptmann, sagend: „Großer Herr und Meister! Sage mir nun, ob du dem Leibe nach auch sterben oder gleich ewig fortleben wirst?“

19. Sagte Ich: „Nur noch eine kurze Zeit, – dann aber werde Ich, wie Ich nun da bin, wieder dorthin zurückkehren, von wannen Ich gekommen bin, und die Meinen werden für ewig bei Mir sein.“

20. Sagte der Hauptmann: „Wer sind denn die, welche du die Deinen nennst, und wo ist der Ort, dahin du schon in kurzer Zeit zurückkehren wirst?“

21. Sagte Ich: „Die Meinen sind, die an Mich glauben, Mich lieben und Meine Gebote halten; der Ort aber ist nicht einer, wie da sind die Orte auf dieser Erde, sondern er ist das Reich Gottes, das nun von Mir gegründet wird unter den Menschen und in der Menschen Herzen.

22. In dieses Reich des wahren, ewigen Lebens aber gelangt man nicht auf den breiten Heerstraßen dieser Welt, sondern auf einem ganz schmalen Pfade nur, und dieser heißt Demut, Geduld, Selbstverleugnung in allen Reizungen, die von dieser Welt ausgehen, und eine volle Ergebung in den Willen des einen, allein wahren Gottes.“

23. Sagte der Hauptmann: „Wo kann man denn erfahren, was Gott will, und wie lauten denn deine Gebote, die die Deinen zu halten haben?“

24. Sagte Ich: „Mein Wille ist Gottes Wille, und Meine Gebote sind Gottes Gebote. Wer Meinen Willen tut und also Meine Gebote hält, der wandelt auf dem rechten Wege ins Reich Gottes! Tue du desgleichen, so wirst auch du wandeln auf dem rechten Wege ins Reich Gottes!“

25. Hierauf erhob sich der Hauptmann vom Stuhl und ging zu einem Meiner Jünger und fragte ihn, was er von Mir halte.

26. Dieser aber sagte: „Wir alle halten das von Ihm, was Er dir Selbst sagte! Er ist der Herr, und wir sind Seine Jünger. In Ihm wohnt die Fülle Gottes; außer Ihm gibt es keinen Gott!“

27. Bei diesen Worten verließ der Hauptmann den Jünger und begab sich wieder zu Mir.

11. Kapitel. Des Hauptmanns Bedenken gegen die Göttlichkeit Jesu.

1. Hier setzte sich der Hauptmann wieder auf seinen Stuhl und fragte in römischer Zunge seine beiden Unterdiener, was denn sie nach allem dem, was sie vernommen hätten, über Mich für einer Meinung wären.

2. Sagte einer: „Da ist für uns schwer, ein Urteil zu fällen! Von der sonderbaren Macht seines Willens haben wir da oben in der Luft die Erfahrung gemacht, und wir bedürfen keines andern Beweises, daß in diesem Manne eine göttliche Kraft wohnen muß, ansonst er uns sicher nicht ohne alle sichtbaren Mittel hätte in die Luft erheben und dann in derselben halten können. Wir sind aber alle schon zu sehr von dem Glauben an ein allmächtiges Gottwesen abgekommen, da es sich mit unsern Göttern als eine nur zu handgreifliche Nullität vor jedes denkenden Menschen Sinnen und Verstand erweist; und nun sind wir auf einmal an einen reellen Gott in der Gestalt eines Menschen gestoßen und wissen nun nicht, was wir von ihm halten sollen. Ich aber meine: Das läßt sich nicht so mit einem Schlag begreifen.

3. Wir aber haben von diesem Manne schon in Bethlehem und auch um Jerusalem vieles vernommen und haben uns gedacht, daß er entweder selbst ein Gott sein könne oder ein selten großer Magier, wie solche etwa aus der Schule der Essäer hervorgehen. Aber das, was wir hier nun selbst erfahren haben, geht sehr weit über unsere früheren Mutmaßungen. Da hört alle Magie auf, und eine ersichtlich göttliche Kraft und Allmacht tritt da unaufhaltsam an ihre Stelle!

4. Dazu kommt erstens die treue Erzählung seiner Mutter über seinen leiblichen Eintritt in diese Welt und sein Leben, und daß er nie in irgendeiner Schule etwas zu erlernen nötig hatte, da er schon mit der höchsten Weisheit ausgerüstet in diese Welt gekommen sei, und zweitens, was er nun von sich selbst aussagte, – und ich für mich kann nun wahrlich nicht umhin, ihn im vollen Ernste für das zu halten, als was er sich selbst vor uns, wennschon in einer für uns Römer nicht verständlichen Weise, darstellte, und was auch jener Mann, mit dem du ehedem sprachst, von ihm aussagte. Das ist so meine Meinung, und ich glaube, daß ich mich nicht werde geirrt haben.“

5. Sagte der Hauptmann: „Ich will dir im ganzen nicht völlig unrecht geben; aber einige gewichtige Bedenken habe ich dagegen doch im Hintergrunde; löst der Mann mir diese, dann will ich auch deiner Meinung werden und bleiben.“

6. Hierauf wandte sich der Hauptmann wieder an Mich und sagte: „Großer Herr und Meister, ich bin nun beinahe daran, Dich für das anzunehmen, als was Dich alle diese Deinen angenommen haben; aber es liegen dagegen dennoch einige bedeutende Bedenken in mir. Sind diese gelöst, so bin auch ich gewonnen.

7. Diese meine Bedenken aber bestehen darin: In Dir wohnt also im Ernste die Fülle eines allein wahren Gottes!? Wenn also, – warum ließest Du denn die zahllos vielen Menschen so lange auf Dich warten?

8. Du sagst, daß nur die gewissen Deinen, die an Dich glauben, Dich lieben und Deine Gebote halten, das ewige Leben in Deinem Gottesreiche überkommen werden. Wenn also, und wenn durch die Macht Deines ewigen Wortes das alles, was da ist, erschaffen wurde und sicher auch alle Menschen, die jemals leider lebten, ohne Dich zu kennen – was nicht ihre Schuld sein konnte –, was wird dann mit jenen Menschen sein, die Dich nie haben erkennen können? Wie wird es mit ihrem ewigen Seelenleben in Deinem Gottesreiche aussehen? Denn sie konnten an Dich nicht glauben, Dich nicht lieben und auch Deine Gebote nicht halten, weil sie von Dir keine Kunde haben erhalten können.

9. Siehe, das sind meine wohlbegründeten Bedenken! Wolle sie mir lösen, und ich will dann auch fest an Dich glauben, Dich lieben mehr denn einer der Deinen und Deine Gebote halten; denn ich bin ein echter Römer und kein Grieche, dessen Treue keine Haltbarkeit hat! Aber ich bin auch ein Mensch, der nicht so leicht etwas annimmt und glaubt, das nicht als eine diamantfeste Wahrheit mir durch unumstößliche Beweise erwiesen wird. Löse mir sonach meine Zweifel!“

12. Kapitel. Jesu fortwährende Bemühungen um die Menschen.

1. Sagte Ich: „Freund, du hast wohl so manches durch das Lesen der griechischen Weltweisen dir zu eigen gemacht, doch hinter die Bücher der alten Ägypter bist du niemals gekommen, und von der Schrift der Juden von Moses an hast du ganz flüchtig nur Bruchstücke gelesen und auch diese nie verstanden!

2. Siehe, Der nun in Mir mit dir spricht, der sprach auch schon also mit dem ersten Menschenpaare dieser Erde und gab ihm ganz dieselben Gebote, die Ich euch des einen, wahren Gottes und Herrn ganz vergessen habenden Menschen nun wieder gebe; aber die mit einem vollkommen freien Willen begabten Menschen ließen sich nur zu leicht und zu bald von der Welt und ihrem verlockenden Geiste blenden, flohen Gott und taten nach ihren Gelüsten. Dadurch verfinsterten sie ihre Seelen und verstockten ihre Herzen.

3. Ich sandte allzeit Boten aus den Himmeln, daß sie belehrten die verblendeten Menschen; nur wenige achteten ihrer, die große Menge wollte nichts von ihnen hören und wissen.

4. Ich erweckte von Zeit zu Zeit mit Meinem Geiste Männer und Jünglinge, die das Volk belehrten und sie zur alten Wahrheit zurückzuführen sich alle Mühe gaben. Nur wenige hörten sie an, und noch wenigere kehrten sich danach; die große Menge aber verfolgte sie, quälte sie und tötete sie sogar.

5. Ich unterließ es auch nicht, ein zu entartetes Volk mit großen und kleinen Züchtigungen und Gerichten heimzusuchen. Diese besserten aber auch nur wenige auf eine Zeitlang; nur zu bald trat wieder der arge Weltgeist an Meine Stelle.

6. Als zur Zeit Mosis dem israelitischen Volke auf Sinai in der Wüste von Mir unter Blitz, Donner und Feuer wieder von neuem Gesetze gegeben wurden, da horchte es anfangs wohl unter Furcht und Zittern auf Meine weithin wohlvernehmbaren Worte, – als aber die Verkündigung eine längere Zeit hindurch währte, da wurde das Volk zum Teil daran gewöhnt und machte sich nicht mehr viel daraus. Zu einem andern Teile aber ward es des anhaltenden Belehrens überdrüssig und bat Mich, daß Ich fürs ganze Volk nur Moses allein Meinen Willen offenbaren solle, – es werde ihn dann schon von ihm vernehmen und befolgen; das Volk aber wolle sich unterdessen von dem Berge Sinai, weil es allda zu furchtbar zugehe, entfernen und in einem weit davon gelegenen Tale seine Wohnhütten aufrichten.

7. Es ward das dem Volke nach längerem Flehen gewährt; aber es währte gar nicht lange, als das Volk Meiner und der großen Szenen am Berge Sinai völlig zu vergessen begann, sich aus dem vielen, aus Ägypten mitgenommenen Golde ein Kalb goß, dann um dasselbe tanzte und ihm göttliche Verehrung erwies.

8. Ich zeigte solches Moses an, entsandte ihn zum Meiner gar nicht mehr gedenkenden Volke und ließ es gewaltig züchtigen in der Art, wie das Moses darauf genau beschrieben hat.

9. Dann kehrte das Volk wohl wieder zu Mir zurück; aber es gab unter ihm stets viele, die sich von allerlei argen Weltgelüsten verleiten ließen, ein und das andere Meiner Gebote zu übertreten und also gegen Meine Anordnungen zu sündigen.

10. Es mußten von Moses zeitliche Strafen auf die Übertretung Meiner Gebote und Anordnungen festgesetzt werden, um das Volk in der Ordnung zu erhalten.

11. Als das Volk später aus der Wüste in das Gelobte Land geführt wurde und dasselbe wie aus Meiner Hand in Besitz nahm, da ward es durch weise Richter, die mit Mir in stetem Verbande und Verkehr standen, also nahe völlig von Mir Selbst durch eine geraume Zeit hin regiert und ward unter Meiner persönlichen Regierung groß und mächtig, und sein Wohlstand war größer denn der jedes andern Volkes in der Welt.

12. Da ward es übermütig und sah auf den Glanz der andern Völker, die von einem Weltkönige tyrannisch beherrscht wurden. Der eitle Weltglanz verblendete es, – es wollte auch glänzen, ward mit Meiner Regierung unzufrieden und verlangte durch den mit Meinem Geiste erfüllten Richter Samuel einen Weltkönig, und es beging so die größte und gröbste aller Sünden.

13. Und so fiel es dann stets tiefer, obschon Ich es nie unterlassen habe, es stets durch erweckte und von Meinem Geiste erfüllte Propheten zur Besserung und zur Buße zu ermahnen und ihm die Folgen zu verkünden, die es durch seine Verstocktheit zu gewärtigen haben werde; und also handelte Ich bis jetzt mit diesem Volke und kam nun Selbst, mit Fleisch angetan.

14. Sieh aber nun die übergroße Anzahl der Juden an, die, statt Mich anzunehmen und an Mich zu glauben – da Ich doch überall Mich als Den, der Ich sicher bin, durch nie erhörte Wundertaten und Zeichen über jeden Zweifel hinaus bemerkbar mache –, Mich hassen, verfolgen, zu ergreifen und diesen Meinen Leib zu töten trachten!

15. Wenn aber für die geistige Bildung der Menschen stets ohne Unterlaß von Mir aus zu allen Zeiten und überall also gesorgt wurde, wie Ich es dir nun in aller Kürze gezeigt habe, – wie magst du als ein mit vieler Vernunft wohlversehener Römer Mich fragen, warum Ich erst jetzt zu euch Menschen kam, um das Reich Gottes, welches da ist ein Reich des ewigen Lebens, bei euch nur wenigen zu gründen!?

16. Wandere hin in alle Länder, die dir bekannt sind und deren Bewohner irgend vermöge ihres Herzens nur einigermaßen fähig sind, Meine Lehre anzunehmen, und erkundige dich, ob sie sogar in dieser Zeit ohne Kunde von Meinem Hiersein und Wirken sind!

17. In vielen dir noch unbekannten Ländern und Reichen aber haben die besseren Menschen innere Gesichte von dem, was nun hier ist und geschieht. Nur irgend in den verborgensten Winkeln der Erde ganz verwildert lebende, wahre Tiermenschen können keine Kunde von Mir erhalten, weil sie für deren Aufnahme noch lange nicht fähig sind; doch mit der Zeit soll auch für sie gesorgt werden.

18. Und so siehst du aus dem, daß deine an Mich gestellte Frage eine ganz eitle war. Willst du Mich aber noch weiter fragen, da frage Mich um bessere Dinge, die dir mehr nützen werden denn das, um was du Mich nun gefragt hast!“

13. Kapitel. Der Hauptmann bittet um Aufklärung über das Wesen der Erde.

1. Als der Hauptmann solches von Mir vernommen hatte, da ward er sehr nachdenklich und desgleichen auch seine beiden Unterdiener, und es dauerte nun eine Weile, bis jemand am ganzen Tische auch nur ein Wort mit seinem Nachbar zu verkehren begann. Ich Selbst schwieg auch; doch aller Augen und Ohren waren auf Mich gerichtet.

2. Endlich unterbrach ein starker Windstoß das Schweigen, und der Hauptmann fragte hastig den Ebal, was das gewesen sei; denn es sei ihm vorgekommen, als hätte es gedonnert. Seine Gefährten wollten auch einen Donner vernommen haben.

3. Sagte Ebal: „Hier am Meere und besonders in dieser Bucht gehören in dieser Zeit derlei Erscheinungen zu den seltenen nicht; doch dieser plötzlich entstandene, einem Donner ähnliche Windstoß dürfte infolge der allerhöchsten Anwesenheit des Herrn über alle Dinge im Himmel und auf Erden etwas Höheres zu bedeuten haben! Was aber, das wird eben Er wohl am allerbesten wissen; ich kann dir darüber keinen weiteren Aufschluß geben.“

4. Als Ebal solches zu dem Hauptmanne geredet hatte, da wandte sich der Hauptmann gleich wieder, nun ganz voll echt römischen Soldatenmutes, an Mich und sagte: „Höchster Herr und Meister, ich habe Deiner Rede entnommen, daß in Dir wahrlichst der höchste Geist der einzig und allein wahren Gottheit wohnt! Ohne Deinen Willen kann weder im Himmel noch auf dieser Erde etwas geschehen, entstehen, wirken, bestehen und vergehen; und so da etwas geschieht, entsteht, wirkt und besteht, so wird Dir auch in Deinem ewigen Geiste von Ewigkeit der Grund und die Ursache wohlbekannt sein, nach der Du Deine weiseste Absicht realisiert haben willst. Dir wird denn sicher auch dieser Windstoß nichts Fremdes und Unbekanntes sein! Wie ist denn der entstanden, und zu welchem Zweck?“

5. Sagte Ich: „Ja, Mein Freund, da wird es noch eine geraume Zeit hergehen, bis du einsehen wirst, von wannen der Wind kommt, wie er entsteht und zu welchem Zweck; denn solange deine Vorstellungen von der Gestalt und von dem Wesen der Erde grundirrig sind, wirst du wohl niemals verstehen können, wie der Wind entsteht, von wannen er kommt, wohin er zieht und warum er entstanden ist.

6. Du mußt sonach zuvor den Grund und Boden, der dich trägt, genau kennen; dann erst kannst du auch fragen nach dem Grund der Erscheinungen auf dieser Erde.“

7. Sagte der Hauptmann: „Herr und Meister! Wer sollte und könnte mir denn nun außer Dir die wahre Gestalt der Erde enthüllen? Welche Begriffe wir von dieser unserer Erde haben, weißt Du ohnehin; aber ich habe auch mit vielen eurer Schriftgelehrten über das Wesen dieser unserer Erde gesprochen und bekam keine bessere Kunde, im Gegenteil eine noch um vieles unklarere und verworrenere.

8. Ich habe auch mit den alles wissenden und vermögenden Essäern über das Wesen der Erde, des Mondes, der Sonne und der Sterne gesprochen, bekam aber eine um kein Haar bessere Aufklärung über alles das, als die ich zuvor hatte.

9. Du kannst mir sicher die beste Aufklärung über diese Erde, über den Mond, über die Sonne und auch über die Sterne geben! Ich und meine beiden Gefährten bitten Dich darum! Denn das habe ich schon lange eingesehen, daß unsere Ansicht und unsere alten, uns eingeprägten Begriffe von der Erde, wie von den Gestirnen am Himmel nicht die richtigen sein können, weil sich die mit ihnen im Zusammenhang stehenden Erscheinungen durchaus nicht oder nur schlecht mit allerlei abergläubischen Einschiebungen erklären lassen, durch die aber dem die Wahrheit in allen Dingen suchenden und denkenden Menschen schlecht gedient ist. Wir bitten Dich, Herr und Meister, nochmals darum!“

10. Sagte Ich darauf: „Siehe, die Sonne ist bereits im Untergehen, und es wird die Zeit zu kurz sein, um euch nach eurem Verlangen vollends befriedigen zu können!“

11. Sagte abermals der Hauptmann: „O Herr und Meister, wenn die Sache nur Dir nicht unangenehm ist, – wir wollen Dich mit der größten Aufmerksamkeit und Ruhe die ganze Nacht hindurch anhören!“

12. Sagte Ich: „Nun gut denn also! Seht hier den scheinbaren Jüngling! Dieser ist schon seit gar langem einer Meiner rechten Diener; er möge euch euren Wunsch erfüllen! Aus seiner Tat und Rede werdet ihr Meine Macht in ihm erkennen.“

13. Hierauf gab Ich dem Raphael einen Wink, und er erhob sich schnell, trat zu den dreien hin und sagte (Raphael): „Für alle die andern, die hier beim Tische sitzen, braucht diese Sache wohl nicht mehr erklärt zu werden, da sie schon in alles vollends eingeweiht sind; doch für euch will ich das nach dem Willen des Herrn tun. Auf daß wir aber die Sache desto schneller beenden mögen, so begeben wir uns hinaus ins Freie!“

14. Hierauf erhoben sich unser Hauptmann und seine beiden Unterdiener vom Tische und gingen mit Raphael hinaus ins Freie mit der gespanntesten Neugierde.

14. Kapitel. Raphael als Lehrer der Astronomie.

1. Im Freien führte sie Raphael auf einen großen, freien Platz am See, der den Römern als Kriegsübungsstätte diente und in der Abendzeit von keinem Menschen mehr betreten ward.

2. Auf dieses Platzes Mitte angelangt, sagte Raphael zu den dreien: „Der Weg, durch den jemand zu irgendeiner großen und wichtigen Erkenntnis gelangen will, ist immer ein zweifacher: Der erste ist der lange, langweilige und schwere durch die weitwendigen und nahezu nie enden wollenden und könnenden Erklärungen und Besprechungen; der zweite, kurze und wirksame, ist der durch die Beispiele. Und diesen will und kann ich nun bei euch in Anwendung bringen!“

3. Sagte der Hauptmann: „Das wird hier wohl etwas schwer werden, uns von dem Beispiele wirksamer Art zu geben, wovon uns jeder wahre Vorbegriff völlig mangelt.“

4. Sagte Raphael: „Das ist meine Sache, weil ich das in meiner vom Herrn mir verliehenen Macht habe, – und so gebet denn wohl acht auf alles, was ihr nun sehen werdet! Ich werde euch vorerst die ganze Erde, das heißt ihre Oberfläche, ganz so, wie sie nun ist, in einer solchen Größe vor eure Augen stellen, daß ihr sie leicht überschauen werdet können.“

5. Als Raphael solches ausgesprochen hatte, da schwebte schon ein kleiner, doch bei dritthalb Mannslängen im Durchmesser habender Erdball vor den Augen der über alles erstaunten Römer und war von einem eigenen Lichte so gut erleuchtet, daß man auf seiner Oberfläche trotz der vorgerückten Abenddämmerung alles wohl ausnehmen und das Bekannte auch sogleich als das, was es darstellte, der Lage nach erkennen konnte.

6. Der Erdball drehte sich auch um seine Achse, aber wegen des schneller möglichen Überschauens natürlich im Verhältnis bei weitem schneller als die wirkliche Erde. Alle Festlande, nebst einer beinahe zahllosen, verschieden großen Menge Inseln, das gesamte Meer, ebenso auch alle Seen und Ströme und Flüsse und Berge und Täler waren getreu zu ersehen, und das davon den dreien Bekannte ward auch sogleich von ihnen als das erkannt, was es darstellte.

7. Als sich die Römer diesen Erdball bei einer Stunde lang alleraufmerksamst angesehen hatten, wobei Raphael ihnen alles mit wenigen Worten verständlich erklärte, und sie so von der Erde denn auch einen vollwahren Begriff bekommen hatten, da sagten alle drei: „Oh, wie blind sind doch noch die Menschen, und welch lächerlich dümmste Begriffe haben sie von der Erde, die sie trägt und nährt!“

8. Hierauf sagte Raphael: „Seht, wie ihr durch dieses Beispiel schneller zur richtigen Erkenntnis der gesamten Erde gelangt seid, als so es euch ein Wohlerdkundiger mit langen Reden noch so klar dargestellt hätte, und so werde ich euch nun auch das Verhältnis der Erde zum Mond, zur Sonne und zu den andern Planeten darstellen! Wir wollen nun den Erdball weiter von uns hinauf in die Luft stellen, und in einer verhältnismäßigen Entfernung soll der Mond als ihr Begleiter hier vor euren Augen dargestellt werden.“

9. Als Raphael solches ausgesprochen hatte, war der Mond auch schon – aber als ein verhältnismäßig kleiner Ball – vor den staunenden Augen der Römer ins wohl sicht- und leicht erkennbare Dasein gerufen.

10. Zuerst ward die der Erde stets zugekehrte Seite von oben bis unten genau in Augenschein genommen und auch insoweit, als nötig war, erklärt, und dann erst die Kehrseite, bei der es an der rechten Erklärung auch nicht mangelte.

11. Da sagte der Hauptmann: „Das ist im Verhältnis zu unserer Erde wohl eine traurige Welt! Die nach deiner Erklärung nur auf dieser Seite lebenden Menschen können zu keiner großen Weisheit gelangen, da sie auf einer so kleinen höchst magern Welt nur eine sehr beschränkte Anschauung von dem von Gott Geschaffenen erhalten können, und weil sie durch der Erde völligst ungleiche und unähnliche Tagesordnung auch beinahe keine Zeit gewinnen können, auch nur das Wenige auf dieser kleinen Welt mit Aufmerksamkeit zu betrachten, zu studieren, Vergleiche zu machen und daraus die nötigen Erfahrungen zu ziehen. Sie müssen mit unseren Affen die meiste Ähnlichkeit haben?“

12. Sagte Raphael: „Da irrst du dich gewaltig, wenn es für deinen Verstand auch also den Anschein hat! Ich möchte dich nicht mit einem Mondbewohner verkehren lassen; denn da würde deine innere Weisheit sehr den kürzeren zu ziehen bekommen!

13. Ihr Menschen dieser Erde habt wohl viele äußere Erfahrungen und also auch viele äußere Erkenntnisse; aber die inneren Lebenserkenntnisse fehlen euch, die unbeschreibbar wichtiger sind denn all der äußere, marktschreierische, eitle Tand.

14. Die Mondmenschen aber stehen dafür stark im inneren, beschaulichen Leben, in dem sie auch euch Bewohner dieser Erde gar wohl kennen, aber nur selten ein Wohlgefallen an euch haben, weil ihr durch euer äußeres Sinnen und Trachten euch von der inneren Lebenswahrheit zu weit entfernt habt. Sie sagen von euch, daß ihr tote Seelen seid. Wenn es aber mit den Mondbewohnern also steht, da sind sie sicher auf einer höheren Lebensstufe denn deine Erdaffen.“

15. Sagte der Hauptmann: „Wenn die Sache mit den Bewohnern des Mondes sich also verhält, da nehme ich mein Urteil freilich sogleich zurück und bitte sie durch dich viele Male um Vergebung.“

16. Sagte Raphael: „Lassen wir das nun gut sein, und kehren wir zu unserer Sache wieder zurück! Wir haben nun nach der Erde den Mond wohl kennengelernt. Wie sieht es aber mit diesen beiden Weltkörpern im Verhältnis zur Sonne aus? Bevor ich euch aber das völlig begreiflich machen kann, muß ich euch in Kürze auch noch mit den euch wenigstens dem Namen nach bekannten Planeten bekannt und vertraut machen.

17. Es gibt zwar noch einige Planeten, die als Erdkörper auch zu dieser Sonne, die der Erde Licht und Wärme spendet, gehören und von ihr, gleich dieser Erde, Licht und Wärme erhalten. Aber ich werde mich nur auf die euch dem Namen nach bekannten beschränken und sie euch in ihrer wahren Gestalt einmal sonderheitlich vor Augen stellen. Da ist einmal der Merkur als der der Sonne nächste Erdkörper!“

18. Sogleich erblickten die drei Römer diesen Erdkörper und bewunderten seine ziemliche Ähnlichkeit mit so manchem auf unserer Erde, und Raphael ließ es dabei an Erklärungen nicht fehlen.

19. Als die drei mit dem Merkur so bald im reinen waren, da kam die Venus an die Reihe, nach ihr der Mars, den die drei anfangs mit einer Art Scheu betrachteten. Da sie aber an ihm, statt ihres Kriegsgottes, auch nur einen der Erde ziemlich ähnlichen Erdkörper ersahen, so wurden sie mit ihm denn auch bald vertraut. Auf den Mars kam in entsprechender Größe der Jupiter mit seinen vier Monden an die Reihe, über den sich die drei Römer nicht genug verwundern konnten. Raphael erklärte ihnen in Kürze das Wichtigste davon, worüber sie seine Weisheit und Macht nicht genug rühmen konnten. Darauf ließ er den Saturn zum Vorschein kommen, der den Römern noch mehr Bewunderung entlockte denn alle die früheren Planeten. Und Raphael hielt sich bei diesem seltenen Erdkörper mit seinen Erklärungen auch länger auf als bei einem der früheren, mit Ausnahme unserer Erde.

15. Kapitel. Raphael erklärt die Verhältnisse der Planeten zur Sonne.

1. Als Raphael alle die genannten Planeten den Römern auf die beschriebene Weise gezeigt hatte, da sagte er weiter zu ihnen: „Es ist nicht genug, daß ihr nun wißt, welch eine ganz andere Bewandtnis es mit diesen Gestirnen hat, als es sich grundirrig bis jetzt in eurer Vorstellung gleichfort aufrechterhielt, sondern ihr müßt auch ganz klar einsehen, in welchem Verhältnis alle die von euch nun geschauten Planeten zur Sonne stehen, und so gebet nun acht!

2. Ich werde euch die Sonne in einem ganz kleinen Maßstab vor eure Augen stellen. Zuerst seht hier einen ziemlich großen Ball im Durchmesser von einer Mannslänge mit einem starken weißen Schimmer umflossen; denn es darf dieser die Sonne darstellende Ball nicht mit der vollen Lichtstärke der Sonne umflossen sein, da ihr ihn dann nicht näher besehen könntet, – und so genüge euch zu wissen, daß dieser Ball die Sonne darstellt.

3. Seht, dieser diesen Ball umfließende Lichtschimmer ist dieses Weltkörpers eigentümliche Atmosphäre, die ihn nach allen Richtungen hin umgibt! Bei der wirklichen Sonne, die im ganzen bei tausendmal tausend Male größer ist als diese Erde, ist dieser Lichtschimmer um sehr vieles stärker. Gebet aber nun wohl acht, ich werde diese Lichthülle auf einige Augenblicke lang auseinanderteilen, auf daß ihr ersehen möget, wie der eigentliche feste Sonnenkörper aussieht, und auch merken, daß dieser Weltkörper noch für gar viele andere Zwecke vom Herrn aus erschaffen wurde denn nur für den, die andern Weltkörper zu erleuchten und zu erwärmen!“

4. Hierauf traten die drei näher zum Ball an die Stelle hin, wo er enthüllt war, betrachteten ihn mit großer Aufmerksamkeit, und Raphael ließ es an leicht begreiflichen Erklärungen nicht fehlen.

5. Als die drei in der kurzen Zeit von kaum einer Viertelstunde von der Sonne, ihrer Einrichtung, ihrer Bewohnbarkeit und von ihrer Tätigkeit, Wirkung und ihrem Verhältnis zu den andern Planeten, deren entsprechende Einrichtung sie in gewissen Gürteln wiederfanden, eine ganz richtige Übersicht als wohlbegriffen überkommen hatten, da sagte Raphael: „Nun gebet ganz besonders wohl acht; denn nun kommt für euch Römer die eigentliche Hauptsache! So ihr diese einsehen werdet, dann erst werdet ihr auch von dem Wahnglauben völlig befreit werden, demnach ihr meinet, daß die Erde im Zentrum steht und alles, die Sonne, der Mond und alle die Sterne sich um die Erde bewegen und alle Tage durch ihr Meer, das nach eurer Meinung von einem Ende des Himmels bis zum andern reicht, die Reise machen müssen.

6. Da ist unser Sonnenball, und seht, ich werde nun alle euch nun bekannten Planeten in den richtigen verhältnismäßigen Größen und Entfernungen in einer geraden Linie zuerst außerhalb des Sonnenballs hinstellen!“

7. Auf das erschauten die Römer zuerst in einer gewissen verhältnismäßigen Entfernung und Größe den Merkur, dann die Venus, so die Erde, und nach und nach die andern Planeten, und sie mußten natürlich eine hübsch weite Strecke längs dem ebenen Seeufer hinwandern, bis sie an den Saturn kamen. Außerdem bemerkten sie noch in einer viel weiteren Entfernung ein paar planetenartige Lichtpunkte, und sie fragten Raphael, was diese zu bedeuten hätten.

8. Und Raphael sagte: „Ich habe es euch ja schon gleich im Anfange gesagt, daß es außer den euch namentlich bekannten Planeten noch welche gibt. Allein diese gehen euch nun noch nichts an; in den späteren Zeiten werden sie von gewissen weisen Menschen schon auch noch entdeckt und näher beschrieben werden.

9. Ihr sehet ja zwischen dem Mars und Jupiter auch eine Menge Lichtpunkte planetarischer Art. Auch diese gehen euch jetzt noch nichts an; mit der Zeit werden auch diese und vieles andere von den gewissen weisen Menschen entdeckt und näher beschrieben werden. So ihr späterhin auch darüber schon eine nähere Kunde haben wollt, so besprechet euch mit den Jüngern des Herrn; denn diese sind in alle Geheimnisse des sichtbaren Sternenhimmels eingeweiht. Auch zu Kis beim großen Mautpächter Kisjona, der nun hier anwesend ist, werdet ihr einen Griechen, namens Philopold, der nun auch hier ist, leicht finden, der nebst einigen hochgestellten Römern sogar in Rom in alles das eingeweiht ist; von dem könnet ihr vieles lernen.

10. Aber nun lassen wir das und kehren zu unserem Sonnenball zurück, auf daß ich euch noch die Bewegungen der verschiedenen Planeten um die Sonne zeige!“

11. Hier kehrten die drei mit Raphael wieder zum Sonnenball zurück.

12. Raphael stellte ihn so hoch in die Luft, daß alle Planeten um ihn bahnen konnten; er war nebst allen Planeten noch wohl ersichtlich, und die Planeten kreisten um ihn in entsprechenden Verhältnissen, wennschon in kurzer Zeit. Aber Raphael teilte auch die kurze Zeit von einer Stunde so gut ein, daß zum Beispiel der Saturn nur eben eine Stunde zu seiner vollen Umlaufszeit benötigte, und alle die näheren Planeten bewegten sich in genau mathematisch verhältnismäßig kürzeren Zeiträumen, und so auch die Monde um die sie mit sich führenden größeren Planeten, was für die drei Römer ein über die Maßen staunenerregendes Schauspiel abgab, und das um so mehr, weil Raphael ihnen alle diese Bewegungen gründlich und sehr begreiflich erklärte.

13. Als der Saturn nach einer Stunde Zeit wieder an die Stelle kam, an der er sich zu bewegen angefangen hatte, da ließ Raphael alles wieder verschwinden und sagte: „Nun bedürfen wir der Beispiele nicht mehr, da sie ihren guten Dienst an euch beendet haben! So ihr diese Sache nun vom wahren Grunde aus wohl versteht und es auch einsehet, daß es nur also und nicht anders sein kann, so wollen wir nun wieder in das Haus des biederen Ebal zurückkehren!“

14. Die Römer waren damit zufrieden und gingen nun voll Freuden mit Raphael ins Haus des Ebal, allwo sie uns alle ganz frohen Mutes am Tische beim Nachtmahl antrafen.

15. Ihr erstes war, Mir für alles das, was sie nun in einer so kurzen Zeit durch den wunderbaren Jüngling gelernt hatten, zu danken.

16. Und Ich sagte zu ihnen: „Nun setzet euch denn auch zu uns, und esset und trinket, und stärket euch, – dann erst wollen wir wieder miteinander reden!“

17. Das taten die drei denn auch alsbald und stärkten sich nun mit Fischen, Brot und Wein.

16. Kapitel. Die Bedingungen zur Erlangung der Weisheit.

1. Als wir alle uns leiblich gestärkt hatten, da erkundigte sich der Hauptmann nach Kisjona und Philopold.

2. Und Ich sagte zu ihm: „Siehe die Männer hier zu Meiner Rechten; der erste ist Kisjona und der zweite ist Philopold! Du wirst noch oft Gelegenheit haben, mit ihnen zu reden; da Ich aber gar wohl weiß, über was alles du nun mit Philopold sprechen möchtest – wozu aber jetzt die rechte Gelegenheit und Zeit nicht vorhanden ist –, so wolle du dein Vorhaben auf eine andere Zeit verlegen! Für heute hast du gar vieles zur Vertilgung des alten heidnischen Aberglaubens gesehen und gelernt; denke nun nur darüber nach, auf daß es bleibe in deinem Gedächtnisse und in deinem Herzen und du es nicht wieder verlierst, so du in deine Weltdinge und -geschäfte bald wieder zurückkehrst!

3. Was du und deine Gefährten nun kennengelernt habt, das kannten auch die Menschen in den alten Zeiten; aber als ihre Nachkommen sich stets mehr mit den Dingen dieser Welt zu beschäftigen anfingen und stolz und herrschsüchtig wurden, da vergaßen sie auch bald der alten Weisheit, achteten ihrer nicht und meinten, daß derlei zu wissen zur Fristung des Lebens nicht nötig sei. Es genüge, so nur gewisse Weise Kunde davon hätten; das Volk solle dafür nur auf seine Herden und auf seine Äcker, Gärten und Wiesen und Tierjagden sehen und sich nicht mit den Dingen am Himmel beschäftigen. Und siehe, dadurch ward das Volk samt seinen Lenkern nicht nur in diesen, sondern auch in andern Dingen dumm, blind und am Ende voll des finstersten Aberglaubens, wie es jetzt noch ist und sich vor der Wahrheit scheut und vor ihrem Lichte flieht!

4. Man kann bei aller Weisheit auch Sorge tragen um das, was der Mensch für seinen Leib benötigt; aber um das, was die Seele betrifft und den Geist des Lebens in ihr, soll ein jeder Mensch sich vor allem sorgen und kümmern; denn des Essens, Trinkens und des Hochtuns wegen ist kein Mensch in diese Welt gesetzt worden, sondern daß er lebe nach der in ihm von Gott treu geoffenbarten Ordnung nur für den alleinigen Zweck, den ihm Gott gestellt hat.

5. Wenn du denn nun hier wieder zur lange verlorenen Wahrheit in den Dingen des Himmels gelangt bist, so verdaue in deiner Seele das Überkommene; bist du in dem stark geworden, dann kannst du dich bei Philopold um etwas Weiteres bekümmern!“

6. Sagte der Hauptmann: „Ja, Herr und Meister, Du hast in allen Dingen recht; ich sehe es nun schon ein, ein wie vieles und Großes ich durch Deine Gnade von dem wundersamen Jünglinge in den Dingen des sichtbaren Himmels überkommen habe! Habe ich alles das in mir erst völlig geordnet und mir das auch durch Zeichnungen, die ich gut zu machen verstehe, für andere zum Unterricht entworfen, dann erst werde ich mich um ein Weiteres bekümmern.“

7. Sagte Ich: „Da hast du recht; doch das beste ist, vor allem das Reich Gottes und dessen Gerechtigkeit durch das Leben und Handeln nach Meiner Lehre in sich zu suchen. Wer das in sich gefunden hat, dem wird auch alles andere als eine freie Zugabe treulich werden; denn der Geist im Menschen ist aus Gott, und ist der im Menschen Herr geworden, so lehrt er die Seele in einer Stunde ein um gar vieles mehr, als du auf dieser Erde von noch so weisen Lehrern in tausend Jahren erlernen könntest.

8. Mein Raphael, der ein ganz reiner Geist ist – was du Mir glauben und es dir wohl merken kannst –, hat es euch dreien gezeigt, in einer wie kurzen Zeit er euch über Dinge belehrt hat, welche die Menschen mit all ihrem Scharfsinn und mit allem Eifer ihres Suchens, Forschens und Denkens in mehr denn tausend Jahren in dieser Reinheit und Wahrheit nicht erkennen werden. Also kann eine Seele von einem Geiste in einem Augenblick endlos mehr erlernen, als die Menschen unter sich mit ihrem natürlichen Verstande. Dieses beachte auch, und handle danach!“

9. Sagte der Hauptmann: „Herr und Meister, die Grundsätze Deiner Lehre sind mir wohlbekannt, daß man erstens an Dich glaube und in Dir auch den einen, allein wahren Gott erkenne, daß man dann auch den erkannten Gott als das beste und vollkommenste ewige Wesen über alles liebe und seinen Nebenmenschen wie sich selbst, und daß man auch die Gebote Mosis beachte und halte.

10. Nun, was Deine Anforderung betrifft, so wäre ihr leicht nachzukommen; aber Moses hat eine Menge Gesetze, Vorschriften und Verordnungen gegeben, die erstens schwer zu merken, zu verstehen und so denn auch sicher schwer zu beachten und zu halten sind.

11. Muß ein jeder Mensch, der in sich Deinen Geist zur vollen Herrschaft bringen will und also überkommen in sich Dein Reich und dessen volle Gerechtigkeit, auch alle die Gesetze, Vorschriften und Verordnungen halten und treu beachten?“

12. Sagte Ich: „So du in Mir den einen, allein wahren Gott erkennst, an Ihn glaubst und Ihn in der Tat über alles liebst und deinen Nebenmenschen wie dich selbst, so erfüllst du damit auch alles, was Moses und alle Propheten gelehrt haben; denn sie sagen mit ihren vielen Worten in bezug auf die Pflichten der Menschen gegen Gott und unter sich nichts anderes, als was Ich dir in den wenigen Worten gesagt habe.

13. Aber da heißt es dann, als ein römischer Hauptmann bei irgend unschuldigen Vergehen eines Ebal gegen deine blindeifrigen Verordnungen nicht gleich eigenmächtig eine solche Strafsumme Goldes und Silbers fordern, die mit Ausnahme Jerusalems und des Tempels beinahe ganz Palästina, Samaria und Galiläa nicht aufzubringen imstande wären; denn in solch einem Verlangen läge kein Fünklein von einer Nächstenliebe und einer Gerechtigkeit des Reiches Gottes im Menschen, weil in solch einem Verlangen nicht einmal ein Funke eures römischen Rechtes herausschaut und es dir das Zeugnis gab, daß du in seinen Grundsätzen schlecht bewandert bist!

14. So du nach Meiner Lehre leben und handeln willst, so mußt du deine eigenmächtig scharfen Verordnungen für die Zukunft auch gewaltig ändern; denn bei solchen deinen Verordnungen wärest du noch sehr weit entfernt von der wahren Nächstenliebe und somit vom Reiche Gottes, in das dich die nunmalige Kenntnis der Erde, des Mondes, der Sonne und der andern Planeten allein nicht erheben würde. Denn alles, was der große sichtbare Raum deinen Fleischesaugen zur Beschauung darstellt, hat erst dann auch fürs Reich Gottes im Menschen einen Wert, wenn es von ihm aus betrachtet und geistig beleuchtet wird. An und für sich aber hat es als Materie keinen Wert für den ganzen Menschen, sondern nur einen höchst flüchtigen und vergänglichen für den Leib. – Das, Mein Freund, auch zu deiner Danachachtung!“

15. Sagte der Hauptmann: „Herr und Meister, ich danke Dir auch für diesen überaus wahren und guten Rat, den ich sicher auch befolgen werde, insoweit es mir nur immer möglich sein wird! Ich werde dem Äußeren nach der Ordnung wegen strenge scheinen müssen, – doch in meinem Herzen wird es anders aussehen, und das wird vor Dir, o Herr und Meister, ja doch nicht gefehlt sein?“

16. Sagte Ich: „O mitnichten, aber nur nach dem ordentlichen Gesetze Roms, das sehr viele Milderungen bei gewissen kleinen Vergehen aufzuweisen hat! Ein sanfter Richter in dieser Welt wird in der andern auch von Mir sanft gerichtet werden, und der Barmherzige wird auch bei Mir Barmherzigkeit finden. Kurz, mit welchem Maße du ausmessen wirst, mit demselben Maße wird es dir wieder eingemessen werden!“

17. Der Hauptmann merkte sich das, und Ich sagte nun zu allen Anwesenden: „Mit dem ist nun ein schweres Stück Arbeit, auf die Ich euch ehedem noch unter dem Mittagsmahle aufmerksam gemacht habe, gut beendet, und wir zählen drei neue Jünger. Da es nun aber schon ziemlich spät in die Nacht hinein gekommen ist, so wollen wir unseren Gliedern auch wieder die nötige Ruhe gönnen!“

18. Hierauf erhob Ich Mich mit etlichen Jüngern und begab Mich in ein anderes Gemach zur Ruhe, und so die Maria mit der Jahra; die andern aber blieben noch und besprachen sich von Mir, Meinen Lehren und Taten.

17. Kapitel. Raphael begründet seine Macht.

1. Die Gesellschaft, von der sich auch unser Ebal, Kisjona und Philopold nicht getrennt hatten, blieb samt dem auch unter ihr gegenwärtig gebliebenen Raphael nahe bis zum Morgen am Tische, und Mein Jakobus der Größere machte den Hauptredner, da er Mich schon von der Geburt an wohl kannte und am meisten stets um Mich war. Raphael aber erklärte dann wieder, was den andern irgend rätselhaft vorkam.

2. Gegen Morgen hin fragte der Hauptmann den Raphael, sagend: „Da wir nun schon so viel Herrliches und Größtwunderbares aus deinem Munde vernommen haben, so wolle nur für uns drei Römer gütigst noch ein wenig erklären, was du für ein eigentliches Wesen bist, und was das für ein Stoff war, aus dem du für uns die Dinge des sichtbaren Himmels so überherrlich mit all dem, was unzählbar auf ihnen sich befindet, formuliert (gebildet) hast!

3. Sagte Raphael: „Fürs erste bin ich allem nach ein Mensch wie du, nur mit dem freilich bedeutenden Unterschied, daß ich nun diesen dir sichtbaren Leib in mein rein geistiges Wesen umwandeln kann, und daß ich als ein Mensch mit Fleisch und Blut schon vor nahe viertausend Jahren, noch vor der Noachischen Sündflut, treu Gott dem Herrn ergeben auf dieser Erde viele Jahre hindurch gelebt und gehandelt habe.

4. Nun aber bin ich ein Bürger der Himmel Gottes und Sein Diener und Knecht für ewig. Meine Macht ist Gottes Macht; daher vermag ich denn auch alles, was der Geist in mir will. So du nun das weißt, so wirst du auch wissen, aus welchem Stoffe ich die Dinge des sichtbaren Himmels vor euch formuliert (geformt) habe.

5. Es gibt keinen andern Stoff in der ganzen Unendlichkeit als den Willen Gottes. Alles, was du siehst, vernimmst, fühlst und durch irgendeinen Sinn wahrnimmst, sind Gedanken Gottes, und so Er will, so sind sie auch schon wesenhaft da.

6. Was aber Gott als dem urewigen Geist als in Ihm und durch Ihn möglich ist, das ist dem Geiste Gottes auch im Menschen möglich. Denn Gott Selbst in Sich ist die reinste Liebe, also in Sich auch das reinste Lebensfeuer, dadurch auch das reinste und hellste Licht und somit in Sich die höchste Weisheit und dadurch auch die höchste allwirkende Macht und Kraft.

7. Dieser höchsten Macht und Kraft weiseste Ordnung ist das ewige Gesetz, nach dem sich alle Dinge zu richten haben. Dieses Gesetz herrscht auch über den Leib des Menschen; der Seele aber ist ein freier Wille gegeben, und das Gesetz ist ihr geoffenbart, auf daß sie es aufnehme in sich und ihren Willen danach richte, lebe und handle und dadurch zur vollen Gottähnlichkeit gelange, wozu sie bestimmt ist.

8. Der Seele aber ist in dieser Bildungswelt nur ein kleinster Teil aus dem göttlichen Ordnungsgesetz zur Beachtung anvertraut; wird sie in diesem kleinen Teil treu sein, so wird sie dann auch über Großes gesetzt werden, – aber eher nicht, als bis sie es in der Beachtung des kleinen, ihr geoffenbarten Ordnungsgesetzteiles zu einer wie völlig eigens angeborenen größten Fertigkeit gebracht hat. Denn ohne dem kann sie in sich ja auch nicht zu dem inneren Bewußtsein ihrer freien Selbständigkeit und sonach auch nicht zur lebendigen Wahrnehmung dessen gelangen, was alles der göttliche Wille in ihr und durch sie vermag.

9. Was ich, als auch nur ein Mensch, durch die volle Macht des göttlichen Willens vermag, davon brauche ich dir wohl keine weiteren Beweise zu geben. Wirst du es in der Befolgung des göttlichen Willens, den du hier vollkommen kennengelernt hast, und auch in allen dich weltlich lustreizenden Dingen zu einer vollkommen selbstverleugnenden, großen Fertigkeit bringen, so wirst du in dir selbst schon auch gewahr werden, zu welch einer Macht deine Seele gelangt ist.

10. Die Übung in allem aber macht erst den Meister; durch eine zu geringe Übung aber bleibt der Mensch ein ewiger Stümper und kann zu nichts Großem und Außerordentlichem verwendet werden. Oder kannst und wirst du als ein römischer, in der Kriegführungswissenschaft durch und durch bewanderter Hauptmann einem Menschen eher ein wichtiges Amt anvertrauen, als du dich von allen seinen zu dem Amte erforderlichen Kenntnissen überzeugt hast?

11. Gott braucht Sich beim Menschen nicht durch allerlei Proben und Prüfungen zu überzeugen, ob er eines großen und wichtigen Amtes wohl auch schon fähig ist; denn Er weiß es allzeit am klarsten, wie weit es eine Seele in der inneren Lebensvollendung gebracht hat. Aber die Seele prüfe sich selbst, inwieweit sie in aller Selbstverleugnung, was die Lustreizdinge dieser Welt betrifft, vorgedrungen ist, und inwieweit sie vollends eins mit dem erwählten und tatsächlich befolgten Willen Gottes geworden ist, ob in ihr noch etwas Stümperhaftes oder wohl schon recht Meisterhaftes sich regt, – und Gott der Herr wird nicht säumen, in ihr Seines Willens Macht offenkundig werden zu lassen.

12. Sieh an mehrere der Jünger des Herrn! So sie aus dem in ihnen schon sehr mächtig gewordenen Willen des Herrn etwas wirken wollten, da würde einer oder der andere auch etwas zu bewirken imstande sein, was dir sicher nicht minder wunderbar vorkäme als das, was ich vor euch gewirkt habe; aber ihre rechte Liebe zum Herrn und ihre wahre Demut vor Ihm sagt ihnen: ,Oh, wie gar nichts sind wir als schwache Jünger noch vor Dir!‘ Und daher warten sie noch, bis ihnen der Herr sagen wird: ,Nun gehet hinaus in alle Welt, und lehret allen Menschen Meinen Willen, und wirket in Meinem Namen!‘ Dann werden sie auch, wo es not tun wird, dieselben Zeichen wirken, die nun der Herr Selbst wirkt und auch ich zeitweilig durch des Herrn Willen in mir.

13. Die Macht des göttlichen Willens aber wird dem Menschen nicht etwa wie einem Kinde die Milch eingegossen, sondern er muß sie selbst durch seine eigene Willenskraft, die bei jedem Menschen völlig frei ist, wie mit Gewalt an sich ziehen.

14. Daß die Sache sich aber also und nicht anders verhält, ist ja leicht aus dem ersichtlich, daß der Herr, dem doch alle Dinge möglich sind, Seine Jünger Selbst gleichfort lehrt und zieht und ihnen zeigt, was sie zu tun haben, um sich Seines Willens als dann ihnen für ewig zu eigen angehörig zu machen.

15. Was aber die eigens vom Herrn erwählten Jünger zu tun haben, um in sich zur vollen Gottähnlichkeit zu gelangen, das hat denn auch ein jeder andere Mensch zu tun, so er zu der Macht des göttlichen Willens in seiner Seele gelangen will.

16. Ich habe dir nun ganz klar gezeigt, aus welchem Stoff ich euch die Dinge des sichtbaren Himmels geformt habe; ihr aber sehet nun, daß auch ihr mit der Zeit das werdet, was ich nun bin. Das Wie habe ich euch auch gezeigt. – Und nun möget auch ihr euch noch zu einer kurzdauernden Leibesruhe begeben; denn der Morgen wird nicht lange mehr auf sich warten lassen!“

17. Nach diesen Worten Raphaels erhoben sich die drei Römer, dankten dem Raphael für diese Belehrung und gingen voll guter Vorsätze nach Hause, wo sie auch alles in der gewünschten Ordnung antrafen; doch alle drei ruhten wenig, da sie im Geiste ihres natürlichen Verstandes noch zu beschäftigt waren und nicht wußten, wie sie es anstellen sollten, um ihr weltliches Amt mit dem zu vereinen, was sie von Mir und auch von Raphael als Meinen Willen vernommen hatten.

18. Unter manchem Hin- und Herreden brach der volle Morgen an, und der Hauptmann mußte den Kriegsknechten für diesen Tag Befehle erteilen. Die Kriegsknechte aber verwunderten sich heimlich, daß der sonst so überstrenge Hauptmann an diesem Tage nur ganz sanfte und menschenfreundliche Befehle erteilte, und sie meinten, daß da etwas ganz Besonderes vorgefallen sein müsse. Aber sie ließen weislich ja nicht merken, als wäre ihnen des Hauptmanns Sanftmut aufgefallen; denn ihnen war ein leichter Dienst ja auch lieber als ein schwerer.

18. Kapitel. Die Frage des Hauptmanns über das Töten der Tiere.

1. Am vollen Morgen, noch etwas vor dem Aufgange, war Ich mit einigen Jüngern schon im Freien, und auch Raphael war bei uns. Bald darauf kamen auch alle andern nach; und auch die drei Römer ließen nicht lange auf sich warten.

2. Wir befanden uns am Ufer des Sees und sahen dem Spiel der Wogen zu, und die Jünger wuschen mit dem reinen Wasser ihre Füße und Hände. Die drei Römer hätten schon gern um eines und das andere gefragt und hatten sich darum auch gleich in Meine und des Raphaels Nähe begeben.

3. Ich aber sagte zu ihnen: „Der Tag hat nun noch seine vollen zehn Stunden, und in dieser Zeit wird sich noch so manche Frage beantworten lassen; aber nun wollen wir in Ruhe den Morgen genießen!“

4. Mit dem waren die drei zufrieden und wuschen ihre Angesichter mit dem Wasser des Sees, damit sie ihre Augen, denen der nächtliche Schlaf ein wenig abging, wieder auffrischten und stärkten.

5. Wir verblieben so in voller Ruhe bei einer Stunde lang knapp am Ufer des Sees und begaben uns dann auf eine kleine Anhöhe, die sich gen Mittag hin über den Wasserspiegel erhob. Von dieser Anhöhe aus hatte man eine schöne Aussicht gen Westen hin, und am Ufer, das hier mit vielem Schilf und Röhricht eine ziemlich weite Strecke hin bewachsen war, ersah man einige Wasservögel, die sich aus dem Wasser ihr Morgenmahl suchten und dasselbe auch gierig verzehrten.

6. Hier konnte unser Hauptmann nicht mehr schweigen, trat rasch zu Raphael hin und sagte: „Höre, du weiser und mächtiger Bürger einer bessern Welt, als diese Erde es ist! Ich bin sonst mit der oft sehr herrlichen Einrichtung eben dieser unserer Erde in bezug auf ihre gestaltlichen und ihre pflanzlichen Ordnungsverhältnisse sehr zufrieden; allein was da die Tiere betrifft in ihren wechselseitigen Lebens- und Tätigkeitsverhältnissen – durchaus nicht.

7. Für alle Pflanzen und Gewächse ist gesorgt, daß sie sich ihre Nahrung aus dem Erdreich, aus dem Wasser, aus der Luft und aus der Wärme des Sonnenlichtes nehmen und so ganz vortrefflich gedeihen; nur die Tiere und zum großen Teil auch wir Menschen sind angewiesen, der Ernährung des Leibes wegen Tiere zu fangen, zu töten und ihr Fleisch zu genießen.

8. Und siehe, das verwildert offenbar stets des Menschen Herz und Gemüt, was ich nur zu oft in Rom bei den oft sehr argen Stiergefechten und andern Kämpfen der wilden, reißenden Tiere in den gewissen eigens dazu erbauten und eingerichteten Zwingern beobachtet habe; denn man unterhält ja solche Tierkämpfe in Rom und auch in vielen andern Orten, um besonders bei den Soldaten und bei den Bürgern den kriegs- und mutvollen Kampfsinn stets von neuem anzufachen und zu erhalten.

9. Und von wem haben die Menschen das wilde Wesen des Krieges, bei dem von der Liebe zu Gott und von der Liebe zum Nächsten keine Spur anzutreffen ist, gelernt?

10. Da, hier sieh hinab ins Wasser! Was haben die armen Fischlein denn verbrochen, daß sie von diesen gefräßigen Wasservögeln oft zu vielen Tausenden aus dem Wasser gefangen und verzehrt werden? Könnten denn all die zahllos verschiedenen Tiergattungen in der Luft, auf der Erde und im Wasser sich nicht sämtlich gleich den zahmen Haustieren von den ebenso zahllos verschiedenen Pflanzenarten ernähren? Müssen denn allerart fleischfressende Raubtiere sich unter den Herden der sanften Tiere ihre Nahrung suchen und dadurch die Menschen zum wilden Kampf auffordern durch ihre von der Macht Gottes ihnen eingepflanzte Grausamkeit?!

11. Der Mensch mußte künstliche Waffen erfinden, um gegen die reißenden Bestien kämpfen zu können. Er lernte dabei wohl zu kämpfen, zu töten und zu siegen; hat er aber dabei für die von Gott ihm anbefohlene Veredlung seines Herzens und seines Gemütes wohl etwas gewonnen?

12. Und siehe, ich habe über diesen Gegenstand sehr oft nachgedacht und habe noch von keinem weisen Menschen eine nur so halbwegs befriedigende Lösung über dieses wahre Sphinxrätsel erhalten können! Überall hieß es: ,Die weisesten Götter werden es schon wissen, warum sie das alles also zugelassen haben!‘

13. Ja, das ist ganz sicher; aber haben die Menschen dabei für ihr Herz und Gemüt wohl etwas gewonnen? Ja, zu jagen, zu kämpfen und Krieg zu führen haben sie wohl gewonnen, dann Gesetze zu geben, zu herrschen und gleich einer Hyäne oft grausam zu sein durch ihre Gerichte gegen jene Menschen, die sich gegen ihre Gesetze versündigten; aber sonst ist aus der Erlernung zu kämpfen, zuerst mit den wilden Tieren und bald darauf auch unter sich, wahrlich nicht viel Gutes zum Vorschein gekommen.

14. Du bist weise und mächtig aus dem Geiste Gottes in dir; gib mir denn auch eine rechte Belehrung in dieser mich auch sehr wichtig dünkenden Richtung!“

19. Kapitel. Des Hauptmanns Frage nach dem Zweck des Kampfes in der Natur.

1. Sagte Raphael: „Du hast mir da wohl eine recht wichtige Frage gegeben, und ich könnte sie dir auch sicher bestens beantworten; aber du bist in die Sphäre des rein Geistigen viel zuwenig tief eingedrungen und würdest in dieser Richtung die volle Wahrheit nicht fassen.

2. Ich gebe dir aber die Versicherung, daß erstens auch in dieser Richtung die Jünger des Herrn schon lange völlig aufgeklärt sind, wie nebst ihnen auch viele andere Menschen, als Juden und Heiden, und daß zweitens auch du noch in dieser Richtung zu einer hellen Anschauung geführt werden wirst. Es werden sich aber heute schon noch Gelegenheiten ergeben, bei denen du auch in dieser Richtung die Liebe und Weisheit des Herrn wirst loben und preisen können.

3. Glaube es mir, daß der Herr eben darum Sich auf diese kleine Anhöhe begeben hat, auf daß du beim Anblick der die kleinen Fischlein verzehrenden Wasservögel mit deinen alten Bedenken über die Liebe, Güte und Weisheit eines wahren Gottwesens zum Vorschein kommen solltest! Du bist damit zum Vorschein gekommen, wie auch ich das schon lange zum voraus gewußt habe, und es wird dir denn auch schon zur rechten Zeit in dieser Richtung ein rechtes Licht erteilt werden.

4. Freund, das Leben ist in sich selbst ein Kampf! Wer kann aber als ein guter und frommer Mensch in das höchste und freieste Geistleben übergehen, so er nicht zuvor um dasselbe mit allem Ernste gekämpft hat? Von wem aber soll der Mensch sonst kämpfen lernen – als von den ihn von allen Seiten umgebenden Gefahren? Und diese sind auf dieser Erde vom Herrn eben darum gestellt und zugelassen, auf daß der Mensch sie erkenne und gegen sie den Kampf führe, und das so lange, bis er sie besiege. Doch nun genug von dem; nach dem Morgenmahle ein Weiteres davon!“

5. Als unser Raphael solches ausgeredet hatte, da kam auch schon ein Bote und kündigte uns das bereitete Morgenmahl an, worauf wir unsere kleine Anhöhe verließen und uns ins Haus Ebals begaben und das Morgenmahl einnahmen.

6. Nach dem Morgenmahl begaben wir uns gleich wieder ins Freie, doch auf eine andere, größere Anhöhe, von der aus man nicht nur die Bucht von Genezareth, sondern auch einen großen Teil des Galiläischen Meeres übersehen konnte. Auf dieser Anhöhe hatten die Römer eine Art Feste, um von da aus alles übersehen zu können, was sich auf dem Meere und in der nicht unbedeutenden Bucht von Genezareth bewegte und als etwas Fremdes sehen ließ, aus welchem Grunde auf dieser Anhöhe auch immer römische Wachen aufgestellt waren und nicht leichtlich jemanden diesen Punkt besuchen ließen, außer es war der Hauptmann selbst oder ein anderer zu befehlen habender Unterdiener bei der diese Anhöhe besuchen wollenden Gesellschaft als Führer zugegen.

7. Da nun der Hauptmann selbst nebst seinen zwei Unterbefehlsdienern bei uns war, so hatten wir denn auch nicht den allergeringsten Anstand, von dieser schönen Anhöhe Gebrauch zu machen.

8. Es waren da mehrere offene Zelte, mit Bänken wohlversehen, angebracht, die uns der Hauptmann sogleich zur Benutzung einräumte und auch noch ein paar neue Zelte für unseren Gebrauch herrichten ließ.

9. Als wir uns in den Zelten gelagert hatten, da herrschte eine Zeitlang Ruhe, und alle betrachteten die Szenen am Meere und in der Bucht.

10. Auf einmal ersah der Hauptmann mehrere große Adler vom höheren Gebirge herab den Niederungen der Ufer des Meeres zufliegen und sagte: „Da kommen von der Höhe herab schon wieder beinahe um dieselbe Zeit, wie sonst immer, etliche ungeladene Gäste, um sich an den Gestaden des Meeres ein ihnen wohlschmeckendes Morgenmahl zu holen!

11. Die Wasservögel sind zwar auch Raubtiere, die sich von Fischen und allerlei andern Wassertieren ernähren; aber sie sind dabei für unser Gemüt doch sanfteren Aussehens, und ihr Rauben und Morden der unschuldigen Wassertiere macht auf unser Herz und dessen Gefühl keinen so störenden Eindruck, als wenn ein so mächtiger Adler auf einen der vielen Wasservögel aus der Höhe gleich einem Pfeil niederschießt, ihn mit seinen Krallen faßt und ihn dann in die Höhe auf irgendeinen Felsen trägt, dort zerreißt und sein Fleisch verzehrt!“

12. Als der Hauptmann noch also seine humanen Betrachtungen machte, da stürzte schon ein Adler in ein Röhricht am Ufer des Meeres nieder und holte sich eine mit Fischen gesättigte große Kropfgans, die natürlich in der Luft, von den scharfen Krallen des Adlers festgehalten, viel Spektakel machte.

13. Und es dauerte gar nicht lange, so folgten auch die andern Adler dem Beispiel des ersten nach, was den Römer so in einen ordentlichen Zorn versetzte, daß er zu Mir hintrat und sagte: „O Herr und Meister, hast Du es nicht gesehen oder nicht verhindern wollen, daß die gefräßigen Raubvögel sich an den viel sanfteren Wasservögeln auf eine alles bessere Menschengefühl empörendste Weise vergriffen? Sollen derlei täglich in der Naturwelt zu öfteren Malen vorkommende grauenerregenden Szenen wohl dazu beitragen, das Menschenherz zu sänften und es zur tätigen Nächstenliebe und Barmherzigkeit anzueifern?

14. Nein, da bleibe ich bei meinem alten Grundsatze, wie ich solchen aus dem Munde eines alten griechischen Weisen vor etlichen Jahren in Alexandria vernommen habe: ,Die ganze Erde ist ein Raubnest und ein Jammertal für den edlen Menschen; denn alles, was er ansieht und was ihm immer vorkommen mag, ist mit dem ewigen Fluche der Götter belastet. Nichts als ein fortwährendes Entstehen und In- ein-elendes-flüchtiges-Dasein-Treten; ein grausamer Tod ist die stete Folge des Werdens! Und doch soll der am meisten durch sein Dasein gequälte Mensch ein völlig gutes, edles, humanes Leben führen und die stets fluchenden Götter ehren? Wie kann er aber das, so er um sich nichts als ein grausamstes Wüten der gesamten Natur erschaut?! Darum werde auch der Mensch gleich einem Löwen, einem Tiger, einem Adler und räche sich an seinen Nebengeschöpfen – ob Menschen oder Tiere ist gleich – für den auch über ihn ausgegossenen Fluch der Götter; er suche ein König zu werden und genieße das ohnehin kurze Leben den Göttern zum Trotze!‘

15. Herr und Meister, ich sage nun ja nicht, daß der griechische Weise damit einen rechten und wahren Grundsatz zum Wohle der Menschen ausgesprochen hat, indem ich bei Dir einen ganz andern Lebensgrundsatz gefunden habe, demgemäß ich auch fortan leben und handeln werde; aber sage Du nun Selbst, ob der ganz natürliche Mensch von einer selbst besten Gemütsanlage – wie solche oft bei noch unmündigen Kindern leicht zu entdecken ist, besonders in einem Lande, in dem es von allerlei Raubtieren wimmelt-, mit einer gesunden Vernunft begabt, am Ende infolge seiner Beobachtungen und Erfahrungen zu einem andern Grundsatze fürs Menschenleben auf dieser Erde gelangen kann!

16. Sehen wir hin in die Länder, in denen es von wilden Raubtieren aller Art und Gattung wimmelt und die Menschen, um von ihnen nicht gefressen zu werden, auf sie in einem fort Jagd machen müssen! Wie sind diese Menschen selbst? Wild wie die sie umgebenden Tiere! Sie rauben und morden, und es ist unter ihnen keine Liebe und noch weniger eine gerechte Barmherzigkeit anzutreffen und keine Lust und Neigung zu einer wohlgeordneten, friedlichen Beschäftigung.

17. Sehen wir uns dagegen ein Volk an, wie ich eines in Armenien angetroffen habe! In dieses Volkes Lande hatte ein früherer, recht weiser König mit allem Fleiße alle wilden Tiere soviel als möglich ausrotten lassen durch viele und geschickte Jäger – auch der Adler und Geier ward nicht geschont; nur sanfte und nützliche Haustiere durften gehalten werden, und der Ackerbau machte die Hauptbeschäftigung jenes Volkes aus, – und ich sage Dir, o Herr und Meister, ich habe nicht leichtlich auf einem Festlande ein sanfteres und friedlicheres Völklein jemals angetroffen!

18. Bei Tage und in der Nacht kann man in jenem Lande alle Wege und Straßen bereisen ohne Furcht, von einem wilden Tier und noch weniger von einem räuberischen Menschen angefallen zu werden. In welches oft noch so einfache Haus man einkehrt, man wird allerfreundlichst aufgenommen und mit allem, was es zur menschlichen Notdurft besitzt, mit aller Liebe und Freundlichkeit bedient.

19. Und wem verdankt dieses erwähnten Landes Volk solch eine ausgezeichnete, gute, liebe und sanfte Gemütsbildung? Jenem weisen Könige, der sein Land von all den wilden Raubtieren zu reinigen verstand.

20. Dir, o Herr und Meister, wäre es um so leichter möglich, die ganze Erde von allen den wilden Raubtieren zu reinigen, – und die Menschen, die mit keinen Löwen, mit keinen Panthern, Tigern, Hyänen, Bären, Wölfen, Füchsen und noch andern wilden Bestien mehr zu kämpfen hätten, würden bei einigem guten Unterricht bald den oberwähnten Armeniern gleichen!“

20. Kapitel. Die Hauptgründe der Mannigfaltigkeit der Schöpfung auf Erden.

1. Sagte Ich: „Mein Freund, in der natürlichen Weltansicht hast du freilich wohl ganz recht, und es ließe sich dir da wenig einwenden; aber in der rein seelischen und geistigen Beziehung, die dir bis jetzt noch völlig fremd ist, würdest du von Mir etwas verlangen, was ganz wider alle Ordnung auf dieser Erde ginge.

2. Siehe, auf einem Weltkörper, auf dem die Menschen die Bestimmung haben, vollendete Gotteskinder zu werden ihrer Seele und ihrem Geiste nach, muß alles also eingerichtet sein, wie es eben auf dieser Erde eingerichtet ist!

3. Dein Auge sieht und dein Verstand erkennt freilich nichts anderes als Gericht, Verfolgung, Raub, Mord, Tod, Verwesung und die Vergänglichkeit; aber dem ist nicht also, sondern ganz anders, als was du dir in dieser Sphäre einbildest.

4. Erstens ist die Trägheit als ein unvermeidbares Gerichtsanhängsel der Leibesmaterie für die stets wacher und tätiger werden sollende Seele, wodurch sie allein zur vollen Gleichwerdung des Geistes Gottes in ihr und dadurch zur Gottähnlichkeit gelangen kann, ihr größter Feind, und in je wärmeren Ländern die Menschen ihre Wohnungen aufgerichtet haben, desto mehr sind sie von diesem ersten Seelenfeinde bedroht.

5. Wären in solchen Ländern nicht allerlei dem Menschen lästige Tiere, und brauchte er nicht um die Nahrung seines Leibes zu sorgen, so würde er sich auch nicht um die Ausbildung der Seelenkräfte sorgen. Er würde bald einem Meerespolypen oder der Wurzel eines Baumes gleichen, die sonst nichts zu tun haben, als durch ihre organomechanische Einrichtung den ihnen entsprechenden Nährstoff aus dem Wasser, aus dem Erdreich und aus der Luft an sich zu saugen.

6. Siehe, das ist der erste Grund, warum dem Menschen auf dieser Welt allerlei Wecker zur verschiedenartigen Tätigkeit, zuerst des Leibes und daraus dann auch der Seele – was die Hauptsache ist – geschaffen worden sind!

7. Was aber den zweiten Grund betrifft, so kann diesen ein jeder Denker leicht von selbst finden. Stelle dir die Erde als eine ganz einförmige, große Weltkugel vor! Auf ihrem weitgedehnten Boden kämen nur ganz gleiche Bäche, Seen und Meere vor, keine Berge, außer dem Schafe kein anderes Tier, außer der Henne kein Vogel, und außer nur einer überall ganz gleichen Fischgattung kein anderes Wassertier, imgleichen entwachse dem Boden der Erde nur eine Grasart zur Nahrung des Schafes, ebenso nur eine Fruchtgattung zur Nahrung des Menschen und der Henne, dann auch eine Obstbaumart und eine Baumart zum Bau einer dürftigen Wohnhütte, und also bestehe auch nur eine überall gleiche Steinart, und ebenso auch nur eine Metallart, aus der sich die Menschen ein allernotdürftigstes Werkzeug für ihren Haushalt anfertigen könnten.

8. Sage es dir selbst, wieweit es auf solch einer Welt die Menschen mit der Erweiterung ihrer Begriffe, Ideen und Phantasien bringen würden und könnten!

9. Wie höchst mager es dabei mit der höheren und reiner werden sollenden Vernunft und dem Verstande aussehen würde, das brauche ich dir nicht näher darzutun. Ich mache dich aber auf den sehr geringen seelisch-geistigen Bildungsstand jener auf dieser Erde lebenden Menschen aufmerksam, die solche Gegenden der Erde bewohnen, wo es weit und breit keine Berge gibt, nur hie und da ein einförmiges Gras aus dem Boden wächst nebst anderen mageren und verkümmerten Gesträuchen an den Ufern einiger unansehnlichen Bäche und pfützenartigen Seen.

10. Dir sind derlei Gegenden nicht unbekannt. Wie sieht es aber bei deren Bewohnern mit der Kultur des Geistes aus? Siehe, sie sind zum größten Teile ganz verwildert! Warum denn? Weil sie ob Mangels an der zur höheren Bildung der Seele nötigen, möglichst großen Mannigfaltigkeit der sie umgebenden Nebendinge und Geschöpfe zu keiner Erweiterung ihrer Begriffe, Ideen und für die Bildung der Vernunft und des Verstandes fruchtbaren Phantasie gelangen können.

11. Sieh dir aber dagegen Menschen an, deren Wohnland mit aller denkbaren Mannigfaltigkeit überreich ausgestattet ist, und du wirst sie auch gebildet finden, wennschon nicht in der Sphäre des innersten Seelen- und Geistlebens, so doch in der Sphäre des äußeren Verstandes, der Vernunft und der Phantasie, was bei einem Menschen doch da sein muß, so er zur höheren Bildung des inneren Seelen- und Geistlebens übergehen will! Denn willst du der herrlichen Aussicht wegen einen Berg besteigen, so muß fürs erste einmal ein Berg da sein, und ist er da, so mußt du beim Ersteigen des Berges dich nicht mit der halben Höhe begnügen – obschon sie dir auch schon eine sehr ausgedehnte Aussicht bietet –, sondern dir darüber hinaus die Mühe nehmen, auch die höchste Spitze zu ersteigen, um von ihr aus auch die vollste Aussicht zu genießen.

12. So sollen auch die Menschen, deren Vernunft, Verstand und Phantasie einmal eine reichliche Bildung innehaben, sich nicht mit dieser halben Lebenshöhe begnügen, sondern derselben volle Höhe zu erreichen sich bemühen.

13. Was Ich dir damit sagen will, wirst du wohl verstehen. Und da hast du den zweiten Grund, aus dem Gott diese Erde mit einer derartig großen Mannigfaltigkeit an Dingen, Geschöpfen und Erscheinungen ausgestattet hat, von der du bei aller deiner alexandrinischen Bildung bis jetzt kaum die erste Linie des kleinen Alpha kennst.

21. Kapitel. Die Seelensubstanz und deren stufenweise Befreiung aus der Materie.

1. (Der Herr:) „Was aber noch einen dritten Grund, den alle Meine Jünger wohl auch schon kennen, anbelangt, so wirst du ihn in der Folge auch noch genauer kennenlernen, als man ihn dir jetzt für deinen inneren Verstand begreiflich darstellen könnte. Nur so viel kann Ich dir jetzt sagen und andeuten, daß da alles und noch mehr, was diese Erde enthält von ihrem Mittelpunkte an bis weit über ihre höchste Luftregion hinaus, Seelensubstanz ist, doch bis zu einer gewissen Lösezeit in einem mannigfach härter oder milder gerichteten Zustande, darum sie dem fleischlichen Auge des Menschen auf dieser Welt, wie auch seinem Gefühle entweder als ganz tote, härtere oder weichere Materie ersichtlich und fühlbar wird. Dahin gehören einmal alle Steinarten, Mineralien, Erdarten, Wasser, Luft und alle noch ungebundenen Stoffe in ihr.

2. Dann kommt alles Pflanzenreich im Wasser und auf der Erde samt seinem Übergang ins Tierreich. In diesem Reich erscheint das Gericht schon milder, und die Seelensubstanz befindet sich schon in der Periode der vollkommeneren Löse, als sie es im früheren harten Gerichtszustande war, und die Sonderung und Einzelbildung in Hinsicht der Intelligenzwerdung eben der früher wie chaotisch gemengten Seelensubstanz in diesem zweiten Reiche ist denn darum auch in einer großen Mannigfaltigkeit sich befindend.

3. Aber die Seelensubstanz, so sie wegen der besonderen Intelligenzbildung im zweiten Reich einer großen Sonderung unterworfen sein mußte, muß im dritten Reich der Tiere, das noch um sehr vieles mannigfaltiger ist, wegen der noch vollendeteren Gewinnung der helleren und freieren Einzelintelligenzen zu einer stets größeren Einigung gebracht werden. Und darum vereinen sich da denn auch zahllose Kleintierseelensubstanzteile von verschiedener Art und Gattung in eine größere Tierseele, wie zum Beispiel in die eines größeren Wurmes oder eines Insektes.

4. Zahllos viele solche Insektenseelen von eben wieder verschiedener Art und Gattung, so sie ihrer sie bindenden materiellen Hüllen ledig geworden sind, vereinen sich dann wieder in eine Tierseele größerer und vollkommenerer Art, und das also fort bis zu den großen und vollkommenen Tieren teils noch wilder und teils dann sanfter Art; und aus der letzten Einung dieser Tierseelen gehen dann erst die mit allen möglichen Intelligenzbefähigungen wohlversehenen Menschenseelen hervor.

5. So ein Mensch in diese Welt geboren wird und wegen seiner vollen Freiwerdung noch einen Leib zu tragen bekommt, so ist das höchst weise von Gott schon also eingerichtet, daß er als eine vollständige Seele sich aller der notwendigen Vorzustände in ihren übergänglichen, aber noch immer gesonderten Beständen ebensowenig erinnern kann und mag, wie dein Auge die kleinen Einzeltropfen des Meeres, aus denen es besteht, sehen und unterscheiden kann. Denn wäre einer Menschenseele das gegeben, so würde sie diese Einung aus so endlos verschiedenen Seelensubstanz- und Intelligenzteilen nicht ertragen, sondern sich selbst allerhastigst aufzulösen trachten, gleichwie sich da auflöst ein Wassertropfen auf glühendem Eisen.

6. Um die Seele des Menschen zu erhalten, muß ihr eben durch die Einrichtung ihres sie einschließenden Leibes jede Rückerinnerung völlig benommen werden bis zur Zeit ihrer vollen inneren Einigung mit ihrem Geiste der Liebe aus Gott; denn dieser Geist ist gleichsam der Kitt, durch den alle die endlos verschiedenen Seelenintelligenzteile zu einem ewig unzerstörbaren Ganzwesen gefestet werden, sich in aller Klarheit durchleuchten, erkennen, begreifen und als ein vollendetes, gottähnliches Wesen Gottes Liebe, Weisheit und Macht loben und preisen.“

22. Kapitel. Die Zusammensetzung der Menschenseele.

1. (Der Herr:) „Daß aber eine Menschenseele und entsprechend sogar ihr anfangs höchst unbehilflicher Leib also zusammengefügt sind, kann der tiefer denkende und fühlende Mensch aus gar manchen Erscheinungen an sich wenigstens nicht in zu unklaren Linien zu ahnen imstande sein.

2. Nimm die Unzahl der verschiedenartigsten Begriffe und Ideen, die eine Seele von nur einiger Bildung aus sich entwickeln und von denen allen sie sich auch eine Vorstellung – ob mehr oder weniger richtig, ist vorderhand gleich – machen kann, was ihr, wenn sie nicht aus einer Allumfassenheit gewisserart zusammengesetzt wäre, ebensowenig möglich wäre wie einem Ochsen oder Esel, den Plan zum Bau einer königlichen Burg zu zeichnen und sie nach demselben zu erbauen.

3. So du aber alle die verschiedenen Tiere sowohl in der Luft – wie allerlei Insekten und Vögel –, also auch die Tiere auf dem festen Erdboden und jene im Wasser betrachtest, so wirst du bei den meisten eine Baufähigkeit entdecken. Siehe an die Bienen und andere diesem Insekt mehr oder weniger ähnliche Lufttierchen; siehe und betrachte die höchst verschieden erbauten Nester der Vögel; siehe an die Ameisen und noch andere Erdinsekten, die Spinne und die Raupen, weiter die Mäuse aller Art und Gattung, den Biber, der sich eine förmliche Hütte erbaut, die Füchse, Wölfe, Bären und noch eine Menge anderer Tiere, wie sie sich ihre Wohnungen für ihre Natur ganz zweckmäßig herstellen und einrichten; weiter betrachte die verschiedenen Tiere im Meere, namentlich die Schaltiere, – und du wirst bei ihnen eine oft selbst den besten Baumeister in großes Erstaunen setzende Baufähigkeit antreffen!

4. Nun, ein jedes Tier, vom kleinsten bis zum größten, hat freilich nur eine seiner einfachen Tierseelenintelligenz eigentümliche Baufähigkeit, kennt dazu das Baumaterial und benutzt es in seiner stets gleichförmigen Art und Weise; aber in der Menschenseele sind alle die tierischen Bauintelligenzfähigkeiten in einer Unzahl vorhanden, aus denen sie, wie durch ein stummes Bewußtwerden, auch eine Unzahl Begriffe und Ideen zusammenstellen und so ganz neue und große Formen schaffen kann.

5. Und so kann daher der Mensch bei nur einiger Bildung denn auch allerlei Wohnhäuser von höchster Verschiedenheit und zahllos viele andere Dinge aus sich erfinden und sie mit seinem Willen, Verstande und Fleiß auch ins Werk setzen. Könnte er das, so in seiner Seele nicht alle die verschiedenartigsten Fähigkeiten auf dem gezeigten Wege vorhanden wären? Sicher nicht; denn selbst das nach dem Menschen intelligenteste Tier hat keine Phantasie und somit auch keine allumfassende Kompositionsgabe (Gestaltungsgabe).

6. Du sagst bei dir nun freilich: ,Ja, warum mußte denn eine Menschenseele auf solch einem langen und langwierigen Wege zu solchen Fähigkeiten gelangen?‘

7. Und Ich sage es dir: Der ewig beste und weiseste Baumeister aller Dinge und Wesen weiß es am allerbesten, warum Er auf dieser Erde eben diesen Weg zur Bildung einer vollkommenen Menschenseele eingerichtet hat, und damit kannst du nach Meinem Worte zufrieden sein. Wenn du selbst in dir vollendeter werden wirst, dann wirst du auch den Grund deines langen und langwierigen Weges einsehen.

8. Ihr Römer, die Griechen und die Phönizier, wie auch die Ägypter, glaubten an eine Seelenwanderung und glauben an sie noch heutzutage so wie die Perser, Indier, die Sihiniten jenseits der Hochberge im weiten, großen und fernen Osten und noch ein im noch ferneren Osten auf großen Inseln, die vom größten Meere dieser Erde umflossen sind, wohnendes großes Volk, und so noch viele andere Völkerschaften auf der weiten Erde; aber allenthalben ist die den Urvätern der Erde wohlbekannte Wahrheit durch ihre mit der Zeit aufgestandenen habsüchtigen, anfänglichen Volkslehrer und späteren Priester voll Ehrgeiz und voll Herrschgier ganz verunstaltet und völlig verkehrt worden, – denn die wahre Art der Seelenwanderung hätte ihnen keine Opfer und Zinsen getragen, und so ließen sie die Menschenseelen in die Tiere zurückwandern und in den Tieren leiden, von welchen Leiden sie nur Priester um große Opfer befreien konnten.

23. Kapitel. Vom Verfall der reinen Lehre.

1. (Der Herr:) „,Aber‘, sagst du nun in dir, ,wie konnte das schon einmal in der Wahrheit stehende Volk sich so unsinnig von den schlechten und lügenvollsten Priestern verdummen und verblenden lassen?‘

2. Ich sage es dir: Nichts leichter als das! Die alten wahren Weisen sind mit der Zeit von dieser Erde abgegangen, und schon bei ihren noch diesirdischen Lebzeiten haben sich gewisse Zauberer und Weissager aufgeworfen, die das, was sie lehrten, mit allerlei durch einen bösen Geist ihnen gezeigten Wundertaten, welche die blinden und in derlei Betrügereien völlig unkundigen Menschen als göttliche Beweise ansahen, bekräftigten; und es war also auf diese Art ein leichtes bei den Menschen, die allenthalben wundersüchtig sind, sie von der alten Wahrheit völlig abwendig zu machen und dahin zu bringen, daß sie alles kernfest glaubten, was die falschen Weisen sie nur immer zu ihrem eigenen Vorteile lehren wollten.

3. Viele solcher Magier, aus denen nur zu bald Priester und falsche Propheten hervorgingen, verstanden – und verstehen das noch – zum Beispiel ihrer Worte Stimme so zu stellen, daß sie wie von einer Ferne oder aus einem Baume oder aus einem Tiere kommend von den anwesenden Menschen vernommen ward.

4. Sie ahmten von ihnen bekannten, aber schon verstorbenen Menschen den Ton derer Stimme, wie auch den Sprachdialekt, wie aus einem Baume, Steine, Brunnen und so auch aus einem beliebigen Tiere kommend, so täuschend nach, daß jeder Anwesende sagen mußte: ,Ja, das ist die Seele des uns wohlbekannten Verstorbenen, der sonst ein alter, guter, wahrheitsvoller Mensch war! Was muß denn der gegen Gott verbrochen haben, daß seine Seele nun in einem Kamele schmachten und sicher viel leiden muß?‘

5. Wer war bei solch einer Frage geschwinder fertig als solch ein seine Stimme verdrehen könnender Magierpriester! Bald vernahmen die geängstigten Zuhörer aus dem Kamele einen Satz, der also lautete: ,Ich wollte starr bei der Lehre der Altväter mit meinem ganzen Hause verharren – und mißachtete darum die neuen von Gott erweckten Weisen und Propheten! Ich habe dadurch gesündigt und bin auf zehn Jahre lang zum unausstehlichen Leiden in dieses Kamel verbannt worden. Glaubet an die neuen Propheten Gottes, und gebet ihnen zur Sühne meiner Sünde aus meinen hinterlassenen Schätzen ein von ihnen verlangtes Opfer; sie werden dann bei Gott für mich Gnade erbitten, und ich werde von meiner großen Qual erlöst und ihr nach eurem Leibestode von ihr befreit sein!‘

6. Auf solch eine Antwort des Kamels wird etwa wohl begreiflich sein, wie die blinden Menschen nur zu bald die alte Wahrheit verließen und an die Lehren der falschen Propheten fest zu glauben anfingen.

7. Und wie es war, so wird es nach Mir wieder werden, so bei der Ausbreitung Meiner allein vollkommen wahren Lehre nicht alle Vorsicht angewandt wird.

8. Und sieh, auf diese Art ist die Vielgötterei und alles Heidentum und der ganz verkehrte Glaube an eure Seelenwanderung und an viele tausend andere gräßliche Dummheiten entstanden!

9. Sind von Gott aus auch stets wahre Lehrer unter das einmal geblendete Volk gesandt worden, so haben sie wenig ausgerichtet, – denn der freie Wille muß der Menschenseele dieser Erde unangetastet belassen werden, ohne den ein Mensch zu einem Tiere würde; und so heißt es mit der Menschheit Geduld haben und von ihr wohl den größten Teil in einer andern Welt zu einem besseren Lichte gelangen lassen.

10. Doch wehe dereinst allen falschen Lehrern, Priestern und Propheten, welche die alte und reine Wahrheit wohl für sich noch recht gut kennen, sie aber dem Volke ihrer Hab- und Herrschgier wegen hartnäckig stets vorenthalten; sie werden dereinst Meinem Zorngerichte nicht entgehen!

11. Auf dieser Erde haben auch sie den freien Willen und können bis zu einer gewissen Zeit auch tun, was sie wollen; aber wenn sie es einmal auch schon auf dieser Erde zu bunt zu treiben anfangen werden, dann werde Ich Selbst wie ein hellster Blitz über die Menschen der Erde Mein ewiges Wahrheitslicht ausgießen in allen Dingen, wie Ich es euch nun Selbst gezeigt und gelehrt habe. Dann werden alle falschen Lehrer, Priester und Propheten zu heulen anfangen und werden suchen, wo sie sich vor Meinen erleuchteten Menschen und vor der Macht Meines Lichtes verbergen könnten. Aber es wird solch ihre Mühe und große Anstrengung eine ganz vergebliche sein; denn sie werden von einem Ende der Erde zum andern von den erleuchteten Völkern gleich wilden und reißenden Tieren mit feurigen Geißeln gehetzt werden und nirgends mehr eine sichere Herberge zu ihrer Aufnahme finden, und ihr Reich und ihre finstere Herrschaft wird für immerdar ein volles Ende finden.

12. Da, Freund, hast du nun nebst dem dritten dir gezeigten und für deinen Verstand möglichst klar erklärten Grunde noch manches andere, das nicht nur du, sondern auch alle andern wohl zu beherzigen haben!“

24. Kapitel. Des Hauptmanns Vorschlag zur Entlarvung der falschen Propheten. Ein Notabene für die Jetztzeit

1. Hierauf dankte Mir über alle Maßen der Hauptmann für solche Meine Geduld und Mühe und sagte: „O Herr und Meister, wenn mir von all dem, was Du mir nun erklärt hast, auch noch nicht alles, wie etwa einem Deiner Jünger, klar ist, – in den Geist der Wahrheit aber bin ich doch also eingedrungen, daß ich nun diese Erde mit ganz andern Augen ansehe denn jemals zuvor in meinem ganzen Leben!

2. Nur das einzige ist mir bei Deiner Erklärung über den Ursprung dessen, wie die neuen Falschlehrer, Priester und Propheten durch allerlei Trugmittel, von deren wahrer Beschaffenheit die laie (unwissende) Menschheit natürlich keine Ahnung haben kann, eben solch ein Volk von der alten und reinen Wahrheit der irdischen Vorteile wegen leicht und bald abwendig machen, beigefallen und in den Sinn gekommen: Wenn solche lumpigen Menschen aus purstem Eigennutze das Volk also zu bearbeiten anfangen, so wäre ein außerordentliches Gegenzeichen aus den Himmeln ja doch ein sicher wirksamstes Mittel, um den Falschlehrern für immer den Mund zu stopfen, – zum Beispiel: So bei dem Falsches redenden Kamele der jenseits fortlebende Geistmensch mit der ernstesten Miene allen wohlerkennbar erschiene und gegen die Falschlehrer für jedermann wohlbegreiflich zeugte, da sollte es denn doch mit allen Furien hergehen, wenn die falschen Propheten noch fürder etwas zu wirken vermöchten bei einem von neuem aus dem Jenseits aufgehellten Volke! – Was sagst Du dazu?“

3. Sagte Ich: „Dazu läßt sich einesteils wohl so manches sagen, aber andernteils nur sehr weniges von einer besonderen Bedeutung! Denn siehe, erstens ist auch dein nun Mir vorgeschlagenes Mittel zu allen Zeiten und bei allen Völkern in die mehr oder minder günstige Wirkung gesetzt worden!

4. Solange sich ein Volk noch zum größten Teil treu in der alten Wahrheit befand, aber hie und da ein Teil des Volkes von den aufgefundenen Schätzen dieser Erde sehr weltlich zu werden anfing und sich selbst von der Wahrheit mehr und mehr zu entfernen begann, da wirkten Deine Mittel oft recht gut auf zwei, oft auch auf drei Generationen hin; bei der vierten Generation aber, die sich mit dem Haschen nach den Weltschätzen noch mehr zu beschäftigen anfing und eigenwillig in die Weltliebe überging, wurden derlei einmal angewandte Mittel zur Fabel, und nur wenige glaubten noch so halbwegs daran.

5. Wurden nun wieder solche Mittel angewandt, so machten sie fürs allgemeine schon wenig Wirkung mehr und wurden von den Vornehmen nur belächelt und verhöhnt, und die Falschwundertäter, die auch für die Säckel der trägen Großen und Vornehmen zu wirken verstanden, hatten schon den Vorteil und Vorzug für sich. Und so ging es durch viele Jahrhunderte durch eigenes Verschulden bei den verschiedenen Völkern stets mehr und mehr abwärts.

6. Siehe, nun ist das allerhöchste, von dir Mir vorgeschlagene Mittel zur Vertilgung alles Falschen unter den Menschen in Mir Selbst aus den allerhöchsten Himmeln schon lange wirkend vor den in der alten Wahrheit noch am meisten und reinst bewanderten Juden gegenwärtig und hat mehrere Male zu Jerusalem und in vielen andern Städten und Orten Zeichen gewirkt, die nur Gott allein möglich sind, und gelehrt die allerlichteste Wahrheit aus den Himmeln! Gehe hin und forsche nach, wie viele Menschen sich durch dieses allerhöchste Mittel noch wahrhaft von ihren alten Irrtümern und Sünden bekehrt haben!

7. So aber das allerhöchste Mittel bei der notwendigen Belassung des freien Willens der Menschen eine so geringe Wirkung zustande bringt, wie vereinzelt und gering wäre dann erst die Wirkung eines andern Geistes aus dem großen Jenseits!

8. Zudem ist das für einen jeden im großen Jenseits schon überseligen Geist eine harte Aufgabe, wieder auf dieser Welt sichtbar erscheinen zu sollen. Will er das frei, so wird es ihm von Mir auch zugelassen; aber bemüßigt wird dazu kein Geist.

9. Es ist besonders für einen minder vollendeten Geist nicht minder schwer, aus dem Jenseits in diese Welt – besonders in die Mitte purer Weltmenschen – zurückzukehren, als so du in den Leib deiner Mutter zurückkehren möchtest, der eines jeden Menschen erste und engste Welt war, und wolltest darin etwas ordnen und zurechtbringen. Daraus kannst du so ungefähr das Lebensverhältnis der Geister im großen Jenseits und das der auf dieser engen Erde lebenden Pilgermenschen in einen Vergleich bringen.

10. Ein kleiner Kreis hat im großen leicht Raum; aber umgekehrt geht es schwer. Das verstehe auch wohl!“

11. Über das dachten alle lange nach, und Ich ruhte.

12. Wir blieben auf der gewissen Anhöhe wohl bei zwei Stunden lang über den Mittag. Es ward daselbst noch über gar manches geredet und durch Raphael den Römern auch tatsächlich gezeigt, was nachträglich von dem Hauptmanne und auch von seinen Unterdienern aufgezeichnet worden ist. Wir begaben uns dann wieder ins Haus und nahmen ein Mahl zu uns.

13. Den Nachmittag brachte Ich in der Ruhe zu; die Jünger aber hatten von dem Hauptmanne noch allerlei Fragen zur Beantwortung bekommen. Johannes und Matthäus aber haben sich an ihr Schreibgeschäft gemacht und haben von dem bisher Gesehenen und Vernommenen kurze Aufzeichnungen gemacht; auch Mein Jakobus der Ältere hat für sich Notizen gemacht, die er aber erst nach einem Verlaufe von etlichen Jahren in eine Ordnung brachte. Der Hauptmann benutzte auch diese Gelegenheit und machte für sich in griechischer Zunge Aufzeichnungen, die er auch erst späterhin in eine größere Ordnung brachte.

14. Ich blieb mit den Jüngern noch bei acht volle Tage in Genezareth, und es sind da noch viele Fremde aus der Gegend von Damaskus und auch andern Städten hingekommen, haben Mich kennengelernt und den Glauben an Mich angenommen.

15. Es braucht nicht mehr alles von Wort zu Wort angeführt zu werden, was da sonst noch gelehrt und gewirkt wurde, indem bis nun schon alles erschöpfend gezeigt worden ist, in was und wie die Menschen von Mir und von Raphael, der auch mit Mir die angegebene Zeit lang in Genezareth sichtbar und wirkend verweilte, unterwiesen worden sind. Denn nicht allein in den Dingen des Reiches Gottes auf Erden, sondern auch in allen natürlichen Dingen und ihren Erscheinungen wurden sie ganz hell und der vollen Wahrheit gemäß unterwiesen und ließen dadurch ihren alten Aberglauben fahren, da sie ihre alten Irrtümer wohl einsahen und begriffen.

16. Auf diese Weise hatte sich denn auch bald eine ganz bedeutende Gemeinde zu Damaskus in Meinem Namen gebildet, wie auch in andern Orten, und Mein Name ward weithin gepriesen.

25. Kapitel. Über die geistlichen Verhältnisse der Gegenwart.

1. Und – nota bene – nun für diese Zeit etwas Aufklärendes!

2. Im Verlaufe der Mitteilungen alles dessen, was Ich bei Meinen Leibeszeiten auf dieser Erde im ganzen Reiche der Juden gewirkt und gelehrt habe, ist bis schon nach fünfhundert Jahren Meines Erdenseins – besonders was die Erklärungen der Dinge und Erscheinungen der Naturwelt anbelangt – das meiste teils in Vergessenheit geraten, größtenteils aber mit dem alten Unsinne wieder so vermengt worden, daß da niemand mehr die reine Wahrheit hat herausfinden können.

3. Es sind wohl viele ziemlich gleichlautende Aufzeichnungen, die zumeist von den Griechen und Römern bewerkstelligt worden sind, teils in den zehn Städten im langen und weiten Jordantale (darunter aber wohl gut bei sechzig Städte, die alle zu Meiner Zeit und auch vor Mir schon und nach Mir noch bis über die Zeit der Zerstörung Jerusalems und seiner Umgebungen größtenteils von Griechen und Römern bewohnt wurden, zu verstehen sind), teils in Essäa (von dem aber schon vor zwölfhundert Jahren keine Spur mehr anzutreffen war, da dieser Orden von den heidnischen Römerchristen zu sehr verfolgt wurde) und zum großen Teil aber in der großen Bibliothek zu Alexandria aufbewahrt worden.

4. Aber betrachte alle die verheerendsten Kriege und die großen Völkerwanderungen, von denen mehr denn halb Asien, der Norden Afrikas und beinahe ganz Europa heimgesucht worden sind, und zwar aus dem Grunde, weil nur zu bald nach Mir – wie solches schon der Prophet Daniel und bald nach Mir Mein Jünger Johannes auf der Insel Patmos in der von Mir ihm gegebenen Offenbarung gezeigt hat – die Menschen, und besonders die Gemeindevorsteher, Meine Lehre, da sie ihnen als die reinste Wahrheit aus den Himmeln zu kleine Zinsen trug, zu verdrehen und mit dem alten Unsinne zu vermengen anfingen.

5. Und es hieß da von Mir aus: Gut denn, weil euch der alte, finstere Weltunflat lieber ist als Mein reinstes Gold aus den Himmeln und ihr stets mehr und mehr den Hunden darin gleicht, daß sie zu dem zurückkehren, was sie gespien haben, und auch den Schweinen, die auch wieder mit aller Hast zu der Pfütze zurückrennen, in der sie sich schon oft über alle Maßen beschmutzt haben, so soll euch für lange hin das Gold der Himmel genommen werden, und ihr sollet Mir schmachten in aller Trübsal, Finsternis und Not, und der Tod soll euch wieder ein größter Schreck auf Erden werden!

6. Und also ward es denn auch bis zu dieser Zeit. Beinahe alle die Städte und Orte, in denen sich Aufzeichnungen von Meinem vielen Wirken und Lehren häufig vorfanden, sind zerstört und verwüstet worden; nur die Kleinevangelien des Johannes und Matthäus sind noch, der Sittenlehre für die Menschen eines guten Willens wegen, mehr oder weniger sprachrichtig bis jetzt als echte Dokumente über Mein Wirken und Lehren erhalten worden, so auch die Schriften des Lukas und des Markus, insoweit er das von Paulus Vernommene in aller Kürze für sich aufgezeichnet hatte, und imgleichen auch mehrere Briefe der Apostel, von denen aber auch viele verlorengegangen sind, und die Offenbarung Johannis, aber freilich auch mit einigen Sprachunrichtigkeiten, was der Hauptsache für den, der von Mir geführt wird, keinen Eintrag macht.

7. Von den andern Lehren, was die Dinge und Erscheinungen und ihre Beschaffenheit betrifft, ist bis auf diese Zeit hie und da ganz im Verborgenen nur weniges verblieben; und wo noch aus der Zeit der Römer und Griechen etwas vorgefunden ward, wurde es von den Klöstern aufgefangen, aber der im Finstern schmachtenden Menschheit auch nie ein Häkchen groß davon verkündet.

8. Sonnen- und Mondfinsternisse, Kometen und noch andere ganz natürliche Erscheinungen haben bei ihrer Wahrheitsdarstellung den Priestern nichts eingetragen; man hat sie nur zu bald wieder zu Vorboten und Verkündern der von Mir über die Menschen verhängten Strafen gemacht, damit die dadurch geängstigten Menschen dann zu den Tempeln, die bald wie die Pilze aus der Erde emporgewachsen sind, in großen Scharen wallfahrteten und daselbst reiche und viele Opfer zu den Füßen der Priester niederlegten.

9. In den Katakomben Roms und in den Pfaffenburgen Spaniens und Italiens und hie und da auch des deutschen Reiches finden sich noch gar manche sehr gewichtigen Aufzeichnungen aus Meiner Zeit vor; aber die noch jetzt bellendste Hab-, Glanz- und Herrschsucht der Hure Babels läßt davon ja nichts unter die Menschen kommen, und das aus der Furcht und großen Sorge, nun sich gewaltig zu verraten und dann von aller Welt dahin zur strengsten Rechenschaft gezogen zu werden, aus welchem Grunde sie den Menschen so viele Jahrhunderte die Wahrheit vorenthalten habe. Da der schnöde Grund wohl jedem Denker von selbst einleuchtend ist, so ist es hier denn auch wahrlich nicht nötig, ihn noch näher zu beleuchten.

10. Wie lange ist es denn seit der Zeit, als man dem Volke die vier Evangelien und die Apostelgeschichte des Lukas, die Briefe der Apostel und die Offenbarung Johannis auf das strengste vorenthalten hat und in mehreren Ländern ihm das noch immer vorenthält?

11. Wie sträubte man sich gegen das Licht Meines hellen Wissenschaftsblitzes, der vom Aufgange bis zum Niedergange alles, was auf Erden ist, von neuem hell zu erleuchten anfing, und das schon vor dreihundert Jahren, und dessen Licht nun stets heller und heller leuchtet, und das also, daß in dieser Zeit sogar die geheimsten und verborgensten Gemächer der einst so großen und mächtigen Hure Babels wie am hellsten Tage offen liegen!

12. Man fragt mit Recht und sagt: Ja, wie lange wird diese Hure Babels ihr Wesen noch treiben?

13. Und Ich sage: Welch eine kleinliche Frage! Siehe an das in aller Welt von Tag zu Tag stets heller und mächtiger werdende Licht Meines Blitzes! Wie kann sich neben den tausend, jetzt nur zu mathematisch erwiesenen und zum Gebrauch für alle Menschen frei und offen stehenden Wahrheiten aus allen Fächern der Wissenschaften und Künste der alte, babylonisch-heidnische, finstere Wunderquark, dessen Betrug bis in die kleinsten Fugen und Falten erleuchtet ist, noch halten?

14. Solange noch einige alte und aus der früheren Zeit irgend noch sehr verdummte, abergläubische Weiber und einige gleisnerische, sogenannte Betbrüder noch leben und sich von den Pfaffen einen blauen Dunst vormachen lassen, und solange jene Herrscher noch irgend einige Mittel besitzen, den Thron der Hure Babels zu schirmen, – was aber nur eine ganz kurze Zeit noch andauern kann und wird, da schon dafür gesorgt wird, daß derlei Herrschern die Mittel benommen werden, wie sie schon vielen benommen worden sind, und die nun ohne Land und Volk zusehen müssen, wie ihre alten Arbeiten, Mühen und finsteren Werke in Rauch und Dampf aufgehen!

15. Sage: Kann irgend die Nacht auf der Erde ihre Herrschaft ausüben, wo die Sonne bereits schon hoch über dem Horizonte steht? Also ist es auch nun schon auf der Erde! Das Licht ist zu mächtig geworden, und die ehedem aller Finsternis – ihrer Throne und ihres unbeschreibbaren Wohllebens wegen – so sehr huldigenden Machthaber fangen an, in der unbesiegbaren Macht dieses Lichtes ihre große Ohnmacht einzusehen, und müssen nun, so sie bestehen wollen, dem ihnen ehemals so verhaßten Lichte ein freundliches Gesicht zu machen beginnen; und wollen sie wieder so ganz unvermerkt in die alte Finsternis einlenken, so erkennt es das Volk und versagt ihnen den Gehorsam und treibt sie bald in große Verlegenheiten und – wie nun schon viele Beispiele zeigen – auch von ihren Herrscherthronen.

16. Meinem Willen läßt sich kein Trotz bieten! Ich lasse zwar den Menschen gleichfort ihren ganz freien Willen im Besonderen; aber im Allgemeinen bin Ich der Herr und nehme keine Rücksicht vor den Mächtigen dieser Erde! Die Zeit des Lichtes ist einmal da und kann durch keine irdische Menschenmacht mehr aufgehalten werden.

26. Kapitel. Vom falschen Prophetentum der Gegenwart.

1. Es ist nun auch die Zeit des gewissen Ecksteines gekommen, den die Bauleute, die von Babel hauptsächlich, verworfen haben. Wer nun an diesen Baustein stoßen wird, der wird sich zerschellen, und über den der Baustein herfallen wird, der wird zermalmt werden, wie es nun bald und sehr bald allen geschehen wird, die den Eckstein hintansetzen und der Hure Babels huldigen wollen. Oh, wie sehr werden die in Kürze heulen und wehklagen; aber der verworfene Eckstein wird ihnen keine Hilfe bringen!

2. Ich habe lange mit der größten Geduld dem Spiel der Schweine zugesehen, wie zu Meiner Erdenzeit die Schweinehirten zu Gadara ihren Schweinen; da aber waren zwei Ärgstbesessene in den alten Basaltgräbern, – denn Gadara war eine alte Gräberstadt.

3. Wem glichen die zwei mit Ketten und Stricken in den großen, alten Gräbern festgehaltenen Besessenen, die bei Meiner Ankunft die Ketten und Stricke zerrissen, zu Mir liefen und zu Mir sagten: „Was haben wir mit Dir vor der Zeit zu tun?“ Siehe, diese zwei glichen dem gemeinen, alten Welt-Gewinngeiste, in dem eine Legion anderer arger Geister stecken!

4. Da aber diese Geister Meinen ernstesten Willen wohl erkannten, so baten sie Mich, ihnen zu gestatten, in die Säue zu fahren, und die zwei wurden frei und lobten Mich, obschon Mich die Gadarener nachher baten, sie zu verlassen, weil sie vor Mir eine große Furcht hatten. Und so werden in der Folge auch der rechte Weltgeist und sein Gewerbefleiß Mich loben, da er durch die Macht Meines Lichtes von der Legion seiner argen Selbstsuchtsgeister befreit worden ist, die wohl in ihre Schweine fuhren, aber mit denselben im Meere auch ihren Untergang fanden.

5. Unter die Zahl der Schweine aber gehören alle die ultramontanen Diener der Hure Babels durch ihre schmutzigsten und habsüchtigsten und herrschgierigsten Bestrebungen, die sie durch ihre Konkordate und Missionen, Breven und Bannflüche nur zu offen und laut kundgaben. Und das war eben schon seit den Zeiten der Herrschaft der Hure Babels über die Völker und ihre Könige der Zustand des Hineinfahrens der Legionen arger Geister in diese obbezeichneten Schweine, die sich darauf in das Meer zu stürzen anfingen, und in eben dieser Zeit am meisten, daher ihr voller Untergang auch ein sicherer ist.

6. Das Meer aber ist ihr Starrsinn, in der alten Finsternis zu verharren und das Licht, das Ich in allen Zweigen des Wissens und der Künste nun allen Menschen aus den Himmeln zufließen lasse, nach allen Seiten hin zu verfolgen und zu verfluchen.

7. Siehe, das ist das Meer, in das die Schweine von den schon lange in sie gefahrenen argen Geistern getrieben werden, und in dem sie ihren sicheren Untergang finden!

8. Sie haben Meinem Urlichte aus den Himmeln eine Grube gegraben, um es darin vor den Augen der Menschen zu verbergen und sie in der Finsternis zu ihrem Weltnutzen zu erhalten; aber Ich machte das Licht frei, und nun stürzen sie in das von ihnen gegrabene Grab, in dem Mein Urhimmelslicht hätte ersticken und verderben sollen.

9. So aber das nun vor aller Welt Augen und laut gewordenen Wünschen geschieht, so ist die Frage eitel, wann das geschehen werde.

10. Es ist leicht einzusehen, daß so etwas nicht in einem Moment geschehen kann, sowenig die Nacht urplötzlich dem vollen Tage weichen kann, sondern es muß in dieser Welt alles seine Zeit haben, und es kann kein Mensch von noch so großen Talenten und Fähigkeiten in einem Tage ein Gelehrter und ein Künstler werden, und keine Frucht eines Baumes wird plötzlich reif und genießbar. Aber so die Bäume im nahenden Frühjahr einmal saftig werden und die Knospen stark anzuschwellen beginnen, so ist das ja doch ein sicheres Zeichen, daß das warme Frühjahr und der segensreiche Sommer nahe herbeigekommen sind; einige dazwischen sich noch einschleichende Kleinfröste geben da keinen bedenklichen Ausschlag mehr.

11. Was der Prophet Hesekiel im 14. Kapitel von der Bestrafung Israels und Jerusalems weissagt, das gilt jetzt allem falschen Prophetentum: es soll, wird und muß ausgerottet werden.

12. Worin aber das falsche Prophetentum besteht, und wer die Pharisäer der Jetztzeit sind, das braucht für keinen nur etwas hell denkenden Menschen näher bezeichnet zu werden; denn alle Welt kennt die alten Feinde des Lichtes, der Wahrheit und der Liebe aus Mir.

13. So Ich Selbst zu den Aposteln also geredet habe, daß sie niemanden richten, verdammen und verfluchen sollen, auf daß ihnen das nicht von Mir ausgehend widerfahre, – wer hat ihnen denn hernach das Recht erteilt, über die, welche, von Meinem Geiste angetrieben, die reine Wahrheit suchten und noch suchen, zu richten, sie zu verdammen und mit den erschrecklich-fürchterlichsten Bannflüchen zu belegen?! Darum werden sie selbst in jene Grube gestürzt werden, die sie für viele Millionen der unschuldigen Menschen gegraben haben, und es werden darin ihre bösen Werke ebenso ohne alle Rücksicht und Erbarmung gerichtet werden und ihren Lohn überkommen.

14. Sieh hin in alle Weltteile, und du wirst finden, wie verhaßt das falsche Prophetentum der Hure Babels beinahe allen nur etwas besseren Völkern der Erde geworden ist, und wie ihre Sendlinge empfangen und geachtet werden! So sicher nicht, wie du das in den der Hure Babels servilen (dienenden) Sudelblättern liesest, sondern ganz anders. Nur bei ganz rohen und wilden Völkern können sie sich noch eine kurze Zeit halten. Wenn sie daselbst aber oft nur zu bald ihre hab- und herrschsüchtigen Tendenzen oder den Wolf unter ihren Schafspelzen merklich und leicht erkennbar sehen lassen, so ist es mit der Wirkung ihrer Sendung auch schon zu Ende, und sie können dann zusehen, wie sie mit heiler Haut davonkommen können.

15. Wie oft haben sie schon nach China und Japan, wo es viel Gold, Silber und andere Schätze gibt, ihre kecksten Sendlinge geschickt! Solange diese ihre Schafspelze nicht hintanlegten, waren sie geduldet und hatten recht viele für die vorgebliche Himmelsfriedenslehre an sich gezogen; aber wie sie einmal – wie man zu sagen pflegt – warm wurden und ihnen ihre Schafspelze unleidlich wurden und sie zu meinen anfingen, daß sie nun schon in ihrer wahren, inneren Gestalt könnten zu schalten und zu walten anfangen, da wurden sie denn auch sogleich erkannt in allem, was sie eigentlich möchten, und man ergriff sie und gab ihnen den wohlverdienten Lohn.

16. Man sprach sie, so man in Babel die Nachricht von ihrem verdienten argen Lose Kunde erhielt, unter großem Pompe heilig, obschon Ich Selbst sagte und lehrte, daß nur Gott allein heilig ist. Aber Ich kann zu solchen Heiligen nur sagen: ,Ich kenne euch nicht und habe euch nie erkannt; darum weichet von Mir, und suchet euer Heil und euern Lohn nur bei denen, in deren Namen ihr gepredigt und gehandelt habt! Denn in Meinem Namen habt ihr niemals gepredigt und noch weniger gehandelt; denn ihr habt seit eurer Kindheit an niemand einen Akt jener wahren Nächstenliebe, die Ich gelehrt habe, ausgeübt, weil ihr an Mich noch nie geglaubt habt, sondern nur zu eurem Weltnutzen Meinen Namen mißbraucht, und so habt ihr von Mir aus auch keinen Lohn und keine Gnade zu erwarten. Gehet also zu jenen nun, denen ihr gedient habt, und verlanget von ihnen den Lohn!‘

27. Kapitel. Die Unmöglichkeit der Religionskriege.

1. Und also geschieht es nun auch schon in dieser Welt. In der sogenannten heiligen Stadt wimmelt es schon von allerlei heiligen Hungerleidern, und man weiß mit ihnen nicht mehr aus und ein, und wo man ihnen auf dieser Erde noch so ein kleines Paradieschen zuschanzen könnte, da man trotz aller Fluchandrohungen nicht viel über etliche sehr wenige wüste Quadratmeilen hinaus mehr etwas gebieten kann. Denn weder die Könige geweckterer Völker, und noch weniger die Völker selbst lassen sich von der gewissen Seite her etwas gebieten.

2. Was bleibt solchen müßigen und hungrigen Heiligen denn nun übrig, als ihrer Heiligkeit den Rücken zu kehren und andere für sie ehedem unheilige Dienste zu suchen und zu nehmen, um als Heilige nicht verhungern zu müssen?

3. Du meinst da, daß auf die gegenwärtigen Verhältnisse sicher große Religionskriege folgen werden? Das würde wohl der Fall sein, so der gewisse Mann in Babel noch die einstige Macht über Könige und Völker besäße und der größte Teil der Menschen noch so dumm und finster wäre, wie er noch vor dreihundert Jahren war; aber der gegenwärtige Anhang des alten, einst so mächtigen Babels ist ein sehr kleiner geworden, und die Menschen sind durch Meinen Blitz schon zu aufgeklärt, und es glaubt selbst der einfachste Landmann mit seinem ganzen Hause nicht mehr, daß der Teufel die Dampfmaschinen auf dem Meere und auf dem Lande wegen einer ihm verschriebenen Seele in Bewegung setze, oder daß auf den Drähten der Telegraphen eben auch der Teufel hin- und herspringe und -hüpfe und den Großen und auch Kleinen von fernen Ländern und Orten die erwünschten Nachrichten bringe.

4. Wie viele gibt es wohl noch, die ernstlich an die sogenannten Wunderbilder glauben? Wo ist noch ein Land, in dem man noch die sogenannten Taschenkünstler als Zauberer verbrennt und die Leser der Bibel und anderer geistreicher Bücher und Schriften vor ein unerbittliches Inquisitionsgericht zieht und sie bis zum Tode quält? Welcher nur einigermaßen heller gebildete Mensch hält noch etwas auf einen gewissen Sündenablaß, auf alle die leeren und alles Geistes baren sogenannten gottesdienstlichen Zeremonien, aufs Weihwasser, auf den Weihrauch, auf die geweihten Bilder, auf die Glocken und Glöcklein, auf die Wachskerzen, Reliquien, Trauermessen und teuer zu bezahlenden Leichenbegängnisse, auf die Fast- und Normatage und noch auf vieles dergleichen?

5. Man macht die Sachen des äußeren, aber auch schon sehr schwach gewordenen Gesetzes wegen wohl noch mit; aber daran glauben tun unter tausend kaum zehn mehr, und diese nicht mehr der Wahrheit nach, wie dies unter der vergangenen, finstersten Aberglaubenszeit leider der lange andauernde Fall war.

6. Wenn die Sachen nun aber vor jedermanns Augen also und nicht anders stehen, wie läßt sich da an einen irgend großen und gar allgemeinen Religionskrieg nur von ferne hin denken?

7. Der wahren Finsterlinge gibt es zu wenige, um sich wider die vielen Erleuchteten zu erheben, wenn sie das auch gerne möchten; und die Erleuchteten, so sie angegriffen würden, haben schon das sichere Bewußtsein in sich, daß sie stets und allzeit über die wenigen und völlig machtlosen Finsterlinge den Sieg davontragen werden.

8. Aber es wird dessenungeachtet zu allerlei Kämpfen und Kleinkriegen zur Demütigung aller jener Machthaber kommen, die sich Meinem Lichte irgend in den Weg stellen werden wollen. Denn von nun an werde Ich mit allen solchen Machthabern keine Geduld und Rücksicht mehr haben. Das kannst du wohl glauben, da Ich Selbst dir solches verkünde.

9. Siehe an das Reich, in dem du lebst! Es ist noch aus gewissen leicht zu erratenden Gründen, besonders von der machthaberischen Seite her, stark babylonisch gesinnt. Es soll nun nur alle seine Macht zusammenraffen und seinem ,Heiligen Vater‘ auf den alten Thron helfen, wenn es kann und mag.

10. Ja, wenn es noch eine Zeitlang wankt, seinen Völkern das zu gewähren, was von Mir aus Rechtens ist, da doch nach Meinem Worte jeden Menschen die reine Wahrheit, an die er allein zu halten hat, frei machen wird und nun muß, so wird es auch an dem Lose dessen teilnehmen, von dem es bis jetzt sein Heil erwartete! Der zu einer kräftigeren Hilfe allernötigsten Geldkräfte ist es bar; und vertraut es noch auf eine vermeintliche Hilfe von seiten eines sieben Male geweihten Altars und seines wundertätigen Bildes, so wird es auch jeder andern Kraft bald bar werden! Es betrachte nur die Folgen seines finstern Konkordats, und es wird ihm alles Ausland sagen: ,Hast du jenem, uns allen verhaßten Feinde des Lichtes und der Nächstenliebe dich so treu verbunden, so ist mit dir kein Freundschaftsbund mehr zu flechten! Den du so sehr, aller andern deiner alten Freunde vergessend, begünstigt hast, daß du ihm mehr denn deine halbe Macht zum Genusse gabst zu deinem größten Nachteile, der helfe dir nun in deiner Not und Verlassenheit!‘

11. Denke selbst nach, ob in deinem Lande die sicher höchst herben Folgen von einer solchen unüberlegten Tat nicht von allen Seiten laut also sprechen! Da heißt es, solch einen Fehler eiligst wieder gutmachen, sonst kommt der böse, todbringende, allgemeine Brand dazu.

12. Wo bei einem Hause alle Mittel stark zu fehlen anfangen, um es aufrechtzuerhalten, und seine Freunde und selbst besseren Hausgenossen ihm den Rücken zuwenden und von einer Aufrechterhaltung eines solchen altverwahrlosten Hauses nichts mehr hören und wissen wollen, – wie wird denn dann ein solches Haus noch fernerhin bestehen oder gar in seiner alten Weise noch weiter als ein irgend kräftiges bestehen können?

13. Ja, es kann sich kräftigen und von neuem bestandhaft werden; aber dazu gehört erstens ein unbeugsam fester Wille, alles Alte und Morsche hinwegzuschaffen, einen neuen, festen Grund zu legen und mit vielen und guten Bauleuten das ganze Haus schnell mitsamt dem festen Dache herzustellen, auf daß man dann allerorts sehe und sage: Siehe, nun hat dieses ehedem völlig wertlos gewordene Haus wieder einen rechten Wert, und man kann seinen Grundfesten, Gemächern und Dächern trauen!

14. Wenn die Sache also in Angriff genommen würde, so würde es an allerlei guten Freunden von außen und noch mehr von innen aus keinen Mangel haben; aber wer wird einem Hause je mehr ein Vertrauen schenken, von dem man nicht mehr weiß, von wem alles der Hausherr sich am Ende Gesetze vorschreiben lassen muß, um noch eine Weile als solcher zu scheinen?

28. Kapitel. Die Zukunft der Zeremoniellen Kirche.

1. Was nützt es, einen neuen Lappen Tuches auf einen alten, übermorschen Rock aufzuheften, auf daß er auf der gestopften Stelle die nackte Haut bedecke und vor dem Winde eine Zeitlang schütze; kommt dann aber ein kleiner Sturm nur, so reißt er mit aller Leichtigkeit den neuen Lappen vom alten, morschen Rocke und mit demselben auch noch einen Rockteil. Wer wird dann im Sturm die nackte Haut vor der Kälte schützen? Darum schaffe dir sogleich einen völlig neuen und starken Rock, solange dir noch dazu einige Mittel zu Gebote stehen, und verschwende sie nicht mit der Anschaffung neuer Lappen zur Ausstopfung des alten und übermorschen Rockes, das dir kein nütze ist, – und sollten dann auch irgendwelche Stürme kommen, so werden sie deiner Haut keinen Schaden mehr zuzufügen imstande sein!

2. Welcher echte Weinwirt wird denn einen neuen Wein in alte Schläuche tun wollen? Was wird mit diesen Schläuchen geschehen, so der neue Wein in ihnen zu gären anfängt? Er wird sie zerreißen, und der unkluge Weinwirt wird so um die Schläuche und um den Wein kommen. Und ebenso hat ein unkluger Regent, der eine neue Verfassung in eine alte hineinschieben will, dasselbe zu gewärtigen; die eine ist gegenseitig notwendig der andern Untergang, und der Regent kommt dabei um alles: um die Verfassung, ums Land und ums Volk, wie es nun in Europa schon mehrere solche Exempel gibt und bald noch mehrere geben wird.

3. Ich sage es dir: Wer mit dem gewissen Manne, der sich fromm nennt, beim steten Dichterwerden Meines Lichtes aus den Himmeln noch fernerhin liebäugeln und schlangenzüngeln wird, der wird bald ganz verlassen und allein dastehen. Denn Ich will einmal ein Ende der lange angedauert habenden Buhlerei Babels. Von nun an soll alles neu und anders werden, und Mein Wort, das Ich zu den Aposteln und gar vielen andern Menschen geredet habe, muß nun in neuer Kraft und Macht erstehen und dann bis ans Ende der Zeiten dieser Erde währen, und alle sollen sich sonnen und wärmen im Lichte Meiner Lehre aus den Himmeln, und es sollen wieder, wie es in der Urzeit war, Meine wahren Bekenner und Liebhaber in einer steten wohlfühlbaren Gemeinschaft mit Meinen Engeln, und also auch mit Mir Selbst stehen von der Wiege an bis zum Grabe.

4. Du fragst nun auch, wie es in deinem Lande ergehen werde, so die alten Schläuche durch den neuen hineingezwängten Wein zerrissen und der Wein verschüttet wird. Ich sage es dir: Gleich um tausend Male besser denn nun, wo beinahe kein Mensch, aus Furcht davor, was aus der langen und kostspieligen Zauderei noch all für Elend und Not erwachsen werde, seinem noch so ehrlichen Bruder mehr traut und immer sagt: „Man kann nicht wissen, wie sich die Dinge noch gestalten werden!“

5. Im Augenblick solch einer möglichen Schlauchzerplatzerei hören die Großkonsumenten auf, und der Staat wird dafür sorgen, daß denen nichts entzogen wird, die dem Staat und Volke lange treu gedient haben durch ihren Geist und Verstand; aber die mehr denn im ganzen bei einer Viertelmillion Pflastertreter und verdienstlosen Müßiggänger, zumeist aus der Zahl der Pfaffen, werden ihre großen Gehälter und Pensionen nicht mehr erhalten, im Gegenteil zur Zahlung der Staatsschuld strenge verhalten (angehalten) werden, – denn diese wird unter allen Umständen respektiert werden, auf daß kein Bruder wider den andern eine Klage erheben soll.

6. Unter allen Umständen stehe nun Ich wieder an der Spitze, und da kann keine Unordnung irgend mehr zum Nachteil derer, die an Mich halten, statthaben. Dieses Jahr aber will Ich mit dem Lande, unter dessen Gesetzen du lebst, noch eine kleine Geduld haben; aber um gar vieles darüber nicht, und so darin auch viele Meiner alten Freunde noch im Leibe und aller ihrer Liebe und Treue wohnten. Die Meinen und die Neuerleuchteten sollen wohl erhalten, all die andern aber gezüchtigt werden.

7. Du sagst bei dir nun freilich wieder: „Ja, Herr, es ist schon alles recht also; denn so eine Volksleitung einmal faul und untüchtig geworden ist, da soll das Volk eine andere erhalten, die den materiellen und besonders den geistigen Bedürfnissen desselben entspricht. Doch solange dabei die alten Götzentempel, die man Gotteshäuser oder Kirchen nennt, mit ihren Dienern fortbestehen, ihre Dienste verrichten, den noch vielen blinden Menschen von der über alle Maßen vortrefflichen Wirkung ihrer kirchlichen Gottesdienerei besonders in den Wallfahrtsorten und Klöstern vorpredigen dürfen, da wird eine neue Volksleitung – bestehe sie in einer neuen, günstig bearbeiteten Verfassung oder in einem neuen Regenten – immer in der Gefahr stehen, so nach und nach wieder in die alte Finsternis zu verfallen, und das um so eher dann, wenn die Diener der Tempel angewiesen sind, vom Verdienste ihrer kirchlichen Verrichtungen zu leben. So sie schon als Volkslehrer noch irgendeine Zeit fortzubestehen haben, da bezahle man sie wie jeden andern Staatsdiener; aber für ihren Kirchendienst sollten sie von niemand eine Bezahlung verlangen und annehmen dürfen, so würde dadurch den das Volk aussaugenden, betrügerischen und verfinsternden Umtrieben der Templer sicher eine sehr wirksame Schranke gezogen sein, und mit den Wallfahrten, wundertätigen Bildern und Reliquien und noch vielen andern kirchlichen Mißgeburten und Mißbräuchen hätte es dann sicher bald ein Ende!“

8. Darauf sage Ich dir, daß du einesteils ganz richtig und recht geurteilt hast, und es wäre so auf eine Zeitlang auch gut, weil der sogenannte Geistliche sich offenbar mehr mit dem Volksunterricht, für den er bezahlt würde, als mit der ihm nichts mehr tragenden Kirchenzeremonie abgäbe. Aber so er seine Kirchendienste dann ohne Entgelt verrichtete, so würde das blindere Volk anfangen, ihnen einen noch größeren gottesverdienstlichen Wert beizulegen und so von selbst in den alten Aberglauben noch ärger und tiefer verfallen, als das ehedem der Fall war, und der Geistliche würde das, was ihm beim blinden Volk ein großes und pomphaftes Ansehen verschafft, sicher nicht als etwas bei Mir Wertloses, sondern nur als etwas Mir überaus Wohlgefälliges darstellen und das Volk also in seinem alten Aberglauben bestärken und so für die nun ihrem vollen Ende nahende Hochherrschaft der Hure Babels einen neuen Thron schaffen.

9. Darum laß die Pfaffen nur treiben das volksaussaugende Spiel; laß das noch blinde Volk nur wallfahrten gehen, teure Messen zahlen; laß es beichten, kirchenlaufen, überteure Kondukte (Geleite) für ihre Verstorbenen machen; laß die Pfaffen erbschleichen und teure Dispensen und Ablässe verkaufen; kurz, laß die Babylonier es noch ärger treiben, dann wird auch der Blindeste bald zur Besinnung kommen und sagen: „Nein, an solch einer Religion muß wahrlich nichts als ein purer Betrug sein, weil eben diejenigen, die am meisten von der reinen Wahrheit der Lehre Christi überzeugt sein und danach handeln sollten, selbst durch ihre Taten zeigen, daß sie selbst auf die ganze Lehre gar nichts halten, an keinen Gott glauben und somit lauter falsche Propheten sind, die für nichts anderes denn nur für ihren Bauch sorgen, die Menschen durch allerlei Trug und, wo der nicht mehr genügt, auch durch eine Art vom Staate ihnen gewährten gesetzlichen Zwang oft um ihr ganzes Hab und Gut bringen und von ihrem wahren Raube keiner durstigen Seele aus Liebe auch nur einen Trunk Wasser darreichen! Darum fort mit allen solchen falschen Propheten; fort mit den reißenden Wölfen in Schafspelzen, und fort mit all dem, womit sie so lange das arme, blinde Volk gequält, betrogen und beraubt haben; fort mit den Tempeln, Altären, Heiligenbildern, Reliquien, Glocken und allen eitlen und keinen geistigen Lebenswert habenden kirchlichen Utensilien! Wir wollen von nun an selbst die ganze Lehre Christi prüfen, sie uns von einem wahren, von Gott erleuchteten Lehrer erklären lassen und dann nach ihr leben und handeln, und der echte Lehrer soll an unserm Tische nicht verhungern und verdursten und soll auch nicht nackt und barfuß einhergehen!“

29. Kapitel. Die Zukunft der Staaten Europas und Amerikas.

1. Und sieh, so geht es nun in dem vor kurzer Zeit noch finsteren Italien zu! Ebenso ist es vor schon vielen Jahren im deutschen Reiche zugegangen, ebenso einst in England und in Nordamerika, das sich eben in dieser Zeit noch mehr von allen Meiner Urlehre widerstrebenden Tendenzen durch harte Kämpfe reinigt. Da sagt man auch häufig: „Aber Herr, wie kannst Du den Sklaven halten wollenden Konföderierten gegen die ganz menschlich gesinnten Unionisten bedeutende Siege erkämpfen lassen?!“

2. Ich aber sage: Bei den Konföderierten ist nicht alles Laster, was ein solches zu sein scheint, und bei den Unionisten nicht alles Tugend; und so ziehen nun beide Teile sich die Splitter und Balken aus den Augen, und einer fegt vor der Tür des andern, was nach Meiner Lehre nicht sein soll.

3. Wenn aber ein wie der andere Teil seine eigenen Augen zuvor selbst von den Splittern und Balken befreien und den Mist von seiner Hausflur hinwegschaffen wird, dann werden sich die beiden Parteien bald und leicht verstehen und sich ausgleichen.

4. Dergleichen große und auch kleine Zwiste – sowohl zwischen Völkern als auch zwischen einzelnen Menschen – sind allzeit eine Folge der Nichtbeachtung Meiner Lehre, darin bestehend, daß da niemand zu seinem Nachbar sagen soll: „Komme her, daß ich dir deinen Splitter aus dem Auge ziehe!“, der Nachbar aber dann sagt: „Was kümmert dich mein Splitter in meinem Auge, da ich in deinem doch einen ganzen Balken entdecke? Reinige zuvor dein Auge, dann erst kannst du mir mein Auge reinigen helfen!“

5. Solche Kämpfe hat es schon gar viele gegeben und wird es noch mehrere geben, so irgend die Menschen nicht völlig in Meine reinste Lehre tatsächlich eingehen werden.

6. Doch die Geschichte in Amerika wird nicht gar zu lange mehr dauern. Aber in Südamerika, wo das Babylon noch um gar vieles ärger vertreten ist als nun irgendwo auf der Erde, wird bald ein großes Strafgericht losgelassen werden; denn das Babel muß überall in ein neues Jerusalem umgestaltet werden, und die Schweine der heidnischen Gadarener müssen in dem Grabe ihrer Nacht den Untergang finden.

7. Ich meine, nun dir als ein großes NOTABENE für diese Zeit mehr denn zur Genüge gesagt zu haben, und ein jeder, der nur ein wenig an den Fingern zu rechnen versteht, wird es leicht erkennen, wie und warum die Sachen nun eben also stehen müssen, wie sie eben stehen und in Kürze notwendig hervorgehen müssen.

8. Nach dem Jahr, Tag und der Stunde aber sollst du Mich deshalb nicht fragen, weil das alles schon vor aller Welt Augen da ist und ein jeder das sehr nahe Ende der Nacht dann doch sicher und bestimmt voraussehen muß, so er am Horizont die von der Sonne hellerleuchteten Wölkchen erschaut.

9. Die Menschen, die mit irgendeiner Macht versehen sind, sollen nur versuchen, im Frühjahr dem Grase und all den Kräutern, Sträuchern und Bäumen das Neuaufwachsen, das Treiben, Grünen und Blühen verbieten und verhindern zu wollen, dem Winde gebieten und dem freien Blitz den Weg vorschreiben, und sie werden sich bald überzeugen, wie groß ihre Ohnmacht infolge ihrer Blödheit ist.

10. Was Ich einmal sage und will, das geschieht so bestimmt und gewiß, als die Sonne an einem jeden Morgen aufgehen und am Abend untergehen muß. Mehr brauche Ich dir wohl nicht zu sagen, obwohl Ich noch eine Frage in bezug auf Frankreich in deinem Gemüte sehe, dahin gerichtet, wie sich dieses nun sehr erdmächtige Reich im Verhältnis der gegenwärtigen, allgemeinen Lichtströmung verhalten wird. Und Ich sage es dir: Meinem Willen entgegen sicher schwer und unmöglich!

30. Kapitel. Die Ordnung der Entwicklung. Jesus in der Gegend von Cäsarea Philippi

1. Daß es (Frankreich) aber nun sich noch pro forma zu einem Schutze von Babylon hinstellt, im Grunde bei sich doch ein Feind desselben ist, ist ja auch ganz recht; denn dadurch hält es andere noch sehr babylonisch gesinnte Staaten und ihre Gebieter ab, mit ihrer Gesamtmacht der alten Nacht wieder auf den hohen Thron zu helfen und dann ihre Völker mehr noch denn je zuvor zu knechten. Denn von einem freien, guten Willen gegen die Völker ist bei den alten Machthabern noch sehr verzweifelt wenig vorhanden. Was sie nun zugunsten der Völker tun, dazu drängen die Umstände. Könnten sie diese durch irgendein für sie günstiges Mittel sich vom Halse schaffen, so würden sie ihren Völkern gleich andere, und das sehr traurige Lieder vorzusingen anfangen, und die Menschen müßten von neuem nach den alten spanischen Inquisitionspfeifen zu tanzen anfangen, was sich sicher niemand mehr wünschen wird.

2. Alle die gegenwärtigen, noch zwischen schlecht und gut schwebenden Verhältnisse aber mit einem Schlag vernichten, hieße Länder und Völker verwüsten. Es muß darum auf dieser Welt alles seine gewisse Zeit haben und durchmachen. Bis der neue Mostwein nicht ganz gehörig ausgegoren und also durch seine eigene Tätigkeit alles Unreine von sich geschafft hat, wird er kein reiner und geistiger Wein.

3. Wer sich eine neue und gute Wohnung erbauen will, der darf die alte nicht eher auf einmal völlig zerstören, als bis er die neue Wohnung sich erbaut hat; denn zerstört er alsogleich die alte, wo wird er dann wohnen, und wer wird ihn schützen gegen allerlei Ungemach während der Zeit des Baues einer neuen Wohnung? Es ist denn klüger, einen alten, noch so zerlumpten und verflickten Rock so lange zu tragen zur Not, bis ein neuer fertig ist, als nackt umherzugehen. Und so muß nach Meiner besten Ordnung stets eines aus dem Früheren hervorgehen, so es eine Dauer und Festigkeit haben soll.

4. In der Zeit, als Ich auf der Erde Meine Lehre den Menschen gab, da war das Heidentum nach allen Seiten hin weit über die ganze Erde ausgebreitet unter allerlei Formen und Gestaltungen, und Meine Lehre war nur ein heller Morgenstern in der großen Heidennacht. Der Morgenstern wurde bald und leicht von dem dichtesten Nachtgewölk der Heiden so gänzlich verdeckt, daß die Menschen nur hie und da mit Mühe seinen wahren Stand erraten konnten. Einige sagten: „Siehe da!“, und andere: „Siehe dort!“ Und es geschah, daß sie andere Sterne für den Morgenstern ansahen und hoch verehrten. Und so hatte das damals so großmächtige Heidentum ein leichtes zu tun, um den Morgenstern mit sich zu verschmelzen und zu vereinen und sich so dem Volke, das nach dem Morgensterne fragte, von dem es häufig reden gehört hatte, als der allein rechte, alte Morgenstern darzustellen.

5. Der also umwölkte und verunstaltete Morgenstern wirkt vor dem blinden Volke auch Wunderzeichen unter dem nur veränderten Namen des Zeus in den Meinen, und das Volk war zufrieden, und das alte Heidentum blieb mit sehr geringen Abänderungen. Aber Meine Lehre blieb dennoch auch trotz aller Verfolgungen bei wenigen unversehrt und wohl erhalten. Der edle Same, der auf ein gutes Erdreich fiel, schlug gute und feste Wurzeln, trieb und trug gute Früchte, wennschon im Verborgenen, von den Blindaugen der Hure Babels unbemerkt.

6. Aus dem Morgenstern ward eine Sonne, die nun vollends aufgeht, und das Gewölk des Heidentums wird diese Sonne nimmermehr derart zu verdecken vermögen, daß selbst ein Schwachsichtiger den Tag für die Nacht halten könnte.

7. Das Licht Meines Blitzes ist mächtig geworden und wird von der Heidennacht nimmerdar verdrängt werden. Wie, das habe Ich in diesem Notabene klar gezeigt.

8. Und so will Ich denn dieses Heft mit dem auch schließen, daß Ich jeden Meiner Freunde in aller Meiner Liebe ermahne, dieses nicht nur zu lesen, sondern es wohl zu beherzigen und zu glauben, daß Ich es bin, der Ich Meinen Freunden solches aus Meiner freien Gnade eröffnet habe zum Troste des Herzens und zur Erleuchtung des Seelenverstandes, und dafür nichts verlange als allein eure rechte Liebe und also auch den lebendigen Glauben.

9. Wer Meinem irdisch stets armen und nun schon alten Knechte dafür etwas Besonderes tun kann und will aus Liebe zu Mir, dem werde Ich es in Kürze vielfach vergelten, Amen! Das sage Ich, der Herr, das ewige Leben und die Wahrheit.

10. Und nun im nächsten Heft wieder zur Sache des Evangeliums zurück! Einen halben Tag halten wir uns noch in Genezareth auf, dann wollen wir die zehn Städte kurz durchwandern.

31. Kapitel. Die Zweifel der Anhänger Jesu.

1. Wie im früheren Heft angezeigt, blieb Ich noch einen halben Tag von frühmorgens bis über eine Stunde über den Mittag in Genezareth.

2. In dieser Zeit segnete Ich Meine besonders hier noch anwesenden Freunde, den alten Markus, den Kisjona, den Philopold und also auch die Maria, die mit dem Kisjona und Philopold zuerst nach Kis sich begab, dort eine Zeitlang verblieb und sich auch wieder nach Nazareth begab, wo sie den etlichen Brüdern alles erzählte, was sie über Mein Lehren und Wirken vernommen, selbst gesehen und erlebt hatte, worüber sich die Brüder sehr wunderten, wie auch noch andere alte Bekannte und Freunde Josephs, Mariens und der drei Brüder, die daheim Zimmerleute waren und das Haus versorgten.

3. Aber bei allem Glauben an Mich zuckten doch mehrere mit den Achseln und sagten: „Er tut wahrlich große Dinge, und Seine Lehre ist vollkommenst wahr, rein und gut; aber so Er Sich mit den Templern zu Jerusalem zu weit gegen sie zeugend einläßt und mit aller Seiner göttlichen Kraft und Macht gegen sie auftritt, so geht Er unter; denn ihre Gesinnungen gegen Ihn und Seinen sicher schon weit ausgebreiteten Anhang sind allseits, wie wir vernahmen, von allerunversöhnlich bösester Art.

4. Unter den Heiden hat Er wohl schon viele und vollgläubig beste Freunde und Anhänger, doch unter den Juden nur sehr wenige, und selbst diese halten Ihn zumeist für einen großen Propheten und wollen von einem Gottessohn eben nicht viel hören und wissen, obschon bei und mit Ihm noch alles in Erfüllung ging, was die Propheten über Ihn geweissagt haben.

5. Nun darf es einmal mit Ihm dahin kommen, daß er das arge Los mit Johannes dem Täufer leicht möglich zu teilen bekäme, da werden die bis jetzt wenigen an Ihn haltenden Juden gleich wieder umkehren und sich aus großer Furcht vor dem Tempel wieder zu den Pharisäern wenden und ihnen Seine bisherigen Anhänger verfolgen helfen.

6. Bis jetzt hat Er Sich wohl noch allenthalben behauptet und hat allen, die Ihn verfolgten, auf das kräftigste zu begegnen verstanden, und wir hoffen und glauben auch fest, daß Er mittels Seiner göttlichen Natur und Wesenheit das begonnene Werk ganz gut nach der Macht der göttlichen Weisheit, mit der Er erfüllt ist, und ohne eine weitere Störung vollenden wird. Aber die Welt ist falsch und arg, und ihre Kinder sind finster und sehr böse und haben bis jetzt noch immer verstanden und verstehen das auch sicher jetzt, alles, was Gott durch die Propheten für die Menschen noch so wahr, gut und weise geoffenbart hat, zu verkehren und in ihr eigenes Böse derart zu verwandeln, daß dann selbst die von Natur aus besseren und helleren Menschen das alte Reingöttlich- Wahre und – Gute aus dem vielen Falschen und Schlechten nicht mehr haben herausfinden können und darum in dem Falschen und Argen der Welt haben verharren müssen.

7. Nun, unser göttlicher Bruder Jesus hat die schon altarge Finsternis und große Bosheit der Pharisäer und ihrer treuen Anhänger wohl allerkräftigst zu beleuchten angefangen, also, daß auch die Heiden schon zu vielen Hunderten sich an Seinem Lichte sonnen und wärmen; aber darum ist die denkbare Möglichkeit noch immer in dieser Welt vorhanden, die dem gerechten Eifer unseres Bruders ein trauriges Ende setzen kann.“

8. Mit dieser Rede waren viele einverstanden, – Maria und etliche ihrer Freunde und Freundinnen aber nicht.

9. Und einer sagte: „Höret, so Er Selbst das wollen und zulassen wird, so kann das wohl geschehen, daß die Argen sich an Seinem Leibe werden vergreifen können, aber sicher nicht zu ihrem etwa vermeinten Vorteile, sondern zu ihrem Untergange, wie man derlei von dem Messias in den alten und jüngeren Propheten ganz klar angedeutet findet! Darum sorgen wir uns nun nicht eitel und vergeblich um Ihn; denn Er weiß es am besten und hellsten, was Er zum wahren Wohle aller Menschen zu tun hat. Wir wollen und werden allzeit und unter allen Umständen an Ihn glauben und Ihn als den Sohn Gottes tiefst verehren.“

10. Damit waren alle zufrieden und redeten nachher noch vieles von Meinen Lehren und Taten, wodurch dann in Nazareth viele an Mich wahrer und fester zu glauben anfingen, als das zuvor der Fall war, da ja selbst Meine daheimgebliebenen drei Brüder auf Mich nicht das hielten, was sie wohl hätten halten können, darum Ich denn solchen Unglaubens wegen Nazareth eben nicht so oft besuchte und seinen Bewohnern, als sie fragten, woher Mir, dem ihnen wohlbekannten Sohne des Zimmermanns Joseph, solche Weisheit und Macht käme, auch sagte: Ein Prophet gilt nirgends weniger als in seinem Vaterlande! Darauf zog Ich mit Meinen Jüngern von dannen und kam persönlich auch nicht wieder nach Nazareth.

11. Aber nach dieser Besprechung mit der Maria über Mich wurde der Glaube an Mich fester, und es fingen viele an, Mich als den verheißenen und in Meiner Person auch in diese Welt gekommenen Messias und Sohn Davids zu loben und zu preisen.

32. Kapitel. Das Gebet Jesu. Jesus in der Bergstadt Pella

1. In Genezareth aber, wie schon bemerkt, blieb Ich, als Ich die anfangs wohl erwähnten Freunde gesegnet entlassen hatte, nicht länger mehr, sondern erhob Mich mit Meinen Jüngern und zog eine Strecke weit, von Ebal, der Jahra und den drei bekannten Römern geleitet, auf der Heerstraße in die zehn oder eigentlich sechzig Städte, die teils im Jordantale selbst und teils auf den dasselbe nahe und weiter umgebenden Bergen und Hügeln zerstreut lagen.

2. Als Ich außerhalb Genezareth mit allen, die mit Mir waren, eine erste, ziemlich bedeutende und freie Anhöhe erreicht hatte, da wandte Ich Mich an die, welche Mich begleitet hatten, und sagte zu ihnen: „Ihr habt Mich bisher begleitet aus großer Liebe, da ihr wohl wisset und glaubet, wer in Mir bei euch war, und wem ihr das Geleit gegeben habt. Bleibet fortan also in Meiner Liebe, und Ich werde in eben dieser Liebe auch fortan in euch, bei euch und unter euch verbleiben, und um was ihr in dieser Welt den Vater in Mir bitten werdet, das wird euch denn auch gegeben werden. Nur bittet nicht um eitle Dinge dieser Welt, sondern um die ewigen Schätze des Reiches Gottes; denn alles andere, was ihr zum Leben in dieser Welt benötigt, wird euch schon ohnehin gegeben werden!“

3. Hierauf sagte der Hauptmann: „Herr und Meister, wie sollen wir bitten, daß wir Dir wohlgefällig und somit auch nicht vergeblich Dich um etwas Rechtes bitten könnten? Denn es kann ein Mensch auf dieser Welt in gar mannigfache Bedrängnisse gelangen und kann sich da mit einer rechten Bitte um Abhilfe nur an Dich wenden. Wie aber soll er da bitten und beten?“

4. Sagte Ich: „In jeder Not und Drangsal bittet mit natürlicher Sprache im Herzen zu Mir, und ihr werdet nicht vergeblich bitten!

5. So ihr aber Mich um etwas bittet, da machet nicht viele Worte und durchaus keine Zeremonie, sondern bittet also ganz still im geheimen Liebeskämmerlein eures Herzens:

6. Unser lieber Vater, der Du im Himmel wohnst, Dein Name werde allzeit und ewig geheiligt! Dein Reich des Lebens, des Lichtes und der Wahrheit komme zu uns und bleibe bei uns! Dein allein heiliger und gerechtester Wille geschehe auf dieser Erde unter uns Menschen also, wie in Deinen Himmeln unter Deinen vollendeten Engeln! Auf dieser Erde aber gib uns das tägliche Brot! Vergib uns unsere Sünden und Schwächen, wie auch wir sie denen allzeit vergeben werden, die gegen uns gesündigt haben! Lasse nicht Versuchungen über uns kommen, denen wir nicht widerstehen könnten, und befreie uns also von allem Übel, in das ein Mensch infolge einer zu mächtigen Versuchung dieser Welt und ihres argen Geistes geraten kann; denn Dein, o Vater im Himmel, ist alle Macht, alle Kraft, alle Stärke und alle Herrlichkeit, und alle Himmel sind voll derselben von Ewigkeit zu Ewigkeit! –

7. Siehe, du Mein Freund, also soll ein jeder bitten in seinem Herzen, und seine Bitte wird erhört werden, so es ihm mit derselben völlig ernst ist, – doch nicht pur mit dem Munde, sondern wahr und lebendig im Herzen! Denn Gott in Sich ist ein purster Geist und muß denn auch im Geiste und dessen vollster und ernstester Wahrheit angebetet werden.

8. Wenn du das nun einsiehst und begreifst, da tue denn auch danach und du wirst leben, wie auch ein jeder, der also tun wird!“

9. Auf diese Meine kurze Rede dankten Mir alle, und Ich segnete sie nochmals, entließ den bisher noch immer sichtbaren Raphael, der wie ein mächtiger Blitz in den ewigen Raum emporzuckte, worüber die noch anwesenden Römer erschraken und lange emporschauten, ob sie seiner Gestalt irgend ansichtig werden könnten, was aber nun nicht mehr möglich war.

10. Darauf aber entließ Ich auch die Mich auf diese Anhöhe begleitet Habenden und zog mit Meinen Jüngern auf der Anhöhe, von der aus eine fruchtbare Hochebene ihren Anfang nahm, eben die Hochebene entlang weiter, und wir erreichten auf derselben in ein paar Stunden eine kleine, alte Stadt, deren Einwohner zumeist aus Griechen und Römern bestanden; und etliche wenige ganz herabgekommene und verkümmerte Juden lebten auch unter den Heiden und hatten für sich eine kleine Herberge, die ihnen zur Not auch als Synagoge diente.

33. Kapitel. Jesus beim Wirte zu Pella.

1. Bei dieser Herberge hielten wir an, und es kam der Wirt uns mit der Entschuldigung entgegen, daß er uns nicht aufnehmen könne; denn fürs erste würde seine Herberge uns gar nicht fassen, und fürs zweite sei er nur mit sehr wenigen Mundvorräten versehen, die für uns nicht genügen würden. Aber in der Mitte der Stadt befinde sich eine griechische Herberge, die mit allem versehen sei, und daselbst wir eine gute Aufnahme finden könnten.

2. Sagte Ich: „Darum habe ich schon lange eher gewußt, als du noch geboren worden bist; Ich aber bin nun nicht der Heiden, sondern nur der Juden wegen hierher gekommen, und so Mich diese durchaus schon nicht aufnehmen wollen, dann werde Ich schon wissen, was Mir zu tun übrigbleiben wird. Laß uns denn sehen den Raum deiner Herberge und deiner Synagoge!“

3. Da sah Mich der Wirt groß an und sagte: „Freund, mit wem habe ich denn in dir zu tun, daß du mit mir ordentlich gebieterisch sprichst?“

4. Sagte Ich: „Wüßtest du, wer Ich bin, da würdest du zu Mir sagen: ,Herr, ich habe einen gichtbrüchigen Sohn, an dem schon viele Ärzte ihre Kunst versucht haben, und ich bin dabei arm geworden, und der Sohn leidet täglich größere Schmerzen! Hilf Du meinem Sohn, denn Dir ist alles möglich!‘ Du weißt aber das nicht, und darum habe Ich es dir nun gesagt.“

5. Als der Wirt solches aus Meinem Munde vernommen hatte, da dachte er bei sich: „Wie weiß dieser Fremde, den unsere Bergstadt Pella noch nie gesehen hat, um meinen gichtbrüchigen Sohn, und daß sein Leiden von Tag zu Tag ärger wird?“

6. Darauf erst wandte er sich zu Mir und sagte (der Wirt): „Herr, daß du kein gewöhnlicher Mensch bist, das habe ich nun gar wohl wahrgenommen; und ist es dir möglich, meinen Sohn zu heilen, so werde auch ich trotz aller meiner Dürftigkeit alles aufbieten, um mich dir und deinen Gefährten dankbar zu erweisen!“

7. Sagte Ich: „So führe Mich hinein zu deinem Sohn, und es soll besser mit ihm werden!“

8. Da führte mich der Wirt in das Gemach des kranken Sohnes, allwo sich um den Jammernden und Klagenden seine Mutter und seine Geschwister trauernd befanden und Gott baten, daß Er den Kranken doch endlich einmal von seinen Leiden befreien möchte.

9. Da sagte der Wirt zu den Seinen: „Klaget nicht weiter, denn sehet, da ist ein fremder Arzt, der meinem Sohne helfen kann und wird, und ich glaube fest, daß Ihm allein das wohl möglich ist!“

10. Sagten die Traurigen: „Wenn diesem Arzte das möglich ist, so hat Gott der Herr unsere Gebete erhört!“

11. Sagte Ich: „Ja, ja, Er hat sie erhört, und Ich sage nun aus Meiner eigenen Macht, die Mir innewohnt: Du Gichtbrüchiger, Ich will es, werde du gesund, und sündige in der Folge nicht mehr; denn durch dein geheimes Sündigen bist du zu deinem Leiden gekommen!“

12. Auf diese Meine Worte ward der Sohn im Augenblick vollkommen gesund, und Ich sagte, daß er das Lager verlassen und daß ihm die Mutter ein Essen bereiten solle, doch frisch und rein. Das geschah denn auch sogleich, und der Wirt und sein geheilter Sohn wußten nicht, wie sie Mir fürs erste gebührend danken oder gar Mich anbeten sollten.

13. Ich aber sagte: „Zerbrecht euch über die Art, wie ihr euch gegen Mich dankbar erweisen sollt, nicht den Kopf und das Herz; denn Ich sehe nur aufs Herz allein und weiß nun, was in ihnen vorgeht! Aber nun laß Mich sehen deine Herberge und die kleine Synagoge!“

14. Hier sträubte sich der Wirt nicht mehr, Meinem Wunsche Gewährung zu leisten, und führte Mich in die Gemächer der Herberge, die für uns am Ende doch Raum genug boten.

34. Kapitel. Jesus in der Schule von Pella.

1. Darauf führte er uns in die Synagoge, in der durch einen alten Rabbi etliche Judenkinder in der Schrift einen matten Unterricht erhielten.

2. Und Ich sagte zum Rabbi: „Freund, auf diese Art wirst du aus diesen Kleinen eher Heiden denn Juden heranbilden! So du in der Schrift selbst schlecht bewandert bist, was sollen dann die Kinder von dir lernen? Laß das Lehren stehen, und tue etwas anderes, auf daß ein besserer Lehrer deine Stelle einnehme und bekleide!“

3. Sagte der Rabbi voll Ärger: „Freund, ich bin hier von der Gemeinde zum Rabbi erwählt! Diese ist mit mir zufrieden, und du als ein Fremder hast dich da nicht zu bekümmern, wie ich die Jungen unterweise. Wir leben hier unter Heiden, und ich muß darum nebst unserer Schrift meine Schüler auch der Römer und Griechen Sitten und Gebräuche kennen lehren, an ihnen das Gute auch lobend anerkennen, auf daß sie mich nicht irgend zur Verantwortung ziehen mögen. Wir sind einmal in diese Welt gestellt und müssen nebst Gott, der uns kein Manna aus den Himmeln mehr regnen läßt, auch der Welt dienen, so wir von ihr leben wollen.“

4. Sagte Ich: „Weil die Juden, dir gleich, Gottes stets mehr und mehr vergessen haben und schon damals der Welt zu dienen angefangen haben, als Er noch das Manna vom Himmel regnen ließ, so ließ aber Gott auch sie in die harte Knechtschaft der Welt geraten und sich im Schweiße ihres Angesichtes ein mageres Brot erwerben. Und weil nun eben die Juden Gott gegenüber treuloser geworden sind als die Heiden, so wird ihnen auch das wenige Licht, das sie noch haben, genommen und den Heiden gegeben werden.

5. Wie kannst du denn ein Gott wohlgefälliger Rabbi sein, der du heute für die Judenkinder jüdisch und morgen für die Heidenkinder in eben dieser Synagoge heidnisch lehrst und dich dafür bezahlen läßt?“

6. Sagte der Rabbi, der Mich für einen kleinen Propheten zu halten anfing, weil Ich ihm Dinge vorhielt, um die Ich sonst als ein purer und fremder Mensch nach seiner Meinung denn etwa doch nicht sollte wissen können: „Gott gebe mir also zu leben, ohne daß ich hier nötig habe, auch den Heiden ums Brot zu kommen, und ich werde meinen Heidendienst sogleich fahren lassen!“

7. Sagte Ich: „Freund, du warst vor noch zehn Jahren zu Ephraim ein sehr wohlhabender Mann als Jude und hattest zu essen und zu trinken in aller Fülle. Warum hast du es denn schon damals mit den Heiden mehr denn mit den Juden gehalten?

8. Siehe, weil du das damals ohne Not getan hast, darum hat dich Gott sinken und als einen Heidenrabbi in diese Heidenstadt kommen lassen! Daß du nun danebst auch seit ein paar Jahren ein Judenrabbi geworden bist, das haben eben deine dir freundlichen Heiden und nicht die armen, hier lebenden Juden bewirkt und haben den früheren rein jüdischen Rabbi aus dieser Stadt geschafft.

9. Ich aber sage es dir, daß es in der Folge nicht mehr also gehen kann! Werde du ein ganzer Jude, wie du einst einer warst, sonst wirst du in wenigen Tagen aus dieser Stadt geschafft werden, und ein Würdigerer wird deine Stelle einnehmen; denn Ich bin gekommen, um diese Stadt zu fegen, auf daß sie, wenn etwa schon in fünfzig Jahren das finstere Jerusalem von den Römern bis auf den letzten Grundstein wird zerstört werden, für alle, die Ich die Meinen nennen werde, ein sicherer Zufluchtsort werden möge! Bedenke das nun wohl, was Ich dir jetzt gesagt habe; denn Ich habe die Macht von oben dazu, dir solches zu sagen!“

10. Hierauf wollte der Rabbi noch etwas erwidern; aber der Wirt zog ihn zur Seite und sagte ihm, was Ich an seinem Sohne getan habe. Da sagte der Rabbi kein Wort mehr, ließ die Schüler aus der Synagoge nach Hause gehen und entfernte sich aus der Synagoge, besuchte schnell des Wirtes völlig geheilten Sohn, worüber er in großes Erstaunen geriet, und eilte darauf in alle ihm bekannten Juden- und Heidenhäuser und erzählte, was sich in der Judenherberge ereignet habe, worauf bald viele zu der Herberge kamen, um sich selbst zu überzeugen, was sich da ereignet hatte.

35. Kapitel. Das Abendmahl in der Herberge.

1. Als nun viele den ihnen wohlbekannten, ehemals so sehr kranken und nun völlig geheilten Wirtssohn ersahen, da ergriff sogar die Heiden eine Furcht vor Mir also, daß sie sich nicht getrauten, nach Mir zu forschen.

2. Und sogar ein römischer Hauptmann sagte: „Hinter diesem Arzte und seinen Gefährten müssen höhere Wesen stecken; denn uns Menschen ist so etwas ohne alle Arznei niemals möglich zu bewerkstelligen gewesen!“

3. Ich befand Mich mit den Jüngern schon in der Herberge, und es hatte Mich denn auch an diesem Tage, der sich ohnehin schon sehr dem Abend zuzuneigen begann, keiner von den vielen zu der Herberge Herbeigekommenen zu Gesichte bekommen.

4. Als sich die Menschen wieder voll Verwunderung und auch teilweiser Furcht vor Mir in ihre Häuser begeben hatten, da kam der Wirt zu uns und sagte zu Mir: „O du großer Herr und Meister, es wäre nun schon alles herrlich, gut und recht, wenn ich nur für euch alle einen genügenden Mundvorrat besäße! Wein habe ich gar keinen, aber ich werde in die griechische Herberge um einen schicken! Etwas Weizen- und Gerstenbrot habe ich wohl, und ebenso auch etwas geräuchertes Schaffleisch; so ihr damit für heute euch begnügen wollt, so wird es mich hoch erfreuen. Für morgen soll schon nach allen Meinen Kräften besser gesorgt sein.“

5. Sagte Ich: „Freund, des Essens und Trinkens wegen sind wir nicht hierher gekommen; aber was du hast, damit werden wir uns auch begnügen. Des Weines wegen aber mache du dir keine Sorgen und unnötige Unkosten, sondern gehe in deinen Keller, und du sollst deine leeren Schläuche mit Wein gefüllt finden. Denn Der deinen Sohn zu heilen vermochte, der vermag auch deine leeren Schläuche mit Wein voll zu füllen. Gehe denn nun mit deinen Kindern in deinen Keller, und bringe uns mehrere Krüge voll Weines!“

6. Der Wirt, voll gläubigsten Staunens, ergriff gleich mehrere Krüge, reinigte sie, berief dann alle seine Kinder und auch sein Weib und sagte ihnen, was Ich zu ihm gesagt hatte. Da ging es mit eiligsten Schritten in den Keller, und wie staunten alle, als sie die ehemals leeren Schläuche voll des besten Weines antrafen.

7. Die Krüge wurden denn auch sogleich gefüllt und zu uns gebracht, und der Wirt samt seinem Weibe und seinen Kindern wußten abermals nicht, wie sie Mir dafür genügend danken könnten. Das Wunder achteten sie nun darum an sich für geringer als Meinen Willen, daß Ich sie also sehr habe beglücken wollen; denn sie zweifelten schon nach der Heilung des Sohnes nicht im geringsten an dem, daß Mir alles möglich sei, was Ich nur wollen möge.

8. Ich aber sagte zu ihnen, was Ich ihnen nach der Heilung des Sohnes gesagt hatte, daß Ich nur auf die Herzen achte; und sie gingen nun voll Freude hinaus.

9. Und das Weib sagte zum Manne: „Du, das muß ein großer Prophet sein! Vielleicht ist das gar der Prophet Elias, der einst wiederkommen soll? Darum müssen wir ihn denn auch mit der höchsten Achtung und Ehrerbietigkeit bedienen!“

10. Sagte der Wirt: „Sorget nun für den Tisch! Ob Elias oder gar noch etwas Höheres, – am Ende gar der verheißene Messias Selbst, das ist nun vorderhand gleich; nun heißt es sehen, diese wunderbaren Gäste zufriedenzustellen!“

11. Da griff alles zur Bereitung der Speisen, und der Wirt brachte uns Brot und bat uns, dasselbe genießen zu wollen, was wir denn auch taten. Bald darauf wurden die recht wohlbereiteten Speisen auf den Tisch gebracht, und auch mehrere Lampen, durch die das Speisezimmer ganz gut erleuchtet wurde.

12. Wir nahmen die Speisen zu uns, und die Jünger besprachen sich über die Geschichte der Israeliten in der ersten Zeit ihres Einzuges aus der Wüste in diese Länder und über die Kriege, die sie mit den Moabitern und später mit den Philistern zu bestehen hatten, und der Wirt erzählte auch so manches ihm Bekannte von der Entstehung der alten Stadt Pella und von den Schicksalen, die sie schon zu bestehen gehabt hatte. Ich aber ruhte und sprach wenig.

13. Also vergingen ein paar Stunden, und Ich sagte dann zum Wirte, der Mir ein gutes Ruhebett antrug: „Laß das, – wir bleiben hier am Tische und werden allda unsere Nachtruhe nehmen!“

14. Das war dem Wirte eben nicht unlieb, indem er mit Ruhebetten nur ganz schwach versehen war. Er selbst aber wollte uns nicht verlassen und blieb denn auch die ganze Nacht hindurch bei uns am Tische. Die Nacht ging ganz ruhig vorüber, und es ward niemand in der Ruhe gestört.

36. Kapitel. Jesus und der römische Hauptmann.

1. Am Morgen früh war der Wirt der erste auf den Füßen und ordnete alles zur Bereitung eines guten Morgenmahles an, worauf sein Weib und seine Kinder und seine andern Diener und Mägde in volle Tätigkeit gesetzt wurden. Wir erhoben uns aber auch gleich darauf von unseren Ruhestühlen und Bänken am Tische und begaben uns ein wenig ins Freie; denn man genoß von dieser Stadt aus eine recht herrliche Aussicht über einen großen Teil des schönen Jordantales und über die weite und breite und noch sehr fruchtbare Hochebene.

2. Dieser Morgen verlief aber doch nicht so ruhig wie die Nacht; denn als wir wieder ins Haus zum Morgenmahle zurückkehrten, da fanden wir vor dem Hause schon viel Volkes, das zumeist aus Heiden bestand. Der schon erwähnte Hauptmann mit noch einigen seiner Untergebenen fehlte auch nicht und ebenso auch der alte Rabbi.

3. Alle diese erkundigten sich emsig nach dem Wunder der Heilung des gichtbrüchigen Sohnes, welches die Befragten also erzählten, wie es vor sich gegangen ist, worüber alle über alle die Maßen erstaunten.

4. Und der Hauptmann sagte darauf mit ganz ernster Miene: „Wisset ihr was?! Ein Mensch, der solche Dinge ohne alle Beihilfe irgend äußerer Mittel zustande zu bringen vermag, ist ein Gott und kein Mensch mehr! Ich habe auch schon zu mehreren Malen von gewissen Zauberern Wunder wirken sehen, – aber da bin ich bald dahintergekommen, wie sie solche Wunder wirkten; wer aber kommt da auf eine Spur, wie dieser Mensch den Kranken geheilt hat?“

5. Einige meinten wohl, daß ich mit andern Magiern das gemein hätte, daß auch Ich eine recht zahlreiche Begleitung bei Mir habe und man denn doch am Ende nicht wissen könne zu welchem eigentlichen Zweck.

6. Der Hauptmann aber blieb bei seiner Behauptung, ließ sich nicht irremachen und sagte: „Seine Begleiter werden wohl nie vermögen, Sein Wort und Seinen Willen zu stärken; denn bei der Heilung eines solchen Kranken, wie der Sohn des Judenwirtes es war, kann durch eine gewisse Verabredung oder durch ein geheimes Einverständnis niemals etwas bewirkt werden. Wir könnten alle hier dahin einverstanden sein, unseren Willen fest dahin zu richten, daß meine auch schon über drei volle Jahre an einer unheilbaren Krankheit daniederliegende älteste Tochter gesund werde, und wir werden damit nichts ausrichten; wird aber dieser Mann das ganz allein wollen, so wird meine Tochter sicher alsbald ebenso gesund werden, wie da gesund geworden ist dieses Wirtes Sohn!“

7. Also besprachen sich vor dem Hause des Wirtes die Menschen über Mich, während Ich Mich mit den Jüngern schon beim Morgenmahle befand; denn wir kehrten von der vom Volke nicht bemerkten Rückseite ins Haus, und die Hausleute und Kinder des Wirtes aber hatten von ihm den Auftrag, Meine Anwesenheit nicht zu verraten, außer es erhielte jemand von Mir Selbst einen Auftrag dazu. Also durften sie auch von der wunderbaren Weinkreirung nichts reden zum Volke.

8. Als wir mit dem Morgenmahle zu Ende waren, da sagte Ich zum Wirte: „Nun laß du den Hauptmann mit seinen Untergebenen, den alten Rabbi und den griechischen Herbergswirt zu uns hereinkommen, und Ich werde mit ihnen reden!“

9. Darauf eilte der Wirt schnell hinaus und hinterbrachte das den Genannten.

10. Diese folgten auch sogleich dem Ruf, und als sie sich bei uns im Zimmer befanden, da fragte der Hauptmann sogleich den Wirt nach Mir.

11. Und der Wirt führte ihn zu Mir und sagte: „Vor Dem, der auf diesem einzelnen Stuhle sitzet, werde ich allzeit meine Knie beugen!“

12. Sagte darauf der Hauptmann: „Auch ich, mein Freund!“

13. Hierauf machte der Hauptmann eine tiefe Verbeugung vor Mir und sagte darauf: „Großer Meister, ein nie erhörtes Wunder hast Du allein in diesem Hause gewirkt und mir dadurch ein Zeugnis gegeben, daß Du kein Mensch unseresgleichen, sondern vollwahr ein Gott sein mußt! So Du aber das unfehlbar bist, da erweise uns die große Gnade und sage uns, wie wir denn mit unseren verschiedenen Glaubenssachen daran sind!

14. Ich habe alles durchgeprüft: unsere Vielgötterlehre, die Meinungen der altägyptischen, der griechischen und unserer römischen Weltweisen. Dann habe ich auch der Juden Eingottlehre, alle ihre Propheten und Weisen genau durchforscht, die wohl schwer zu verstehen sind und großenteils aber auch gar nicht, weil sie eine zu phantastische, oft ganz unzusammenhängende Sprache führen und Bilder aufstellen, die wohl sie mögen verstanden und begriffen haben, aber außer ihnen wohl sicher sehr wenige. Ebenso habe ich auch mit vielen aus den fernsten Morgenländern in Hinsicht der übersinnlichen Dinge, über ihre Götterbegriffe und über das wie geartete Fortleben der Menschenseele nach dem Tode gesprochen, wie auch mit den Menschen im Süd- und Nordwesten Europas.

15. Was aber habe ich daraus gefunden? Ich sage es offen: Alles andere, – aber nur das nicht, was ich suchte, nämlich eine mich überzeugende und mir begreifliche Wahrheit.

16. Der Glaube an ein oder auch mehrere unsichtbare Gottwesen ist wohl allenthalben vorhanden, – aber wie verschieden! Es ist nicht nötig, hier den nahezu endlosen Wust aller der transzendenten Phantasien der Menschen in bezug ihres Gott- und Seelenfortlebens nach dem Leibestode anzuführen, sondern es handelt sich hier nur um die wahre Lebensfrage: In welcher Lehre ist die Wahrheit? Haben alle die verschiedenen Vielgötterglauber recht, oder die Eingottglauber?

17. Wenn wir unsere römischen Rechtsgesetze betrachten, die sicher nahe durchaus gut und somit für den Fortbestand der Menschen- und sogar Völkergesellschaften wohl die tauglichsten sind, so scheint denn auch unsere freilich schon sehr verunstaltete Vielgötterlehre, die am Ende doch den Grund zu unseren weisen und möglich gerechtesten Staatsgesetzen bildete, noch immer am meisten zu beachten zu sein. Aber die jüdische Eingottlehre, die mit der urägyptischen viel Ähnlichkeit besitzt, scheint dennoch der großen Lebenswahrheit um vieles näher zu stehen, obschon sie nun unter den Juden um vieles verunstalteter ist denn die unsrige; denn man betrachte nur mit einigem Scharfblick das höchst gott- und gewissenlose Tun und Treiben der Judenpriester in Jerusalem, und man wird es um gar vieles dümmer und ärger finden und anerkennen müssen denn das unserer vielgestaltigen und verschiedenartigen Priester.

18. Du göttlicher Wundertäter wirst mir da sicher mit wenigen Worten das rechte Wahrheitslicht zu geben imstande sein!“

19. Sagte Ich: „Mein Freund Pellagius und Hauptmann von dieser und drei andern Städten, als von Abila, Golan und Aphek! Ich kam hauptsächlich nur deinetwegen hierher, da Ich wohl wußte, daß du schon seit beinahe dreißig Jahren die Wahrheit eifrig suchtest, sie aber doch nicht zu finden imstande warst.

20. Weil du aber die Wahrheit also suchtest wie gar wenige deines Volkes und Ranges, so bin Ich als die ewige Urwahrheit Selbst zu dir gekommen, und du hast in Mir auch schon die vollste, hellste und reinste Wahrheit gefunden, und Mein Licht wird dich also durch und durch erleuchten, daß du selbst noch zur Leuchte für viele andere werden wirst.

21. Aber deine älteste Tochter Veronika ist krank, und es kann ihr kein Arzt helfen; so du glaubest und wünschest, da soll es besser mit ihr werden!“

22. Sagte der Hauptmann, ganz zerknirscht vor Freude: „Ja, Herr und Meister voll göttlicher Kraft, ich glaube das, wie vielleicht nur wenige im ganzen Judenreiche, und wünschte der Tochter Heilung auch sicher, als ihr Vater, mehr denn aus allen meinen Lebenskräften; aber ich bin ja gar nicht würdig, daß Du Heiligster unter meines Heidenhauses Dach trätest und heiltest daselbst meine dem Tode schon ganz nahe stehende Tochter.

23. Daß ich aber Deinen Worten sicher den vollsten Glauben leihe, beweist schon das, daß ich mich gar nicht verwundert habe, als du als ein Fremder, der diese Gegend noch nie besucht hat, um Meinen Namen wußtest, den ich ehrenhalber von dieser Stadt erhielt, und um mein Regiment über die drei noch von Dir genannten Städte und nun auch um den Namen meiner kranken Tochter wußtest; denn mein Gemüt sagte es mir ja, daß Du ein Gott bist und Dir alles möglich ist. Ich glaube denn auch, daß meine Tochter sicher gesund wird, so Du über sie nur ein Wort sprichst!“

24. Sagte Ich: „Wahrlich, solch einen Glauben habe Ich im Volke Israel nicht gefunden! Und so geschehe dir denn auch nach deinem Glauben! Sende nun nach Hause, und laß deine nun schon gesunde Tochter hierher bringen, auf daß sie sich stärke mit diesem Weine und Brote!“

37. Kapitel. Die geheilte Veronika dankt Jesus.

1. Als der Hauptmann solches vernommen hatte aus Meinem Munde, da ward er überheiter und froh und entsandte sogleich einen seiner Unterdiener nach seinem Hause. Und dieser fand die Tochter zwar wohl im Krankenbette, aber so vollkommen gesund, daß sie als ganz frisch, munter und kerngesund aussehend und auch seiend das Bett verlassen wollte; nur ihre Mutter hielt sie davon zurück, weil sie der Meinung war, daß dieses plötzliche Gesundwerden ein gewisses letztes Auflodern der Lebenskräfte sei, auf das dann eine ebenso plötzliche volle Abspannung sämtlicher Lebenskräfte erfolge und mit ihr auch der sichere Tod.

2. Aber der Unterdiener erzählte der Mutter von der ebenso plötzlichen Heilung des Judenwirtssohnes, und wie dieser nun ganz kräftig und gesund sei, und daß derselbe wunderbar mächtige Arzt, der des Wirtes Sohn ohne alle Arznei, sondern allein durch sein Wort geheilt habe, auf die glaubensvolle Bitte des Hauptmanns vor wenigen Augenblicken Zeit denn auch durch sein unbegreiflich allmächtiges Wort die Tochter von allen ihren Leiden geheilt habe.

3. Die Mutter solle das glauben, die völlig gesunde Tochter das Bett verlassen lassen und sie sogleich zu dem Judenwirte bringen, allwo eben der wunderbare Arzt mit mehreren seiner Gefährten und auch der Hauptmann weilen. Die Tochter solle dort zu ihrer noch größeren Stärkung einen Wein und auch Speise nehmen.

4. Auf diese Besprechung ließ die Mutter die Veronika das Bett verlassen.

5. Diese tat das pfeilschnell und kleidete sich so zierlich wie möglich; denn sie wollte vor Mir so rein und geschmückt erscheinen, als so sie zu einem Könige zu kommen hätte.

6. Als sie nun ganz gekleidet und geschmückt war, nahm sie auch einen schönsten Goldbecher mit sich, um ihn Mir zu verehren.

7. Also kam sie denn auch, geleitet von der Mutter und von dem Unterdiener, zu uns, und ihre erste Frage war (Veronika): „Wo ist mein Heiland, mein Gott und mein Herr?“

8. Sagte Ich: „Ich bin es! Hierher komme und stärke dein Herz mit dem Weine und Brote, das Ich aus den Himmeln auf diesen Tisch gesetzt habe!“

9. Als Veronika solches von Mir vernommen hatte, da fiel sie vor Mir auf die Knie nieder und sagte: „O Du mein guter, lieber und göttlicher Heiland, wie kann ich, eine arme, sündige Heidin, Dir für Deine mir erwiesene übergroße und nieverdiente Gnade danken, daß mein Dank Deinem göttlichen Herzen wohlgefällig werden möchte?“

10. Sagte Ich: „Erhebe dich nur und setze dich zu Mir, und trink und iß – denn dadurch werden noch kräftiger dein Herz und deine Seele –; dann wollen wir in aller Liebe und Zärtlichkeit der Himmel über die Mir allein wohlgefällige Art des Dankes reden.“

11. Hierauf erhob sich die nun überaus schöne Veronika, stellte vor Mich den Goldbecher und sagte voll Rührung und dabei aber doch mit einem römischen Wahrheitsernst: „O Du Herrlichster aller Herrlichen, Du Herr aller Herren, Du König aller Könige, Du Gott aller Götter, verschmähe dieses mein Kleinod nicht! Ich weiß und fühle es in meiner Seele, daß es Deiner zu unwürdig ist; aber gedenke, daß es Dir ein Dich liebendes und nur von Dir geheiltes Herz reicht, und verschmähe es darum nicht!“

12. Sagte Ich: „Ja, was Mir von solch einem Herzen dargereicht wird, das wird von Mir auch angenommen, und Ich werde nun aus diesem Kelch den Wein trinken; und da hast du denn Meinen Becher, aus dem Ich getrunken habe, und trinke den Wein daraus!“

13. Da nahm die Veronika Meinen nur irdenen Becher, trank daraus und sagte darauf: „Oh, um wie viele Königreiche ist dieser Becher mehr wert als der, den ich Dir zu weihen mich unterfangen habe; denn ich fühle es nun, nachdem ich getrunken habe aus diesem Becher, daß ich nicht nur den stärkendsten Wein für den Leib, sondern auch die Kraft des ewigen Lebens meiner Seele mit getrunken habe!

14. O trinket doch alle mit mir aus diesem Becher, die ihr noch zweifelt am ewigen Leben eurer Seele, und ihr werdet zum ewigen Leben gestärkt werden!“

15. Hier schenkte sie den Becher voll ein und reichte ihn ihrem Vater, der bisher noch nichts von unserem Weine gekostet hatte, und er leerte ihn ganz, küßte darauf den Becher und stellte ihn, Mir dankend, wieder vor die Tochter.

16. Der Hauptmann konnte sich nicht genug verwundern über die außerordentliche Güte des Weines und sagte auch, daß er nun wahrzunehmen anfange, daß er eine Seele habe, die in sich eine ewige Lebensfortdauer fühle, und daß er darob im höchsten Grade froh sei. Darauf tranken auch sein Weib, seine Unterdiener und am Ende der griechische Heidenwirt.

17. Als dieser den Wein verkostet hatte, da fragte er sogleich den Judenwirt, sagend (der Griechenwirt): „Woher hast du diesen Wein bezogen? Denn solange ich lebe und nun selbst Wirt bin, habe ich nie einen solchen Wein gekostet! Ich habe für besondere Gäste, so sie es wünschen, doch auch ganz gute Weine in meinem Keller und habe dir schon zu öfteren Malen damit ausgeholfen, und du kannst es sagen, daß ich dir niemals mit etwas Schlechtem aufgewartet habe. Aber solchen Wein habe ich niemals besessen! Woher hast du ihn bezogen? Sage es mir, damit auch ich mir einen verschaffe!“

18. Sagte der Judenwirt: „Freund, das wird dir schwer möglich werden; denn derlei Wein wächst auf der ganzen Erde nicht! Hast du denn nicht vernommen, was der große Wunderheiland zu der Tochter unseres gerechten Hauptmannes gesagt hat, woher dieser Wein gekommen ist? Siehe, aus den Himmeln Gottes, aber nicht etwa eures Phantasiegottes Bacchus, sondern aus den Himmeln unseres einen und allein wahren Gottes, dessen Gesandter eben dieser erhabene Wunderheiland höchst sicher und gewiß ist! Also ist es und nicht anders, und es wird dir schwer werden, um dein Geld von dieser Gegend einen solchen Wein dir zu verschaffen!“

19. Sagte der Griechenwirt: „Wie bist denn dann du dazu gekommen?“

20. Sagte der Judenwirt: „Da mußt du nicht mich, sondern den großen Meister fragen, dem alle Dinge möglich zu sein scheinen, und von dem ich nun auch das glaube, was der Hauptmann und seine Tochter ausgesprochen haben. Mit dem Meister also rede; denn ich als ein schwacher Mensch noch voll geistiger Blind- und Torheit weiß nichts und verstehe nichts!“

21. Auf das schwieg der Griechenwirt.

38. Kapitel. Jesu Ermahnung an den Rabbi.

1. Aber der alte Rabbi, der es bis jetzt noch nicht gewagt hatte, von dem Wein etwas zu kosten, trat zu Mir hin und bat Mich um die Erlaubnis, von dem Wunderweine auch kosten zu dürfen.

2. Und Ich sagte: „Du bist zwar mehr Heide als alle andern Heiden, ohne zu bedenken, daß niemand zweien Herren, die sich gegenseitig Feinde sind, wohl dienen kann, da er im geheimen des einen oder des andern Feind sein muß und dabei aber doch jedem das tun muß, was von ihm verlangt wird. Oder kann jemand Gott und dem Mammon der Welt zugleich dienen? Und doch hast du schon seit langem das getan! Darum ändere dein Herz, und trinke von dem Wein der Wahrheit, auf daß es hell in deiner Seele werde!“

3. Hierauf nahm der Rabbi auch einen Becher voll Weines und leerte ihn bis auf den Boden.

4. Als er den Wein in sich hatte, da brach auch er in ein großes Loben des Weines und Meiner Macht aus und sagte zum Schlusse seines Lobes, den noch einmal gefüllten Becher hoch schwingend (der Rabbi): „Ja, Du bist schon Der, auf den alle Juden und auch die Heiden so lange vergeblich harrten. Darum Heil Dir, dem Sohne Davids, und Heil auch allen Menschen der Erde durch Dich! Ehre Gott in der Höhe und Dir, Seinem Sohne!“

5. Sagte Ich: „Deine Rede war nun gut; aber so du noch einmal auch Heil den hohen Göttern Roms schreien wirst, so wird der Tod nicht ferne von dir sein! Aller Menschen, ob sie Juden oder Heiden sind, der Wahrheit nach Freund sein, ist gut und recht, und es ist also auch Mein Wille – denn auch Ich lasse Meine Sonne über Juden und Heiden im gleichen Maße scheinen und leuchten –; aber Menschen, die in der alten Blindheit schmachten, in ihrem Irrwahne noch bestärken, anstatt sie auf den Weg des Urlichtes zu leiten, aus wahrer, reiner und uneigennütziger Nächstenliebe, ist schlechter denn ein Dieb und Straßenräuber sein. Das merke dir, du alter Doppellehrer, der du den Juden den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs oft mit einem glühenden Eifer lehrtest, gleich darauf in die Schule der Heiden gingest und vor ihnen den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs herunter- und lächerlich machtest! Sei entweder ein vollkommener Jude, oder werde ein Heide, so du im Heidentum für deine chamäleonartige Seele eine größere Beruhigung findest!“

6. Sagte der Rabbi: „Herr, sei mir größtem Sünder vor Dir gnädig und barmherzig, und vergib mir meine vielen und großen Sünden!“

7. Sagte Ich: „Von Mir aus sind sie dir vergeben; aber siehe auch, daß sie dir auch von den Menschen vergeben werden, denen du des Verdienstes wegen an ihren Seelen viel geschadet hast!“

8. Hierauf sagte der Hauptmann zu Mir: „Herr, ich werde für ihn die Sache gutmachen, und er selbst wird nun wohl begriffen haben, was er für die Folge zu tun haben wird! Ich aber meine nun, daß wir für die Folge keinen Heidenpriester mehr vonnöten haben werden. Ob aber unsere Kinder von heidnischen oder jüdischen Lehrern im Lesen, Schreiben und Rechnen unterrichtet werden, so wird das wohl eines sein, und es kann daher dieser Rabbi auch noch ferner unsere Kinder in diesen drei Stücken unterrichten; was aber die Gotteslehre anlangt, so werde schon ich dafür bestens sorgen, daß sich unser altes Vielgöttertum ehest in ein Eingottum umgestalten wird. Aber nun bitte ich Dich, Du göttlicher Meister und Herr und von nun an unser Gott, daß Du uns, bis jetzt noch Heiden, den rechten Weg zeigen möchtest, den wir in der Folge zu wandeln haben sollen; denn bis jetzt stecken wir noch in der alten Finsternis.“

9. Hierauf begann Ich vom Reiche Gottes auf Erden zu predigen und belehrte diese Heiden in allem also, wie Ich das andernorts getan habe.

10. Die Belehrung dauerte volle sieben Stunden, also nahe an drei Stunden über den Mittag, und alle glaubten an Mich, auch die, welche außerhalb des Hauses waren, da sie Meine Worte durch die offenen Fenster vernahmen.

11. Als Ich die Predigt beendet hatte, da ward erst das Mittagsmahl aufgetragen, an dem auch die teilnehmen mußten, die außerhalb des Hauses gläubig geworden waren.

39. Kapitel. Die Bewohner von Pella werden von den Jüngern und Jesus belehrt.

1. Nach dem Mahle aber, das über eine Stunde gedauert hatte, ging Ich mit dem Hauptmann in der Stadt umher und machte alle Kranken gesund, und es folgte Mir stets mehr Volkes nach. Meine Jünger aber blieben in der Herberge und lehrten die Juden.

2. Bis gen Abend kehrte Ich mit dem Hauptmanne wieder in die Herberge zurück, in der die Jünger noch vollauf mit den Juden zu tun hatten, die Mich am Ende doch für den verheißenen Messias zu halten anfingen, aber dabei doch nicht begreifen konnten, warum Ich in einer solchen Unscheinbarkeit in diese Welt gekommen sei, da doch der große König David also von Mir geredet habe: ,Machet die Tore weit und die Türen hoch, damit der König der Ehren einziehe! Wer aber ist dieser König der Ehren? Es ist der Herr Jehova Zebaoth!‘

3. Sie, die Juden von Pella, aber wüßten nicht, daß bei Meiner Ankunft in diese Welt irgend in einer Stadt ein Tor sei erweitert und eine Tür erhöht worden.

4. Meine Lehre und Meine Zeichen, die Ich wirkte, stimmten wohl mit dem überein, was besonders der Prophet Jesajas und der Prophet Hesekiel von dem verheißenen Messias geweissagt haben; aber Mein Auftreten unter den Menschen in dieser Welt stimme nicht mit dem völlig zusammen, was die Propheten von dem Messias geweissagt haben. Und so hatten die Jünger ihre Not mit den Juden.

5. Als Ich mit dem Hauptmanne, seinen Unterdienern, mit seinem Weibe und seiner geheilten Tochter, wie auch mit dem geheilten Sohne des Wirtes in das Zimmer trat, da wurden die Juden still und betrachteten Mich, ob sie in Meiner Person wohl etwas Außerordentliches erblicken könnten.

6. Ich aber sagte zu ihnen: „Der Friede sei mit euch! Das, was ihr an Mir suchet und finden möchtet, kommt nicht und niemals mit einem äußeren Schaugepränge, sondern es befindet sich inwendig im Menschen.

7. Ja, es hätten die Juden bei Meiner Ankunft in diese Welt wohl sollen die Tore in ihre Herzen breit und die Türen in ihre Seelen hoch machen; aber sie achteten der Aufforderung Davids schon seit gar langem nicht mehr. Darum kamen sie denn auch in die babylonische Gefangenschaft und sind zu Sklaven der Heiden geworden, aus welcher Sklaverei sie nimmerdar erlöst werden, so sie in ihrem alten Starrsinn verharren.

8. Da stehen aber die Heiden; diese haben wohl die Tore zu ihren Herzen bei Meinem Erscheinen sogleich sehr erweitert und die Türen in ihre Seelen erhöht bis hoch über alle Sterne hinaus. Darum wird denn auch den Juden das Licht genommen und den Heiden gegeben werden!“

9. Als Ich solches zu den Juden geredet hatte, da ärgerten sich einige darob; aber die Heiden erhoben ein großes Lob über Mich.

10. Und der Hauptmann sagte darauf ganz laut zu den Juden: „Was weilet und forschet ihr noch da, so ihr bei all dem, was der Herr hier vor uns gewirkt hat, noch nicht glauben könnet?! Ziehet euch zurück in eure finsteren Kammern, und bleibet in eurer alten Nacht aller Zweifel, und verstellet uns den ohnehin ganz engen Zimmerraum nicht!“

11. Auf diese sehr gebieterisch klingenden Worte des Hauptmanns zogen sich die mehr ungläubigen Juden hinaus ins Freie; die mehr Gläubigen aber blieben und wollten sich noch über dies und jenes mit den Jüngern besprechen.

12. Ich aber sagte zu ihnen: „Die volle Wahrheit habt ihr vernommen aus dem Munde Meiner Jünger, und eine noch andere und weitere Wahrheit gibt es nicht; glaubt und tut danach, so werdet auch ihr schon noch breiter und höher erleuchtet werden in euren Herzen und in euren Seelen!

13. Draußen bei den Heiden aber forschet nach, wie viele von ihnen Ich heute nachmittag gesund gemacht habe und wie viele befreit von allen ihren Leiden, auf daß ihr durch die Heiden erleuchtet werdet, und nicht die Heiden durch euch! Es ging das Licht zwar wohl von den Juden aus, – aber die Heiden ersahen und erkannten es eher denn die Juden; und so wird ihnen das Licht auch bleiben, und die Juden werden es von ihnen nehmen müssen, so sie es werden haben wollen. Gehet denn nun auch ihr hinaus und lasset euch von den Heiden erleuchten!“

14. Als die mehr gläubigen Juden das aus Meinem Munde vernommen hatten, da gingen sie sogleich ins Freie hinaus zu den jubelnden Heiden und vernahmen, wie diese den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs in Mir hoch lobten und priesen, und erstaunten nicht wenig, als sie das aus dem Munde der Heiden und ihrer geheilten Kranken vernahmen. Da wurden auch die meisten Juden gläubig, gingen nach Hause und besprachen sich über alles, was sie zuvor schon von den Jüngern vernommen hatten, und was Ich zu ihnen gesagt hatte, und die Lobworte der Heiden hatten ihre Herzen sehr erweitert und die Gedanken ihrer Seelen erhöht, und sie fingen an zu begreifen, was David mit seinem Psalm angedeutet hatte.

15. Wir aber nahmen das wohlbereitete Abendmahl zu uns und besprachen uns auch über gar manches, was an diesem Nachmittag alles geschehen war.

40. Kapitel. Jesus betrachtet mit dem Hauptmann auf einem Hügel den anbrechenden Morgen.

1. Nach dem Mahle dankten Mir der Hauptmann, das Weib und die Tochter Veronika für alles, was sie durch Mich erreicht hatten.

2. Ich aber sagte: „Euer Glaube hat euch geholfen zu einem Teil, und zum andern Teil Ich durch euren Glauben und durch eure schnell entbrannte Liebe zu Mir und dadurch auch zu Dem, der in Mir wohnt und den ihr dann noch heller werdet kennenlernen, so Mein Geist der ewigen Wahrheit und Weisheit in Kürze über euch wird ausgegossen werden. Doch nun gehet auch ihr nach Hause und ruhet bis zum Morgen; dann aber kommet wieder hierher, und wir werden noch so manches unter uns besprechen!“

3. Darauf erhoben sich der Hauptmann und alle, die bei ihm waren, und begaben sich, Mir alle Ehre gebend, in ihre Wohnungen und besprachen sich auch einige Stunden lang in die Nacht hinein über alles, was am Tage vorgefallen war.

4. Der alte Rabbi und der griechische Wirt aber blieben noch bis gen Mitternacht bei uns und besprachen sich in einer Ecke des Zimmers über den Unglauben der etlichen Juden, die der Wahrheit doch am allernächsten sein sollten.

5. Und es sagte zum Schlusse der Rabbi: „Da bestätigt sich auch der Prophetenspruch: ,Den Weltweisen und Verständigen bleibt es verborgen, und den unmündigen Kindern wird es geoffenbart!‘ Die alten Kinder des Lichtes saßen immer bei vollen Schüsseln des Lichtbrotes aus den Himmeln und durften nicht Hunger leiden; aber weil sie eben nie Hunger und Durst leiden durften, so vergaßen sie den hohen Wert der Speisen aus den Himmeln und kehrten sich zu den eklen Speisen der Welt, wie auch ich selbst das leider getan habe.

6. Aber die lichthungrigen Heiden merkten das, wie die erwählten Kinder des Lichtes ihrer Himmelskost den Rücken stets mehr und mehr zuzukehren begannen, und kamen und bemächtigten sich der vollen Schüsseln; sie lasen mit vielem Eifer unsere Bücher und sättigten sich also schon zum voraus mit unserem Brote aus den Himmeln, und so sind sie nun um vieles kräftiger als wir und erkannten den Herrn denn auch um vieles leichter und bestimmter als wir. Aber Er wird auch von uns Juden erkannt werden.“

7. Der Juden- wie auch der Griechenwirt gaben dem Rabbi recht und begaben sich darauf auch zur Ruhe.

8. Ich aber ruhte mit den Jüngern auch diese Nacht am Speisetische bis zum Morgen.

9. Am Morgen erhob Ich Mich vom Tische und ließ die Jünger ruhen. Ich begab Mich schnell ins Freie, und zwar außerhalb des entgegengesetzten Endes dieser Stadt. Im Hause wußte niemand, wohin Ich Mich begeben hatte.

10. Nur ein Diener des Hauptmanns bemerkte Mich durch die Stadt wandeln und hinterbrachte das schnell dem schon wachen Hauptmanne. Dieser kleidete sich schnellst an und eilte Mir nach in der Richtung, die ihm der Diener angezeigt hatte.

11. Als er das vorangezeigte Ende der Stadt erreichte, ersah er Mich auf einem Hügel. Schnell stieg er auf den Hügel zu Mir hinan.

12. Als er bei Mir war, verbeugte er sich tief vor Mir und fragte Mich, was Mich irgend bewogen haben mochte, ohne einen Jünger auf dieses Ostende der Stadt Pella einen Morgengang zu machen.

13. Sagte Ich: „Habe du nun nur eine kleine Geduld, und du wirst es hernach schon erfahren! Lassen wir nun zuvor die Sonne über den Horizont kommen, dann werde Ich es dir offenbaren, warum Ich diesen Punkt für diesen Morgen erwählt habe!“

14. Auf das lagerten wir uns auf einem glatten Basaltblock, von dem aus wir in aller Ruhe die Szenen des Morgens beobachten konnten.

15. Goldumsäumte Wölkchen schwebten über dem Horizont, der, von unserem Platze aus geschaut, sehr wenige Berge von irgendeiner bemerkbaren Höhe aufzuweisen hatte, da sich das Land von unserer Stadt teilweise gegen die fernen Euphrat-Wüsten abzuflachen begann; aber es war da der Aufgang der Sonne eben um so schöner, weil sie wie aus einer Tiefe in blutroter Farbe emporstieg und gen Westen hin die hohen Bergkuppen zu färben begann, was auch der Hauptmann als ein herrliches Schauspiel der Natur sehr lobte.

16. Nur fragte er Mich, wie denn auch Ich, dem alle die endlos größeren Schönheiten der Himmel in jedem Augenblick zu Gebote stünden, an diesen irdischen Naturschönheiten ein Wohlgefallen haben könne.

17. Da sagte Ich zu ihm: „Freund, so der Meister Selbst an Seinen Werken kein Wohlgefallen hätte, wer sollte es dann haben? Oder meinst du, daß der Meister alle diese Werke geschaffen hätte, so Er sicher schon gar lange vor ihrer Entstehung sie im Geiste klarst gesehen habend, nicht an ihnen ein überaus großes Wohlgefallen gehabt hätte? So du aber siehst, daß Ich ein Wohlgefallen an dieser Morgenszene habe, so wird dir nun der Grund davon wohl einleuchtend sein?“

18. Sagte der Hauptmann: „Siehe, o Herr und Meister, so ich nun Deine Antwort erwäge, die doch klarer als ein reinster Wassertropfen ist, da nimmt es mich nun über meine eigene Dummheit wunder, daß so etwas nicht von selbst mir in meinen sonst doch eben nicht zu sehr verschlagenen Sinn hatte kommen können, da ich ja doch nicht nur fest glaube, sondern auch überzeugend weiß, wen ich in Dir vor mir zu haben die unermeßbar höchste Gnade habe!“

19. Sagte Ich: „Mache dir darum nichts daraus; denn es ist von Mir aus das in dieser Welt schon also eingerichtet, daß alles erst so nach und nach sich ganz entfalten und entwickeln muß! Siehe die Entstehung des Tages, siehe die Entwicklung der Pflanzen, der Tiere und endlich um so mehr des Menschen, und du wirst es auch leicht begreifen, aus welchem Grunde dir beim ersten Eintritt in Mein Reich noch nicht alles so klar sein kann, wie es dir einmal später werden wird, wenn Mein Geist in dir sich mehr und mehr ausbreiten wird und du in einem Augenblick mehr fassen und klarer begreifen wirst, als du das bis jetzt in einem jahrelangen Denken vermochtest! Also darob magst du nun schon ganz ruhig sein, da du dich schon auf dem besten Wege befindest! Und so betrachten wir nun noch weiter die Szenen des schönen Morgens!“

41. Kapitel. Die Jünger suchen Jesus.

1. Wir betrachteten darauf die mannigfachen Erscheinungen des Morgens, und Ich erklärte sie dem Hauptmanne, der darob nicht genug dankbar erstaunen konnte, weil in ihm denn doch noch so manches alte Mythische des phantasiereichen Heidentums aus seiner frühesten Jugend steckte, das er nicht in einem Augenblick völlig loswerden konnte.

2. Wie ging es aber unterdessen an diesem Morgen in unserer Judenherberge zu?

3. Als Meine Jünger bei ihrem Wachwerden Mich vermißten, und imgleichen auch der Wirt mit seiner Familie, da wurde allen bange, und sie rieten hin und her, wohin und warum Ich diesen Morgen möge ganz allein gegangen sein.

4. Petrus sagte: „Ihr wisset es ja ohnehin, daß Er an einem jeden Morgen, solange wir bei Ihm sind, stets vor dem Aufgange ins Freie zu gehen pflegt. Er wird zur rechten Zeit schon wiederkehren; seien wir darum um Ihn nicht ängstlich besorgt!“

5. Sagte darauf Jakobus: „Da hast du zwar wohl recht; aber das weiß ich auch besser denn ein jeder von euch, da ich ja doch schon von Seiner Kindheit an stets um Ihn war und mich mit Ihm abgab, daß Er Sich oft gerne Selbst vor denen, die Seine Lieblinge sind, auf eine kurze Zeit verbirgt und dann das gern sieht, so sie Ihn recht emsig suchen, Ihn dann auch irgend finden und eine große Freude darob äußern, so sie Ihn wiedergefunden haben! Und so sollten wir Ihn denn auch diesmal suchen gehen, und das mit einem lebendigen Eifer!“

6. Hier wollte auch Judas Ischariot eine Bemerkung gegenteiligen Sinnes machen; aber da fiel ihm gleich Johannes scharf in die Rede, sagend: „Du warst, bist und bleibst ein Jünger von Ihm, der noch nicht einen Funken des Geistes der Wahrheit in sich aufgenommen hat, bist zumeist ein eingebildeter Weiser und lügst dich dabei selbst und viele andere an; darum tust du am besten, wenn du schweigst und die reden läßt, die in Seinem Geiste reden wollen und durch Seine Gnade auch können!“

7. Darauf sagte der zurechtgewiesene Jünger nichts mehr und ging für sich ins Freie, wo er einige Juden antraf, die ihn fragten, ob Ich im Hause wäre, und was Ich täte.

8. Der Jünger aber sagte: „Gehet hin und suchet Ihn selbst; denn mir ist kein Gebot gegeben, jemandem irgend etwas über Ihn zu sagen!“

9. Mit dem ging der Jünger weiter und besah sich die alte Stadt, deren Häuser zumeist aus schwarzen Basaltstücken erbaut waren, da in dieser Gegend sich wenig Bauholz vorfand.

10. Die im Hause gebliebenen Jünger aber berieten unter sich noch weiter, was sie tun sollten. Am Ende stimmten alle mit Jakobus überein und wollten Mich suchen gehen.

11. Da aber kam ein Diener des Hauptmanns, – doch nicht der, welcher Mich am frühen Morgen hatte vor dem Hause des Hauptmanns vorübergehen sehen, sondern einer, der von der Tochter abgesandt war, auf daß er sich nach Mir und nach dem Hauptmanne zu erkundigen habe, ob er bei Mir wäre, da er sich so früh und so eilig aus dem Hause begeben hatte. Aber dieser Diener konnte von den Jüngern auch nichts erfahren.

12. Da aber sagte Jakobus: „He, mir fuhr es nun wie ein Blitz durch die Seele! Weil der Hauptmann sich so früh aus dem Hause begeben, so hat er irgend den Herrn gehen sehen und ist Ihm nachgefolgt! Irgendein Diener wird es schon wissen, in welcher Richtung er sich von seinem Hause entfernt hat. Gehen wir dahin, und uns wird gute Kunde zuteil werden!“

13. Auf diese Worte des Jakobus erhoben sich alle und gingen zum Hause des Hauptmanns und trafen da bald den wachehaltenden Diener, der ihnen die Auskunft erteilte, in welcher Richtung er Mich und dann auch den Hauptmann hatte gehen sehen.

14. Als die Jünger, und mit ihnen auch der Wirt, das erfahren hatten, da eilten sie in der gleichen Richtung vorwärts und kamen denn auch bald an die Stelle außerhalb der Stadt, an der Ich Mich mit dem Hauptmanne befand.

15. Aber da Ich und der Hauptmann auf einem Basaltblock saßen, dessen hintere Wand uns verbarg, so entdeckten uns die Suchenden nicht so bald.

16. Aber Jakobus sagte: „Gehen wir nur auf diese steinige Anhöhe hinauf, von der man sicher weithin sehen kann, und wir werden von da sicher den Herrn irgendwo wandeln sehen!“

17. Da gingen alle auf die Anhöhe und ersahen Mich und den Hauptmann denn auch alsbald, als sie auf die volle Anhöhe kamen.

18. Alle wurden überfroh, daß sie Mich gefunden hatten; nur Simon Juda trat zu Mir hin und sagte mit freundlicher Miene: „Aber Herr und Meister, siehe, wir waren voll Angst und Traurigkeit, da wir nicht wußten, wohin Du diesen Morgen Dich gewendet hast! Wenn Du uns doch nur davon einen Wink gegeben hättest, so wären wir ja gleich, wie allzeit, mit Dir gegangen und hätten nicht nötig gehabt, uns um Dich zu ängstigen. Wir bitten Dich darum, daß Du uns dies in dieser uns fremden Gegend nicht mehr antun wollest; willst Du aber schon nach Deiner Weisheit allein irgendwohin gehen, da sage es uns, daß wir allein zu bleiben haben, und wir werden Deinem heiligen Willen sicher niemals widerstreben! Denn siehe, wir lieben Dich über alles, und es wird uns darum bange, so wir nur einige Augenblicke lang nicht wissen, wo Du bist, und was Du tust!“

19. Sagte Ich: „Nun, nun, Ich hätte es euch schon gesagt, so Ich nicht vorausgewußt hätte, daß ihr Mich suchen und auch sicher finden werdet! Zudem aber hat es keinem von euch geschadet, daß Ich eure Liebe zu Mir von neuem wieder gestärkt habe. Ich aber hatte mit diesem neuen Freund allein zu tun und bin darum denn auch allein hierher gewandelt.

20. Diese Stadt und ihre Umgebung wird zur Zeit der großen Demütigung Jerusalems denen, die an Mich glauben werden, zu einem Zufluchtsort werden, wie Ich euch das schon angedeutet habe, und es muß darum schon jetzt zu einer festen Gemeinde in Meinem Namen hier durch eben diesen Freund, der über viele Heiden zu gebieten hat, ein rechter Grund gelegt werden. Und mit dem wisset ihr nun auch, warum Ich mit dem Hauptmanne ganz allein sein wollte.

21. So euch aber nun Meine Abwesenheit von nur wenigen Augenblicken so ängstlich gemacht hat, was werdet ihr dann machen, so Ich euch Meinem Leibe nach auf eine längere Zeit verlassen werde?“

22. Sagte abermals Simon Juda: „Herr und Meister, wir wissen es schon, was Du uns damit sagen willst! So es also nach Deinem Ratschlusse sein muß, da werden wir in der Hoffnung, daß alles andere, was Du uns davon geoffenbart hast, auch in die sichere Erfüllung gehen wird, solche Deine für uns höchst traurige Abwesenheit wohl ertragen müssen. Daß aber auch nicht einer von uns diese Zeit in Bälde wünscht, das liesest Du Selbst in unseren Herzen! Doch immer geschehe nur Dein Wille!“

42. Kapitel. Der Hauptmann tröstet die Jünger.

1. Hier sagte der Hauptmann, dem Ich auch ehedem gesagt hatte, was Mir bald in Jerusalem begegnen werde, und daß er sich, so er davon hören werde, daran nicht stoßen solle: „Freunde, auch ich weiß um das, was eure Herzen traurig stimmt! Aber so dies das einzige Mittel ist, die alte Halsstarrigkeit vieler Ungläubiger Jerusalems zu brechen und sie sehend und gläubig zu machen, so kann ich nicht umhin, unsern Herrn und Meister und Gott um so mehr zu loben, zu preisen und zu lieben; denn so etwas kann nur die höchste und reinste Liebe Gottes sich von ihren Geschöpfen gefallen lassen, – unserer menschlichen Liebe wäre das nie möglich.

2. Zudem wird der Herr nach drei Tagen wieder unter uns sein und uns erfüllen mit Seinem Machtgeiste und also bleiben bei den Seinen bis ans Ende dieser Erde; und so meine ich, daß wir uns über alles zu freuen Ursache haben, was Er zum möglichen Heile aller Menschen verordnet und über Sich kommen läßt. Denn die Narren, die voll Blindheit sind, können sich in ihrer tollen Wut wohl am Leibe des Herrn vergreifen und ihn auch töten, so Er das Selbst, durch Seine Liebe zu uns Menschen genötigt, zur Besserung der Blinden zuläßt; aber wer wird denn die ewige, allmächtige Gottheit in Seinem Leibe zu töten vermögen?! Diese wird ihren erhabensten Leib wieder beleben, und am dritten Tage wird Er also wie jetzt wieder bei uns sein, daß wir alle uns über alle die Maßen zu freuen haben.

3. Freunde, könnte ich darüber nur den allergeringsten Zweifel in mir aufkommen lassen, so ständen auf meine Veranlassung, da ich als ein Hauptmann ersten und obersten Ranges, mit aller Vollmacht aus Rom wohlversehen dastehe, schon in ein paar Wochen hunderttausend der tapfersten Krieger vor den Mauern Jerusalems, und in wenigen Wochen sollte kein Stein über dem andern befestigt angetroffen werden. Aber weil der Herr zuvor in der gottlosesten Stadt noch das größte Wunderzeichen wirken will, so ist für die Zerstörung der bösen Stadt noch immer Zeit genug; denn so sich die Menschen auf dies größte vom Herrn gewirkte Zeichen in ihrem argen, aber dennoch freien Willen und ihrer Welt- und Selbstliebe zufolge dennoch nicht bekehren sollten – was auch möglich ist –, so werden dann wir Römer kommen und ihnen mit dem Schwert ein ganz anderes Evangelium vom Reiche des Teufels und aller seiner Furien vorpredigen!

4. Da wird es nicht mehr heißen: ,Der Friede sei mit euch!‘, sondern: ,Der Tod komme über euch, weil ihr die Zeit, in welcher Gott der Herr Selbst euch persönlich heimgesucht hat, nicht habt erkennen wollen!‘

5. Wir aber seien darum nun heiter und fröhlich; denn alles, was der Herr will, tut oder zuläßt, ist über alle unsere Begriffe endlos weit hinaus gut! Und wir können nun ganz heitern Mutes uns nach Hause begeben und ein sicher bestbereitetes Morgenmahl zu uns nehmen, so es Dir, o Herr, genehm ist?“

6. Sagte Ich: „Allerdings, denn unseres Wirtes Diener haben alles aufgeboten, um ein bestes Morgenmahl für uns zu bereiten; auch dein Weib und deine Tochter haben sich bald nach dem Abzuge der Jünger zu des Wirtes Weib begeben, um dort von Mir Kunde zu erhalten, und haben sich an der Bereitung des Morgenmahles sehr eifrig beteiligt. Und so können wir nun schon aufbrechen und uns gemach in die Herberge begeben; aber wir wollen uns außerhalb der Stadt auf einem kleinen Umweg dahin begeben, auf daß wir in der Stadt nicht zu viele Menschen auf uns aufmerksam machen und sie uns dann massenhaft folgen!“

7. Das war dem Hauptmann ganz recht, und wir betraten den vorgeschlagenen Weg.

8. Auf dem Wege erst verwunderten sich die Jünger über die Weisheit des Hauptmanns, und Simon Juda sagte: „Das hat ihm auch nicht sein Fleisch und Blut gegeben, sondern der Herr, – aber auf einmal mehr als uns, seitdem wir um Ihn sind; der Herr aber wird es schon wissen, warum!“

9. Sagte Ich: „Weil dieser Mir auf einmal mit mehr entgegengekommen ist denn ihr, seitdem ihr um Mich seid! Aber so nach Meiner Verklärung Mein Geist eure Herzen erfüllen wird, da werdet schon auch ihr in alle Weisheit geleitet werden!“

10. Mit dem waren denn Meine Jünger auch zufrieden und wurden alle heiteren Gemütes; denn die Rede des Hauptmanns hatte auf sie einen guten Eindruck gemacht, der dann eine längere Zeit bei ihnen anhielt, aber freilich nach und nach an seiner Stärke wieder verlor.

11. Wir erreichten nun unsere Herberge, vor der sich der Jünger Judas Ischariot mit einigen Juden unterhielt. Als er unser ansichtig wurde, da begab er sich ins Haus und ließ die Juden stehen; denn der Geruch der Speisen hatte ihn schon zu sehr angezogen.

12. Es wollten aber auch die etlichen Juden ins Haus treten; da aber sagte der Wirt: „Freunde, den beschränkten Raum meiner Herberge kennet ihr; darum bleibet vorderhand hier im Vorhofe, und so ihr etwas haben wollt, so wird es euch schon zugemittelt werden! Haben wir das Morgenmahl verzehrt, so wird es dann schon noch eine Zeit geben, in der ihr euer Anliegen vorbringen könnt; doch während des Mahles laßt uns in Ruhe!“

13. Auf das blieben die Juden im Vorhofe und ließen sich gegen Bezahlung von sechs Pfennig etwas Brot und Wein geben.

43. Kapitel. Das Frühstück der Veronika.

1. Wir aber gingen in das Speisezimmer, in welchem Mir des Hauptmanns Tochter mit der größten Freundlichkeit entgegenkam und Mir dankte für die Gnade, daß sie noch einmal würdig sei, Mich zu sehen und Mir die von ihr bereiteten Speisen zum Genusse vorzusetzen.

2. Ich belobte sie und setzte Mich zum Tische, und die Tochter setzte Mir in einer goldenen Schüssel mehrere bestbereitete Fische vor und ein weißestes Weizenbrot und den Goldbecher voll Weines. Für die andern aber ward ein ganzes Kalb gebraten und in mehreren Schüsseln vor die Jünger gesetzt.

3. Für den Hauptmann, für die auch anwesenden Unterdiener und für das Weib und die Tochter aber ward nach der Römer Sitte gekochtes Rindfleisch samt der sehr würzig duftenden Brühe aufgetragen. Und allen schmeckte das Morgenmahl überaus gut, und mit dem Wein und Brot wurde nicht gespart.

4. Mich fragte die Veronika, ob Mir die von ihr bereiteten Fische wohl schmeckten.

5. Und Ich sagte: „Siehe her, ob Ich etwas in der Schüssel gelassen habe! Eine jede Speise schmeckt Mir wohl, die Mir die Liebe der Menschen bereitet; und du hast für Mich diese Fische edelster Sorte aus dem Galiläischen Meere mit dem Feuer deiner Liebe bereitet, und sie haben Mir darum denn auch überaus wohl geschmeckt!

6. Ich hätte zwar nicht nötig, bei euch Menschen die Kost für Meinen Leib zu nehmen; aber Ich nehme sie dennoch aus Liebe zu ihnen. Denn sie können Mir ja nichts geben, was Ich ihnen nicht zuvor gegeben habe; aber so sie es Mir mit wahrer Liebe wiedergeben, was Ich ihnen zuvor gegeben habe, so nehme Ich es auch also mit aller Liebe und rechten Herzensfreude an, als hätten sie es Mir wie von ihrem Eigentume dargebracht.

7. Das gilt aber auch, so du Mir zuliebe einem armen Menschen etwas gibst; denn was jemand aus wahrer Liebe zu Mir und daraus auch zum Nächsten eben einem Bedürftigen tut, das nehme Ich ganz also, als hätte er es Mir Selbst getan, und Ich werde es ihm vergelten hier und jenseits.

8. Diese Meine Worte merke dir recht wohl und tue danach, so wirst du stets Meiner vollen Liebe gewärtig sein! Aber du hast ja auch einmal derlei Fische sehr gerne gegessen; warum hast denn du heute nicht auch für dich welche bereitet?“

9. Sagte die Veronika etwas verlegen: „Ja, Herr und Meister, ich hätte das schon getan; aber es fanden sich in unseren Fischbehältern keine mehr vor, und selbst diese Dir dargebrachten vier müssen durch ein Wunder hineingekommen sein! Denn unser Speisediener sagte mir das selbst, als ich ihn um Fische fragte, und er meinte, daß gar keine darin sein würden; da er aber dennoch nachsehen ging und diese Fische darin fand, da auch eben sagte er: ,Wahrlich, das ist ein Wunder; denn ein paar Monde lang sind schon keine Fische mehr darin zu sehen oder wahrzunehmen gewesen!‘ Und ich glaube das dem Diener, da ich ihn noch nie bei einer Lüge ertappt habe; und so sind diese Fische wahrlich auch ein Wunder, und ich habe Dir, o Herr, demnach wahrlich auch nur das gegeben, was Du mir zuvor gegeben hast!“

10. Sagte Ich: „Meine liebe Veronika, es mag sich mit deinen Fischen schon also verhalten zum Teil, wie du nun glaubst; denn Meine Gabe sind sie in jedem Fall, wenn auch hier eben keine gar so wunderbare, wie du das behauptet hast. Euer Fischbehälter ist schon sehr alt und hat mehrere Winkel, in denen sich derlei Fische ganz wohl auf eine längere Zeit verstecken können und dann zu einer gewissen Zeit wieder zum Vorschein kommen, was denn auch mit deinen Fischen der Fall war; aber daß sie sich eben bis auf diesen Tag verkrochen haben und sie niemand finden konnte, das war so Mein Wille.

11. So du aber eine Liebhaberin von derlei Fischen bist, da sende einen Diener zu eurem Fischbehälter, und es werden sich sicher noch welche vorfinden! Und haben sich welche vorgefunden, so bereite du sie zum Mittagsmahl für Mich, dich und auch für die andern! Wir werden alle genug haben.“

44. Kapitel. Die große Bedeutung der Lehre Jesu gegenüber seinen Taten.

1. Als die Veronika, der Hauptmann und sein Weib und seine Unterdiener solches von Mir vernommen hatten, da gingen sie, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, schnell zu dem sich in der Nähe neben einer Brunnquelle – die auf dem Grunde des Wirtes sich befand – befindlichen Fischbehälter, den der Hauptmann in Pacht hatte, da der Wirt ohnehin nie mit Fischen versehen war, und fanden den ganzen Fischbehälter voll der edelsten Fische.

2. Voll Staunens kamen alle bald wieder zurück und sagten: „O Herr und Meister in Deinem Geiste schon von Ewigkeit! Das ist wohl ein ganzes Wunder, und wir alle sehen es jetzt klar ein, daß kein Mensch auf der ganzen Erde Dir etwas geben kann, das er zuvor nicht von Dir erhalten hätte. Dir allen Dank für diese Gabe, wie auch für jede andere; denn Du allein bist wunderbarst der ewige Geber aller Gaben, und wir nur zu oft undankbarsten Menschen sind die Hauptempfänger! Darum Dir allein alle Ehre, alles Lob, aller Preis und alle unsere Liebe!“

3. Sagte Ich: „Nun, nun, es ist schon ganz gut und recht also; machet davon vor den Menschen aber dennoch keinen Lärm!“

4. Sagte der Hauptmann: „Herr, wir werden niemals gegen Deinen Willen etwas tun und unternehmen; doch das erlaube mir, daß ich davon an viele meiner Freunde in Rom einen Geheimbrief senden kann, – denn solche Dinge sollen vor den mir bekannten helleren Menschen nicht verborgen bleiben!“

5. Sagte Ich: „Freund, für Rom ist schon gesorgt, und dein Freund Agrikola, nebst mehreren seiner Gefährten, kennt Mich noch um vieles besser denn du nun; aber für diese dir untergebene Gemeinde magst du wohl in Meinem Namen sorgen, und Mein Lohn für dich wird nicht unterm Wege verbleiben!

6. Redet aber auch da nicht zuviel von Meinen besonders gewirkten Zeichen, aber dafür desto mehr von Meiner Lehre, durch welche alle Menschen zum ewigen Leben in Meinem Reiche berufen sind! Denn durch Meine Wundertaten allein wird niemand selig, sondern nur, so er an Mich glaubt und nach Meiner Lehre lebt und tut.

7. Durch Meine Zeichen kann ein Mensch wohl zum Glauben an Mich genötigt werden – was für seine Seele von keinem großen Nutzen ist –, wer Mich aber aus Meinen Worten erkennt, an Mich glaubt und nach Meiner Lehre lebt und handelt aus seinem ungezwungenen, völlig freien Willen, der steht in Meinem Reiche um vieles höher als der, welcher durch Meine Zeichen zum Glauben an Mich und Meine Lehre ist gezogen worden. Das merket euch wohl und machet kein zu großes Aufheben von Meinen Zeichen!

8. In dem der Geist der Wahrheit vorherrschend ist, der wird die Wahrheit Meiner Worte auch ohne irgendwelche äußeren Zeichen erkennen und wird in dieser Wahrheit vollends frei werden und alle Knechtung von sich weisen.

9. Meine Lehre wird bleiben und ewig nimmerdar vergehen; aber alle Zeichen, die Ich gewirkt habe und noch wirken werde, werden nur mit der Zeit gleich also wie eine andere geschichtliche Erzählung sich zum größten Teil von Mund zu Mund mit manchen Umgestaltungen und Verfälschungen hie und da erhalten und in der späteren Zeit bei den aufgeklärteren Menschen wenig oder auch gar keinen Glauben finden. Doch aus der reinsten Wahrheit Meiner Lehre werden die Menschen auch in den spätesten Zeiten leicht innewerden, wer Der war, der sie den Menschen gegeben hat. Darum machet auch nun schon nicht zu viel Aufhebens von Meinen Taten, außer von jenen Meiner Liebe!“

10. Das machte eine gute Wirkung bei den Römern, die sonst wohl auf die Zeichen und Wunder die größten Stücke hielten, aber durch diese Meine Belehrung zu einer ganz anderen und besseren Ansicht gekommen sind.

45. Kapitel. Die Einwände des Dieners.

1. Ein Unterdiener, auch ein gelehrter Römer, sagte dennoch nach einer Weile tieferen Nachdenkens: „Herr und Meister, Ich sehe die Wahrheit Deines uns hier erteilten, weisesten Rates wohl ein, kann aber doch nicht umhin, hier eine kleine Gegenbemerkung zu machen!

2. Wenn man bei der Weiterverbreitung Deiner Lehre von Deinen Zeichen und Taten, die zu bewirken nur einem Gott möglich sind, kein Aufheben machen soll, so erscheinst Du dem gewöhnlich nur natürlich denkenden Menschen auch nur als ein wohl recht weiser Volkslehrer, der aus den besten Vernunftgründen schöpfend den Nebenmenschen auch die besten Lehren gibt, ohne darum ein Gott zu sein. Denn es hat ja unter allen uns bekannten Völkern, besonders in den lange schon vergangenen Zeiten, gar sehr weise Lehrer gegeben, welche die Menschen in allerlei nützlichen Dingen unterrichtet und ihnen auch die Begriffe von einem Gott beigebracht haben, die mit der Zeit freilich sehr verunstaltet worden sind.

3. Diese Lehrer sind sicher auch von Deinem Geiste für ihr Amt unterwiesen worden, aber sie waren darum doch nicht Du unmittelbar Selbst, und so war es denn auch leicht möglich, daß ihre Lehren nicht als ein lebendiges Gotteswort betrachtet worden sind, sondern nur für aus der Erfahrung und aufmerksamen Beobachtung der Natur und ihrer wechselweisen Erscheinungen vieler Menschen durch viele Jahrhunderte als ein weises Menschenwort angesehen und zum Nutzen der Menschen ins praktische Leben so oder so aufgenommen wurden.

4. Der Bergmann lernte die Metalle kennen und bearbeiten; der Landmann fing an, die Felder mit Getreide anzubauen; der Gärtner veredelte die Obstbäume, die Reben und noch andere Früchte und heilsame Kräuter; der Hirte fing auf eine geordnete Weise an, seine Herden zu pflegen; man fing an, bessere Wohnhäuser und am Ende große Städte zu erbauen, und fing auch an, den Leib stets zweckmäßiger zu bekleiden.

5. Und alle diese Lebensvorteile und viel anderes hatten die Menschen einzelnen urweisen Lehrern zu verdanken, und wir selbst sind ihnen sicher auch noch vielen Dank schuldig, indem wir ohne sie noch jenen höchst rauhen und ganz überbarbarisch wilden Skythenhorden glichen, die mit ihren wilden Tierherden in den Erdhöhlen und alten, hohlen Bäumen wohnen, keine eigentliche Sprache haben, sondern den Tieren des Waldes gleich heulen und von einer Gottheit keinerlei Begriff haben und ebenso nicht von einer sonstigen Bildung.

6. Bei diesen Völkern ist sicher noch nie ein weiser Lehrer aufgestanden, weshalb sie sich denn auch noch in einem Zustande befinden, der sich von dem der wilden Tiere des Waldes wenig unterscheidet. Wenn unter ihnen auch einmal ein oder mehrere weise Lehrer aufstehen werden, so werden sie auch nach und nach zu einer höheren Menschenbildungsstufe gelangen; aber wenn so ein Lehrer für sein Volk auch noch so weise Lebensgrundsätze aufstellen und dadurch sein Volk erheben wird, – wird er darum Dir gleich ein allein wahrer Gott sein, und wird er vermögen, bloß durch seinen Willen und durch sein lebendiges Wort Kranke zu heilen, leere Schläuche mit dem besten Weine und die Teiche mit Fischen zu füllen in einem Augenblick?!

7. Es ist daher nun ein himmelhoch großer Unterschied, ob die Menschen von einem erweckten Menschenlehrer oder – wie es nun hier der augenscheinlichste und handgreiflichste Fall ist – unmittelbar von Gott Selbst über alles belehrt werden!

8. Darum sollten aber die Menschen nach meiner menschlich vernünftigen Ansicht nicht nur allein Deine allerweiseste und wahrheitsvollste Lehre überkommen, sondern auch erfahren, daß diese Lehre nicht aus dem Munde eines weisen Menschen, wie in den Urzeiten, sondern unmittelbar aus dem Munde Gottes kam, der nach Seinem ewigen Ratschlusse die Menschennatur und -gestalt körperlich annahm, aber dabei durch diese nur Gott allein möglichen Taten, für welche Tausende von Zeugen bürgen können, mehr als handgreiflich klar bewies, daß er kein Mensch, sondern der vollsten und unbezweifeltsten Wahrheit nach der allein eine Gott Selbst war!

9. Um den blinden Menschen, die von der eigentlichen Lebenswahrheit noch lange nicht einen leisesten Begriff haben, das begreiflich und anschaulich zu machen, kann und darf man Deine Wundertaten nicht verschweigen, sondern muß sie auch treu und wahr, wie, wo und bei welchen Gelegenheiten sie von Dir gewirkt worden sind, den Menschen mit der Heilslehre verkünden.

10. Ich will gerade auch nicht behaupten, daß man gar alles den Menschen überliefern soll, was Du gewirkt hast an den vielen Orten, die Deine göttlichen Füße betreten und besucht haben; aber der Haupttaten darf nicht vergessen werden!

11. Ob die gar späteren Menschen sie auch vielleicht nur als pure fromme historische Mythen betrachten werden, so macht das nach meiner Ansicht eben nicht viel der Wahrheit der Lehre Nachteiliges aus. Denn wer in der Lehre die Göttlichkeit Deiner Person herausfinden wird, dem werden Deine Taten auch als wahr und wohlbegreiflich vorkommen; wer aber Deine Lehre Deiner vor uns gewirkten Taten wegen, weil sie ihm etwa zu unglaublich vorkämen, nicht annehmen wird, der wird auch ohne die Wissenschaft (Kenntnis) von Deinen Taten die Lebenswahrheit in Deiner Lehre ebensowenig finden, wie sie bis jetzt die Templer zu Jerusalem und die Pharisäer an andern Orten gefunden haben! – Herr und Meister, habe ich recht oder nicht?“

46. Kapitel. Die Bedeutung der Wahrheit.

1. Sagte Ich: „Du hättest hier nicht so viele Worte zu machen brauchen, und Ich hätte den guten Willen und den reinen Sinn deiner ganz klaren Vernunft auch verstanden. Aber weil du schon einmal geredet hast, so ist es auch gut der andern wegen, weil du ganz gut geredet hast!

2. Ich sagte ja auch nicht, daß der, welcher Meine Lehre irgend andern Menschen verkünden wird, Meiner Taten gar keine Erwähnung machen soll, aber nur solle davon nicht ein zu großes Aufheben gemacht werden, und dann sollen nur jene Taten vorzugsweise erwähnt werden, die Ich aus purer Liebe den Menschen erwiesen habe als ein Arzt und Helfer in der größten Not eines oder auch mehrerer Menschen.

3. Von jenen Taten aber, die Ich – zwar auch aus Liebe zu den Menschen – gewirkt habe, um sie schneller von der Wahrheit Meiner Lehre zu überzeugen –, was nur in dieser Zeit besonders not tut, nicht aber in den künftigen Zeiten, in denen Mein Wort schon für und aus sich Zeichen wirken wird –, soll eben kein Aufheben gemacht werden. Denn das würde die Menschen bald mehr nach allerlei Wundern sehnsüchtig und lüstern machen, als nach der wahren Lebenswirkung Meiner Lehre im Menschen; und wundersüchtige Menschen sind dann auch durch falsche Wunder, die von falschen Lehrern und Propheten verübt werden, sicher um vieles eher und leichter von der eigentlichen und inneren Lebenswahrheit abwendig zu machen denn jene, die alles scharf prüfen und nur das Gute und Wahre für sich behalten.

4. Ich werde allen, die an der Wahrheit Meiner Lehre ungezweifelt und tatsächlich festhalten, schon ohnehin die Macht geben, in Meinem Namen allerlei Zeichen der reinen Liebe zu wirken, und es wird demnach Mein Wort schon von selbst Wunder wirken, was zur Ausbreitung Meiner Lehre sicher dienlicher sein wird, als so ihr alle die vielen tausend von Mir gewirkten Zeichen den Menschen vorerzählen möchtet.

5. Aber so euch aus dem lebendigen Geiste Meines Wortes die Gabe, Zeichen zu wirken, zuteil wird, so sollet ihr es auch nicht zu offen und zu bunt damit treiben, denn dadurch würdet ihr der guten Sache der Wahrheit Meiner Lehre bei weitem mehr schaden als nützen. Denn alles Aufgedrungene und Aufgenötigte erweckt Meinen Geist in der Seele nicht oder hie und da nur so teilweise.

6. Nur die freie, selbst erwählte und unaufgezwungene Wahrheit, die das eigentliche Licht und Leben Meines Liebegeistes in der Menschenseele ist, vermag das. Darum vor den Menschen, die nach der Wahrheit dürsten, nur so wenig Wunder als möglich, wollt ihr nicht halbtote Glaubenspuppen aus ihnen bilden!

7. Habt ihr aber schon vor den mehr in allerlei Weltwissenschaften erfahrenen Menschen ein oder das andere Zeichen gewirkt, so versäumet es niemals, ihnen auch den Grund des Gelingens zu zeigen, auf daß dadurch auch ihr Glaube an Mich ein lebendiger werde! Der Grund aber bin allzeit nur Ich, ohne den keiner etwas Wahres zu bewirken vermag.

8. Wie aber den Menschen von einem schon helleren Geiste und kräftigeren Willen das zu erklären ist, darüber braucht keiner von euch sich den Kopf zu zerbrechen; denn wenn jemand von euch dessen benötigen wird, da wird es ihm schon auch von Wort zu Wort in den Mund gelegt werden! Denn die Mich lieben und Meine Gebote halten werden, zu denen werde Ich im Geiste aller Wahrheit Selbst kommen und Mich ihnen offenbaren. Die werden es dann schon von Mir Selbst erfahren, was Ich alles in dieser Zeit gelehrt und gewirkt habe.

9. Denn wolltet ihr nun das alles in die Bücher schreiben mit allen Umständen und Seitenbegebnissen, so würdet ihr dazu auf hundert Jahre lang mehr denn tausend Schreiber benötigen; und so dann alles in beinahe zahllos viele und große Bücher aufgezeichnet wäre, wer würde sie da alle durchlesen und dabei aber auch gleich nach Meiner Lehre tun können, die er aus den vielen Büchern selbst in mehreren hundert Jahren kaum flüchtig durchlesen könnte? Aus dem werdet ihr nun alle wohl einsehen, warum ihr aus Meinen gewirkten vielen Zeichen kein großes Aufheben machen sollet! Die Wahrheit wird schon für sich wirken.

10. Habt ihr dieses nun verstanden, so lasset uns ins Freie gehen, und Ich werde euch stärken und dann sagen, was heute noch alles zu geschehen hat!“

11. Hier lobten alle Meine Weisheit, erhoben sich samt Mir vom Tische und gingen mit Mir ins Freie auf einen Hügel in der Nähe der Stadt Pella.

47. Kapitel. Des Hauptmanns Pellagius Frage über Besessenheit.

1. Als wir uns allesamt auf dem schon besagten Hügel befanden, von dem aus man einen Teil des Galiläischen Meeres sowie auch die Städte Abila, Golan und Aphek übersehen konnte, da legte Ich allen Anwesenden die Hände auf und erteilte ihnen die Macht, durch das Auflegen der Hände in Meinem Namen allerlei Kranke zu heilen und aus den Besessenen die bösen Geister auszutreiben.

2. Auf diese Handlung fragte Mich der Hauptmann, sagend: „Herr und Meister, ich habe schon zu mehreren Malen Menschen gesehen und beobachtet, die sich ganz absonderlich benahmen und gebärdeten. Eine Zeitlang waren sie ganz ruhig, und befragte ich sie um dies und jenes, so gaben sie ganz vernünftige Antworten, und man merkte nichts von irgendeiner geistigen Verrücktheit. Aber auf einmal wurden sie von irgendeiner unsichtbaren Macht ergriffen, verzerrten ihr ganzes Wesen, fingen an zu toben und arteten aus in allerlei gräßliche Lästerungen gegen selbst die allbekannt besten Menschen und gegen die Götter oder über den einen Gott der Juden und gegen die Propheten, schlugen sich jämmerlich mit den Fäusten, und wollte man sie mit Gewalt bändigen, so brachen sie in eine schaudererregende Lache aus, und wer auf sie die Hand legte, der kam schlecht zu Teile.

3. In der von hier eben nicht weit entfernten alten Gräberstadt Gadara kannte ich zwei, mit denen eine ganze römische Legion wenig oder nichts auszurichten vermochte. Sie hielten sich in den alten Gräbern auf und waren den Reisenden und auch den Einheimischen eine große Plage. Fing man sie und band sie mit Ketten und Stricken, so half das nichts; denn so sie von der geheimen Macht ergriffen wurden, da zerrissen sie selbst die stärksten Ketten und Stricke in einem Moment, schlugen sich und auch die andern, die sich ihnen zu nahen wagten, und so sie mit Soldaten umfangen wurden, da wurden diese mit Steinen derart beworfen, daß sie nicht schnell genug die Flucht ergreifen konnten, um nicht auf das furchtbarste verstümmelt zu werden. Und schoß man mit scharfen Pfeilen aus der Ferne nach ihnen, so lachten sie; denn selbst die besten und geübtesten Bogenschützen brachten keinen Pfeil in ihre Nähe.

4. Das waren doch sicher von sehr bösen Dämonen besessene Menschen? Wer und was sind diese Dämonen, und warum wird es zugelassen, daß die an sich oft allerharmlosesten Menschen, ja mitunter sogar unschuldige Kinder von ihnen gequält werden?“

5. Sagte Ich: „Von allem dem, danach du fragst, sind Meine Jünger und auch schon mehrere deiner Freunde in Rom und auch andernorts völlig unterwiesen, und du wirst darüber auch noch zur rechten Zeit ins klare kommen. Es genüge dir vorderhand nun, daß von Mir auch dir die Macht erteilt ist, derlei arge Geister aus den Menschen zu treiben durch die Macht und Kraft, die in Meinem Namen waltet; das aber, darum du Mich nun gefragt hast, wirst du von denen zunächst erfahren, die von dir geheilt werden, und vieles kannst du von Meinen Jüngern, die Zeugen waren, als Ich die Besessenen in Gadara geheilt habe, erfahren.“

6. Als der Hauptmann solches von Mir erfahren hatte, da dankte er Mir für die Stärkung, gleichwie auch alle die andern bis auf den Judas Ischariot, der nicht auf diesen Hügel mit uns gezogen war, sondern sich unterdessen in der Stadt herumtrieb, um sich bei allen denen, die Ich geheilt hatte, ein sogenanntes Trinkgeld zu erbetteln, – eine Beschäftigung, die bei ihm nichts Neues oder Seltenes war; denn er war und blieb ein ordentlicher Dieb und Mäkler. Es erkundigte sich auch weiter niemand um ihn, und er ging auch niemandem ab.

48. Kapitel. Zwei Besessene werden zu Jesus gebracht.

1. Als Mir alle vielfach ihren Dank für die ihnen erteilte Kraft und Macht abgestattet hatten, da kamen ein paar Bürger aus der Stadt zu uns auf den Hügel. Der eine war der bekannte griechische Wirt, und der andere, sein Nachbar, war ein Römer und seiner Profession nach ein Schmied, der sich auch dann und wann mit der Heilung kranker Tiere und zuweilen auch kranker Menschen, besonders der Halbnarren und der mit der Epilepsie Behafteten, mitunter heilbringend abgab.

2. Gerade an diesem Morgen hatte man aus der nahen Stadt Abila zwei nach des Schmiedes Meinung mit der dreifachen Epilepsie behaftete, noch junge Menschen zwischen zwanzig und nahe dreißig Jahren Alter in die Herberge des Griechen gebracht, um sie dort von dem Schmied heilen zu lassen. Der Schmied versuchte auch sogleich seine Mittel; aber sie fruchteten nichts, und die beiden fingen darauf erst recht zu toben an und stießen gegen den Schmied und auch gegen den Wirt die schmählichsten Lästerungen aus und drohten, ihnen zu schaden in allem ihrem Handeln und an Leib und Leben.

3. Da sagte der ganz durch und durch erschrockene Wirt zum Schmied: „Der große Herr und Meister, der mit aller göttlichen Kraft und Macht erfüllt sein muß, ansonst Er gestern nachmittag nicht so viele mit den sonst unheilbarsten Krankheiten behaftete Menschen vollkommen geheilt hätte, wird sicher noch hier sein; gehen wir Ihn aufsuchen! In der Judenherberge werden wir Ihn wohl erfragen.“

4. Darauf eilten sie zur Judenherberge, fragten nach Mir, und es ward ihnen gesagt und gezeigt, wo Ich Mich aufhalte. Von da kamen sie denn auch sehr eiligen Schrittes zu Mir und erzählten Mir alles, was sich an diesem Morgen bei ihnen zugetragen hatte.

5. Und Ich sagte zu ihnen: „Das sind keine von der Epilepsie Befallene, sondern das sind zwei gar arg besessene Menschen; in dem einen befinden sich fünf arge Geister und in dem andern, welcher der ältere ist, gar siebzehn. Bringet sie hierher, und es soll ihnen hier geholfen werden!“

6. Sagte der Wirt: „O Herr und Meister, das wird etwas schwer halten; denn die beiden sind ganz entsetzlich unbändig und so stark, daß keinen von ihnen zwanzig starke Menschen festhalten können und sie auch niemanden an sich herankommen lassen!“

7. Sagte Ich: „Wie sie von Abila zu euch gebracht worden sind von ihren Leuten, ebenso werden sie von denselben Leuten auch hierher gebracht werden können. Darum gehet und bringet sie hierher!“

8. Auf das gingen der Wirt und der Schmied gleich wieder nach Hause und hinterbrachten das sogleich denen, welche die beiden Besessenen von Abila nach Pella gebracht hatten; und diese versuchten, die beiden Besessenen zu Mir zu bringen.

9. Aber diese wollten anfangs nicht, und mehrere wohlunterscheidbare Stimmen ließen sich aus dem Munde der beiden also vernehmen: „Was haben wir mit dem Sohn des allerhöchsten Gottes zu tun? Sollen wir uns vor der Zeit von der Macht Seines Willens und Wortes quälen lassen?“

10. Sagte aber nun der Wirt: „So ihr durchaus nicht gehen wollt, so werdet ihr durch Seine Allmacht wohl dazu genötigt werden, und euer Widerstreben wird euch kein nütze sein!“

11. Da schrien alle Argen aus den zweien: „Das wissen wir wohl, daß wir der Macht Seines Willens nimmerdar widerstreben können; aber Trotz bieten wollen wir demselben, so lange, als es nur immer möglich sein wird!“

12. Sagte der Wirt nun: „Höret, ihr argen Geister, die ihr euch erfrecht, dem allmächtigen Willen des Herrn zu trotzen; jetzt will es der Herr und ihr erhebet euch und gehet!“

13. Als der Wirt diese Worte, mit denen Ich ihm fühlbar als mit Meinem Willen den seinen unterstützt habe, ausgesprochen hatte, da erhoben sich die beiden und ließen sich von ihren Leuten, die dem Wirte und dem Schmied folgten, gleich ohne alles Sträuben zu Mir hinführen.

49. Kapitel. Pellagius heilt einen Besessenen.

1. Als sie bei Mir ankamen, da sagte der Wirt: „Herr und Meister von Ewigkeit, hier sind die beiden! Es hatte seine Not mit ihnen, sie hierher zu bringen; nur der Macht Deines Willens konnten sie nicht widerstreben.“

2. Sagte Ich: „Es ist gut, daß sie hier sind, auf daß ihr den Unterschied zwischen den sogenannten Narren, den Epileptikern und den wirklich von argen Geistern Besessenen einmal ordentlich kennenlernt.

3. Diese aber gehören zu den schon sehr arg Besessenen und können von seiten der Menschen nur durch Beten und vieles Fasten von den sie besitzenden wahren Philistergeistern befreit werden; doch hier hat es weder des Betens noch des Fastens vonnöten.

4. Den Jüngeren, der nur mit fünf Geistern behaftet ist, kann ein jeder von euch, die ihr von Mir gestärkt worden seid, von seinen Geistern befreien; doch den Älteren, der mit siebzehn Geistern besessen ist, würde von euch ohne Meinen besonderen Machtwillen niemand von seiner argen Inwohnerschaft zu befreien vermögen, weil für diesen Zweck euer aller Glaube noch zu wenig der wahr göttlich lebendigen Kraft innehat. Diese wird euch erst dann werden, wenn ihr von Meinem Geiste völlig durchdrungen sein werdet, – was bei euch nun noch nicht der Fall ist.

5. Ich aber bestimme nun dich, Freund Pellagius, für den Jüngeren. Lege ihm in Meinem Namen deine Hände auf und sage: Im Namen Jesu, des Herrn, gebiete ich euch, aus diesem Menschen uns allen sichtbar zu fahren, und zwar in der Gestalt, die euch eigen ist aus eurer alten hartnäckigen Bosheit!

6. So du, Freund, das tun wirst, da werden die fünf Dämonen alsogleich aus dem Menschen, ihn für immer verlassend, herausfahren. Gehe denn hin und tue das!“

7. Da ging der Hauptmann hin zu dem Besessenen und tat das, was und wie Ich es ihm angeraten hatte; und es fuhren die fünf argen Geister in der Gestalt von fünf dampfartigen und mit Fledermausflügeln versehenen Schlangen aus dem Menschen und flogen eine Zeitlang über unseren Häuptern umher.

8. Und es ward eine Stimme, von den Geistern ausgehend, von uns allen, also lautend, ganz klar vernommen: „Herr, Du Allmächtiger, wann wird denn für uns hart Gefangene eine Erlösung tagen?“

9. Sagte Ich: „Wenn euer Wille ein anderer wird! So auch ihr Geister die Wahrheit kennt und euch das Licht des Lebens nicht fremd ist, – warum bleibt ihr denn schon seit tausend Jahren nach dieser Erdzeit an der alten Lüge und ihren Werken starren Eigenwillens hängen? Ändert euren Willen und flehet Den, der ein Herr über alles von Ewigkeit her ist und auch fortan ewig sein wird, um Gnade und Erbarmen an, so wird auch für euch die Erlösung tagen!“

10. Sagten die Geister: „Herr, wir wollen das; aber gib Du uns einen andern und bessern Willen, und erweise uns also Deine Gnade und Erbarmung! Erlöse uns von dem alten Übel der Lüge und ihrer Werke; denn auch wir sind Nachkommen Abrahams, wenngleich von Esau abstammend!“

11. Sagte Ich: „Wie ihr selbst wollet, also geschehe euch! Nun begebet euch wieder dahin, wohin euch eure Liebe und euer Wille treibt!“

12. Sagten die Geister: „Herr, wir verspüren in uns nun weder eine Liebe noch irgendeinen Willen! Darum laß Du mit uns geschehen nach Deinem Willen und nach Deiner Gnade; denn wir sind unseres Willens und unserer Liebe satt und müde geworden!“

13. Sagte Ich: „So erhebet euch in jene Region dieser Erde, in der euch reinere Brüder weiterführen werden!“

14. Als Ich dieses ausgesprochen hatte, da bekamen die fünf Geister Menschengestalten, wie aus lichteren Wasserdünsten geformt, ergriffen sich und entschwebten darauf in der Gestalt eines stets durchsichtiger werdenden und dann bald ganz verschwindenden und nicht mehr sichtbaren Lämmerwölkchens.

15. Der von seinen fünf Plagegeistern Befreite aber kam zu Mir hin und sagte: „O Herr und Meister, vor allem danke ich Dir, daß Du mich von meiner großen Qual befreit hast; dann aber bekenne ich als ein Heide, daß ich von nun an an keinen unserer vielen Götter glauben und ihn verehren werde, sondern Du allein bist der Gott aller Götter, Menschen und aller Kreatur dieser Erde, und alle Dämonen müssen ihre Knie beugen vor Deinem Namen! Darum Dir allein ewig alle Ehre, alle Liebe und alles Lob!

16. Und was ich nun laut ausgesprochen habe, das beschwöre ich auch vor allen Menschen und vor allen Göttern, an denen noch zahllos viele Menschen festhalten und ihnen opfern, die aber nichts sind und keine Macht und keine Gewalt besitzen.

17. Sollte es aber noch irgendeinen höheren Gott geben, gegen den ich mich nun durch dies mein offenstes Bekenntnis irgend versündigt habe, so schleudere er einen Blitz aus den Himmeln nach mir und töte mich!“

18. Seine Leute, die noch Heiden waren, erschraken über den Schwur des jungen Menschen und erwarteten, daß der Zeus das sehr übel aufnehmen und den Befreiten sicher mit einem Blitz aus dem Himmel verderben werde.

19. Aber da kein Blitz kommen wollte, so sagte der junge Mensch zu seinen Leuten: „Warum erwartet ihr eine Strafe von dorther, von woher keine zu erwarten ist, da es keinen Zeus und noch weniger einen Blitz in seiner Macht und Hand gibt und nie gegeben hat?

20. Sehet, Der hier, vor dem ich dankbar knie, ist der wahre und allmächtige Zeus! So Er sagen würde, daß nun sogleich tausendmal tausend Blitze aus den Wolken oder aus dem reinsten Himmel zur Erde niederfahren sollen, so werden sie auch niederfahren und verderben, was Er zum Verderben bestimmt hat.“

21. Sagte Ich zum Befreiten: „Stehe auf, Mein Sohn, und bleibe bei deinem neuen Glauben, und du wirst nimmerdar zu einem Schaden kommen! Aber lasset uns auch deinen Bruder von seinen siebzehn Plagegeistern befreien!“

50. Kapitel. Jesus treibt siebzehn Geister aus einem Besessenen.

1. Als Ich das sagte, befiel die anwesenden Heiden eine Furcht und große Angst; denn sie hatten schon vor den fünf Geistern einen großen Respekt bekommen.

2. Ich aber erhob Mich schnell von Meinem Platze, trat zum Besessenen hin und sagte mit aufgehobener Hand: „Ich will es, und so fahret, allen Anwesenden sichtbar, aus den Eingeweiden dieses Menschen, den zu besitzen und zu plagen ihr kein Recht habt!“

3. Da rissen sie den Menschen noch ein paar Male, daß er darob zu Boden fiel, sich aber alsbald wieder erhob, als die Arggeister in der Gestalt von kleinen, schwarzen Krokodilen ausfuhren.

4. Diese sahen viel dichter aus, konnten sich nicht in die Luft erheben, sondern krochen am Boden umher, richteten endlich gegen Mich ihre Rachen und kreischten Mich also grimmig an (die Geister): „Was haben wir mit Dir zu tun? Wir kennen Dich nicht, haben auf der Erde nie wider Deine Gesetze, die nie da waren, handeln können! Nach welchem Recht willst Du uns nun züchtigen? Warum hast Du uns mit Deiner Übermacht aus dieser unserer Wohnung getrieben, die wir schwer erobert haben?“

5. Sagte Ich: „Waret ihr nicht Zeugen, als Ich auf dem Berge Sinai die Gesetze gab? Wer trieb euch damals an, Mir zu trotzen, Meiner zu spotten, euch aus Gold ein Kalb zu machen und es dann an Meiner Statt anzubeten? Ihr waret eben die Haupträdelsführer und habt viel Volkes beredet und es von Mir abwendig gemacht; wie saget ihr nun, daß Ich euch völlig fremd und unbekannt sei und euch auch niemals Gesetze gegeben hätte, nach denen Ich nun mit Recht euch zu gebieten hätte?!

6. Was euch damals widerfuhr, als Moses zu euch hinab ins Tal kam und im gerechten Zorneifer die steinernen Gesetzestafeln zerschlug, das widerfahre euch auch jetzt. Darum hebet euch von hier; denn für euch wird noch lange keine Erlösung tagen!“

7. Darauf fingen sie an, von uns über die Steilen des Hügels jählings hinabzukriechen in einen sumpfigen und mit allerlei Unkraut dichtbewachsenen Graben und machten ein Geheul und wildes Gekrächze.

8. Da sagte der Hauptmann zu Mir: „O Herr und Meister, dieser Graben wird allen Bewohnern dieses Ortes zu einem Unheil werden, so Du ihn nicht von diesen siebzehn Argdämonen reinigen wirst; denn vor diesen wahren Bestialgeistern habe selbst ich mich zu fürchten angefangen! Darum wolle Du sie nicht in diesem Graben weilen lassen!“

9. Sagte Ich: „Wartet nur ein wenig, bis Ich mit dem Geheilten fertig bin, dann werden wir schon sehen, wie sich dieser Graben reinigen lassen wird!“

10. Hierauf fiel auch der zweite Geheilte vor Mir auf seine Knie nieder, dankte Mir für die Heilung von seiner mehrjährigen Plage und machte dann das gleiche Glaubensbekenntnis, das sein Bruder zuvor gemacht hatte, und bat Mich darauf, daß Ich der Bitte des Hauptmanns eingedenk bleiben möchte; denn auch er könne nun nicht ohne Grauen in diesen schmutzigen Graben hinabschauen.

11. Sagte Ich: „Nur eine kleine Weile der rechten Geduld noch; denn wir wollen zuvor noch sehen, ob da nicht einer der siebzehn Geister in einer andern Gestalt zurückkehrt und mit Mir zu rechten anfängt! Denn auch diese Geister haben einen noch völlig freien Willen.“

12. Sagte der Hauptmann: „Herr und Meister, woher kommt es denn, daß diese Geister in der Gestalt mir bekannter, ganz abscheulicher Tiere uns ersichtlich wurden? Die ersten fünf haben freilich wohl ihre Gestalt am Ende geändert; aber die siebzehn blieben, wie sie uns ersichtlich wurden, in ihrer gar grauenhaft häßlichen Gestalt und entfernten sich von hier auch in derselben Gestalt. Woher kommt es also, daß solche Geister in solcher Gestalt den Menschen ersichtlich werden?“

51. Kapitel. Des Wesen der fünf zuerst ausgetriebenen Geister.

1. Sagte Ich: „Weil diese Gestalt ihrer inneren bösen Gierliebe entspricht! Die geflügelte Schlange entspricht zwar einem gewissen Grade der weltlichen Klugheit und kann mit der feinen Kriegslist eines Feldherrn verglichen werden; aber so du diese Klugheit näher betrachtest, so wirst du in ihr sehr wenig Nächstenliebe, aber an ihrer Statt ungeheuer viel Selbstsucht, Herrschgier und zügellosesten Hochmut entdecken. Und sieh, diese innere Seelenbeschaffenheit erscheint in Meinem allerhöchsten Wahrheitslichte eben in einer solchen Gestalt, die ihr vollkommen entspricht!

2. Denke du dir eine geflügelte Schlange, wie es deren in Mittel- und Südafrika noch hier und da welche in der Natur gibt und es zur Zeit der Philister in sehr heißen Jahren auch hierzulande gegeben hat! Es ist schon schwer, mit einer ungeflügelten Schlange – ihrer geheimen List wegen – einen Kampf aufzunehmen, und es ist die Flucht vor ihr für den gewöhnlichen Menschen noch immer das beste Mittel, ihrer List zu begegnen.

3. Bei der geflügelten aber hilft gar oft auch die Flucht nichts, sondern nur ein ehernes Gewand und ein scharfes Schwert in der Hand eines wohlgeübten Kämpfers. Und dieses eherne Gewand ist hier Meine Liebekraft in euch, und das scharfe Schwert ist hier Mein Wort, und die alles zu besiegen vermögende Wahrheit Meines Wortes ist der wohlgeübte Kämpfer und ein wahrer Held aller Helden.

4. Aus dem kannst du nun schon entnehmen, warum die ersten fünf Geister hier vor Mir in der Gestalt geflügelter Schlangen erscheinen mußten; denn sie waren zur Zeit der Kriege der Juden mit ihnen gar sehr verschmitzte Feldherren und hatten nichts als ihren eigenen Nutzen, Gewinn und Ruhm vor Augen; denn ein jeder trachtete, für sich ein Königreich zu gründen.

5. Der Mensch, den sie nun einige Jahre lang geplagt haben, ist ein Abkömmling ihres Geschlechtes; sie fanden in ihm ein großes Feldherrntalent noch im tiefen Schlummer, beschlichen darum seine Eingeweide, um dieses besagte Talent, durch das sie ihn mit der Zeit gar auf den Thron Roms zu bringen wähnten, in ihm zu wecken, was ihnen aber nicht gelingen konnte, weil sie durch ihr Gebaren mit seinem Leibe die in der Seele schlummernden Fähigkeiten nur schwächten, aber nicht belebten.

6. Man ließ ihnen zu, ihren Willen an dem Menschen zu versuchen, um sie selbst zu der Überzeugung zu bringen, daß ihr Vorhaben ein eitel törichtes und nach ihrer finsteren List ein unausführbares ist.

7. Da sie es darob in dieser letzteren Zeit aber mit dem Menschen in ihrem Grimme zu arg haben zu treiben angefangen, so war es denn auch an der Zeit, ihn von ihnen völlig zu befreien.

8. Und es war das alles wohl vorgesehen und gut für diesen Menschen und auch für die fünf Geister; denn der Mensch hat auf diesem Wege Mich und mit Mir das ewige Leben seiner Seele gefunden, und die fünf Geister sind bei dieser Gelegenheit von der alten Torheit ihrer nichtigen und nie zu realisierenden Gier geheilt worden und haben den Weg in die Demutschulen der schon besseren Geister betreten. – Da hast du nun in Kürze alles, was die fünf ersten Geister betrifft.“

52. Kapitel. Die Geschichte der siebzehn Geister.

1. (Der Herr:) „Was aber da betrifft die Gestaltung der siebzehn Geister, so entspricht diese der nie zu sättigenden Freßgier eben der Tiere, in deren Gestalt sie hier ersichtlich werden mußten.

2. Als Ich auf dem Berge Sinai dem Moses unter Blitz, Donner, Feuer und Rauch für das israelitische Volk zunächst die Gesetze diktierte, da verlangte Moses auf Mein Geheiß von dem gefräßigen Volk unter Hinweisung auf Meine Gegenwart eine gerechte Nüchternheit, auf daß ihre Seelen aufnahmefähiger für die Wahrheiten wären, die ihnen vom Berge herab verkündet würden.

3. Das Volk aber bat Moses und durch ihn auch Mich, daß es wegen der großen Furcht und Angst ob des beständigen Blitzens, Donnerns und ob des Feuers und Rauches sich vom Berge in ein fernes Tal hin zurückziehen dürfe; es werde sich allda ganz nüchtern verhalten, und Moses mit seinem Bruder Aaron möchten allein mit Mir die große Sache abmachen.

4. Auf ein längeres Bitten und Drängen des einen großen Volksteiles ward die Gewährung dessen Verlangens erteilt. Der große Teil des Volkes zog sich denn auch sogleich mit allen seinen Habseligkeiten in ein vom Berge ziemlich weit entlegenes Tal. Einige Wochen hielt er sich wohl so ziemlich dem Verlangen des Moses entsprechend. Da aber Moses verzog, so fing das Volk an, seiner und Meiner zu vergessen, schlachtete Kälber und Schafe und hielt Mahlzeiten über Mahlzeiten.

5. Da trat einer von diesen siebzehn auf und verlockte das Volk; denn er goß mit Hilfe der andern ein goldenes Kalb, lud das Volk zusammen, und sagte: ,Das ist unsere Hauptkost, und ihr verdanken wir das Leben in dieser mageren Wüste, in der unsere Herden nur mit Mühe kaum ihr hinreichendes Futter finden! Dieses kostbare Symbol lasset uns hoch verehren und anbeten! Bestellet nun Mahlzeiten über Mahlzeiten, und lasset uns um dieses Symbol fröhlich und heiter sein! Dann erwählet uns zu euren Heerführern, und wir werden euch eher in ein fettes Land zu führen imstande sein denn der unser ganz vergessen habende Moses mit seiner Lade! Wir haben es in Ägypten von den schlauen Krokodilen erlernt, wie man zu verfahren hat, um für sich eine gute Beute zu erjagen; darum folget uns, und es wird uns an fetten Mahlzeiten nicht fehlen!‘

6. Und siehe, viele ließen sich verleiten, daß sie taten, was diese Haupträdelsführer ihnen anrieten!

7. Ich aber ließ Moses zu ihnen kommen, als eine Menge um das goldene Kalb tanzte. Er geriet, von Mir angetrieben, in einen gerechten Zorneifer, zerbrach die steinernen Gesetzestafeln, und es kamen gleich darauf geflügelte Schlangen also, als wären sie glühend, welches dem gerechten Zorneifer Mosis entsprach, bissen die Abtrünnigen, und wer da gebissen ward, der mußte sterben. Darunter befanden sich denn auch vorzüglich unsere siebzehn Geister, die mit der Schlauheit und Gefräßigkeit der Krokodile sich fette Länder und fette Braten erjagen wollten, – aus welchem Grunde sie denn auch hier noch in dieser ihrem Charakter entsprechenden Gestalt erscheinen mußten.

8. Dieser Mensch stammt zwar nicht von einem der siebzehn ab; aber er war schon von seiner Kindheit an ans viele Essen gewöhnt und ist dadurch später zu einem wahren Vielfraße geworden, und diese seine arge Beschaffenheit hatte den siebzehn argen Geistern den Eingang in seine Eingeweide verschafft.

9. Aber er hat dabei gewonnen. Da sie seinen Leib anfangs zu noch mehr Fraß antrieben, so verlor sein Magen bald die Verdauungskraft, und der Mensch konnte darauf beinahe nichts mehr verzehren, so daß man sich zu wundern begann, wie er nahezu ohne alle Speise leben könne. Dadurch aber verlor er denn auch seine Vielfraßgier, und seine Seele ward dadurch geistiger und in sich kräftiger; und da nun sowohl sein Leib und noch mehr seine Seele in eine rechte Ordnung kam, so war es auch an der rechten Zeit, auch ihn von seinen Plagegeistern zu befreien.

10. Zugleich aber hatte dies Doppelbesessensein noch einen andern großen Nutzen, und das namentlich für die beinahe um allen Glauben gekommenen Abiläer; denn sie waren zumeist der Lehre des Diogenes zugetan, also Stoiker in hohem Grade, und glaubten an kein Fortleben der Menschenseele nach des Leibes Tode.

11. Nun, dies Doppelbesessensein hat denn bei manchem schon den Glauben an das Fortleben der Seele nach dem Leibestode wenn auch nicht ganz, aber doch so gut zur Hälfte wachgerufen, und es wird nun durch die von beiden Besessenen und von ihren Leuten erlebte und gesehene Erscheinung ein leichtes sein, die Bewohner Abilas von ihrem schon stark verrosteten Stoizismus ganz zu befreien.

12. Und so geschieht in dieser Welt als von Mir zugelassen nichts, das da nicht zum Heile der Menschen dienen könnte, was du, Mein Freund, und auch die andern hier Anwesenden mit dir gar wohl einsehen werden.

13. Da du jetzt auch weißt, wie du mit den siebzehn Geistern daran bist, so wollen wir nun warten, ob einer von ihnen zurückkehren wird.“

53. Kapitel. Die Ermahnung Jesu an den Anführer der ausgetriebenen Geister.

1. Als Ich diese ziemlich lange, alles erklärende Rede in bezug auf das Besessensein beendet hatte, wofür Mir alle inbrünstigst dankten, da erhob sich aus dem schon bekannten Graben auf einmal ein schwarzer Nebel – dem ähnlich, der oft dem Kamin eines Töpfers entsteigt – und zog sich zu uns herauf und kam bald völlig in unsere Nähe.

2. Als er sich uns auf zehn Schritte genaht hatte, da sagte Ich sehr laut: „Bis daher und nicht weiter! Entschleiere dich, und zeige dich in deiner Form!“

3. Da ward aus dem schwarzen Nebel alsbald eine äußerst rauhe Mannsgestalt, sichtbar allen, die da waren. Die Gestalt aber war auch ganz so braunschwarz wie die eines Mohren und hielt auf dem Arm ein goldenes Kalb, als wollte sie damit anzeigen, daß das noch ihr Gott und ihre Liebe sei.

4. Ich aber ließ einen gewaltigen Blitz in der Gestalt einer geflügelten Schlange mit starkem Gekrache aus dem Himmel herabfahren; der traf das goldene Kalb und vernichtete es in einem Nu.

5. Da fing die Gestalt an, sich zu regen und zu krümmen und brachte am Ende die Worte heraus: „Herr, warum läßt Du uns nicht ungestört das genießen, was unsere Liebe will? Haben wir Dich doch niemals ersucht, daß Du uns erschaffen und dann nach Deinem Wohlgefallen Tausende von Jahren und ganze Ewigkeiten lang quälen sollst! Hast Du uns aber ohne unser Wollen einmal erschaffen und uns auch eine Liebe und einen freien Willen eingehaucht, – warum strafst Du uns denn, so wir nach unserer Liebe und nach unserem Willen handeln?“

6. Sagte Ich abermals mit sehr lauter Stimme: „Wer in der ganzen ewigen Unendlichkeit kann Mir, dem alleinigen Herrn voll aller Macht und Kraft, denn vorschreiben, was Ich tun soll? Nur Meine ewige Liebe schreibt es Mir vor, was da zu geschehen hat, und Meine ewige und endloseste Weisheit ist der Handlanger und Ordner der Allmacht Meines Willens!

7. Ich habe euch durch Meinen gerechten Knecht Moses aus der harten Knechtschaft Ägyptens erlöst, als ihr eure Erstlinge habt töten müssen; Ich habe euch in der Wüste ernährt, und es hat niemand Hunger und Durst gelitten – außer einigen von euch, die sich im Lande der Greuel zu sehr der für die Menschenseelen höchst verderblichen Völlerei ergeben haben. Diesen riet Ich Nüchternheit an zum Heile ihres Leibes, und besonders zum Heile ihrer Seele.

8. Warum verlangtet ihr, die Ich zu Meinen Kindern umgestalten wollte am Berge der Erkenntnis, euch von Mir zu entfernen? Weil ihr euch unter Meinem Lichte nicht zu schwelgen getrautet! Ihr habt euch dann entfernt, um zu schwelgen und an Meiner Vaterstatt ein totes, von euren Händen verfertigtes goldenes Kalb anzubeten!

9. Wer hat euch denn diesen Sinn in eure Liebe gehaucht? Ich wahrlich nicht, sondern ihr selbst durch euren freien Willen, ohne den ihr Tiere wäret und euch nie zu Meinen Kindern heranbilden könntet!

10. Seid ihr durch euren freien Willen von Mir abgefallen, – warum erhebt ihr euch denn nicht wieder durch euren immer noch freien Willen abermals zu Mir?

11. Ihr meint, daß Ich euch da quäle? Oh, mitnichten! Ein jeder Teufel quält sich selbst durch seine Verkehrt- und Verstocktheit, so er mit derselben Meiner weisesten Ordnung widerstrebt und sie nach seiner bösen Liebe umzugestalten wähnt.

12. Ich bleibe ewig ein und derselbe unveränderliche Herr über alle Sinnen- und Geisterwelt. Mit der reinen Liebe zu Mir und aus der zum Nächsten kann ein jeder Mensch und Geist mit Mir alles ausrichten und von Mir auch alles haben, aber mit einer Art Gewalt oder Trotz ewig nichts; denn Ich bin der Gewaltigste aller Gewaltigen und der Mächtigste aller Mächtigen.

13. Aber Ich bin auch der Sanfteste aller Sanften, der Beste aller Guten und der Barmherzigste aller Barmherzigen. Wer in der wahren, reuigen Liebe zu Mir kommt und Mich um Erbarmung bittet, dem werde Ich sie nicht vorenthalten. Wer sich aber, so er Mich erkannt hat, gegen Mich auflehnt, der wird ewig zu keiner Erlösung gelangen, sondern sich selbst nur in ein stets größeres Elend stürzen.

14. Das bedenke ein jeder arge Geist, ein jeder Teufel! Der Herr bin Ich, und außer Mir gibt es keinen mehr! Und nun hebe dich von hinnen!“

15. Als Ich dieses ausgesprochen hatte, da verschwand der Geist alsbald, und bald darauf ersah man aus dem Graben eben siebzehn dunkle Nebelbündel sich erheben, die von einem Winde dem Norden zugetrieben wurden.

16. Und Ich sagte zum Hauptmanne: „Siehe, nun ist auch euer Wunsch erfüllt; denn die siebzehn dunklen Nebelbündel waren die siebzehn argen Geister. Der aber hier war, hat den andern sechzehn das gesagt, was er hier vernommen, und sie faßten den Entschluß, diese Regionen für immer zu verlassen und in den Wüsten des Nordens sich zu beraten, was sie tun werden. Denn in diesen Regionen würden sie durch ein gewisses entsprechendes Einfließen zu sehr von den Dingen dieser Welt erregt und können nicht in sich eingehen, sich beschauen und in ihrer sündhaftigsten Häßlichkeit erschauen. Es wird also auch bei diesen siebzehn Geistern noch eine Besserung eintreten; aber es wird unterdessen auf dieser Erde der Sommer noch gar oft den Winter zu verdrängen bekommen!“

54. Kapitel. Über die Gefahren beim Genusse unreiner Speisen. Jesus in Abila

1. Sagte der Hauptmann: „O Herr und Meister, sage es uns doch auch, wo sich derlei Geister auf dieser Erde zumeist aufzuhalten pflegen, auf daß wir solche unheimlichen Orte und Gegenden leichter meiden können! Denn wenn man in solche Gegenden kommt und hat irgend etwas Verwandtes mit solch einem Arggeiste, so kann es leicht geschehen, daß man von ihm beschlichen und am Ende gar in wahrlich nicht wünschenswerten Besitz genommen und geschädigt wird!“

2. Sagte Ich: „Freund, davor hat sich niemand zu fürchten, der an Mich lebendig glaubt und Mich liebt durch die Werke eben Meiner Liebe in ihm! Aber solche Menschen, die noch tief in allerlei heidnischem Aberglauben stehen, haben sich allerorts und in aller Zeit vor derlei Geistern zu fürchten und sind auch stets mehr oder weniger von ihnen entweder umgeben oder gar besessen; denn alle die unlauteren Leidenschaften der Menschen werden von solchen Geistern erregt und beeinflußt, die einst selbst von gleichen unlauteren Leidenschaften ihr ganzes Leben hindurch beherrscht waren und ihnen mit Lust und Gier frönten.

3. Solche unlauteren Geister – teils solche, die schon einmal im Fleische in dieser Welt gelebt haben, größtenteils aber solche Naturgeister, die noch niemals in ein Menschenfleisch eingezeugt worden sind – gibt es allenthalben: in der Luft, auf und in der Erde, im Wasser und im Feuer, in den Steinen, Metallen, Pflanzen, Tieren und auch im Blut und Fleisch der Menschen; darum sollen die Menschen auch nicht das Fleisch erstickter und unreiner Tiere essen.

4. Im Notfall kann zwar auch das Fleisch von unreinen Tieren gegessen werden; aber es muß zuvor wohl gereinigt, mit Salz und guten Kräutern gebeizt, am Feuer getrocknet und darauf mit guten Kräutern geräuchert werden, auf daß es von den unreinen Geistern befreit werde.

5. Das Fleisch der Raubtiere aber ist für die Menschen auch bei aller der von Mir euch angeratenen Vorsicht schädlich, weil aus demselben die unreinen Geister niemals völlig entfernt werden können.

6. Ebenso sollen die Menschen auch nicht das Wasser aus unreinen Quellen trinken und sollen ihre Brunnen rein halten, wie das alles auch Moses aus Mir den Israeliten streng anbefohlen hat.

7. Wer nach der Weisung Mosis dem Leibe nach leben wird, der wird sich vor der Besitzergreifung von seiten der argen und unlauteren Geister allzeit und allenthalben verwahren, und das um so sicherer, so er lebendig an Mich und Meine väterliche Fürsorge glaubt und alles in Meinem Namen anfängt, tut und beendet. Ohne das aber ist er in jedem Augenblick tausend Gefahren aller Art und Gattung leider durch seine eigene Trägheit, Unwissenheit und Dummheit ausgesetzt.

8. So Ich nicht durch Meine Engel die Menschen, die schon von Natur aus eines besseren Sinnes und Willens sind, beschützen ließe, da würde es wohl wenig unbesessene Menschen auf dieser Erde geben! Aber darauf sollen sich die Menschen nicht allzusehr verlassen, weil Meine Engel dem Willen der Menschen keine Zügel anlegen. – Das demnach auch zu eurer Beachtung!“

9. Als Ich das beendet hatte, da dankten Mir alle und priesen Meine Weisheit und Macht, und die Abiläer baten Mich, daß Ich auch ihre Stadt besuchen möchte; denn sie würden Mich daselbst ankündigen.

10. Sagte Ich: „Das könnet ihr immerhin tun – doch die Zeit und die Stunde bestimme Ich nicht, wann Ich zu euch kommen werde; aber Ich werde dennoch auch zu euch kommen! Nun möget ihr euch wieder auf den Heimweg begeben! Nehmet aber zuvor bei eurem Wirte etwas Brot und Wein zu euch; das Fleisch der Schweine aber esset nicht, bevor ihr es nicht nach Meinem Rate werdet zubereitet haben!“

11. Auf das dankten sie Mir noch einmal und begaben sich darauf mit dem griechischen Wirte und dem Schmied in die Stadt.

12. Wir aber verweilten noch eine Zeitlang auf dem Hügel, und der Hauptmann und auch die andern Römer befragten Mich noch um mancherlei, und Ich hellte sie über ihre Zweifel auf.

13. Es kam sogestaltig auch der volle Mittag heran, und es kam ein Bote von unserem Wirt, der bei uns weilte, auf den Hügel und lud uns zum Mittagsmahl. Und wir erhoben uns und folgten dem Boten.

55. Kapitel. Die Reise nach Abila.

1. Als wir bei unserem Wirte ankamen, da standen vor des Hauses Flur eine Menge Menschen, die Mich nochmals sehen und sprechen wollten, indem sie von Meinen Taten wohl selbst Zeugen waren und von Meinen Lehren auch schon so manches vernommen hatten.

2. Ich aber verwies sie an den Hauptmann Pellagius und sagte ihnen, daß sie von ihm Meine Lehre vollständig erhalten würden.

3. Und der Hauptmann gelobte ihnen, daß er sie in allem unterweisen werde.

4. Die Menschen waren damit zufrieden, zerstreuten sich nach und nach, und wir gingen ins Haus, wo das Mittagsmahl schon auf dem Tische stand. Wir nahmen das Mahl zu uns und waren dabei voll guter Dinge.

5. Als wir das Mahl bald beendet hatten und Ich allen Anwesenden ankündigte, daß Ich in einer Stunde Zeit mit Meinen Jüngern nach Abila ziehen würde, da bat Mich der Hauptmann, ihm zu gestatten, Mich in diese Stadt und auch in die andern Orte und Städte, die unter seinem Kommando stünden, mit seinen Unterdienern und mit der Veronika geleiten zu dürfen.

6. Und Ich gestattete ihm das, worüber er eine große Freude hatte und sogleich Anstalten zur Abreise machte.

7. Nach einer Stunde Zeit verließen wir das Haus des Wirtes, der Mich mit seinem geheilten Sohne auch noch eine weite Strecke aus der Stadt hinaus begleitete, sowie auch der Griechenwirt und der bekannte Schmied und Tierarzt.

8. Als Ich außerhalb der Stadt von den vieren Abschied nahm, da erteilte Ich auch dem Schmied die Macht, böse Geister aus den Menschen zu schaffen, wofür er Mich nicht genug loben und preisen konnte.

9. Darauf zogen wir ziemlich raschen Schrittes auf einer guten Heerstraße nach Abila und erreichten diese nicht unbedeutende Stadt eine Stunde vor dem Untergange der Sonne.

10. Auch diese Stadt war zumeist von Heiden bewohnt. Nur zehn jüdische Familien hatten in dieser Stadt ein sehr untergeordnetes Unterkommen und mußten den Heiden dienen und von ihnen leben. Alle zehn Familien hatten nur ein uraltes und ruinenartiges Haus zu bewohnen; sie hatten daher in dieser Stadt auch keine eigene Herberge und keine Synagoge.

11. Als wir uns der Stadt nahten, da sagte Ich zum Hauptmann: „Gehe du mit den Deinen nun voraus in die Stadt, und lasse die zehn Judenfamilien wissen, daß Ich zu ihnen kommen und bei ihnen übernachten werde! Alles andere wird sich dann schon nachher von selbst geben.“

12. Als der Hauptmann das von Mir vernommen hatte, da begab er sich mit den Seinen alsogleich eiligst voraus und ging auch sogleich zu den Juden und sagte ihnen, was sie zu erwarten hätten.

13. Die bettelarmen Juden aber sagten zum Hauptmann: „O hoher Gebieter im Namen des Kaisers! Es wäre das schon wohl gut und recht; aber wo sollen die über vierzig in diesem zerfallenen Haus ein genügendes Unterkommen finden? Alte, zerfallene Zimmer wären wohl noch zur Genüge da; aber wer mag darin wohnen? Kröten, Nattern, Salamander und Skorpione gibt es zur Übergenüge darin, und da kann man ja doch keinen Menschen hineintun. Was aber unsere Zimmer betrifft, da haben ja wir kaum hinreichenden Raum zur Wohnung, besonders zur Nachtzeit, und es wäre schwer, noch etliche Menschen neben uns anständig zu beherbergen. Von einer Bewirtung aber könnte schon gar keine Rede sein, da wir selbst mehr denn bettelarm sind.

14. Und so wolle du den großen Herrn und Meister, von dessen wunderbaren Taten wir schon vernommen haben, davon abwendig machen, bei uns ein Nachtlager suchen und nehmen zu wollen, da es ja in dieser Stadt mehrere wohlbestellte Herbergen gibt.“

15. Da sagte der Hauptmann: „Ich werde Ihm eure mir wohlbekannte Not schon schildern; aber ich weiß es auch schon zum voraus, daß ich Ihn von Seinem Vorhaben nicht abwendig machen werde, – denn was Er einmal beschließt und sagt, das geschieht! Er wird auch um euren Notstand und um euer Elend schon lange wissen und kommt sicher nur eben deshalb zu euch, um euch zu helfen und den wahren Trost zu bringen, aber nicht, um euch zu plagen und in große Sorgen zu versetzen. Darum kommet Seinem Willen nur freundlichst entgegen, und ihr werdet bei Ihm Gnade und eine große Liebe und Erbarmung finden!“

16. Sagte der Älteste dieses Hauses: „Ja, ja, er komme nur, wie es ihm beliebt! So er dasein wird, da wird er sich wohl von allem selbst überzeugen, wie es mit uns steht. Wir sind sicher alle darob höchst erfreut, daß er zu uns kommen will; aber wir sind darum traurig, daß wir ihm für solch eine Gnade kein Gegenopfer darbringen können!“

17. Während der Hauptmann sich noch mit dem Ältesten besprach, kam Ich mit den Jüngern auch schon vor das Judenhaus, das wie eine zerklüftete alte Burg auf einer Anhöhe außerhalb der Stadtmauer sich befand.

18. Der Hauptmann bemerkte Mich sogleich, eilte Mir entgegen und wollte Mir zu erzählen anfangen, wie es mit dem Judenhause und mit seinen Einwohnern stehe.

19. Ich aber sagte zu ihm: „Freund, erspare dir die Rede, da Ich ja schon lange um gar alles weiß! Ich bin aber ja – wie du es zuvor ganz richtig diesen Menschen bemerkt hast – eben darum zu ihnen gekommen, weil Ich gar wohl weiß, wie es mit ihrem Hause und mit ihnen selbst steht. Darum laß uns sogleich zu dem Ältesten gehen!“

56. Kapitel. Jesus in der Wohnung der zehn Judenfamilien.

1. Ich ging denn, vom Hauptmanne geleitet, zu dem Ältesten des Hauses, um den sich noch einige besorgte Familienväter befanden, die uns betrachteten, um zu sehen, was wir tun würden, so wir diese alte Ruine näher kennenlernen.

2. Als Ich zum Ältesten kam, sagte er (der Älteste): „Willkommen, Herr und Meister, bist du uns allen wohl; aber das, was wir dir für solche deine uns erwiesene große Gnade tun können, das wird dir sicher nicht willkommen sein! Siehe unser Wohnhaus an, und unsere Kleider werden es dir sicher, ohne ein weiteres Wort darüber zu verlieren, schon von selbst zeigen, wie es mit uns in allem steht!“

3. Sagte Ich: „Der Friede sei mit euch! Wie es mit euch steht, das weiß Ich wohl, – aber ihr seid auch zum großen Teil selbst schuld an eurem Elend; denn durch die Trägheit und durch nahe gar kein Vertrauen auf Gott, den alleinigen Herrn und Geber aller guten Gaben, kommt kein Mensch auf einen grünen Zweig auf dieser Erde.

4. Solange ihr noch Mittel und Kräfte hattet, da tatet ihr nichts zur Ausbesserung eures alten Hauses, ließet auch Jehova einen guten Herrn sein und machtet euch mit der blinden Lehre der griechischen Weisen vertraut, durch die ihr dann erst ums Vielfache elender geworden seid, als ihr je zuvor einmal waret.

5. Nun aber seid ihr gar zu Sklaven der Heiden geworden und müsset euch von ihnen für schwere Arbeiten ein karges Brot mehr erbetteln, als daß ihr zu ihnen sagen könntet: ,Wir haben es uns ja im Schweiße unseres Angesichtes verdient!‘ Denn es ist schwer, denen zu dienen, die an keinen Gott und kein Fortleben der Seele nach dem Tode des Leibes und somit auch an keine Wiedervergeltung im großen Jenseits glauben und somit auch keine Nächstenliebe haben und sogar Feinde des eigenen Lebens sind.

6. Nun, in eurer größten Not habt ihr angefangen, des alten Jehova zu gedenken und bei Ihm Hilfe zu erflehen, und das hat Mich denn auch bewogen, zu euch zu kommen und euch zu helfen im Angesicht der vielen, gar zu stockblinden Heiden, die auch ihres Diogenes wegen den Glauben an ihre Götter haben fahren lassen, auf daß auch sie merken, daß der alte Gott noch lebt und denen hilft, die an Ihn glauben, Seine Gebote halten und von Ihm die rechte Hilfe im wahren und ungezweifelten Vertrauen erwarten.

7. Lasset Mich sehen euer altes, mehr denn halbverfallenes Haus, und wir wollen sehen, ob sich im selben wird übernachten lassen, und ob das Schadhafte auszubessern sein wird! Dann wollen wir eure Speisekammern prüfen, wieviel Vorrat sich darin noch vorfindet!“

8. Sagte der Älteste: „O großer Herr und Meister! Dieses Haus hat einmal wohl sicher sehr viele große und kleinere Gemächer gehabt; aber auf uns sind nur kaum sieben gekommen, und selbst diese sind schon sehr schadhaft. Alle andern sind voll Geschmeißes aller Art und Gattung und für Menschen zum größten Teil gar nicht mehr begehbar. Unsere Speisekammern sind fürs erste auch in dem elendsten Zustande. Nur eine ist noch halb brauchbar; aber selbst diese eine ist leer bis auf etliche verschimmelte Brotkrumen. Gehen wir aber nach deinem Willen dennoch nachsehen, auf daß du, o großer Herr und Meister, es auch mit deinen Augen schaust, wie wir Abkömmlinge des Gad und Ruben in ihrem Lande nun bestellt sind!“

9. Hierauf begingen wir alle Gemächer des großen Hauses, und es sah alles so aus, wie es der Älteste beschrieben hatte.

10. Als wir uns aber im äußersten und letzten Gemach befanden, da sagte Ich: „Nun sollst du die Macht Gottes in Mir, auch einem Menschensohne dem Fleische nach, kennenlernen! Siehe, über Mauertrümmer, Säulenstücke, Dorngestrüpp und allerlei Geschmeiß sind wir bis zu diesem Gemach vorgedrungen, und durch königlich gezierte, wohlgeschmückte und mit allem versehene Gemächer werden wir unseren Rückzug machen, in denen sich wohl übernachten lassen wird. Ich will es, und also sei es!“

11. Als Ich dieses also ausgesprochen hatte, war das ganze Haus schon umgewandelt, und als wir darauf alle Zimmer und Gemächer durchzogen, da war auch nicht ein schadhaftes irgend mehr zu entdecken.

12. Und die Juden dieses Hauses schlugen die Hände über dem Haupte zusammen und schrien vor freudigster Verwunderung: „Das kann nur Dem möglich sein, der Himmel und Erde erschaffen hat; darum Dir, o großer Gott, alles Lob, der Du dem Menschen eine solche Macht gegeben hast!“

13. Darauf besuchten wir die Speisekammern, die auch mit allem angefüllt waren, was die Menschen zur Stillung ihres Hungers und Durstes vonnöten haben. Da war die Verwunderung noch größer, und sie konnten lange vor lauter Staunen nicht reden.

57. Kapitel. Des Ältesten Zeugnis von Jesus.

1. Nach einer Weile sprach der Älteste folgende Worte aus: „Nein, nein, nein, – das ist unerhört! Moses und Elias, als die zwei größten Propheten, haben Großes geleistet, ja Größeres, als ein Mensch vom reinsten Verstande je zu fassen und zu begreifen imstande ist und selbst das gläubigste Gemüt kaum mehr glauben kann! Aber was sind alle jene Wundertaten, die von den genannten zwei Propheten gewirkt wurden nach dem Willen Jehovas, von dessen Machtgeiste sie erfüllt waren, gegen dieses Wunderwerk?! Alle Propheten, die großen wie die kleinen, sagten: ,Der Herr will es, und der Herr spricht also!‘, Du, o großer Herr, aber sagtest: ,Ich will es, und es sei!‘ Und es ward im Augenblick, was Du wolltest! Daher bist Du mehr denn Moses und Elias!

2. Dein Ich ist der Herr Selbst in aller Fülle, und ich als ein Greis habe nun in Dir mein Heil gesehen und möchte nun sagen: O Herr, Herr, lasse Deinen alten Diener im Frieden ins große Jenseits übergehen! Denn Du bist der Verheißene aus Dir Selbst! Dein ewiger Geist sprach aus dem Munde der Propheten und weissagte von Deiner Darniederkunft, und Du als die ewige Wahrheit und Treue Selbst hast Dein Wort gehalten und bist, mit Fleisch und Blut angetan, zu uns sündigen Menschen gekommen, um uns von neuem wieder aufzurichten, die Juden sowohl als auch die Heiden, die auch Kinder Noahs sind und einst mit den Vorabrahamiten ein Volk unter dem großen Großkönige und Höchstpriester Melchisedek von Salem ausmachten. Daher alle Ehre und alles Lob Dir allein, Du Herr, Herr, Herr!“

3. Sagte Ich: „Nun, nun, es ist schon gut und wahr also! Daß euer gesunkener Glaube durch diese Meine Tat auf einmal wieder aufgerichtet wurde, ist wohl sehr begreiflich, wie auch, daß ihr Mich alsbald erkannt habt; aber ihr müsset in der Folge diesen euren Glauben erst durch die Werke der wahren Nächstenliebe lebendig machen, ansonst er für das Leben eurer Seele keinen Wert hätte vor Mir. Denn Ich bin nur durch Meine übergroße Liebe zu euch Menschen gekommen, und so könnet ihr Menschen auch nur wieder durch die Liebe zu Mir und zum Nächsten zu Mir und also zum ewigen Leben eurer Seelen als Meine rechten Kinder gelangen, was ihr euch wohl zu merken habt!

4. Der Glaube an Mich ist wohl ein lebendiges Licht aus den Himmeln, aber erst durch die Werke der Liebe. Wie aber ein Licht, das in der Nacht leuchtet, erlischt, so es nicht durch ein stets erneuertes Hinzutun des Öles genährt wird, ebenso erlischt auch der anfangs noch so ungezweifelte Glaube ohne die steten Werke der Liebe.

5. Ich habe durch dieses Mir leicht mögliche Wunderwerk nicht nur euren völlig gefallenen Glauben in eurer Seele aufgerichtet, sondern auch eure Liebe zu Mir angefacht; aus dem Lichte dieser wahren und ewigen Lebensflamme habt ihr denn auch bald und leicht erkannt, wer in Mir zu euch gekommen ist.

6. Weil ihr aber das alsbald und ohne viele Mühe und Predigt erkannt habt, so tut nun auch danach, daß ihr und eure Nachkommen durch die Werke der Liebe in Meinem Namen verbleibet im lebendigen Glauben!“

7. Sagte der Älteste: „O Herr, Herr, dieses Werk wird in dieser Gegend der sechzig Städte ein größtes Aufsehen erregen, sowohl bei den wenigen Juden, wie auch bei den vielen Heiden sowohl dieser Stadt, als mit der Zeit auch in den andern Städten. Wenn die Menschen von allen Seiten hierher kommen und sehen werden, daß unser schon so lange verfallenes Haus auf einmal in eine wahre königliche Burg umgewandelt worden ist, und werden uns fragen, wie das vor sich gegangen ist, – was werden wir ihnen dann zur Antwort geben können?“

8. Sagte Ich: „Darum sorget euch nicht; denn so ihr vor den Menschen von dieser Tat und von Mir zu reden genötigt seid, dann wird es euch schon in den Mund gelegt werden, was ihr zu reden habt! Die gar zu Zudringlichen aber verweiset an den Hauptmann und an seine Unterdiener, die alle das Werk mit angesehen haben, – da werden sie schon die rechte Aufklärung erhalten; denn diese kennen Mich gar wohl schon und wissen, wie Mir nichts unmöglich ist.“

58. Kapitel. Die Entsprechung der Erneuerung der Burgruine.

1. (Der Herr:) „Auf daß aber auch ihr wisset, warum Ich nun diese alte, verfallene Burg, in der einst Könige wohnten, wieder aufgerichtet und wie ganz neu aufgebaut habe, so achtet nun auf das, was Ich euch noch sagen werde:

2. Fürs erste entspricht diese Neuherstellung dieser alten Königsburg der nun durch Mich allerorts neuen Herrichtung des alten, ganz verfallenen Glaubens an den einen, allein wahren Gott.

3. Es sind von der alten Glaubensburg wohl auch noch einige verwitterte, zerklüftete und zerfallene Wahrheitsüberreste vorhanden; aber sie taugen nicht mehr zu einer Lebenswohnung Meiner Liebe und Erbarmung für die Seelen Meiner Kinder, wie sie waren zu den Zeiten des Königs von Salem, sondern nur zur Wohnung solcher, die da in ihrem Gemüte vollends gleichen dem Geschmeiß, das schon lange diese Burg vielfach und vielgestaltig bewohnt hat.

4. Die Burg war sonach ein treues Abbild von dem, wie es nun mit dem Glauben an Gott und mit der Haltung Seiner Gesetze aussieht, und das namentlich in und um Jerusalem.

5. Ich aber werde diese Stadt und alles, was zu ihr hält, so da keine Besserung und Umkehr zu Mir ins volle Werk kommen wird, noch ärger heimsuchen, als Ich zu den Zeiten Lots Sodom und Gomorra heimgesucht habe; und da mache Ich euch auf den zweiten Grund, aus dem Ich diese Burg nun aufgerichtet und wie ganz neu aufgebaut und mit allem versehen habe, ganz besonders aufmerksam!

6. So da Mein Gericht wird kommen über die Gottlosen zu Jerusalem und seiner weiten Umgebung und Meine wenigen Treuen die Flucht ergreifen werden, dann werden sie auch hierher kommen. Da nehmet sie auf, und machet dadurch vollends lebendig den in euch nun neu erweckten Glauben durch die Werke der Liebe in Meinem Namen!

7. Das Gericht, das über die Stadt Jerusalem wird zugelassen werden, werdet ihr alten Leute dieses Ortes wohl im Fleische nicht erleben, aber die Jüngeren von euch und deren Kinder werden es erleben. Wenn aber dieses geschehen wird, da gedenket dessen, was Ich euch jetzt gesagt habe!“

8. Hier sagte in tiefster Ehrfurcht der Älteste zu Mir: „O Herr, Herr! Groß und überherrlich ist Dein Name! Wir haben vor etlichen Monden in der Nacht eine höchst sonderbare Lichterscheinung am Firmament geschaut, deren Bilder uns mit großer Furcht und Angst erfüllt haben. Anfangs tauchten große Feuersäulen auf und reichten dem Anscheine nach bis zu den Sternen. Die Säulen einten sich auf eine sonderbare Weise, erhoben sich, und wir dachten, als wir von ihnen nichts mehr sahen, daß das eine zwar seltene Feuererscheinung, dabei aber dennoch natürlicher Art sei. Aber bald darauf ward glühend der ganze Himmel. Wir ersahen die Stadt Salomos und große Kriegsheere, die diese Stadt belagerten und endlich völlig samt dem Tempel verheerten.

9. Später, schon mehr gen Morgen, war abermals eine Lichterscheinung stark gegen Westen hin ersichtlich. Was diese darstellte, konnte niemand von uns entziffern. Aber die Mittelerscheinung hatte eine starke Ähnlichkeit mit dem, was Du, o Herr, Herr, uns nun über Jerusalem verkündet hast. Hatte sie nicht Bezug auf Deine nunmalige Weissagung?“

10. Sagte Ich: „Jawohl, Mein Freund, doch nun wollen wir nichts Weiteres davon reden! Dafür aber sorget nun für ein Nachtmahl, für alles andere habe schon Ich gesorgt!“

11. Sagte der Älteste zu Mir: „Herr, Herr! Unser irdischer Gebieter, der weise Hauptmann möchte uns jemanden, der des Kochens kundig wäre, besorgen; denn wir haben schon seit vielen Jahren nichts mehr gekocht, haben auch kein Feuer und in dieser Gegend auch kein Brennholz für den Herd. Es ist darum für uns in dreifacher Hinsicht beinahe unmöglich, für Dich und für die, welche mit Dir sind, ein gekochtes Nachtmahl herzustellen, obschon alle die großen und kleinen Speisekammern von allerlei Vorräten durch Deine Gnade überfüllt sind. Es wird durch Deine Gnade auch fürs Brennholz und fürs Feuer wohl gesorgt worden sein; aber was nützt das, so wir alle des Kochens und Speisebereitens völlig unkundig sind?“

12. Sagte Ich: „Alter Mann, deine Ehrlichkeit gefällt Mir, denn du hast in der Hinsicht eurer Kochkunde die volle Wahrheit geredet. Der Hauptmann aber hat schon seine Tochter und ein paar seiner Unterdiener beordert, daß sie mit einigen deiner Leute in der großen Küche, in der sich auch ein Fischbehälter befindet, der nun voller Fische ist, für uns und euch alle ein gutes Nachtmahl bereiten.“

59. Kapitel. Die Burg Melchisedeks.

1. (Der Herr:) „In dieser Burg aber befindet sich ja auch ein großer, aus Basaltsteinen gemauerter Keller! Hast du diesen noch niemals entdeckt und gesehen?“

2. Sagte der Alte und ein paar seiner nächstalten Vettern: „Ja, es soll wohl einmal ein Keller voll des besten Weines bestanden haben, und es sollen in ihm auch andere Schätze irgend verborgen sein, doch niemand von uns hat es je gewagt, sich in die unterirdischen Höhlen zu begeben und in ihnen zwischen allerlei bösem Tiergeschmeiß und andern bösen Mächten Nachsuchungen zu veranstalten, und so weiß denn auch niemand den wahren und rechten Eingang in den besagten Keller. Wo und wie kann man in denselben gelangen? Er wird durch Deine Macht nun auch, wie alles andere, sich in der besten Zustandsordnung befinden?“

3. Sagte Ich: „So ihr es glaubet, sicher; aber da von euch niemand den Eingang in denselben kennt, so folget Mir, und Ich werde euch in den Keller führen!“

4. Darauf folgten Mir der Alte und noch zehn seiner Leute mit einer angezündeten Wachsfackel, die wir in der großen Küche, wo deren viele vorrätig waren, nahmen und sie daselbst auch anzündeten. Von der besagten Großküche führte ein Säulengang zu einem großen Tor, das aus einer Basaltplatte angefertigt war. Ich zeigte, wie dieses Tor ganz leicht zu öffnen sei, und Ich Selbst öffnete das große und schwere Tor. Als das Tor geöffnet war, da ward alsbald eine breite Treppe ersichtlich, über die man ganz gut in den sehr weitläufig großen Keller gelangen konnte.

5. Als wir uns in diesem Keller befanden, über den diese armen Juden abermals nicht zur Genüge erstaunen konnten, da fanden wir denn auch eine große Menge von großen und kleinen Steingefäßen und auch eine noch größere Menge von steinernen, tönernen, silbernen und auch goldenen Trinkgeschirren, worüber die armen Juden nun freilich große Augen machten und nicht wußten, ob auch diese Dinge von Mir wunderbar erschaffen worden seien, oder ob sie ihrem Ansehen nach aus der Urzeit herrührten.

6. Ich aber sagte zu ihnen: „Dies alles, was wir da gefunden haben, rührt noch aus den Zeiten des großen Königs und Hohenpriesters von Salem her. Dies war auf dieser Erde Seine Burg, die, so wie die Berge mit ihren oft sehr wunderbaren Grotten und Höhlen, nicht von Menschenhänden, sondern durch dieselbe Macht, durch die sie nun wieder wie neu aufgebaut wurde, hergestellt ward. Denn Ich allein bin der wahre König von Salem und Hohepriester Melchisedek in Ewigkeit!

7. Aber nun nehmt die Krüge in eure Hände, und füllet sie mit Wein, von dem ihr in den großen Gefäßen einen übergroßen Vorrat habt!“

8. Nun nahmen die armen Juden wohl voll Freuden die Trinkgeschirre, aber sie wußten nicht, wie sie den Wein aus den großen steinernen Gefäßen, die ganz hermetisch mit schweren und glatten Steinplatten verdeckt waren, herausheben sollten.

9. Da zeigte Ich ihnen zuunterst der Gefäße eine mit einem Zapfen zugestopfte, etwas hervorspringende Öffnung, zog den Zapfen leicht aus der Öffnung, und es floß alsbald reichlich ein alter und bester Wein heraus in die untergehaltenen Trinkgeschirre; denn sein höchst würzhafter Geruch verkündete es gleich allen Anwesenden, unter denen sich auch der Hauptmann mit einem seiner Unterdiener befand, daß man es hier mit einem alten und besten Weine zu tun hatte.

10. Als die Trinkgeschirre alle gefüllt und nach und nach in den großen Speisesaal auf die Tische gestellt waren und die Weinaufträger wieder zu uns, die wir noch im Keller weilten, kamen, da sagte Ich zum Alten: „Siehe, dieser Wein ist zwar auch von Trauben, welche in diesem Lande gewachsen sind, gepreßt, – aber er ist beinahe ebenso alt wie diese Burg! Es ist dies ein Zehntwein, den alle die Könige, über die der König von Salem herrschte, Ihm zum Opfer brachten, und mußte bis jetzt erhalten werden, auf daß Ich nun, als ganz derselbe König, vom selben alten Zehntweine trinke mit allen denen, die an Mich glauben und Mir folgen.

11. Solange diese Burg in Meinem Namen bestehen wird, wird auch der Wein nicht versiegen; aber dennoch wird in dreihundert Jahren nach Meiner Auffahrt durch die Macht unserer Widersacher diese Burg und ein großer Teil dieser Stadt derart zerstört werden, daß man nicht mehr erkennen wird, wo sie nun steht. Es macht das aber nichts; denn Ich erbaue Mir nun eine neue Burg in den Herzen, die da, wie sie einmal gegründet ist, nimmerdar wird zerstört werden können.

12. Diese alten Denkmale aber sind dann auch gut weg, auf daß die Menschen mit ihnen keine Abgötterei treiben können. Aber nahe an dreihundert Jahre nach Meiner Auffahrt wird die Burg noch halten und dieser Wein nicht versiegen und werden den aus Jerusalem hierher Geflüchteten zur Unterkunft und Stärkung dienen.“

60. Kapitel. Aus der Zeit des Königs von Salem.

1. Hier fragte voll der höchsten Ehrfurcht der Alte: „Herr, Herr, wie man liest, so war der geheimnisvolle König von Salem ja bald nach dem schon da, als Noah aus der Arche stieg und das Erdreich zu bebauen anfing. Seine Kinder konnten sich in einer kurzen Zeit ja doch nicht so gewaltig vermehrt haben, daß es zur Zeit des Königs von Salem auf der Erde schon eine so große Menge von andern Kleinkönigen sollte gegeben haben, die Ihm den Zehnt zum Opfer brachten? Diese Sache lautet, wie vieles in unseren Büchern, sehr mystisch und kann mit unserem Verstande wohl nicht begriffen werden.

2. Dann sprachst Du von Deiner Auffahrt! Was ist das? Wohin wirst Du fahren, und wann? Herr, Herr, erkläre uns das ein wenig näher, auf daß wir es endlich auch unseren Nachkommen erklären können in Deinem Geiste der Wahrheit, der Liebe und des Lebens und sie es uns glauben, daß Du, o Herr, Herr, Selbst es warst, der uns solche seltsamen Dinge geoffenbart hat!“

3. Sagte Ich: „Was die Zeit des Königs von Salem betrifft, so war Er schon ewig vor aller Kreatur da und somit auch eher als Noah. Was aber die Erdzeit, in der Er Selbst in der Gestalt und Persönlichkeit eines Engels aus den Himmeln die Menschen von Sich Selbst und über ihre Bestimmung unterwies, anbelangt, so war Er zwar schon während der Lebzeit des Noah von Zeit zu Zeit da und redete mit ihm, doch ein eigentliches König- und Hohepriestertum ward erst ein paar Hunderte von Erdjahren nach Noahs Aussteigung aus der Arche errichtet, welche Zeit noch Noah selbst und seine drei Söhne erlebten. Und in dieser Zeit war die Erde schon wieder stark bevölkert, und die vielen Stammväter von kleinen Völkern führten den Namen König, brachten alljährlich ihre Opfer nach Salem und wurden von dem König unterwiesen.

4. Aber als sich dann die Völker mehr auf der weiten Erde ausgebreitet hatten, vergaßen sie des Königs der Könige und fingen an, sich von Ihm zu trennen; auch die, die in Seiner Nähe wohnten, zogen nicht mehr nach Salem. Da verließ der König auch die Burg und besuchte nur selten noch wenige Ihm treu gebliebene Patriarchen, wie zum Beispiel Abraham, Isaak und Jakob, und später alle die großen und kleinen Propheten und nun im Fleische und Blute auch euch.

5. Was aber Meine Auffahrt betrifft, so hat diese eine doppelte Bedeutung. Die erste wird von nun an kein Jahr auf sich warten lassen; die zweite aber wird in jedem Menschen, der an Mich lebendig glaubt, dadurch bewerkstelligt werden, daß der Geist Meiner Liebe in seinem Herzen auferstehen und des Menschen Verstand in alle Weisheit der Himmel leiten wird.

6. Meine persönliche Auffahrt aber wird bald nach dem geschehen, wenn dieser Mein Leib drei Tage nach der Tötung durch die Hände der Feinde Gottes wieder wird aus dem Grabe auferstehen und also in Mein Gottwesen übergehen.

7. Wie ihr aber gehört habt, daß dereinst Elias sichtbar wie in einem feurigen Wagen sich gen Himmel erhoben hat, also werde auch Ich Mich sichtbar vielen Meiner Freunde vom materiellen Boden dieser Erde zum sichtbaren Himmel empor erheben und werde fortan nicht so wie jetzt persönlich sichtbar unter allen Menschen – guten und bösen – umherwandeln und sie lehren, sondern nur unter denen im Geiste wohl vernehmbar und zu öfteren Malen auch sichtbar wandeln und sie lehren und führen, die an Mich glauben, Mich über alles und den Nächsten wie sich selbst lieben werden. Denn in solcher Menschen Herzen werde Ich Mir die besagte neue Burg erbauen und werde in derselben Meine Wohnung nehmen.“

61. Kapitel. Das Abendmahl in dem alten Speisesaale.

1. (Der Herr:) „Bei denen Ich aber wohnen werde, die werden Mich denn auch wohl wahrnehmen, und Ich werde sie Selbst lehren und führen, und so werden Meine rechten Liebhaber allzeit von Mir belehrt und geführt werden und werden in sich haben das ewige Leben. Aber die sich von Mir entfernen werden, wie in der Altzeit sich die Könige aus purer Weltliebe von dem König von Salem entfernt haben und Ihm nicht mehr darbrachten, was sie Ihm hätten darbringen sollen, deren Herzensburgen werden auch von Mir verlassen werden. Und wie dann zu den Zeiten des Königs von Salem, als Er diese Burg mit allen Engeln, die Ihm dienten, verließ und unter den Völkern und ihren Königen nur zu bald allerlei Zwietracht, Neid, Mißgunst und dadurch auch Kriege entstanden, also wird es in der Folge auch unter jenen sein, deren Herzensburgen Ich verlassen werde. Da wird sich erheben ein Volk wider das andere und es zu unterjochen trachten.

2. Darum, wer in Meiner Lehre und Liebe verbleiben wird, in dem werde auch Ich verbleiben, und wahrlich, aus seinen Lenden werden Ströme des lebendigen Wassers fließen, und wer von solchem Wasser trinken wird, den wird es nimmerdar dürsten in Ewigkeit!

3. Meine Lehre und die göttliche Weisheit in ihr aber ist das wahre, lebendige Wasser. Wer davon trinken wird, dessen Seele wird bald mit aller Weisheit erfüllt und für ewig gesättigt werden, und es wird sie dann nimmerdar dürsten und hungern nach einer höheren Wahrheit und Weisheit.

4. Und so habe Ich nun dir, du Mein alter Jude, das erklärt, was dir ehedem dunkel und unerklärbar schien! Aber glaube nun ja nicht, als seist du jetzt schon in alle Wahrheit und Weisheit eingeführt worden; das wird dir erst dann zuteil werden, wenn Ich im Geiste aller Wahrheit und Weisheit auch in deinem Herzen werde auferstanden und dann in deiner Seele Lebenshimmel werde aufgefahren sein.

5. Und nun wollen wir aus diesem Keller uns entfernen und uns in den Speisesaal begeben; denn das Abendmahl ist schon bereitet, und wir wollen es zu uns nehmen und damit stärken unsere Glieder.“

6. Auf diese Meine Worte begaben wir uns aus dem Keller und kamen bald in den großen Speisesaal, der mit hundert Lampen bestens erleuchtet und vor kurzem noch eine derartige Ruine war, daß es wohl niemand merken konnte, daß da jemals ein großer Speisesaal bestanden hatte.

7. Zwei große steinerne Tische, auf festen Säulen ruhend, waren im Saale in der besten Ordnung aufgestellt und mit feinstem Byssus zierlich überdeckt, und um jeden der beiden Tische waren eine rechte Anzahl ganz bequemer Stühle gestellt, und beide Tische waren mit den bestbereiteten Fischen, mit Brot und Wein bestbestellt.

8. Wir setzten uns denn auch an den Tisch, der für uns gedeckt war, und die Inhaber und Bewohner dieser Burg setzten sich an den zweiten Tisch, der für sie bestellt war, und wir alle aßen und tranken mit rechtem Maß und Ziel.

9. Während des Essens ward über so manches gesprochen, und der Hauptmann fragte Mich, wie er es am nächsten Tage mit den Römern und Griechen anfangen solle, so sie dieses Wunders sicher nur zu bald würden gewahr werden. Denn es werde da ein Fragen werden, wie man ein ähnliches noch kaum jemals erlebt habe.

10. Sagte Ich: „Wer da kommen wird, dem saget die Wahrheit; aber das saget ihm auch, daß er alles bei sich behalten und nicht in die nächsten Städte und Orte laufen und Mich vor der Zeit ruchbar machen soll!

11. Auf daß aber dieses Wunder nicht so bald als ein solches auch von außen her erkannt werde, so sieht diese Burg dem Außen nach wenig verändert aus, sondern nur im Innern; und so machet denn auch ihr vor der Zeit nicht viel Aufhebens von dieser Meiner Tat! Ich aber werde morgen schon Selbst noch einige der besseren Heiden besuchen und werde Mich eine Stunde der Zeit nach dem Mittag von hier etwa nach Golan mit den Jüngern begeben, dahin Mich auch du begleiten kannst.

12. In einer Zeit aber, wenn du wieder hierher kommen wirst, kannst du Mein Wort diesen Heiden bekanntgeben, und dann diene dir zu einem Zeugnisse dies Mein gewirktes Wunderzeichen, auf daß sie erkennen mögen Den, der es gewirkt hat, und dann leben und handeln nach Seinem Willen!“

13. Als der Hauptmann solches von Mir vernommen hatte, gelobte er, daß er sich in allem streng nach Meinem Willen verhalten werde.

62. Kapitel. Der Lärm vor dem Judenhause.

1. Als wir alle noch am Tische saßen, da entstand draußen auf der Straße ein Lärm. Mehrere Arbeiter kehrten von ihrem Tagewerk nach Hause, sahen – was sonst bei diesen armen Juden nahe wohl niemals der Fall war – eben ihr Haus wohl erleuchtet und wollten nachsehen, was es in dieser Ruine gäbe, und riefen darum die ihnen bekannten Juden, daß sie zu ihnen herauskommen sollten und ihnen sagen, was da vorgefallen sei, darum die schlechten Gemächer gar so hell und festlich erleuchtet seien.

2. Ich aber sagte zum Hauptmann: „Gehe du nun hinaus zu diesen Lärmmachern! Sie werden dich alsbald erkennen und werden daraus auch sogleich innewerden, warum dies Haus nun also erleuchtet ist; und sie werden sich darauf auch gleich ganz ruhig verhalten, sich nach Hause begeben und nicht mehr fragen, warum dies Judenhaus nun so beleuchtet ist.“

3. Der Hauptmann tat das in Begleitung eines seiner Unterdiener.

4. Als er zu den Lärmern kam, sagte er ganz laut und voll Ernstes zu ihnen (der Hauptmann): „Was wollt ihr von den armen Juden, so ich mit ihnen zu tun habe und noch ein viel größerer Machthaber? Soll ich mir euretwegen in dieser Nachtzeit das Innere dieses Hauses etwa nicht erleuchten lassen?!“

5. Als die Arbeiter, die den Hauptmann sogleich erkannt hatten, solches vernommen hatten, da entschuldigten sie sich, daß sie das nicht gewußt hätten, baten ihn um Vergebung und gingen darauf ganz ruhig nach Hause. Doch ihren Leuten erzählten sie sogleich, was sie gesehen und erfahren hatten, und es entstand darauf viel Denkens und gegenseitigen Fragens und Vermutens, was etwa doch das zu bedeuten habe, daß der Hauptmann mit noch einem höheren Machthaber in dem elendsten Hause der Juden eingekehrt sei. Aber es getraute sich doch niemand aus der Stadt zum Hause der Juden hinzukommen, um nachzusehen, was es darin gäbe, und wir hatten Ruhe die ganze Nacht hindurch.

6. Als der Hauptmann mit seinem Unterdiener wieder zu uns kam, da erzählte er, wie er es gemacht hatte, und daß das gut gewirkt habe; nur fürchte er, schon am frühen Morgen von den sehr klagesüchtigen Griechen überlaufen zu werden, und wünsche, daß auch dies soviel als möglich verhütet werden möchte.

7. Sagte Ich: „Des sei du unbesorgt! Es wird sich auch morgen ein Mittel finden lassen, um die Neugierigen von diesem Hause fernhalten zu können. Da es nun aber schon ziemlich spät in der Nacht geworden ist, so wollen wir uns zur Ruhe begeben! Ich aber bleibe hier am Tische ruhen; wer aber ein Bett wünscht, der gehe in die vielen Ruhegemächer, und er wird dort der Ruhebetten in einer großen Anzahl antreffen!“

8. Alle aber, die an Meinem Tische sich befanden, zogen es vor, Mir gleich am Tische zu verbleiben bis zum Morgen; nur die Juden blieben nicht an ihrem Tische, sondern begaben sich in ihre alten Zimmer, die aber nun auch ganz umgestaltet waren. Wir ließen die Lampen die ganze Nacht fort brennen und die Gemächer beleuchten, auf daß sich irgendwelche Neugierige zu fürchten anfingen, die es doch ganz leise gewagt hatten, sich in der Nacht dem Hause der Juden zu nähern, um etwa so nur aus einer gewissen Ferne zu erlauschen, was in dem Hause vor sich gehen möge. Aber als sie der Lichter gewahr wurden, da getrauten sie sich nicht dem Hause zu nahen, aus Furcht, entweder vom Hauptmann selbst oder von einem seiner Diener entdeckt und darauf bestraft zu werden.

63. Kapitel. Die wahre Sabbatheiligung.

1. Wir alle ruhten sonach ungestört bis zum Morgen eines Sabbats, der aber bei diesen Juden von keinem besonderen Belange war, da sie beinahe schon mehr heidnisch denn jüdisch gesinnt waren. Es kam aber dennoch schon am frühen Morgen der Älteste zu Mir und fragte Mich, ob Ich und Meine Jünger streng auf den Sabbat hielten, da er von Moses aus als streng zu heiligender Tag des Herrn bestimmt ward.

2. Sagte Ich: „Den Sabbat heiligen nach der Einsetzung Mosis ist für einen jeden Juden recht und gut; aber von nun an ist ein jeder Tag ein Tag des Herrn, und wer an jedem Tage nach Meiner Lehre seinem Nächsten Gutes tut, der heiligt wahrhaft den Sabbat. Und so brauchet ihr heute, als an einem Sabbat, euch nicht anders zu verhalten als an einem jeden andern Tage!

3. Der Mensch hat am Sabbat für seinen Leib dieselben Bedürfnisse wie an jedem andern Tage und soll sie nach Möglichkeit auch ebenso befriedigen. Nur von einer schweren, knechtlichen Gewinnsarbeit soll er sich enthalten. So er aber dadurch einem oder mehreren seiner Nächsten einen Nutzen erweisen kann, so wird dadurch der Sabbat nicht entheiligt, so er seine Hände auch einer noch so schweren Knechtsarbeit leiht, und Ich werde ihn dafür segnen; aber so da keine solche Gelegenheit sich ergibt, so ist es gut, sich an einem Sabbat auszuruhen und sich in seinem Gemüte mit den Dingen des Geistes zu beschäftigen. Denn bei der schweren Werktagsarbeit ist die Seele nicht sehr geeignet, über Tiefgeistiges in sich Betrachtungen zu machen und sich zu Gott zu erheben; und Moses hat also den Sabbat dazu verordnet.

4. Aber daß man an einem Sabbat nach dem Aufgange der Sonne und ebenso auch vor dem Untergange derselben nichts essen und trinken und auch niemandem eine leibliche Wohltat erweisen sollte, wie das die Pharisäer in Jerusalem und auch in den andern Orten in den Synagogen lehren, das ist ein Unsinn, der den Lehrern das Zeugnis gibt, daß sie die Lehre Mosis niemals verstanden und für sich beachtet und dadurch die höchste und größte Verkehrtheit des Geistes der Lehre Mosis und der Propheten unter den Juden an den Tag gefördert haben. Darum tuet ihr heute also, wie ihr getan habt, und ihr werdet den Sabbat vor Mir nicht entheiligen!

5. Nur den Heiden braucht ihr weder heute noch an einem andern Tage um den schnödesten Sold einen gemeinsten Dienst zu erweisen; so sie aber auch Meine Lehre annehmen und auch euch als ihre Nächsten ansehen und behandeln werden, so möget ihr ihnen auch in aller Liebe und brüderlichen Freundschaft allerlei gute Dienste erweisen, auf daß Friede und Einigkeit unter euch herrsche. In dem habt ihr nun alles, was da anbelangt die wahre Heiligung des Sabbats.

6. Es sagen aber ja sogar die weiseren Heiden, daß es vorzüglicher sei – so Umstände es verlangen –, einem Nebenmenschen zu dienen, als in einen Tempel zu gehen und darin einem Gott zu dienen, der des Menschendienstes nicht bedarf. Und so bedarf der allein wahre Gott des Dienstes der Menschen für sich wohl niemals; aber dessen bedarf Er, daß die Menschen aus Liebe zu Ihm und aus der gleichen Liebe untereinander sich gute Dienste erweisen.

7. Denn die Liebe ist der wahre Lebensdünger für die Seele zum ewigen Leben, und Gott hat ja darum die Menschen erschaffen, daß sie in das ewige Leben übergehen sollen. Und so ist der wahre, Mir allein wohlgefällige Gottesdienst eben hauptsächlich darin bestehend, daß die Menschen sich untereinander in Meiner Liebe dienen; und so das der Mir wohlgefälligste Gottesdienst ist, so wird durch ihn der Sabbat sicher niemals entheiligt.

8. Steht es ja doch durch einen Propheten geschrieben in der Zeit, als die Juden zu sehr angefangen haben, alles – so wie nun die Pharisäer – auf die äußere Zeremonie zu halten: ,Siehe, dieses Volk ehrt Mich mit den Lippen, aber sein Herz ist ferne von Mir!‘

9. Dienet Mir also von nun an nur im Herzen, und lasset ab von der toten Zeremonie, und ihr werdet so an jedem Tage Mir wohlgefälligst den Sabbat heiligen! – Hast du das nun wohl verstanden?“

10. Sagte der Jude: „Ja, o Herr, Herr, und darum werden wir den Sabbat denn auch nach Deinem Sinne heiligen!“

11. Hierauf begab sich der Alte sogleich zu den Seinigen, erklärte ihnen, wie Ich den Sabbat will geheiligt haben, womit alle vollkommen einverstanden waren und sich dann auch bald an die Bereitung des Morgenmahles machten, wobei ihnen wieder die Veronika gute Dienste leistete.

64. Kapitel. Die Frage der Belehrung der abergläubischen Heiden.

1. Wir aber begaben uns ins Freie auf einen noch höheren Hügel außerhalb dieser Burg, als der da war, auf dem die Burg stand, und hatten da eine sehr herrliche Aussicht nach allen Seiten hin. Man übersah von da auch einen großen Teil des Jordantales – und anderseits gen Osten in den fernen Ebenen des Euphrat –, eine große Menge Gebirge und umliegende Orte. Von hier aus konnte man bis gen Jerusalem sehen; aber diesmal war diese Gegend ganz in dicke Morgennebel gehüllt, und so konnte man von den Orten Judäas nichts ausnehmen.

2. Und der Hauptmann bemerkte: „Herr und Meister, der dicke Nebel über den Orten und Gefilden Judäas scheint mir sehr jenes Volk zu charakterisieren, dessen Herz und Verstand von einem noch dichteren Nebel umlagert ist als der, der nun ihre Gefilde vor unseren Blicken verbirgt?“

3. Sagte Ich: „Ja, Freund, also ist es auch; darum werden auch viele in dem dichtesten Nebel ihrer Irrtümer und daraus hervorgehenden Sünden aller Art und Gattung den Tod finden. Doch lassen wir nun derlei Betrachtungen beiseite und wenden unsere Augen dem Aufgange der Sonne zu; denn es wird heute wieder ein herrlicher Aufgang zu sehen sein! Darum wollen wir alle nun ein wenig ruhen und den Aufgang der Sonne genießen!“

4. Darauf wurden alle ruhig und weideten sich an den schönen, stets wechselnden Szenen des Morgens; denn in dieser Gegend ist der Morgen stets ein um vieles herrlicherer, ob der großen Ferne gen Osten hin, in der besonders viele Meteore seltener Art vor dem Aufgange der Sonne sich zu entwickeln pflegen, wovon der Grund in dem weitgehenden vulkanischen Boden in der natürlichen Hinsicht zu suchen ist. Die abergläubischen Heiden und Völker jener Gegenden hielten derlei Erscheinungen für die halbgöttischen Begleiter der Göttin Aurora, die dem Apoll stets den Weg bahne.

5. Es war denn nun auch an der Zeit, den Heiden solchen Wahnglauben zu benehmen und ihnen den wahren Grund von derlei Erscheinungen zu zeigen und verständlich zu erklären, was Ich hier dem Hauptmanne und seinen Unterdienern denn auch tat, und sie auch den Grund einzusehen anfingen, warum Ich sie eigentlich auf diesen Hügel frühmorgens geführt habe.

6. Als sie in allem dem unterrichtet waren und sie Mir dafür auch sehr dankten, bemerkte ein erster Unterdiener des Hauptmanns: „Es dürfte am Ende doch schwerhalten, besonders das gemeine Volk, das nach der Heidenpriesterlehre in jeder Wolke, in jedem Dunstgebilde, beim Aufsteigen des Küchenrauches, beim Verbrennen und Mehr- oder Minderknistern des Holzes nichts als Geister und Gnomen aller Art und Gattung sieht und von ihrem Verhalten und Bewegen Glück oder Unglück erwartet, von seinem Aberglauben abwendig zu machen!

7. Denn am Ende liegt all den vielen Erscheinungen, die oft ganz seltener Art sind, etwas Geistiges zugrunde, weil ohne einen innersten und somit ersten Entstehungsgrund von was immer für einer Erscheinung nichts in ein äußeres ersichtliches Dasein treten kann. Und diesen ersten Grund haben die alten Weisen, um ihn dem Volke begreiflich und anschaulich zu machen, entsprechend personifiziert, welche Entsprechung nun freilich nur sehr wenige mehr verstehen und dafür die Erscheinung selbst für den innersten und ersten Geistgrund halten. Und es ist also schwer, derlei Menschen dahin überzeugend zu belehren, daß das, was sie sehen, nicht das ist, was sie sehen und für was sie es halten, sondern – so und so – eine notwendige Außenerscheinung von einer innersten, ersten und einem fleischlichen Auge niemals sichtbaren Ursache.

8. Nun ergibt sich aber noch eine andere Frage, und diese besteht darin, ob es am Ende nicht besser ist, derlei Menschen nicht auf einmal von ihrem Aberglauben abwendig zu machen, weil sie dadurch das Gehabte zwar verlieren, aber das dafür zu Erhaltende nicht so bald in voller überzeugender Klarheit erreichen können und dadurch, wie es schon bei vielen Griechen und Römern der Fall war, nur zu leicht in den allerdicksten und höchst schwer ausrottbaren Materialismus übergehen, an dem die Bewohner eben dieser Stadt ohnehin wahrlich keinen Mangel haben. – Herr und Meister, was sagst denn Du dazu?“

65. Kapitel. Über die Methode der Belehrung.

1. Sagte Ich: „Ich kann dir nichts anderes sagen, als was Ich euch und Meinen Jüngern gesagt habe: Lehret sie vor allem den einen, allein wahren Gott erkennen und Sein Reich der ewigen Liebe und Wahrheit, und lehret sie durch euer Beispiel handeln nach der Lehre, die ihr von Mir empfangen habt! Sie werden dann schon durch Meinen Geist in ihnen in alle Wahrheit und Weisheit erhoben werden.

2. Daß es bei allen Erscheinungen sowohl auf der ganzen Erde und also auch beim Menschen einen innersten und geistig- lebendigen Grund gibt, das habe Ich euch in Pella hinreichend klar gezeigt. Aber es ist darum nicht nötig, mit dem gleich anfangs die Menschen bekannt und vertraut zu machen, sondern nur mit der Hauptsache, die ihr wohl kennt; hat diese Wurzeln geschlagen, so wird sich alles andere ganz leicht wie von selbst bewerkstelligen lassen.

3. Überhaupt sollt ihr euch besonders im Anfange nicht mit den Erklärungen der Erscheinungen in der Naturwelt abgeben – erstens, weil ihr selbst darin noch nicht völlig im klaren seid, und zweitens, weil von der Erkenntnis derselben das eigentlich wahre Lebensheil einer Menschenseele nicht abhängt –, sondern lehret die Menschen nur lebendig an Mich glauben und leben und handeln nach Meinem euch bekannten Willen; alles andere und Weitere werde dann schon Ich Selbst besorgen! Denn wer Meine Gebote hält und Mich wahrhaft in der Tat über alles liebt, zu dem werde Ich Selbst kommen und Mich ihm in allem offenbaren nach dem Maße seiner Aufnahmefähigkeit.

4. Denn die Talente sind von Mir aus an die Menschen darum verschieden verteilt, auf daß ein jeder seinem Nächsten nach dem ihm eigenen Talent in der von Mir gebotenen Nächstenliebe dienen kann. Darum habt ihr vorderhand für die Entwicklung der Sondertalente bei den Menschen weniger zu sorgen, sondern nur für die Hauptlehre, die ihr von Mir empfangen habt; alles andere – wie schon gesagt – werde schon Ich besorgen.“

5. Als der Unterdiener solches von Mir vernommen hatte, dankte er Mir und fragte Mich über derlei um nichts Weiteres mehr.

6. Bei dieser belehrenden Gelegenheit aber war die Sonne auch schon vollends über den Horizont gestiegen, und es kam ein Bote aus dem Hause, uns anzuzeigen, daß das Morgenmahl bereitet sei. Da erhoben wir uns und begaben uns hinab in das Haus.

7. Als wir beim Hause anlangten, da war es von mehreren Bürgern dieser Stadt ordentlich belagert; denn sie hatten vernommen, daß der Hauptmann die Nacht hindurch in dem Hause der Juden zu tun gehabt habe, und hätten von einem Einwohner dieses Hauses gegen einen Lohn gern erfahren, was es da denn eigentlich gegeben habe. Als sie aber den Hauptmann und seine Diener schon von einiger Ferne ersahen und erkannten, da hoben sie ihre förmliche Hausbelagerung sogleich auf, zogen sich etwas zurück, und wir konnten unbeirrt in das Haus gehen.

8. Im Hause nahmen wir bald das wohlbereitete Morgenmahl zu uns, und es kümmerte sich niemand besonders um die das Haus beobachtenden Bürger dieser Stadt.

9. Es kam aber bald darauf der Bürgeroberste dieser Stadt, um dem Hauptmanne seine Aufwartung zu machen.

10. Als er sich durch einen seiner mitgenommenen Diener melden ließ, da fragte Mich der Hauptmann, ob er ihn vorlassen solle oder nicht.

11. Und Ich sagte: „Diesen lasse du nur zu uns kommen; denn auch er soll Mir zu einem Rüstzeuge werden!“

66. Kapitel. Der Bürgeroberste von Abila.

1. Nach dem ließ der Hauptmann den Bürgerobersten vor und fragte ihn gleich beim Eintritt in unseren großen und prachtvoll ausgestatteten Speisesaal, was er wünsche.

2. Der Bürgeroberste aber, ein Mann von vielem Verstand und vielfacher Erfahrung, dem zuvor dieses Judenhaus nur zu gut bekannt war von außen wie von innen, sagte voll Staunens: „Hoher Gebieter im Namen des großmächtigsten Kaisers zu Rom, der größten und mächtigsten Stadt der ganzen Welt! Da ich vernahm, daß du dich hier sicher sehr dringender Amtsgeschäfte halber befindest, so ist es doch nichts mehr und nichts minder als meine beschworene heilige Pflicht, dir meine Aufwartung zu machen und dich in aller Ergebung zu fragen, ob du nicht irgend meines Dienstes benötigst. Und so bin ich denn nun auch voll Staunens hier vor dir und meine nun schon zum voraus, daß du meines Dienstes kaum benötigen wirst; denn du vermochtest im geheimen den armen Juden ihr völlig zerklüftetes Haus in einen wahren Palast umzugestalten, ohne mich davon nur einmal in Kenntnis gesetzt zu haben und meine Hilfe anzusprechen, – und so werde ich auch diesmal dir ganz überflüssig sein. Kannst du mich aber doch zu etwas brauchen, so stehe ich dir selbst mit meinem Leben zu Diensten!“

3. Sagte der Hauptmann: „Bleibe du nun nur hier; denn diesmal wirst du mir noch in gar manchem zu dienen haben! Aber setze dich vorerst, und trinke einen Becher des ältesten und besten Weines, der, von uralter Zeit herstammend, in einem ganz verschüttet gewesenen Keller in ganz reinen steinernen Gefäßen wohlerhalten vorgefunden worden ist!“

4. Der Bürgeroberste setzte sich sogleich zum Hauptmanne hin, ergriff den Becher und kostete zuerst den Wein; als er aber von dessen Güte vollends überzeugt wurde, da trank er den Wein aus dem Becher in kräftigeren Zügen und sagte: „Ich habe doch auch schon so manchen Tropfen der besten mir bekannten Weine gekostet; aber über diesen ist noch nie einer über meine Lippen geflossen! O Hauptmann, du anerkannt großer Mann in allem und auch ein Held ohnegleichen, den viele seiner Taten wegen loben und rühmen, aber hier vergib es mir, eine kleine Bemerkung zu machen: So das pur dein Werk ist, so bist du auch schon mehr ein Gott denn ein Mensch! Denn diese alte, äußerst weitläufige Burg sicher in einer kurzen Zeit ohne mein Wissen so königlich herzustellen, kann nur Göttern, aber nie den noch so tätigen und einsichtsvollen Menschen möglich sein; denn selbst die besten und kundigsten Bauleute hätten mit der Herstellung solch einer Ruine sicher über zehn Jahre vollauf zu tun gehabt!“

5. Sagte der Hauptmann: „Deine Bemerkung ist ganz richtig, – nur findet sie auf mich keine Anwendung! Auf wen aber, das wirst du bald vernehmen und mir darauf dann erst zu Diensten stehen; aber nun trinke!“

6. Hierauf ließ sich der Bürgeroberste noch einmal seinen Becher füllen und trank ihn zur Ehre des wunderbaren, mit wahrer Götterkraft begabten Wiederherstellers dieser alten Burg bis auf den letzten Tropfen aus. Darauf sagte er: „Nun aber, hoher Gebieter, möchte ich – so es dir genehm wäre – mich von der ganzen Burg, die einst, nach der sehr weitläufigen Ruine zu schließen, sehr viele Gemächer haben mußte, überzeugen, ob sich alles in dem gleich guten Bauzustande befindet wie dieser große Speisesaal, der ehedem von aller Art Tiergeschmeiß bewohnt war!“

7. Sagte der Hauptmann: „Das können wir allerdings tun, wenn es dem Einen unter uns, den du bis jetzt noch nicht kennst, genehm ist!“

8. Sagte Ich: „Dem ist es schon ganz genehm also; denn die Heiden und besonders so starre Stoiker, wie dieser Bürgeroberste einer ist, können nur durch große Zeichen zum Glauben an den einen, allein wahren Gott und Herrn Himmels und der Erde von Ewigkeit, dem alle Dinge möglich sind, und der allein aus Sich durch Sein Wort alles erschaffen und gestaltet hat, wieder bekehrt werden.“

67. Kapitel. Der Hauptmann belehrt den Bürgerobersten über Jesus.

1. Als Ich dieses ausgesprochen hatte, da erhoben wir uns alle vom Tische, durchzogen alle die großen und kleinen Gemächer, auch den übergroßen Keller, und der Bürgeroberste ward dabei so voll Staunens und Verwunderns, daß er sich vor lauter Ehrfurcht kaum zu reden getraute.

2. Als wir nach ein paar Stunden Zeit abermals in den großen Speisesaal zurückgekehrt waren und uns um den Tisch gelagert hatten, da erst sagte er (der Bürgeroberste): „Nun erst glaube ich, daß es einen Gott von Ewigkeit her gibt, und zwar nur Den, an den die Juden – aber auch nur ganz schwach – noch glauben und Ihn von Zeit zu Zeit anbeten und Ihm zur Ehre einen Tag in der Woche feiern. Denn derlei zu bewirken kann nur Dem allein möglich sein, der den weiten Himmel und diese Erde, deren Ende auch kein Mensch ergründet hat, aus Sich durch Sein ewiges Machtwort erbaut und mit zahllos vielen und mannigfachen Pflanzen, Tieren und Menschen bebaut, geziert, belebt und bevölkert hat. O Hauptmann, lehre du mich diesen Gott näher kennen!“

3. Sagte der Hauptmann: „Da sieh den Mann, der zu meiner Rechten sitzt und mit meiner Tochter, die Er in Pella wunderbar von einer bösesten Krankheit geheilt hat, Sich bespricht! Mehr brauche ich dir vorderhand nicht zu sagen; nachderhand aber wirst du schon ein Näheres und Umständlicheres erfahren!“

4. Hierauf fing der Bürgeroberste Mich scharf zu betrachten an und sagte dann mit leiser Stimme zum Hauptmann: „Er ist dem Ansehen nach auch ein Mensch und der Tracht nach ein Jude aus Galiläa; aber er muß ein äußerst frommer und dem großen Gott der Juden völlig ergebener Mann sein, daß ihn der große Gott zu solch einer nie erhörten Macht erhoben hat, wie das in der früheren Zeit auch andere sehr fromme Juden sollen erfahren haben!“

5. Sagte der Hauptmann: „Du hast zum Teil wohl recht, aber ganz noch lange nicht. Aber mit der Zeit wird dir noch alles klar werden!“

6. Hierauf kehrte Ich mich zum Hauptmann und sagte: „Nun kannst du ihn schon näher unterweisen; denn er wird es fassen.“

7. Da fing der Hauptmann zum Staunen sogar Meiner Jünger den Bürgerobersten über Mich zu belehren an, und dieser begriff und faßte alles, und es blieb kein Zweifel mehr in seiner Seele.

8. Als der Bürgeroberste nun wohl einsah, mit wem er es in Mir zu tun hatte, da stand er auf, ging voll Ehrfurcht zu Mir hin und sagte voll ergebenen Mutes: „Herr, Herr, Du allein bist es, an den ich von nun an ungezweifelt und lebendig mit meinem ganzen Hause glauben werde! Aber sage es auch Du mir, was ich tun soll, auf daß mein Glaube auch in die Herzen der andern Menschen übergehen möchte in kürzester Zeit! Denn es ist mein Gemüt schon einmal also beschaffen, daß ich mit dem, was mich überglücklich und seligst zufrieden macht, auch gleich alle andern Menschen ebenso glücklich und zufrieden machen möchte, was aber mit unseren schwachen Menschenkräften freilich nur zu oft nicht so schnell geht, wie wir es wünschen und haben möchten. Dir, o Herr, Herr, sind ja alle Mittel und Wege schon von Ewigkeit her klarst bekannt, und so kannst auch nur Du sie mir anzeigen!“

68. Kapitel. Liebe und Geduld, die beiden Haupttugenden des Menschen.

1. Sagte Ich: „Liebe und Geduld sind die zwei größten Dinge zu allem in dieser Welt, wie auch in der ewigen Unendlichkeit. An der Liebe fehlt es dir wahrlich nicht, darum Ich Mich auch von dir habe finden und bald erkennen lassen; aber an der rechten, mit der Liebe im vollen Einklang stehen sollenden Geduld fehlt es dir noch.

2. Siehe, tue denn heute in Meinem Namen nur soviel, als dir möglich ist, und es wird dir dann der nächste Tag schon sagen, was du zur Erreichung eines edlen Zweckes ferner zu tun haben wirst! Denn siehe, in dieser Meiner übergroßen, für euch Menschen bestimmten Welt läßt sich nichts übers Knie also brechen wie ein altes, morsches Stück Holz! Denn ginge das also, da hätte Ich wohl niemals Fleisch und Blut angenommen, wäre nie als Mensch zu euch Menschen gekommen und würde euch nicht in den Dingen Meines Reiches gewisserart mit aller Mühe und übergroßer Geduld Selbst unterweisen.

3. Ein jeder Mensch hat seinen vollkommen freien Willen, und dieser muß vor allem geachtet und berücksichtigt werden. Es wäre daher nicht am besten, besonders die Menschen, die sich mit der Lehre der Stoiker noch nicht absonderlich befaßt haben, gleich auf dieses von Mir gewirkte große Wundertatszeichen hinzuweisen, sondern sie sollen über Mein Dasein, das im Geiste keinen Anfang und kein Ende hat, das heißt über den einen, allein wahren Gott belehrt werden; dann werde ihnen Sein Wille bekanntgemacht, und der Mensch, der ihn erfüllt, hat das rechte Ziel erreicht.

4. Und nehmen die Menschen das ohne einen äußeren Zwang – ob er ein physischer oder moralischer sei – an und fangen an, nach solcher Lehre ernstlich zu handeln, dann möget ihr mit ihnen auch von Meinen besonderen Zeichen und von Meiner Allgegenwart mit ihnen zu reden anfangen, und das wird sie stärken im Glauben und im Tun nach demselben.

5. Doch die starren Stoiker könnet ihr schon mit den von Mir gewirkten Zeichen zu bekehren anfangen; denn die Verächter des Lebens und Wünscher des Todes und des Nichtseins halten schon einen heftigeren Stoß aus, ohne dadurch in der Freiheit ihres Willens einen Schaden zu erleiden.

6. Machet jedoch nicht gleich ein großes Gerede von diesem Zeichen; denn es wohnen ohnehin in dieser Stadt zwei Menschen, die Ich in Pella geheilt habe, wovon der Hauptmann und seine Unterdiener das Nähere gar wohl kennen, und diese beiden Geheilten werden Mir schon ein rechtes Zeugnis geben! Dann erst könnet ihr auch von dem zu reden anfangen, was hier geschehen ist.

7. Also tuet das, was Ich nun gesagt habe, mit aller Liebe und Geduld, und ihr werdet so in Meinem Namen zu einer reichen Menschenernte für Mein Lebensreich gelangen!

8. Denn sehet, der Herr eines Weinberges hatte zwei Arbeiter in seinen Weinberg bestellt und versprach einem jeden den ganz gleichen, sehr ansehnlichen Lohn. Da teilten die beiden gedungenen Arbeiter den Weinberg unter sich ab zu gleichen Teilen.

9. Der eine der Arbeiter wollte sich vor dem Herrn sehr eifrig und tätig erweisen, um von ihm etwa einen guten Nachlohn zu erhalten, und arbeitete ohne Rast und Ruhe. Er war mit seiner Arbeit denn auch bald zu Ende; aber diese fiel ob der großen und geduldlosen Hast denn auch zum größten Teile sehr schluderig aus, und der Weinberg gab dem Herrn eine magere Ernte.

10. Der zweite Arbeiter aber ließ sich Zeit, überlegte bei jeder Rebe wohl, wie sie zu behandeln sei, auf daß sie dem Herrn eine reiche Frucht brächte. Er hatte mit seinem Teil denn auch länger zu tun als sein Mitarbeiter; aber als es zur Ernte kam, da war sein Teil übervoll mit den schönsten Trauben.

11. Als der Herr des Weinberges dann die Lese hielt, da belobte er den zweiten Arbeiter sehr und gab ihm den Nachlohn; dem ersten Arbeiter, der mit zu großer Hast arbeitete, gab er keinen Nachlohn, da derselbe in dem Weinberg eher einen Schaden denn irgendeinen Nutzen bewirkte.

12. Das bedenket auch, so ihr in Meinem Menschenlebensweinberg einen wahren Nutzen bewerkstelligen wollt!

13. Die Menschen sind die Reben und sind nach ihrer verschiedenen Art und Natur denn auch verschieden zu behandeln; tut denn also, wie Ich es euch nun gezeigt habe, und ihr werdet gute Früchte ernten und einen besten Lohn überkommen in Meinem Reiche!

14. Lehret die Menschen vor allem nur die Wahrheit, und ihr werdet sie frei machen in allem, das ihre Seelen gefangen hält, und ihr selbst werdet dabei die Wonne der größten Freiheit in euren Herzen empfinden und genießen!“

69. Kapitel. Das Mittagsmahl und der Abschied Jesu. Jesus in Golan

1. Für diese Belehrung dankten Mir alle, und der Bürgeroberste erhob sich darauf vom Tische und wollte hinausgehen, da er sah, daß der Älteste seinen Leuten befahl, die Mittagsspeisen bald auf den Tisch zu bringen. Ich aber behieß ihn zu bleiben und mit uns zu halten das Mittagsmahl; und er blieb und hielt mit uns das Mahl.

2. Und als er die edlen Fische ersah, da fragte er den Hauptmann, ob und wann er diese Fische etwa aus Genezareth oder Gadara diesen Juden verschaffte.

3. Der Hauptmann aber sagte: „Freund, nicht ich, sondern auch nur ganz allein der Herr, dem – wie du dich heute schon zur Genüge überzeugt hast – alles zu bewirken möglich ist, – und so sind diese Fische auch ein Zeichen Seiner göttlichen Macht und Herrlichkeit! Iß sie, und stärke dich damit am Leibe und im Herzen der Seele!“

4. Hierauf nahm der Bürgeroberste einen Fisch und verzehrte ihn bald, da er ihm gar überaus wohl mundete; doch einen zweiten nahm er nicht mehr, da er sich schon mit dem einen Fisch vollkommen gestärkt fühlte.

5. Es ward aber während des Mahles noch gar manches über die Erscheinungen und Dinge in der Naturwelt besprochen, und der Bürgeroberste hatte darüber eine große Freude.

6. Es kam auch die Rede auf die Träume, und Ich Selbst erklärte ihnen die innere Welt der Träume und zeigte ihnen dabei die in der Seele noch unentfaltete gottähnliche schöpferische Kraft, die durch das treue Handeln nach Meiner Lehre ihre höchste Ausbildung und Vollendung erreichen kann.

7. Auch darüber hatte der Grieche, wie auch der Hauptmann, eine große Freude und sagte: „Oh, wie gar nichts wissen doch die Menschen allesamt, und wie gar nichts sind sie gegen Dich, o Herr, Herr!“

8. Sagte Ich: „Darum bin Ich zu euch in diese Welt gekommen, um euch den Weg zu zeigen, auf dem fortwandelnd ihr eben jene Vollendung in allem erreichen sollet, die Ich von Ewigkeit her besitze unveränderlich und unwandelbar. Ich bin Alles in Allem, und alles ist in Mir und aus Mir! Und also sollet auch ihr als Meine Kinder mit Mir sein!

9. Ich sage es euch: Kein Auge hat es je gesehen, kein Ohr vernommen, in keines Menschen Sinn ist es je gekommen, welche Seligkeiten für die bereitet sind, die Mich lieben und Meine Gebote treulichst halten! Seid darum nüchtern und in allem Guten und Wahren eifrig und in aller Liebe und Geduld tätig, auf daß Mein Geist in euch erwache und erstehe und euch zeige im klarsten Licht die innere Gotteswelt in eurer Seele Herzen; denn in dem ist eine für den Außenmenschen unentdeckte seligkeitsvollste Unendlichkeit verborgen, und niemand außer Mir kennt den Weg dahin! Ich aber zeigte euch diesen Weg; darum wandelt auf ihm, auf daß ihr in die Gotteswelt in euch selbst gelangen möget!“

10. Nach diesen Meinen Worten sagte der Grieche: „Das ist wohl eine innere tiefste Weisheit; aber ich habe sie nicht völlig begreifen können, da ich sicher noch in allem ein ganz äußerer Mensch bin. Ich werde daher trachten, diesen äußeren Menschen nach und nach ganz auszuziehen, um dadurch den inneren stets klarer begreifen zu können. O Herr, Herr, Du aber sei und bleibe mir behilflich in dieser schweren Arbeit! Denn nur mit Deiner Hilfe kann der für sich arme und schwache Mensch alles erreichen, ohne sie aber ewig nichts als den Tod, den ein jeder Mensch einmal zu erleiden haben wird, – ein Los, das wahrlich nicht geeignet ist, den tiefer denkenden Menschen heiter und fröhlich zu stimmen, darum uns Diogenianer auch niemals jemand mit einer heiteren Miene hat einhergehen sehen.

11. Aber von nun an, da ich den Schöpfer und Herrn des Lebens und aller Dinge Selbst gesehen und gesprochen und aus Seinem Munde überzeugend vernommen habe, daß es für den Menschen ewig keinen Tod gibt, so bin ich nun denn auch ganz heiter geworden in meinem Herzen. O Herr, Herr, erhalte mich in dieser Heiterkeit; denn ein trauriger Mensch kann keine Lust zu einer guten Arbeit haben!“

12. Sagte Ich: „So ihr das Eurige tun werdet, da werde Ich schon auch das Meinige tun! Doch wünschet euch nicht zu viel Lebensheiterkeit, solange ihr noch im Fleische wandelt; denn durch sie verirrt sich die Seele leicht ins Weltliche und Materielle und findet dann den rechten Weg zum Leben sehr schwer mehr in der rechten Vollkommenheit.

13. Ertraget denn Freud und Leid mit der rechten Geduld und vollen Ergebung in Meinen Willen, so werdet ihr dereinst in Meinem Reiche mit der Krone des Lebens geschmückt werden!

14. Nun aber ist für diesen Ort Meine Zeit auch herbeigekommen, und Ich werde euch nun verlassen und Mich in einen anderen Ort begeben, in dem es auch viele Tote gibt, die Ich zum Leben erwecken will. Dir, Hauptmann, aber steht es nun frei, Mich nach Golan zu begleiten.“

15. Sagte der Hauptmann: „O Herr und Meister, ich möchte Dich, so es Dir genehm wäre, wohl noch weiter begleiten – denn ich hätte nun in dieser Herbstzeit auch Muße dazu; doch in die Orte, die unter meiner Macht stehen, begleite ich Dich in jedem Falle, da ich sie ja ohnehin in Augenschein zu nehmen habe. Also gehen auch meine Unterdiener mit, wie auch meine Tochter, und wir können uns denn schon auf den Weg machen!“

16. Hier kamen auch die Juden dieses Hauses und dankten Mir mit dem gerührtesten Gemüte für die Wundergnaden, die Ich ihnen erwiesen hatte, und baten Mich, daß Ich sie auch fernerhin mit Meiner Hilfe in irgendeiner Not nicht verlassen möchte.

17. Ich versprach ihnen denn auch, im Geiste bei ihnen zu verbleiben, so sie in Meiner Lehre verbleiben würden, und der Hauptmann versprach ihnen auch, daß er sie schützen werde, und ebenso auch der Bürgeroberste.

70. Kapitel. Die Ankunft in Golan.

1. Als das alles also abgemacht war, erhoben wir uns vom Tische und begaben uns auf den Weg nach Golan. Wir machten aber einen kleinen Umweg außerhalb der Stadt, um in der Stadt nicht ein unnötiges Aufsehen zu erregen, auf welchem Wege uns denn auch der Bürgeroberste begleitete; denn auch er wollte den vielen, auf ihn wartenden Fragern vorderhand ausweichen. Am andern Ende der Stadt, auf dem Wege nach Golan, hatte der Oberste einen alten Freund; diesen besuchte er, trennte sich also von uns, und wir zogen ruhig unseren Weg weiter.

2. Der Weg von Abila nach Golan ist ziemlich beschwerlich, und wir kamen erst gegen Abend in den benannten Ort. Als wir da vor das Tor der Stadt kamen, da begegneten uns mehrere Juden, die zwar wohl in der Stadt wohnten, aber da sie des Sabbats wegen noch keinen Ausgang gemacht hatten, weil sie nach strenger Satzung erst nach dem Untergange solches tun durften, so benutzten sie diese Zeit dazu.

3. Als sie uns ankommen sahen und uns als Juden erkannten, da ging sogleich ein Ältester auf uns zu und fragte uns, woher wir gekommen seien, und ob wir nicht wüßten, daß ein wahrer Jude den Sabbat nicht entheiligen solle, auch nicht durch einen nötig zu machenden Weg im Freien, solange die Sonne am Himmel steht und leuchtet.

4. Hier trat der Hauptmann dem Ältesten entgegen und sagte mit ernster Stimme: „Es sind hier nicht nur Juden, sondern es sind auch wir machthabenden Römer bei und unter ihnen; uns aber gehen eure Gesetze nichts an, und so wir es wollen und für notwendig erachten, da müssen auch die blöden Juden an einem Sabbat das tun, was wir wollen, und ihr habt kein Recht, einen eurer Glaubensgenossen in unserer Gesellschaft anzuhalten und zu fragen, warum er dies oder jenes an einem eurer Sabbate tue oder nicht tue. Denn hier und noch weithin bin ich der Gebieter im Namen des Kaisers und habe das scharfe Schwert der Gerechtigkeit in meiner Hand! Wer wider dasselbe zu handeln sich unterfängt – ob Jude, Grieche oder Römer, ob an einem Sabbat oder an einem andern Tage, das ist eins –, der wird dessen Schärfe zu verkosten bekommen!“

5. Als die Juden, den Hauptmann wohlerkennend, solch eine Anrede aus seinem Munde vernahmen, da erschraken sie sehr und baten ihn mit der Entschuldigung um Vergebung, daß sie ihn unter den ankommenden Juden und etwelchen Griechen nicht gesehen und so denn auch nicht erkannt hätten; denn hätten sie ihn gesehen und erkannt, so hätten sie die Juden, weil sie am Sabbat eine Reise gemacht haben, sicher nicht angehalten und befragt; denn auch sie seien stets treue Untertanen der Römer und hätten eine hohe Achtung vor ihren weisen Gesetzen.

6. Sagte nun der Hauptmann: „Diesmal ist es euch vergeben; aber künftighin fraget mir ja auch an einem Sabbat zugereiste Juden nicht mehr, warum sie solchen Tag nicht auf eine gebührende Art und Weise feiern! Denn werdet ihr das noch einmal aus eurem blinden Eifer tun, so werde ich euch darum zu züchtigen verstehen; und nun ziehet weiter, oder kehret wieder in eure schmutzvollen Wohnhäuser zurück!“

7. Auf das machten die Juden eine tiefe Verbeugung vor dem Hauptmanne und zogen sich ganz behende in die Stadt zurück; denn sie meinten bei sich, daß in kurzer Zeit dem Hauptmanne bei hundert Soldaten folgen dürften, denen sie nicht begegnen wollten, und so fanden sie es für ratsamer, sich wieder in ihre Wohnhäuser zurückzubegeben.

8. Als diese Juden sich in ihre Wohnhäuser verkrochen, da fragte Mich der Hauptmann, wo Ich in dieser Stadt die Nachtherberge nehmen werde.

9. Sagte Ich: „Freund, am andern Ende dieser Stadt befindet sich eine Judenherberge; dahin werden wir uns begeben und die Nacht über denn auch verbleiben. Der morgige Tag wird uns schon bringen, was da Weiteres zu tun sein wird. Und so denn begeben wir uns zu der genannten Judenherberge!“

10. Wir zogen bei schon ziemlicher Dämmerung durch die ganz bedeutende Stadt und erreichten denn auch bald die angezeigte Herberge.

11. Als wir vor dieser Herberge, die freilich eben nicht sehr ansehnlich war, anlangten und stehenblieben, da kam alsbald der Wirt an die Hausflur und fragte uns, was wir da wünschten.

12. Da sagte Ich: „So da Reisende vor einer Herberge abends anlangen, so wollen sie für die Nacht eine Unterkunft haben; und das wünschen denn hier auch wir.“

13. Sagte der Wirt: „Freund, ihr seid euer sicher bei vierzig an der Zahl, und für so viele wird sich in meinem Hause wohl schwer ein nur halbwegs genügender Raum finden lassen! Da weiter oben ist eine große Griechenherberge; in der könnet ihr eine ganz gute und bequeme Aufnahme finden. Zudem habe ich leider auch ein krankes Weib, das mit der Küche umzugehen versteht, was meine beiden Töchter, die heute auch etwas unwohl sind, auch im ganz gesunden Zustande noch lange nicht vermögen, weil ihnen dazu die nötige Kraft und Kenntnis mangelt. Ich kann euch daher nur eine sehr magere Unterkunft bieten, während ihr in der oberen Herberge alles haben könnt, dessen ihr bedürfet.“

14. Sagte Ich: „Das weiß Ich auch, und das schon seit lange her; Ich will aber eben darum in deiner Herberge übernachten, auf daß du von uns erhalten und haben sollst, dessen du bedarfst. Laß uns bei dir Herberge nehmen!“

15. Als der Wirt das vernahm, da sagte er: „Ja, so ihr euch mit meiner in jeder Hinsicht höchst mager bestellten Herberge begnügen wollt, da könnet ihr immerhin eintreten und euch die innere Bestellung dieser meiner Herberge ansehen; gefällt sie euch, so möget ihr denn auch bleiben! Etwas Wein und Brot kann ich euch schon noch bieten, und etliche Tische, mit zum größten Teil Steinbänken umstellt; aber mit Ruhestätten wird es sehr mager aussehen.“

16. Auf das traten wir sogleich in das Herbergshaus, allwo wir ein ziemlich geräumiges Speisezimmer antrafen und ebenso auch viele Tische, Stühle und Bänke, daß wir alle so ziemlich bequem Platz hatten.

17. Der Wirt ließ alsbald Lichter in den Speisesaal bringen und erstaunte nicht wenig, als er unter uns auch den ihm sehr wohlbekannten Hauptmann Pellagius ersah. Er fing nun an, sich noch mehr mit seiner Armut zu entschuldigen, womit er solchen Gästen nur sehr schlecht würde dienen können, und zugleich sei heute auch der Sabbat zu halten gewesen, an dem es den Juden nicht gestattet sei, sich für den Abend nach Gebühr vorzubereiten.

18. Der Hauptmann aber beruhigte ihn und sagte: „So ich hier so gut und bequem als möglich eine Herberge hätte haben wollen, so hätte ich die mir stets zur Verfügung stehende Burg benutzen können; aber da mir an dieser Gesellschaft endlos mehr gelegen ist als an all dem eitlen und vergänglichen Weltprunk, so bleibe auch ich mit dieser meiner Tochter und diesen meinen ersten Unterdienern bei dir. Und ich bleibe auch darum bei dir, weil der eine wahre Herr und Meister, der mir alles in allem ist, schon vor der Stadt den Wunsch laut ausgesprochen hat, heute eben in dieser deiner Herberge zu übernachten.

19. Wer aber solcher Herr und Meister so ganz eigentlich ist, das wirst du schon noch näher erfahren und dadurch auch dein Heil finden und bewahren für dich und für dein ganzes Haus. Aber nun laß uns etwas Brot und Wein auf die Tische bringen!“

20. Hier berief der Wirt sogleich seine eben nicht zahlreiche Dienerschaft und gebot ihr, Brot, Salz und Wein auf die Tische zu setzen, was denn auch alsogleich bewerkstelligt wurde.

21. Wir nahmen denn auch gleich etwas Brot und Wein zu uns, und der Wirt selbst, der ein ganz ehrwürdiges Aussehen hatte und auch sonst ein rechtlicher Mann war, beteiligte sich an dem dargereichten Abendmahl.

71. Kapitel. Die Heilung des kranken Weibes und der beiden Töchter des Wirtes durch Jesus.

1. Nachdem wir uns so mit Brot und Wein ganz zur Genüge erquickt hatten und unser Wirt redemutiger geworden war, da wandte er sich an Mich und sagte: „Du scheinst mir allem untrüglichen Anscheine nach ebenderselbe Herr und Meister zu sein, bei dem nach den Worten unseres Hauptmannes und Gebieters ich und mein ganzes Haus ein Heil finden und dann auch für immer behalten und bewahren werden. Wie soll das zugehen? Du scheinst deiner Tracht nach ein Galiläer zu sein; wie und worin bist du denn ein Herr und ein Meister?“

2. Sagte Ich: „Lasse du nun dein krankes Weib hierher bringen und ebenso auch deine beiden kränklichen Töchter, und Ich werde sie heilen also, wie Ich des Hauptmanns Tochter, die du hier an seiner Seite sitzen siehst, geheilt habe. Und so Ich dein Weib und deine Töchter nicht heile, da heilt sie kein Arzt in der ganzen Welt! Darum tue nun nach Meinem Worte, und du wirst die Kraft und Herrlichkeit Gottes im Menschen, der Ich es bin, erschauen!“

3. Sagte der Wirt: „Ich bin zwar ein fester Jude und halte das Gesetz; aber – aufrichtig gesagt – im eigentlichen Glauben bin ich schon etwas schwach geworden, und das aus zwei Gründen: Erstens haben unsere Propheten zum Vorteil der Juden allerlei Dinge geweissagt, und also auch von einem Messias, der da kommen werde mit großer Macht und Herrlichkeit und aufrichten unser zerfallenes und verwüstetes Reich für alle Zeiten der Zeiten! Aber es ist bis jetzt von all den Weissagungen noch ganz blutwenig eingetroffen, – und so schon etwas eingetroffen ist, da ist sicher nur das Schlimme eingetroffen, und das Gute wird wohl bis ans Ende der Zeiten auf sich warten lassen! Und bei solchen auf der Erfahrung beruhenden mißlichen Umständen ist es wohl schwer, im Glauben fest zu verbleiben.

4. Und zweitens müssen wir Juden unter den Heiden leben und mit ihnen verkehren, und die haben zumeist gar keinen Glauben und verlachen uns, so wir mit ihnen über unseren allein wahren einen Gott zu reden anfangen; denn diese Heiden sind zum größten Teil Weltweise, glauben an ihre Götter nicht, wie auch nicht an die Unsterblichkeit der Seelen, und beweisen von all den alten Glaubensdingen mit geschickter Rede die volle Nichtigkeit. Bei ihnen gibt es also keinen Gott, sondern nur allerlei Kräfte in der Natur. Diese schaffen nach gewissen, ihnen zugrunde liegenden Gesetzen in einem fort und zerstören wieder über kurz oder lang, was sie geschaffen haben.

5. Und so siehst du, lieber Herr und Meister, daß es mit unserem alten Glauben sehr am Rande ist; aber diesmal will ich dennoch fest glauben, daß du mein Weib und meine beiden Töchter sicher heilen wirst, und es soll alsogleich das kranke Weib samt den Töchtern hierhergebracht werden!“

6. Hierauf brachten bald die Diener des Wirtes das Weib im Bette vor Mich in den Speisesaal, und die beiden Töchter kamen von selbst, geleitet vom Wirte, der sie in Meine Nähe stellte und dann zu den dreien sagte (der Wirt): „Seht, das ist der Herr und Meister, der euch heilen wird sicher auf eine wundersame und uns unbegreifliche Weise; glaubet, und bittet ihn darum!“

7. Das Weib und die beiden Töchter taten das auf eine sehr rührende Art, und Ich sagte darauf: „Euer Glaube helfe euch, und Ich will es! Stehet denn auf und wandelt!“

8. In dem Augenblick empfand das Weib, wie auch die beiden Töchter, daß sie vollkommen gesund und gestärkt waren, und das Weib verließ das Bett, versuchte zu gehen und fühlte in keinem Gliede irgendeinen Schmerz und ebensowenig irgendeine Schwäche, was auch die beiden Töchter taten und dasselbe wie ihre Mutter empfanden.

9. Alle drei kamen denn auch sogleich zu Mir, dankten Mir auf das innigste für die Heilung, was auch der Wirt tat, der sich über diese wundervolle Heilart nicht genug verwundern konnte.

72. Kapitel. Der Wirt und sein Weib staunen über die Wundermacht Jesu.

1. Nach einer Weile aber sagte er zum Weibe und zu den beiden Töchtern (der Wirt): „Da ihr nun von diesem Wunderherrn und Meister geheilt worden seid, so zeiget eure schuldigste Dankbarkeit denn auch auf eine werktätige Art! Gehet in die Küche und bereitet für alle ein besseres Mahl, als das ich ihnen bieten konnte! Das Beste in der Speisekammer nehmt und bereitet es wohl!“

2. Die drei gingen mit den andern Dienern freudigst ans anbefohlene Werk.

3. Ich aber sagte zum Wirte: „Freund, diese Mühe hättest du den Geheilten schon ersparen können, denn uns genügt ja das ganz gute Brot und der auch recht gute Wein; aber weil sich die drei mit aller Freude ans Werk des Kochens und Bratens gemacht haben, so sollen sie es auch vollbringen!“

4. Als Ich das noch kaum ausgesprochen hatte, da kam das Weib voll Freude wieder in den Speisesaal und sagte zum Wirte: „Aber was ist denn während meiner halbjährigen harten Krankheit alles ohne mein Wissen geschehen? Die große und die kleine Speisekammer strotzen von Speisen aller guten Art! Da gibt es in großer Masse Linsen, Bohnen, Mehl, Öl, Früchte der Bäume, große Trauben, des Honigs mehrere der größten Töpfe, getrocknete und geräucherte Fische und die Brotkörbe sind voll der schönsten Brotlaibe; und ebenso strotzt die kleinere Speisekammer von Milch, Butter, Käse und völlig frischen Eiern, wie noch von andern Dingen, von Salz, guten Kräutern und Wurzeln. Wann ist denn das alles in die Speisekammern gekommen? Ich fragte die Kinder und die Diener, und sie konnten mir keinen Aufschluß geben, meinten aber, daß du allein das schon wissen werdest. Wie, wie ist denn das zugegangen?“

5. Der Wirt geriet darob selbst wieder ins größte Staunen und sagte: „Wenn es in den Speisekammern also bestellt aussieht, so fange ich an, die alten Wunder von neuem wieder zu glauben, und der Mannaregen und der Wachtelfall ist keine Dichtung, sondern Wahrheit! Ich meine, dieser Herr und Meister, der dich geheilt hat, wird wohl am ehesten wissen, wer unsere Speisekammern gefüllt hat; denn der Meister, dem es möglich ist, Kranke bloß durch sein Wort zu heilen, dem dürften wohl auch andere Dinge zu bewirken möglich sein!“

6. Darauf ging auch der Wirt nachsehen, wie es in seinen Speisekammern aussähe, und fand alles also, wie das ihm zuvor sein Weib berichtet hatte, und sagte: „Dieser Mensch muß von einer seltenen Abkunft sein! Er ist entweder ein großer Prophet, oder er ist irgendein mit den geheimen Naturkräften innigst vertrauter Magier, der entweder in Ägypten oder irgendwo anders seine Wissenschaft sich zu eigen gemacht hat.“

7. Sagte das Weib: „Als er mich heilte, da sah ich aus seinem Haupte ein hellstes Licht ausgehen, und sein ganzes Wesen war mit einem Lichtschimmer umgeben, – und das wird bei einem Magier schwerlich je der Fall sein! Hinter diesem Menschen und vielleicht auch hinter denen, die mit ihm sind, wird etwas außerordentlich Großes und Erhabenes verborgen sein; am Ende ist er – wer kann es wissen – gar der dem Messias vorangehende Prophet Elias, – oder er ist etwa gar schon der Messias Selbst!“

8. Sagte der Wirt: „Da magst du eben nicht ganz unrecht haben; denn wer das bloß durch die Macht seines Willens bewirken kann, der muß mit dem ewigen Geiste Gottes stark erfüllt sein. Daß das alles auf eine übernatürlich- wunderbare Weise da hereingekommen ist, das ist klar vor unseren Augen, und wir können dem großen Meister nur auf das innigste danken. Doch sehet zu, daß bald ein gutes und reichliches Mahl bereitet werde!“

9. Darauf ward in der Küche alles tätig, und der Wirt kam voll tiefen Nachdenkens wieder zu uns in den Speisesaal.

73. Kapitel. Das Wesen des Reiches Gottes.

1. Als er wieder bei uns war, da betrachtete er Mich eine Weile vom Kopfe bis zu den Füßen und sagte dann (der Wirt): „Mein Weib wird wohl recht haben; denn Du, o Herr und Meister, bist entweder der dem verheißenen Messias vorangehen sollende Prophet Elias, wie das in der Schrift geschrieben steht, oder Du bist am Ende schon der große Messias Selbst! Denn so Er kommt, da wird Er auch keine größeren Zeichen zu wirken imstande sein! Wem das zu bewirken möglich ist, was nur Gott allein möglich ist, in dem muß alle Fülle des Geistes Gottes wohnen. Dein Leib, o Herr und Meister, ist zwar eben auch gleich dem eines Menschen, aber Deine Seele ist voll der göttlichen Kraft und Macht; darum sei diese Kraft und Macht in Deiner Seele über alles hoch gelobt und gepriesen!“

2. Sagte darauf Ich: „Wohl dir und deinem Hause, daß ihr solches an Mir erkannt habt; doch selig werden nur jene werden, die den Willen des Vaters im Himmel, der Mich in diese Welt gesandt hat, tun und erfüllen.

3. Ich und der Vater aber sind Eins. Wer Mich sieht und hört, der sieht und hört auch den Vater; ohne Mich aber kann niemand den Vater sehen und hören. Wer denn an Mich glaubt und nach Meiner Lehre lebt und handelt, der wird von Mir das ewige Leben überkommen!“

4. Sagte der Wirt, voll der höchsten Achtung und Ehrfurcht vor Mir: „Wie lautet denn Deine Lehre? Was muß man tun, um von Dir das ewige Leben zu überkommen?“

5. Sagte Ich: „Wer nun an Mich glaubt und an Mir kein Ärgernis nimmt und dazu die Gebote hält, die Moses gegeben hat, der hat schon das ewige Leben in sich; denn Ich gebe euch kein anderes Gesetz, als es Moses eben auch nur von Mir empfangen und den Menschen gegeben hat.

6. Erkenne und liebe Gott über alles und deinen Nächsten wie dich selbst, so erfüllst du das ganze Gesetz und dadurch den Willen Dessen, der nun mit dir spricht! Die Folge davon wird sich in deiner Seele zeigen. – Verstehst du das?“

7. Sagte der Wirt: „Ja, o Herr und Meister, und ich habe bei aller Schwäche Meines Glaubens das Gesetz Mosis dennoch stets treu beachtet und werde es von nun an noch treuer beachten; aber da es auch geschrieben steht, daß der Messias ein wahres Gottesreich auf dieser Erde gründen werde, das fürder kein Ende nehmen wird, so fragt es sich: Wie, wo und wann? Wird Dein Thron zu Jerusalem oder irgend anderswo aufgestellt werden, und wann wird das geschehen?“

8. Sagte Ich: „Mein Reich, das Ich nun gründe unter den Menschen auf dieser Erde, ist kein Weltreich, sondern ein Gottesreich ohne alles Weltgepränge, hat nichts Äußeres, sondern ist inwendig im Menschen, und Meine Stadt, Meine feste Stadt und Meine Wohnburg in ihr ist ein reines, Mich über alles liebendes Herz. Siehe, also verhält es sich mit der Gründung Meines Reiches auf dieser Erde!

9. Alle aber, die auf die Neugründung eines Reiches Gottes auf Erden mit einem äußeren Schaugepränge harren werden, werden sich in ihrer blinden Hoffnung sehr irren und täuschen; denn ein solches wird auf der Erde niemals gegründet in der lebendigen Wahrheit aus und in Mir.

10. Falsche Propheten werden das wohl tun unter Führung Meines Namens; doch Ich werde in solch einem Reiche niemals wohnen und thronen. Siehe, also steht es der vollsten Wahrheit nach mit der Gründung Meines Reiches auf dieser Erde! – Hast du das verstanden?“

11. Sagte der Wirt: „Ja, o Herr und Meister, nun habe ich auch das verstanden! Aber das werden gar viele, die an der Welt hängen, nicht verstehen und werden warten auf ein äußeres großes Weltreich; aber da ein solches nach Deinem nun ausgesprochenen Worte niemals der Wahrheit nach auf der Erde statthaben wird, so werden auch viele in der alten gericht- und todvollen Blindheit verbleiben.

12. Du, o Herr, aber wolle auch den Blinden gnädig und barmherzig sein, und uns aber, die wir die Wahrheit erkannt haben, verlasse nicht, sondern erhalte uns in der lebendigen Wahrheit Deines Reiches auf dieser Erde, auf daß wir stets nach Deinem Willen leben und handeln können!“

13. Sagte Ich: „Das war eine rechte Bitte, und sie wird nicht unerhört und ungewährt bleiben. – Nun aber kommt das schon bereitete Nachtmahl, und wir wollen es zu uns nehmen!“

74. Kapitel. Die Belehrung des Wirtes und des Hauptmanns.

1. Hier öffneten die Diener die Tür und brachten die wohlbereiteten Speisen auf die Tische, und dazu auch noch mehr Brot und Wein, und wir nahmen denn auch das Mahl zu uns; auch der Wirt erquickte sich an unserem Tische, und sein Weib und seine Kinder, die an einem andern Tische saßen, aßen und tranken auch mit einer großen Freude und wendeten ihre Augen nicht von Mir ab.

2. Nach dem eingenommenen Mahle aber kamen das Weib und die Kinder zu Mir und dankten Mir für die Gnade, die Ich ihnen erwiesen habe.

3. Einige Jünger aber wurden bei sich ob des langen Dankens von seiten des Weibes und der Kinder ein wenig unwillig und bedeuteten ihnen, daß sie nun schon zur Genüge gedankt hätten.

4. Ich aber merkte das wohl und sagte zu den ungeduldigen Jüngern: „Wie oft habe Ich vor euch Zeichen gewirkt, und wie oft habt ihr an Meinem Tische euch gesättigt; aber Ich habe von euch noch wenig offenen Dank bekommen. Also lasset denn diesen Kindern ihre Freude! Wahrlich, Mir ist das dankbare Lallen eines Kindes um gar vieles lieber, als viele weise Worte aus dem Munde eines Gelehrten, an denen sich wohl der Verstand ergötzt, aber das Herz dabei wenig gewinnt. Wahrlich sage Ich euch: Wer Mich nicht bekennt vor der Welt, den werde Ich auch nicht bekennen vor dem Vater im Himmel! Darum lasset diesen Kindern ihre Freude!“

5. Als die Jünger solche Rüge von Mir vernommen hatten, da ermahnten sie sich und ließen den Kindern ihre Freude, und Ich belobte die Kinder, legte ihnen Meine Hände auf und entließ sie dann. Da ging das Weib mit den Kindern wieder in die Küche, wo sie für den kommenden Tag so manches vorzubereiten hatten.

6. Ich aber habe den Wirt noch bis in die Mitte der Nacht über verschiedene Dinge unterrichtet, die auch der Hauptmann und seine Unterdiener samt der Veronika mit der größten Aufmerksamkeit anhörten.

7. Und der Hauptmann sagte: „Herr, ich habe Dich vernommen in Pella und in Abila und behielt alles wohl, was ich von Dir vernommen und gesehen habe; doch muß ich hier offen gestehen, daß Du nun mit dem Wirte höchst klar über Dinge gesprochen hast, die mir ganz fremd und neu sind, und ich kann Dir, o Du lieber Herr und Meister, darum nicht zur Genüge danken; denn nun sehe ich um gar vieles tiefer in die Geheimnisse Deiner endlos großen Schöpfung vom Kleinsten bis zum unergründbar Großen, als ich ehedem gesehen habe.“

8. Sagte Ich: „Ja, du Mein lieber Freund, Ich hätte dir und allen diesen Meinen Jüngern noch gar vieles zu sagen und zu eröffnen, aber ihr würdet das nun noch nicht ertragen und fassen; aber so Ich euch den ewigen Geist der Wahrheit senden werde und er durchdringen wird eure Seelen, so werdet ihr dadurch in alle Weisheit erhoben werden.

9. Daß Ich nun aber mit unserem Wirte über so manches habe reden können, das dir fremd und neu vorkommen mußte, davon liegt der Grund darin, weil eben dieser Wirt in der Schrift zwar ganz wohlbewandert ist, aber nicht ebenso im reinen Verständnisse derselben. Dir ist aus der Schrift der Juden zwar auch vieles, doch nicht also wie diesem Wirte, bekannt; und so denn habe Ich mit ihm auch über Dinge reden können, die dir fremd und neu sein mußten. So du die gesamte Schrift, bis nahe an diese Tage reichend, wirst mit der rechten Aufmerksamkeit durchgelesen haben, da wirst du noch gar vieles finden, das dir sehr neu und fremd vorkommen wird. Da wirst du forschen mit dem Verstande, aber den Sinn der inneren verborgenen Wahrheit nicht finden und erkennen. Aber mit dem Geiste, den Ich auch dir senden werde, wirst du den inneren Sinn wohl erkennen.

10. So du aber über die Dinge in der Naturwelt noch einen tieferen Aufschluß haben willst, da besuche deinen Amtsgefährten in Genezareth, so wirst du vieles von ihm vernehmen, das dir bis jetzt auch noch fremd ist; denn Ich unterweise die Menschen stets nach ihrer Aufnahmefähigkeit und nach dem, worüber sie schon ehedem selbst oft nachgedacht haben, aber trotz aller ihrer Mühe zu keiner Wahrheit gelangen konnten. Und so denn kommt es, daß Ich allenthalben mit etwas wie Neuem und Fremdem zum Vorschein komme; aber es ist darum dennoch kein eigentlich völlig Fremdes und Neues, sondern ein schon Daseiendes, aber von den Menschen noch nicht Erkanntes und Begriffenes.“

11. Dieses begriff nun der Hauptmann und auch alle andern, die mit dem Hauptmanne nebst Meinen Jüngern hier anwesend waren. Die Jünger selbst aber verstanden es auch erst jetzt tiefer, warum Ich an den verschiedenen Orten nebst der freilich immer gleichen Hauptlehre auch über verschiedene Dinge die Menschen also belehrt habe, wie sie das haben fassen können, und für was sie ein Bedürfnis mehr oder weniger hatten.

75. Kapitel. Die Ankündigung eines nahen Sturmes.

1. Als Ich auch mit dem Hauptmanne diese alles wohl erklärende Rede beendet hatte, da sagte der Wirt zu Mir: „Herr und Meister, die halbe Nacht haben wir nun für mein Haus überaus segensvoll durchgewacht; aber so da nun jemand von all den Anwesenden sich zur Ruhe begeben möchte, so bitte ich Dich, o Herr, es mir nur anzudeuten, und ich werde sogleich das Möglichste aufbieten, um Deinem Wunsche nachzukommen.“

2. Sagte Ich: „Freund, laß du das nun nur gut sein; wir bleiben wie gewöhnlich am Tische die Nacht hindurch ruhen. Willst du dich zu einer bequemeren Ruhe begeben, so steht dir das offenbar frei; wir aber bleiben hier.

3. Es wird aber hier geraten sein, diese Nacht sich nicht zu sehr dem Schlafe zu weihen, sondern sich mehr wach zu halten; denn es wird in einer kleinen Stunde Zeit unser Wachsein sich als notwendig und klug erweisen. Diese Gegend ist in dieser Zeit zumeist bedeutenden Stürmen und Erderbebungen ausgesetzt, und es wird derlei eben bald herbeikommen, und da ist es rätlich, wach zu verbleiben und zu beobachten, welche Richtung der Sturm nehmen wird!“

4. Sagte der Wirt: „Aber Herr und Meister voll der göttlichen Weisheit und Macht! Du bist ja auch ein Herr über alle die böse Macht, die stets von den argen Teufeln der Hölle ausgeht oder zum wenigsten von ihnen sehr und gar oft sichtbar unterstützt wird. Dich kostet es ja nur ein allmächtiges Wort, und es kann kein Sturm kommen!“

5. Sagte Ich: „Da hast du in einer Hinsicht recht geredet, aber das nur insoweit, als wieweit da reicht deine Kenntnis in den Dingen der Naturwelt.

6. Es ist schon wahr, daß derlei Stürme mitunter auch von den Teufeln unterstützt werden; aber das kann die göttliche Liebe und Weisheit nicht behindern, den Natursturm losbrechen zu lassen. Denn in der Erde ruhen noch zahllos viele Naturgeister, die mit der Zeit alle zur Erlösung zu gelangen haben, und da diese Gegend ganz besonders reich an derlei rohen Naturgeistern aller Art und Gattung ist, so ist es auch ganz in der Ordnung, die zur Löse reif gewordenen Naturgeister zur Erstehung in ein etwas freieres Sein losbrechen zu lassen; und es ist offenbar besser, derlei Geister in kleineren Abteilungen zum Ausbruch kommen zu lassen, als sie eine längere Zeit zurückzuhalten, wo dann auf einmal viele Abteilungen zum Durchbruch kommen und übergroße Verheerungen anrichten müssen, wie das auf dieser Erde schon hie und da der Fall war, wo derlei Geister nach längerem Zurückhalten bei ihrem endlichen Durchbruch ganze Länder derart verwüsteten, daß sie noch jetzt als Wüsten da sind, in denen nichts wächst und noch lange nichts wachsen wird.

7. Aus dem kannst du nun schon entnehmen, warum Ich den ehedem angezeigten Sturm losbrechen lassen muß. Es hat sich hier wohl niemand vor ihm zu fürchten, doch ist es besser, wach zu verbleiben während eines Sturmes, als in einem Bette zu schlafen.“

8. Der Wirt stellte sich mit dieser Erklärung zufrieden.

9. Aber der Jünger Simon Juda sagte zu Mir: „Herr und Meister, Du sagtest hier, daß es besser sei, während eines Sturmes zu wachen denn zu schlafen in einem Bett, und Du schliefst einmal, als wir uns während eines großen Sturmes auf dem Galiläischen Meere befanden, im sehr gewaltig schwankenden Schiffe, so daß wir Dich zu wecken genötigt waren, auf daß wir nicht zugrunde gingen. Du wurdest denn auch sogleich wach, bedrohtest des Sturmes Ungetüm, und es schwieg alsbald der Orkan, und auf des Meeres Fläche bewegte sich keine Woge, und die Schiffer und etliche andere Menschen, die mit uns im Schiffe waren, verwunderten sich und sagten unter sich, ihre Augen auf Dich gerichtet habend: ,Siehe, wer mag dieser sein, daß ihm Wind und Meer gehorchen?‘

10. Ich sehe es wohl ein, daß es um vieles geratener ist, während eines Sturmes zu wachen; aber das sehe ich bis jetzt noch nicht völlig ein, warum Du damals gerade während des ärgst wütenden Sturmes geschlafen hast!“

11. Sagte Ich: „Ich schlief damals, um für euch selbst euren noch etwas schwachen Glauben auf eine kleine Probe zu stellen und ihn dadurch zu stärken. Dazu sagte Ich nun zum Wirte auch nicht, daß es nun eben auch für Mich geratener wäre, während des Sturmes, der nun bald losgehen wird, zu wachen als einzuschlafen; denn Ich bin es nicht, dem Mein Rat zur Richtschnur seines Lebens und Seins gelten soll, sondern nur für euch Menschen gebe Ich allerlei Rat und Lehre, auf daß ihr euch danach richten und in allem vollkommen werden möget. Ich könnte daher auch nun, so Ich's wollte, beim Beginn des Sturmes und bis zum Ende desselben Mich dem Schlafe ergeben, da Ich für Mich den Rat nicht gegeben habe; aber um eurer Kleinmütigkeit wegen werde auch Ich mit euch wachen.“

12. Als Simon Juda solches aus Meinem Munde vernommen hatte, da fragte er Mich um nichts Weiteres mehr; denn er und auch alle die andern verstanden es nun wohl, was Ich zu ihnen gesagt hatte, und alle harrten nun mit großer Gespanntheit auf den Ausbruch des Sturmes.

13. Der Wirt, der in sich trotz Meiner Gegenwart denn doch immer ängstlicher wurde, sagte zu Mir: „O Herr und Meister, sollte ich etwa nicht auch die in meinem Hause wecken, die nun sicher schon schlafen werden?“

14. Sagte Ich: „Laß das; denn es genügt hier, daß wir wach sind! Es wird aber der Sturm schon an und für sich die Bewohner dieser Stadt wachrufen und sie aus ihren Häusern ins Freie treiben, und wir werden bei dieser Gelegenheit noch so manches zu tun bekommen.“

76. Kapitel. Die Sturmnacht.

1. Als Ich diese Worte noch kaum ausgesprochen hatte, da kam auch schon ein erster mächtiger Windstoß, worauf sich auch gleich ein leichtes Beben des Erdbodens verspüren ließ.

2. Darauf erhob sich ein großes Sausen und Brausen, wie aus einer Entfernung von einer halben Stunde Weges vernehmbar, das von Augenblick zu Augenblick an Heftigkeit zunahm. Nur zu bald kam es in die volle Nähe der Stadt und weckte durch sein gewaltiges Geheule, Gerassel, Gepolter und Gekrache gar viele Bewohner dieser Stadt, die sich aus ihren Wohnhäusern auf die Straßen und Plätze der Stadt begaben aus großer Furcht, in ihren Häusern, die zusammenzustürzen drohten, begraben zu werden.

3. Viele eilten trotz des tobenden Orkans, heulend vor großer Angst und Furcht, auf das offene Feld. Als aber der Wind stets heftiger ward, da kamen mehrere wieder in die Stadt und sagten es ihren Nachbarn, daß auf dem offenen Felde noch um vieles schlechter zu bestehen sei denn in der Stadt irgend hinter festen Mauern.

4. Viele, die an unserer Herberge vorübereilten, verwunderten sich über unseren Mut und unsere Standhaftigkeit, und ein paar Nachbarn der Herberge kamen zu uns in den Speisesaal und riefen dem Wirte zu, sich auch ins Freie zu begeben, die Erde bebe von Zeit zu Zeit ganz gewaltig, daß es zu befürchten sei, daß bald ein Haus um das andere einstürzen werde. Denn es müßten alle jüdischen Teufel und heidnischen Furien losgeworden sein, ansonst es nicht zu begreifen wäre, wie nach einem so ruhigen Tage eine solche Sturmnacht sich hätte einstellen können.

5. Sagte der Wirt: „Liebe Nachbarn, mein Haus ist schon sehr alt und hat schon viele solcher Proben durchgemacht, und so wird es auch hoffentlich noch diese ohne Schaden bestehen! Ich vertraue auf meinen Gott und Herrn, der allmächtig und voll Liebe ist, und der wird meinem Hause durch eure losgewordenen Teufel und Furien kein Leid zufügen lassen.“

6. Sagten die beiden Nachbarn: „Ah, höre mir auf mit allen Göttern, ob's nun jüdische oder heidnische sind! Was haben sie denn davon, so sie für nichts und wieder nichts die arme, schwache Menschheit in der Nacht so quälen? Wir Römer haben alle Götter angerufen, und etliche Priester machen ein großes Geplärr, ebenso schreien auch die Juden dieser Stadt in ihrer Synagoge zu ihrem Jehova um Hilfe, Hilfe, Hilfe; aber der Sturm und das starke Beben des Erdbodens hören nicht auf, sondern werden von einem Moment zum andern nur noch stets ärger. Da heißt es: Mensch, hilf dir selbst, so gut, so viel und so weit du das vermagst; denn die Götter hören nicht auf dein Flehen und schauen nicht auf deine Angst und Not!“

7. Sagte der Wirt: „Freunde, bei solch einer Schwäche eures Glaubens und Vertrauens auf einen Gott bleibt euch freilich wohl nichts übrig, als euch selbst zu helfen, so gut es nur immer gehen mag; mir aber hat mein allein wahrer Gott und Herr treust angezeigt, daß dieser Sturm in dieser Nacht aus wohlweisen Gründen über diese Gegend kommen werde, und daß ich vor ihm keine Angst haben solle, – und seht, wie es mir angezeigt worden ist, also ist es auch gekommen, und ich habe darum denn auch keine Angst!

8. Ihr führt doch stets euren stolzen Mutspruch: SI TOTUS ILLABATUR ORBIS, IMPAVIDUM FERIENT RUINAE! im Munde! Wo zeigt sich nun in euch die Wahrheit desselben?

9. Ich aber als ein gläubiger und auf meinen allein wahren und lebendigen Gott vertrauender und bauender Jude habe mich mit solch einem Mute noch niemals gebrüstet, sondern lebe dafür stets nur in der gerechten Gottesfurcht, – und seht, diese gibt mir nun mehr Mut und rechte Fassung als euer hochtrabender Mutspruch. Tätet ihr wie ich, so hättet auch ihr ganz ruhig in euren Häusern verbleiben können!“

10. Sagten die beiden: „Freund, du hast im Grunde recht, – doch wir können nichts dafür, daß wir nicht deines Glaubens sind; doch was deinen Glauben betrifft, davon wollen wir morgen ein näheres Wort miteinander reden, so wir's Leben erhalten!“

11. Es merkten die beiden beim schon schwach gewordenen Lampenlicht in unserem Saale auch die andern Gäste und wollten den Wirt fragen, wer die Gäste wären; aber ihre Weiber und Kinder riefen vor der Hausflur nach ihnen ob ihrer Furcht und Angst, und die beiden gingen wieder hinaus auf die Straße und besahen ihre Häuser, ob sie noch keinen Schaden gelitten hätten. Es war derlei beim schwachen Mondlicht zwar nicht zu entdecken, aber sie getrauten sich dennoch nicht in die Häuser, da der Erdboden von Zeit zu Zeit noch immer sehr fühlbar erbebte.

12. Der Wirt aber fragte Mich, wie lange der Sturm noch andauern werde.

13. Und Ich sagte zu ihm: „Noch eine Stunde, und es wird durch ihn diesmal niemandem ein Schaden angerichtet werden! Du aber hast zu deinen Nachbarn ein rechtes Wort geredet, und sie werden morgen auch zu uns aufgenommen werden. Nun aber dürfen wir schon bis zum Morgen ruhen, und der Morgen wird uns schon eine rechte Arbeit geben.“

14. Darauf schliefen bald alle ein und ruhten bis zum Morgen, der diesmal trübe war.

77. Kapitel. Im Freien nach dem Sturme.

1. Als wir am Morgen vollkommen gestärkt erwachten und die Jünger sahen, daß wir einmal an einem ganz trüben Morgen erwacht waren, da fragten sie Mich, ob Ich auch diesen Morgen im Freien zubringen werde.

2. Ich aber sagte: „Wir haben doch schon zu öfteren Malen ebenso trübe Morgen und trübe Tage durchgemacht, und Ich bin dennoch ins Freie gegangen mit euch; also können wir auch diesen Morgen auf eine Stunde im Freien zubringen. Ich will für die allen Glaubens baren Heiden eben durch diesen Trübmorgen ein Zeichen wirken, auf daß sie dadurch leichter zum Glauben an einen, allein wahren Gott bekehrt werden mögen, und so werden wir uns nun denn wohl auch an diesem Morgen ins Freie begeben. Wer von euch aber im Hause verbleiben will, der bleibe!“

3. Da sagten alle: „Herr, wir lassen nicht ab von Dir; wir gehen, dahin Du gehst, und wollen stets um Dich sein!“

4. Sagte Ich: „So erhebet euch denn, und wir gehen ins Freie!“

5. Auf diesen Meinen Ruf erhoben sich alle, auch der Wirt, und wir machten uns bereit, ins Freie zu gehen, und als der Wirt das Morgenmahl angeordnet hatte, traten wir ins Freie auf die breite Straße, die an der Herberge vorüberführte.

6. Als wir uns im Freien auf der Straße befanden, da sahen wir eine Menge Volkes auf der breiten Straße gelagert; denn es hatten sich die Menschen nicht getraut, die Nacht in den Häusern zuzubringen.

7. Es hatte der das ziemlich starke Erdbeben begleitende Sturm wohl zu wüten völlig aufgehört; aber alle befürchteten eine Wiederholung desselben und getrauten sich nicht in ihre Wohnhäuser zurückzukehren und brachten darum die Nacht im Freien zu.

8. Als wir denn auf der Straße uns befanden, da trafen wir auch die beiden Nachbarn des Wirtes, die uns in ihrer großen Angst in der Nacht, als der Sturm am ärgsten wütete, besuchten, aber infolge der ziemlichen Dunkelheit im Speisesaale nicht erkennen konnten.

9. Als sie den Wirt und an seiner Seite aber auch den ihnen wohlbekannten Hauptmann ersahen, gingen sie auf den Wirt und den Hauptmann zu, grüßten vor allem den Hauptmann und seine Unterdiener und beglückwünschten ihn, daß er diese Nacht, ohne einen Schaden erlitten zu haben, durchgemacht hätte.

10. Der Hauptmann erwiderte den Morgengruß und fragte die beiden, ob auch sie, gleich den andern Bewohnern dieses Ortes, die Nacht im Freien zugebracht hätten.

11. Die beiden aber antworteten und sagten: „Hoher Gebieter! Dazu hatten wir anfangs den Mut nicht! Bis zum Ausbruch des Sturmes waren wir freilich wohl in unsern Häusern; aber als der Erdboden zu beben begann, da verließen wir, so wie beinahe alle andern Bürger dieser Stadt, unsere Häuser und suchten im Freien Schutz für unser und unserer Angehörigen Leben.

12. Wären unsere alten Häuser aus Holz erbaut, so wie die meisten Häuser Galiläas, Judäas und noch anderer Holzreichtumsländer, da hätte uns der Sturm mitsamt dem Erdbeben nicht ins Freie getrieben; aber da unsere Häuser von den hiesigen, leicht zerbrechbaren Steinen erbaut sind und bei einem starken Erdbeben leicht zusammenstürzen können, so ist es selbstverständlich sehr rätlich, bei solchen Erzkalamitäten so schnell als möglich die Häuser zu verlassen und sich ins Freie zu begeben.“

13. Sagte der Hauptmann: „Was ist denn hernach mit dem Schutze der Götter, auf die doch die meisten aus der Zahl der Griechen und Römer so Großes halten?

14. Seht, ich habe mich unter dem Schutze eines Gottes, im vollsten Glauben und Vertrauen auf Ihn, in dieser Judenherberge ganz wohl ohne alle Furcht und Angst befunden! Hättet ihr einen solchen Glauben und ein solches Vertrauen, so wäret auch ihr sicher ohne alle Furcht und Angst, als könnte euch ein Ungemach begegnen, in euren Häusern geblieben, von denen ihr obendrauf noch wisset, daß sie schon gar vielen und vielleicht noch größeren Stürmen getrotzt haben. Gegen solch eine Angst und Furcht schützen nur ein fester Glaube und ein lebendiges Vertrauen auf den einen wahren, allmächtigen, überweisen, überguten, allwissenden und allsehenden Gott. Wer einen solchen Glauben und ein solches Vertrauen nicht hat, der ist bei allen stürmischen Erscheinungen, die auf dem Erdboden stets vorkommen, aller Qual und Pein ausgesetzt und der größten dann, wenn seine letzte Stunde unvermeidbar vor der Tür ist! – Begreifet ihr das?“

78. Kapitel. Des Hauptmanns Rede vom rechten Gottsuchen.

1. Sagte der eine der beiden: „Hoher Gebieter, wir sehen, daß du wahrlich mehr als vollkommen recht hast, und glücklich und selig ist ein jeder Mensch zu preisen, der deines festen Glaubens und deines lebendigen Vertrauens fähig ist; denn der erträgt alles Ungemach, das ihm auf dieser Erde irgend begegnen kann, sicher ganz leicht und ist stets voll Trostes in seinem Gemüte!

2. Aber woher sollen wir solch einen Glauben und solch ein Vertrauen nehmen? Siehe, da oben auf dem breitesten Teil unserer Hauptstraße lagern unsere ersten Zeus- und Apollopriester, und unweit von ihnen ein paar Rabbis der Juden! Unsere Priester zeigen uns durch ihr Benehmen, wie wenig sie zu ihrem eigenen Heil auf die Götter halten, und ebenso zeigen auch die Judenpriester ihres einen und allein wahren Gottes, daß ihr Glaube und ihr Vertrauen auf Ihn nicht um ein Haar besser ist als das unserer Priester.

3. Oh, sobald alle Gefahr vor einem allfälligen Nachsturm vorüber sein wird, da werden sie gleich auftreten und von den deshalb erzürnten Göttern scharf zu predigen anfangen, weil wir zu schwachen Glaubens an sie sind und ihnen viel zuwenig opfern; und so wir in unserem Unglauben und in der Vorenthaltung reicher Opfer in die Tempel der Götter verharren würden, so würden die Götter noch zorniger werden und dieses ganze Land zur Wüste machen!

4. Also werden sie vielleicht heute noch in ihren Tempeln zu heulen anfangen und hätten schon angefangen, so ihnen ein heiterer Morgen angedeutet hätte, daß da keine Wiederkehr des Sturmes zu besorgen sei; aber der sehr trübe und noch sehr unheimlich aussehende Morgen hält sie noch davon ab.

5. Und desgleichen verhalten sich auch die etlichen Judengottespriester. Sie würden auch schon in ihrer Synagoge laut buß- und opferpredigen, wenn der sehr trübe und unheilvolle Morgen sie nicht davon abhielte, in ihre Synagoge zu treten und sicher nur zu ihrem Besten zu heulen anzufangen.

6. Siehe, hoher Gebieter, wir sehen die schon sehr alt gewordenen Betrügereien unserer, wie der Judenpriester nur zu klar ein und erfahren es auch bei jeder nur ein wenig gefährlichen Gelegenheit, wie eben die Priester die ersten beim Fluchtergreifen sind und dadurch auch an den Tag legen, wie wenig Glauben und Vertrauen sie zu den von ihnen so hoch gepriesenen Göttern besitzen! So aber bei einem Kriegsheere einmal die Heerführer die Flucht vor dem Feinde ergreifen, – woher sollen dann ihre Krieger den Mut nehmen? So aber die Götter, beim Lichte des Verstandes betrachtet, für die Priester so gut wie gar nichts sind, – was sollen und was können sie dann für uns sein?

7. Und so, hoher Gebieter, ist es für uns wohl sehr schwer, ja geradezu unmöglich, zu einem festen Glauben und Vertrauen an unsere Götter und ebensowenig an den einen Gott der Juden zu gelangen, und es ist uns daher unser alter Wahlspruch nicht zu verargen, laut dem sich ein jeder Mensch selbst helfen soll; und kann er das nicht, so lassen ihn die Götter und ebenso auch seine Nebenmenschen im Stich.

8. Aber du, hoher Gebieter, hast ein gutes und wahres Wort zu uns geredet, und es muß am Ende denn doch einen solchen Gott geben, wie du Ihn uns bezeichnet hast! Aber wo ist Der? Wie kann man der Wahrheit gemäß den Weg zu Ihm finden?“

9. Sagte der Hauptmann: „Das ist für einen Weltmenschen freilich nicht so leicht, wie sich das so mancher Weltkluge denken mag und sagt: ,So es einen oder irgend mehrere Götter gibt, so müssen sie sich von uns Menschen auf eine leichte Art finden lassen, so sie von uns erkannt und verehrt werden wollen, wie das alle Priester den Menschen allenthalben zur strengsten Pflicht machen; und lassen sich die Götter von den Menschen nicht bald und leicht finden, so wollen sie entweder gar nicht erkannt und verehrt sein, oder sie bestehen gar nicht, und da ist alles Suchen eine vergebliche Mühe!‘

10. Ich aber sage es euch, daß dem nicht also ist! Denn erstens gibt es von Ewigkeit her nur einen, allein wahren Gott, und dieser Gott will von uns Menschen gesucht, gefunden, erkannt und durch die strenge Haltung Seiner Gebote, die Er zu unserem Heile gab, verehrt werden; und zweitens, weil es eben einen Gott gibt, den ein nur etwas tiefer forschender Mensch aus Seinen Werken schon ganz wohl wahrnehmen kann, so soll der Mensch voll wahrer Liebgier diesen Gott denn auch eifrigst suchen, aber nicht von heute bis morgen den leichtsinnigen Kindern gleich, sondern von Tag zu Tag mit stets zunehmendem Eifer und Fleiß und mit einer in der Liebe zu Ihm wachsenden Sehnsucht, und Gott wird sich von solch einem Sucher schon ebenso finden lassen, wie Er Sich von mir und schon von gar vielen hat finden lassen.

11. Und hat Er Sich von einem oder auch mehreren Menschen, die Ihn auf eine rechte Art suchten, finden lassen, dann wird Er solchen treuen Suchern schon kundtun, was sie nach Seinem allerweisesten Willen fürder zu tun und wie sie zu leben haben, um in Seiner Liebe und Gnade zu verbleiben und von Ihm zum ewigen Leben der Seele erweckt zu werden.

12. Ein solcher Mensch wird dann auch in seinem wahrhaft lebendigen Glauben und Vertrauen bei allen noch so gefahrdrohenden Vorkommnissen auf dieser materiellen Lebensprüfungswelt nicht schwach und wankend werden, sondern er wird alles in aller Geduld und in voller Ergebung in den ihm bekannten göttlichen Willen ohne viel Furcht und Angst ertragen und am Ende Gott für alles danken, weil er einsehen wird, daß Gott alle die Vorkommnisse in dieser Welt nur zum wahren Besten der Menschen verordnet hat. Wer denn Gott also gefunden hat, der hat wohl sicher seines Lebens höchsten und allerwertvollsten Schatz gefunden!

13. Und weil das wohl der allerhöchste und wertvollste Menschenlebensschatz ist – was ihr nun wohl einsehen werdet –, so lohnt es sich wohl sicher der Mühe, solch einen Schatz auch mit dem höchsten Eifer und Ernst so lange zu suchen, bis man ihn gefunden hat.

14. Wie mühen sich die Menschen ab im Jagen und Suchen nach irdischen, vergänglichen Schätzen und Gütern! Einer bohrt in die Berge, um Gold, Silber und Edelsteine zu finden; der andere taucht in die Tiefe des Meeres, um etwelche Perlen zu finden; ein dritter befährt auf einem gebrechlichen Schiffe das weite stürmische Meer, um in einem fremden Lande seine heimatliche Ware um einige wenige Pfennige teurer an den Mann zu bringen, – und so treibt der eine dies und der andere jenes, und es ist dabei keinem die Mühe zu sauer, wenn er durch sie nur irgendeinen vergänglichen Lebensvorteil erhaschen kann. Warum will man sich denn nicht auch im Aufsuchen des allerhöchsten Lebensschatzes diese Mühe nehmen, da man doch weiß, daß ihn zu allen Zeiten die Menschen, die ihn mit einem wahren Eifer suchten, auch treu und wahrhaft gefunden haben?“

79. Kapitel. Die guten Vorsätze des Nachbarn.

1. Sagte abermals der eine der beiden Nachbarn: „Ja, hoher Gebieter, du hast ganz vollkommen recht in deiner ganzen, liebevollen Rede, die ein wahrer Leitfaden zum Aufsuchen des allerhöchsten Lebensschatzes ist, und wir werden diesen auch danach zu suchen anfangen, indem sich schon jetzt eine gewisse Zuversicht in uns dahin kundgibt, daß wir nicht vergeblich suchen werden.

2. Aber bis jetzt war das noch nie möglich; denn auf der einen Seite saßen uns unsere Priester im Genick, und auf der andern hatten wir die Gelegenheit, das Judentum zu beobachten und fanden mit höchst wenig Theosophie einen noch größeren Wust des Aberglaubens aller Art und Gattung denn bei uns. Wir haben daher den Mittelweg eingeschlagen, beobachteten die Natur, fanden in ihr Gesetze und lebten für uns nach ihnen, obschon wir das Äußere unseres Götterkults der Staatsgesetze wegen, freilich stets nur mit einem Widerwillen, mitmachten.

3. Also war es denn für uns, wie für viele andere, die ganz unseres Sinnes sind, wie gesagt, bis jetzt völlig unmöglich, den allerhöchsten und wertvollsten Lebensschatz irgend zu suchen anzufangen. Was man nicht zu suchen anfangen kann, weil einem alle dazu erforderlichen Mittel fehlen, das kann man auch niemals finden.

4. Jetzt aber haben wir durch deine große Güte und wahre Gnade ein Mittel, das sicher ganz untrüglich ist, erhalten und werden nach desselben Weisung auch den höchsten Lebensschatz zu suchen anfangen und nicht eher rasten, bis wir ihn werden gefunden haben; denn da lohnt es sich der Mühe, solch einen Schatz zu suchen, von dessen Besitz das ewige Fortleben der Seele abhängt.“

5. Sagte nun Ich: „Wisset: Ein vollkommen ernstlicher Wille zu einer Arbeit, durch die ein höchster und wahrhaft allerbester Lebenszweck erzielt werden kann, ist an und für sich schon so gut wie das Werk selbst; denn das vollendete Werk in seiner vollsten Ausdehnung folgt auf den einmal gefaßten Willen um so rascher, je ernster der Wille dessen ist, der ein Werk zu realisieren beginnt. Euer Hauptmann hat euch schon den rechten Weg gezeigt und die rechten Mittel an die Hand gegeben.“

6. Sagte der frühere Redner: „Freund, du scheinst auch schon den allerhöchsten Lebensschatz gefunden zu haben, da du ganz im Sinne unseres hohen Gebieters sprichst! Du bist deiner Kleidung nach ein Galiläer; auch die andern sind mehr Galiläer denn Judäer, und von den Galiläern wissen wir, daß sie keine besonderen Glaubenshelden sind. Allein, es macht das nichts; denn es kann ja auch unter den Galiläern Menschen geben, die den Weg zum Aufsuchen des allerhöchsten Lebensschatzes entdeckt, ihn zu suchen angefangen und auch gefunden haben. Wir haben denn eine große Freude an euch; denn da ihr alle in dieser wahren Schreckensnacht habt mögen in einem leicht zerstörbaren Hause übernachten, so dient uns das als ein Beweis, daß auch ihr, gleich unserm hohen Gebieter, den einen, allein wahren Gott gefunden habt, der euch wohl in allen Gefahren bestens beschützen kann.“

7. Sagte Ich: „Da hast du nun richtig geurteilt; aber hier auf diesem Platze können wir nicht viel Weiteres davon reden, da sich das Volk um uns stets mehr und mehr anzusammeln beginnt, – denn es hat den Hauptmann bemerkt und ist darum voll Neugier, was er hier am frühen Morgen etwa anordnen werde. Darum begeben wir uns außerhalb der Stadt auf einen freien Platz, von dem aus man eine bedeutende Fernsicht hat! Daselbst wird sich über unseren Gegenstand ein mehreres sprechen lassen.“

8. Das war den beiden Nachbarn recht, und sie gingen samt ihren Angehörigen mit uns aus der Stadt hinaus, allwo ein ziemlicher Hügel sich befand, auf dem eine alte Ruine lag, die einst den Philistern als eine Feste diente.

80. Kapitel. Die Nachwehen des Sturmes und Erdbebens.

1. Als wir auf dem besagten Hügel uns befanden, da sahen wir gen Osten, in der Ferne von etlichen Stunden Weges, an mehreren Stellen Rauch dem Erdboden entsteigen, und hie und da schlug auch eine Flamme empor, aber nur auf Momente, und hielt nicht an also wie der Rauch.

2. Wir betrachteten diese Naturszene eine Zeitlang.

3. Als wir uns daran gewisserart satt geschaut hatten, da trat der Hauptmann zu Mir und sagte: „O Herr und Meister, siehe, die gewissen Naturgeister haben noch keine Ruhe, und nach meiner schon zu öfteren Malen gemachten Erfahrung dauern die Rauch- und Feuerszenen nach einem solchen Sturm, wie wir ihn in dieser Nacht erlebt haben, oft noch mehrere Tage und öfter gar etliche Wochen, und man merkt dabei auch von Zeit zu Zeit recht wohl wahrnehmbare Erdschwebungen, die durchaus nicht geeignet sind, irgendein schwaches Menschengemüt heiter zu stimmen. Warum müssen denn die gewissen Nachwehen eines Hauptsturmes so lange fortdauern?“

4. Sagte Ich: „Freund, du hast in Pella, wo du eigentlich residierst, einen ziemlich bedeutenden Fischteich, den du mit vielen Kosten hast anlegen lassen! So du in diesem Teiche gute und gesunde Fische ziehen willst, so mußt du ihn von Zeit zu Zeit von seinem Schlamme reinigen lassen. Zu dem Behufe aber mußt du ihn zuvor völlig entwässern lassen. Wenn der Hauptschlauch (Hauptrinne) des Teiches geöffnet wird, so stürzt anfangs auch das Wasser gar gewaltig aus dem Teiche durch den geöffneten Abzugsschlauch; nach und nach aber fließt es gemächlicher, und gegen das Ende siehst du das Wasser nur mehr tropfenweise aus dem Schlauche rinnen, und du kannst dann schon mit der Reinigung deines Teiches anfangen. Ja, warum hast denn du bei deinem Teiche nicht einen derartigen Entwässerungsschlauch angebracht, bei dessen Öffnung des Teiches Gesamtwasser in einem Moment entweichen könnte?

5. Siehe, Freund, es geschieht denn alles in der Welt in einer gewissen weiligen (zeitlichen) Ordnung, und nichts kann ohne diese geschehen; und geschieht schon hie und da etwas nicht völlig in der guten weiligen Ordnung, so hat das stets eine verhältnismäßige Zerstörung zur Folge.

6. Beachtet aber schon ihr kurzsichtigen Menschen eine gewisse Ordnung bei euren Handlungen und Arbeiten zur sicheren Erreichung derjenigen Zwecke, die ihr euch vorgesteckt habt, und saget, daß eine schnelle und schluderige Arbeit zu nichts tauge, – sollte Gott als der ewige Werkmeister Seiner großen Werke etwa minder weise und klug sein denn ihr Menschen? Laß daher nur alles also geschehen, wie es eben geschieht, und es ist schon recht also!“

7. Mit dem begnügte sich der Hauptmann und dankte Mir für diese Belehrung.

8. Es hatten aber diese Meine Worte auch die beiden Nachbarn unseres Wirtes mit großer Aufmerksamkeit angehört und sagten zum Wirte: „Du, dieser Galiläer scheint noch um vieles weiser zu sein denn unser Hauptmann! Wir verstanden zwar nicht, um was es sich da eigentlich gehandelt hat, aber so viel ist uns da klar geworden, daß dem Hauptmanne, der den einen, allein wahren Gott sicher gar wohl kennt, diese lästige Naturszene etwas zu lange dauert; doch dieser Galiläer hat ihm durch ein gar köstliches Beispiel die Ordnung gezeigt, die Gott bei all Seinem Handeln stets beachtet und warum. Und siehe, der Hauptmann dankte dem weisen Galiläer sehr für diese Belehrung!

9. Was aber muß dieser Galiläer etwa doch Weiteres noch sein? Denn unser Hauptmann, obschon sonst ein überaus guter und rechtlicher Mann, sagt nicht leichtlich zu jemandem und schon am allerwenigsten zu einem Juden ,Herr und Meister‘! Wie gibt er denn diesem solch eine Ehre?“

10. sagte der Wirt: „Das sehet ihr nun freilich noch gar nicht ein; aber es wird wahrscheinlich nun ehestens ein Moment kommen, in dem ihr das einsehen werdet.“

11. Diese Worte machten die beiden Nachbarn des Wirtes noch um vieles neugieriger, wer und was Ich denn eigentlich wäre. Aber sie getrauten sich weder den Hauptmann und noch weniger Mich darum zu fragen.

12. Es begann aber ein ziemlich heftiger Wind von Osten her zu wehen, und es währte nicht lange, so bekamen wir den stark nach Schwefel und Erdpech riechenden Rauch zu verkosten, und der Hauptmann, seine Tochter und seine Unterdiener, wie auch einige Meiner Jünger, denen der Rauch widrig war, baten Mich, daß Ich solchem Winde gebieten möchte, den bösen Schwefel- und Erdpechdampf auf eine andere Seite zu tragen, wo es keine Menschen gäbe, oder wir möchten uns in die Herberge zurückziehen, um hier nicht zu ersticken.

13. Sagte Ich: „Da sehet nur gegen die Stadt zurück, wie sich eine Masse von Neugierigen herausdrängt, um da zu schauen und zu lauschen, was wir hier täten! Und voran haben sich die Heidenpriester und auch die beiden Rabbis und mit ihnen einige Juden, die uns bei unserer Ankunft anhielten, gestellt; diese sind mir widriger denn dieser von Osten hergetriebene Schwefel- und Erdpechdampf.

14. Darum eben habe Ich den Wind kommen lassen, auf daß er die lästigen Horcher und Lauscher uns vom Halse schaffe. Sehet, wie sie sich schon umzukehren und wieder in die Stadt zurückzuziehen anfangen, da sie befürchten, daß die Sache noch ärger werden könnte! Sie werden sich auch zum größten Teil in der Stadt in ihre Häuser begeben, und wir haben dann einen freieren Spielraum für unser Tun.“

15. Es umstanden aber den Hügel auch einige Bewohner der Stadt, die gleich mit uns herausgezogen waren, und der Hauptmann wollte ihnen durch einen Unterdiener scharf andeuten lassen, daß auch sie sich in die Stadt zurückziehen sollten.

16. Ich aber sagte zum Hauptmanne: „Das sind bessere Seelen; die sollen als Zeugen für die andern nur hier verbleiben!“

17. Das war denn auch dem Hauptmann ganz recht, und die den Hügel unten Umlagernden blieben.

18. Aber die beiden Nachbarn unseres Wirtes wurden nun immer stutziger und sagten zu ihm: „Höre du, Freund, das ist ja doch ein höchst sonderbarer Mann! Dem Winde hat er gewisserart geboten, den bösriechenden Dampf von Osten hierher zu treiben, auf daß er die lästigen, ordentlich haufenweise zu uns herausströmenden Gäste zurücktreibe; und als nun der Hauptmann auch die um diesen Hügel lagernden uns wohlbekannt zwar armen, aber wirklich ehrlichen Seelen abschaffen wollte, so ließ das dieser Mann nicht angehen, und der sonst niemals nachgiebige Hauptmann gehorchte ihm aufs Wort!

19. Zugleich kennt er schon von weitem den Charakter der Menschen und behält die Guten und treibt wunderbar von sich die uns auch nur zu gut bekannten argen Menschen, die außer sich selbst noch niemandem je eine Wohltat erwiesen haben.

20. Wahrlich, ein sonderbarer Mann, dieser Galiläer! Der muß Gott freilich wohl noch um vieles besser und näher kennen denn unser sonst überaus weiser Hauptmann. Na, wir sind doch höchst neugierig, was da noch herauskommen wird!“

21. Sagte der Wirt: „Denket an das, was euch dieser Mann in der Stadt außerhalb der Herberge gesagt hat, und ihr werdet den Punkt, auf dem ihr euch nun befindet, bald näher und heller kennenlernen!“

81. Kapitel. Der Nachbarn Rede über die Macht des Galiläers.

1. Bei dieser Gelegenheit hatten sich auch alle, welche eine böse Neugierde aus der Stadt zu uns heraustrieb, wieder in die Stadt begeben.

2. Als so die Gegend gereinigt war, da gebot Ich mit lauter Stimme, so daß es die den Hügel Umgebenden wohl verstehen konnten, dem Winde, daß er die Schwefel- und Erdpechdünste nicht mehr zu uns herüber, sondern von uns hinweg nach den Wüsteneien des Euphrat tragen solle.

3. Und alsbald schlug der Wind um, und wir waren in wenigen Augenblicken von den Dünsten befreit.

4. Als die beiden Nachbarn des Wirtes das merkten, da sagten sie zum Wirte: „Nun ist es ja doch klar, daß dieser Mann mit einem wahren Gott in einem intimsten Verbande stehen muß und sich Dessen allerhöchster Macht bedienen kann, wann er will. Das ist nun über auch nur den kleinsten Zweifel hinaus vollkommen wahr; aber wie, wo und wodurch kann ein Mensch zu einem solchen Verbande gelangen?

5. Ihr Juden habt denn am Ende doch recht, daß ihr nur an einen Gott glaubet; denn dieser eine Gott wird schon der allein wahre sein, der durch die Macht Seines allweisesten Willens alles erschaffen hat, was wir mit unseren Augen sehen und mit den andern Sinnen wahrnehmen können.

6. Aber wie kommt es denn, daß ihr Juden selbst euch so wenig bestrebt, diesen euren allein wahren Gott näher zu erkennen und eure Handlungen nach Seinem euch bekannt sein sollenden Willen also einzurichten, daß auch ihr mit Ihm in einen solchen Verband kämet, wie dieser höchst zu verehrende Galiläer, als auch ein Jude, gekommen ist?

7. So ihr die Wege zur Erreichung dieses unschätzbaren Zieles, eines Schatzes aller Schätze, wohl kennet und euch doch nicht bestrebt, ihn euch zu eigen zu machen, sondern oft noch mehr nach den vergänglichen, toten Schätzen dieser Erde jaget denn wir blinden Heiden, da seid ihr sehr zu bedauernde Toren.

8. Wir wollen dich nicht zu der Reihe der Juden zählen, wie wir sie in unserer Stadt haben und nur zu gut kennen, – aber das wissen wir auch von dir, daß du in dem, was euren allein wahren Eingott betrifft, eben auch nicht ohne alle Zweifel dastandest; das beste an dir war, daß du keinen Gleisner machtest gleich den andern deines Stammes.

9. Aber sonderbar ist es von den andern Juden, und ganz besonders von ihren Priestern, die da tun und predigen, als hinge es schon pur von ihnen ab, was Gott tun dürfe, – und dennoch vermögen sie ebensowenig wie unsere Priester irgend etwas zu bewirken, was da einer rein göttlichen Macht gleichsähe.

10. Das, freundlicher Nachbar, ist uns nun um so mehr ein Rätsel, da wir an diesem Galiläer selbst uns überzeugt haben, daß er mit dem einen, allein wahren Gott in einem engsten und innigsten Machtverbande sich befindet, ansonst ihm nicht der Wind also gehorchte wie ein Krieger seinem Feldherrn!“

11. Sagte nun der Wirt: „Freunde, ihr habt vollkommen recht, in eurem Staunen über die Macht Gottes in einem fort also zu reden und zu fragen über unsere jüdische Tor- und Blindheit; aber so wir nun miteinander reden, da schweigen die andern, die von der wahren Sache mehr zu reden verstehen denn wir, und das ist auch nicht weise gehandelt! Darum wollen wir über alles das ein anderes Mal reden und nun den andern reden und handeln lassen.“

12. Mit dieser Bemerkung des Wirtes waren die beiden Nachbarn auch vollkommen einverstanden und fragten um nichts Weiteres mehr, sondern warteten, bis Ich irgend etwas reden und tun würde.

13. Es sagte aber der Hauptmann zu Mir: „Herr und Meister, siehe, die Menschen da unten um den Hügel wissen nicht, was sie nun anfangen und was sie von Dir halten sollen! Wäre es nicht an der Zeit, so ich einen meiner Leute hinabsendete und er sie ein wenig aufklärte?“

14. Sagte Ich: „Laß du das nun nur noch gut sein! Ich werde zuvor noch ein Zeichen wirken, und wir werden uns dann wieder in die Herberge begeben. Diese Menschen werden dann auch zu den Ihrigen in die Stadt zurückkehren und ihnen mit einem großen Eifer erzählen, was sie gehört und gesehen haben, und es wird dadurch unter ihnen ein großes Hin- und -Herdenken, -forschen und -raten entstehen, und dann wird es auch an der Zeit sein, ihnen nach und nach stets mehr und mehr zu zeigen, wer Derjenige war, dem die Elemente gehorchten.

15. Nun aber will Ich den sehr trüben Morgen völlig heiter machen und die hie und da noch tätigen Naturgeister zur Ruhe weisen; denn bis jetzt sind deren zur rechten Genüge zur Löse gekommen.“

16. Hierauf gebot Ich den Dünsten auf der Erde und den dichten Wolken in der Luft, zu weichen und die Sonne scheinen und leuchten zu lassen.

17. Und alsbald geschah, wie Ich es geboten hatte. Es ward sogleich der schönste und heiterste Morgen, und man genoß weithin eine ungetrübte Fernsicht.

18. Aber aus den in der Nacht entstandenen Spalten und Ritzen des Erdbodens schossen hie und da – freilich in einer ziemlichen Entfernung von uns – noch immer Flammen empor, die trotz des plötzlich heiter gewordenen Morgens den unten um den Hügel weilenden und staunenden Heiden eben nicht am besten gefielen.

19. In einer kleinen halben Stunde Zeit aber gebot Ich auch diesen Feuergeistern, sich vollends zur Ruhe zu begeben; und sie erloschen, und es war, wohin die Menschen auch ihre Augen wendeten, keine Flamme, aus dem Boden der Erde aufschießend, weder in der Nähe noch in der Ferne mehr zu entdecken. Auch der Wind legte sich, und der Erdboden war, so weit das Auge reichte, wie allerreinst ausgefegt.

82. Kapitel. Die Rückkehr zur Herberge.

1. Jetzt ging das Verwundern erst vollends an, und die Heiden unten um den Hügel fingen an, sich zu befragen, wer und was Ich wäre, woher Ich gekommen sei, und was der Hauptmann zu Mir wäre, da Ich doch kein Römergewand trüge!

2. Einige, die mit der Gotteslehre der Juden vertrauter waren denn ihre Nachbarn, hielten Mich für einen Propheten; denn diese Art von Halbgottmenschen hätten auch derlei gewirkt. Andere hielten Mich für einen in jüdischer Tracht verkleideten größten Magier. Wieder andere bestritten das, da sie an Mir keine Magierzeichen und in Meinen Händen keinen Zauberstab entdeckten. Noch andere hielten Mich für einen Halbgott in Menschengestalt, der sich dem allzeit streng gerechten Hauptmanne offenbarte und nun zur Beglaubigung dessen diese keinem Menschen möglichen Zeichen wirkte.

3. Und so gab es unter diesen Menschen noch eine Menge Meinungen über Mich; aber keiner von ihnen getraute sich, auf den Hügel zu uns zu kommen und allda jemanden zu fragen, wer Ich wäre. Wir aber fingen an, uns von unseren etwas unförmigen Steinsitzen zu erheben und uns zum Rückzuge in die Herberge anzuschicken.

4. Als die um den Hügel noch weilenden und allerlei ratenden Heiden das merkten, da überfiel sie eine Furcht vor Mir, und sie zogen eiligen Schrittes vor uns in die Stadt und begaben sich denn auch alsogleich in ihre Wohnungen, in denen ihre Angehörigen schon auf sie warteten. Daß es darin des Fragens und Erzählens nahe kein Ende nehmen wollte, das läßt sich leicht von selbst denken.

5. Als die besagten Heiden sich in der Stadt befanden, da verließen auch wir den Hügel und begaben uns gemächlichen Schrittes in unsere Herberge, in der schon das wohlbereitete Morgenmahl unser harrte.

6. Als wir in die Stadt kamen, da fanden wir die Heidenpriester schon in der vollsten Tätigkeit, den Menschen zu sagen, wie sie es nur ihnen zu verdanken hätten, daß diese Stadt vor dem Untergang bewahrt wurde und der des frühen Morgens noch so schrecklich und gefahrdrohend aussehende werdende Tag auf einmal durch die durch ihre priesterlichen geheimen Bitten und Gelöbnisse besänftigten Götter in einen herrlichen und jedes Menschen Gemüt erfreuenden urplötzlich verwandelt worden sei, – wogegen sich die Bewohner dieser und auch der andern Städte aber auch ohne Säumens mit allem Eifer bemühen sollten, die Tempel mit den reichlichsten Opfern wohl auszustatten.

7. Nicht minder bemühten sich auch die beiden Judenpriester, in ihrer Synagoge die Juden zu bearbeiten. Aber weder die Heiden noch die Juden zeigten eine große Willfährigkeit, das zu tun, was die Priester von ihnen verlangten.

8. Wir harrten noch eine kleine Weile vor der Herberge und sahen dem Treiben der Priester und des Volkes zu, und die beiden Nachbarn unseres Wirtes sagten: „Hatten wir unrecht, so wir schon ehedem zum voraus sagten, was die Priester, die selbst gar keinen Glauben haben, tun werden, wenn der Tag sich derart aufheitern würde, daß man keinen Nachsturm mehr zu befürchten hätte? Der Tag hat sich durch die Wundermacht des mit offenbar göttlicher Macht begabten Galiläers auf ja und nein völlig aufgeheitert, und wir sind kaum in die Stadt hereingekommen und trafen die während des Sturmes in der Nacht so überaus furchtsamen und allen Glaubens und Vertrauens auf eine göttliche Hilfe baren Priester schon in der größten selbstsüchtigen Tätigkeit!

9. So aber eben die, welche auf dieser Erde die Vertreter der Götter – ob mehrerer oder bloß des einen, allein wahren, was vorderhand eins ist – sein wollen, bei einer Gefahr, in der sie sich am meisten glaubensstark zeigen sollten, die ersten beim Durchgehen und Davonlaufen sind, – wie soll da ein nur ein wenig heller denkender Mensch ihren Worten bei schönem und ruhigem Wetter irgendeinen Glauben schenken?

10. Wir sehen es nur zu klar ein, daß da niemand anders als eben nur die Priester durch ihre übermäßige Herrsch- und Habsucht das Volk notwendig um allen wahren Glauben und um jedes lebendige Vertrauen auf ein allwaltendes und allmächtiges Gottwesen gebracht haben.

11. Steht aber das arme Volk einmal völlig glaubens- und vertrauenslos da, – wer soll es dann wieder in den wahren Glauben und in das alte Vertrauen auf eine übersinnliche göttliche Hilfe zu heben vermögen?

12. Menschen ist das nicht leicht oder schon gar nicht möglich, sondern da müssen die – ob einer oder viele – Götter die Hände ans Werk legen; denn nur durch große Zeichen können ganz blinde Menschen wieder in den Glauben und ins Vertrauen auf eine Hilfe von einer Gottheit gesetzt werden.

13. Daß ihr euch in dieser Nacht von keiner Angst und keiner Furcht vor einer Gefahr in der Herberge habt aus dem Hause treiben lassen, das begreifen wir auch erst jetzt klar; denn wer solch einen Menschen in seinem Hause beherbergt, dem alle Elemente auf einen Wink gehorchen, weil er voll göttlicher Kraft und Macht ist, da ist es leicht, zu glauben und zu vertrauen. Aber auf wen hätten denn wir glauben und vertrauen sollen? Etwa auf unsere etlichen halbzerbrochenen steinernen Götterstatuen, auf unsere Hauslaren oder auf die aus der höchsten Großangst und Furcht zuerst aus ihren Wohnhäusern und Tempeln entlaufenen Priester, die dann ihren Schutz auf dem Platze suchten und um gar keinen Preis mehr in einen Tempel hineinzubringen gewesen wären?

14. Wir suchten denn auch im Freien Schutz, weil ihn unsere Göttervorsteller auch lieber da suchten, wo ihn die Natur dem Menschen noch am ehesten gewährt und finden läßt.

15. Aber es sollte dieser Großmeister in der wahren Gottesmacht und -weisheit diesen großschreienden Priestern auch den Meister zeigen, dann ginge es bei uns bald ganz anders mit dem wahren Glauben und Vertrauen auf den einen, allein wahren, lebendigen Gott; auch die beiden Judenpriester würden sich bald eines andern besinnen und vielleicht wieder zum alten Glauben der ersten Väter zurückkehren.“

16. Sagte Ich nun zu den beiden Nachbarn: „Gehet nun mit eurer Familie in unsere Herberge und haltet mit uns das Morgenmahl! Diese Priester aber lasset nur ihr Geheul forttreiben; denn von den Reichen werden sie wenig der gewünschten Opfer erhalten, und die Armen, die bei uns um den Hügel waren, werden es ihnen schon zu erzählen wissen, wie Der ausgesehen hat, dem die ganze Natur der Erde gehorchte, und es wird sich dann schon noch der Zeit zur Genüge ergeben, in der ihnen ihr Handwerk gelegt wird!“

17. Damit waren die beiden Nachbarn sehr zufrieden, beriefen ihre Familien, begaben sich mit uns in die Herberge und nahmen auch ganz voll guten und heiteren Mutes mit uns das reichlich und wohlbereitete Morgenmahl ein.

83. Kapitel. Die Frage des Hauptmanns nach seinem Verhalten den Priestern gegenüber.

1. Als der gute Wein erst ihre Zungen mehr und mehr gelöst hatte, da waren sie auch um so aufgelegter zu reden und brachten Dinge zum Vorschein, über die sich selbst Meine ersten Jünger hoch zu verwundern anfingen.

2. Während aber die beiden recht viele gute Dinge besprachen, da kam auch einer der beiden Rabbis zu uns in den Speisesaal und machte unseren Wirt darauf eindringlich aufmerksam, daß auch er, als ein Jude, dem Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs ein Opfer darbringen solle, weil Er Sich durch das fromme Gebet seiner beiden Diener in dieser alten Stadt Golan habe bewegen lassen, sein Hab und Gut vor der Zerstörung zu bewahren.

3. Dieser Vortrag des Rabbis machte einen der beiden Nachbarn ordentlich zum Aufspringen ärgerlich, und er erhob sich denn auch schnell von seinem Sitze, ging auf den kecken Rabbi los und sagte (ein Nachbar des Wirtes): „Freund, hat denn keiner von euren alten Weisen und Propheten bei irgendeiner Gelegenheit einmal geweissagt, wann die Zeit kommen wird, in der kein lügenhafter und zur Arbeit träger Priester mehr geduldet werden wird?

4. Schämst du, als ein Priester, dich denn im Ernste nicht, hier uns der Wahrheit beflissenen Menschen mit einer allerdicksten Lüge ins Gesicht zu kommen?

5. Wann und wo hast du zu eurem Gott gebetet um die Erhaltung der Habe und des Gutes dieses meines ehrenwertesten Nachbars und Freundes?

6. Siehe, wir haben dich und deinen dir ganz gleichen Kollegen in der Nacht voll Furcht und Angst auf dem großen Platze heulend und zähneklappernd gesehen, und ihr beide hattet euch einen Punkt ausgesucht, der euch am sichersten zu sein dünkte!

7. Warum seid ihr denn nicht in eurer Synagoge geblieben, wo ihr doch selbst saget, daß euer Gott alldort euer Gebet erhöre? Habt ihr an der starken Mauer am freien Platze für das Wohl eures Volkes gebetet?

8. Oh, wir kennen euch ebenso klar und gut wie unsere eigenen Götterdiener und sagen: Nichts da mehr für euch! Sieh, daß du weiterkommst, sonst dürfte dich ein gar Gewaltiger unter uns weiterkommen lassen!“

9. Hier wurde der Rabbi des Hauptmanns ansichtig, sagte kein Wort mehr und verließ schnell unsere Herberge.

10. Und der Nachbar sagte darauf: „Dem einen, allein wahren Gott der wahren Juden alles Lob, – einen der allerschmutzigsten Gottesleugner sind wir losgeworden!“

11. Sagte der Hauptmann: „Ja, ja, der hat sich wie ein Dieb davongemacht, und sein Kollege wird es bleiben lassen, uns zu besuchen; aber unsere Heidenpriester, die es schon schier werden erfahren haben, daß ich mich hier befinde, werden mich schwerlich unbesucht lassen. So diese kommen, – wie werde ich, als ein römischer Hauptmann, mich zu benehmen haben? Denn ich sollte im Namen des Kaisers der Beschützer der Priester sein; wie aber soll ich das nun, wo ich den einen, wahren, lebendigen Gott habe kennengelernt, Ihn über alles liebe und unser irrwähniges und alles schändlichen Betruges übervolles Vielgötter- und deren Priestertum über alles verachte und hasse?“

12. Sagte Ich: „Nicht also, Mein Freund! Siehe, auch die Priester eurer Götter, die freilich nie irgend in der Wirklichkeit ein Dasein hatten, sondern pur der Phantasie der Menschen, die über ihre Nebenmenschen herrschen wollten, entsprungen sind, sind in dieser Zeit um vieles minder an dem Dasein des finsteren Heidentumes schuldig anzunehmen als die, welche im Anfange, als die Menschen noch an den einen, wahren Gott vollauf glaubten, das Heidentum zu predigen und die Menschen durch falsche Zeichen stets ausgiebiger und zahlreicher zu diesem zu bekehren anfingen!

13. Sie glauben an ihre Götter selbst nicht, erhalten aber das Volk darum dennoch im alten Aberglauben, erstens, auf daß sie bei ihm ihren Broterwerb finden, zweitens, weil sie die Wahrheit nicht haben, und drittens, weil sie auch durch die Staatsgesetze dazu verhalten (verpflichtet) sind und durch ihren einem Oberpriester geleisteten Eid auf den Namen Pantheon, in dem alle eure Götter begriffen sind.

14. So aber eure Priester also bestellt sind, da wirst du sicher wohl einsehen, daß sie nicht so sehr zu hassen als zu bedauern sind. Daher versuche du, auch sie auf den Weg der Wahrheit zu bringen, und haben sie diesen betreten, so sorge für sie, daß sie eine andere Beschäftigung erhalten! Dem Kaiser ist Jude oder Heide eines, so er ihm nur gibt, was sein ist, – und so hast du vom Kaiser aus nichts zu besorgen (befürchten), als würde er dich je zu einer Verantwortung ziehen wegen einiger zum wahren und in Gott lebendigen Judentum übergetretenen Priester des Zeus und des Apollo.

15. Zudem sind die ersten Machthaber in diesem Weltteile in ihrem Herzen schon seit vielen Jahren durch Mich zum lebendigen Judentum übergegangen, so der Oberstatthalter Cyrenius, sein jüngster Bruder Kornelius, in Rom der Staatsmann Agrikola und mehrere an seiner Seite, freilich erst seit einem halben Jahre und etwas darüber.

16. Da diese dir nun genannten Männer nebst noch gar vielen andern vom Kaiser aus noch keine Unbill zu erdulden bekamen, so wirst auch du um so mehr von solcher nichts zu befürchten haben, da Ich dich, so du Mir treu bleibst, Meines besonderen Schutzes versichere und dir auch die Fähigkeit erteilt habe, in Meinem Namen die Kranken zu heilen und die Besessenen von ihren Plagegeistern zu befreien. Und eines mehreren bedarfst du vorderhand nicht.“

17. Als der Hauptmann solches von Mir vernommen hatte, ward er überselig vor großer Freude in seinem Herzen und sagte zu Mir: „Herr meines Seins und Lebens! Dir allein alles Lob, alle Ehre und allen Dank für die so große, von mir niemals verdiente Gnade, Dein Wille werde von uns allen also wie von Deinen Engeln im Himmel vollzogen, und Dein heiligster Name werde allzeit hochgelobt und gepriesen!“

84. Kapitel. Die Bedeutung der Liebe.

1. Diese Worte des Hauptmanns setzten die beiden Nachbarn ins höchste Staunen, und sie sagten zum Hauptmann: „Hoher Gebieter an der Stelle des großen Kaisers, auch wir danken nun dir und auch unserem biedern Nachbar, daß ihr in uns das bestätigt habt, was wir uns schon am Hügel draußen heimlich gedacht haben, aber nicht laut auszusprechen getrauten! Dieser Mann, den wir seiner Kleidung wegen einen Galiläer nannten, ist der eine, allein wahre Gott nicht nur der Juden, sondern aller Menschen und aller Kreatur! Ihm allein sind untertan alle Mächte und Kräfte der Erde, und der Mond, die Sonne und alle die Sterne loben und preisen Seine ewige Weisheit und Macht. Er ist in Sich der ewige Urgeist, und Gott hat den blinden Menschen auf dieser Erde zuliebe Sich als ein vollkommenster Mensch gezeigt, um uns zu zeigen, daß nur Er allein der Herr von Ewigkeit ist über alles, was die Erde und alle Himmel fassen, die ebenso wie diese Erde Sein Werk sind.

2. Oh, wie endlos glücklich sind wir nun, daß wir Ihn nun in unserer Gestalt sehen und erkennen können! Nun sollen unsere Priester nur kommen, und wir werden ihnen den Zeus zeigen!“

3. Hierauf fielen die beiden Nachbarn vor Mir auf die Knie nieder und wollten Mich anbeten; Ich aber hieß sie aufstehen und hören auf Meine Rede. Sie taten das, und Ich lehrte sie bis zum Mittage Meinen Willen und erklärte ihnen viele andere Dinge. Und sie wurden zu Meinen Dienern.

4. Als Ich die beiden Nachbarn unseres Wirtes in allem wohl belehrt hatte, was vorderhand zu ihrem Seelenheile notwendig war und sie das auch wohl verstanden hatten, da dankten sie Mir aus dem innersten Grunde ihres Herzens, und der eine, der am besten zu reden verstand, sagte: „Wahrlich, bei solch einer Belehrung über Gott, dessen Fülle in Dir, o Herr und Meister, wohnt, und über die Bestimmung der Menschen auf dieser Erde, deren wahre Form und Beschaffenheit Du uns überklar beschrieben hast, hätte es für uns keiner so großen Zeichen, die Du hier gewirkt hast, bedurft, und wir hätten Dich aus dem puren Worte erkannt; denn wir nahmen es in uns nur zu bald wahr, daß jegliches Deiner Worte lebendig ist und in uns wie ein Feuer aus den Himmeln alles, was tot war, durchströmte und belebte, und das wirkte auf uns bei weitem mehr und heller überzeugend denn die Zeichen, die, wenn auch noch so außerordentlich und selten, am Ende denn doch eine Ähnlichkeit mit jenen haben, welche von so manchen Magiern und Priestern durch sicher ganz natürliche, aber uns unbekannte Mittel und Kräfte gewirkt wurden und dem freien Willen und dem Verstande der Menschen allzeit um vieles mehr geschadet denn je irgendwo und -wann genützt haben.

5. Aber dennoch danken wir Dir, o Herr und Meister, auch für die hier gewirkten großen Zeichen und auch für den schönen, heiteren Tag, der uns durch Deine göttliche Macht zuteil geworden ist; denn die von Dir hier gewirkten Zeichen werden auf unsere stockblinden entweder Abergläuber oder stoischen Allen-Glauben-Verwerfer erst in der Folge, wenn sie von uns werden bearbeitet werden, eine nachhaltig beste Wirkung machen.

6. Wir sind nun der Zeugen zur Genüge hier, haben auch Mut, nun mit allen Mächten der Nacht und Finsternis unter den Menschen in den Kampf zu treten und auch zu siegen in Deinem Namen, und Du, o Herr und Meister, dem alle Mächte und Kräfte aller Himmel und dieser Erde untertan sind, wirst uns im Kampfe für die lebendige Wahrheit, die wir aus Deinem heiligen Munde vernommen haben, sicher nicht verlassen!“

7. Sagte Ich: „Dessen könnet ihr, als nun Meine lieben Freunde, völlig versichert sein, und Ich erteile nun auch euch die Macht, die Kranken durch das Auflegen eurer Hände in Meinem Namen zu heilen, mit welch einer Krankheit sie auch behaftet sein möchten, und die bösen Geister aus den von ihnen Besessenen zu treiben. Und also von Mir ausgerüstet, könnet ihr euch schon – doch stets behutsam und klug – mit der Macht der Lüge und des schwarzen Truges in den Kampf begeben, und die Palme des Sieges wird nicht unterm Wege verbleiben.

8. Doch alles, was ihr tut und tun werdet in Meinem Namen, das tut aus Liebe, um die Liebe im Herzen derer zu wecken und zu beleben, die ihr für Mein Reich gewonnen habt.

9. Ist deren Liebe in ihren Herzen kräftig und voll Lebens geworden, und werden sie euch irgend Gegenliebe erweisen wollen, so lasset das mit freudigem Herzen auch angehen; denn nur die mächtige Liebe und Gegenliebe beleben sich und erzeugen ein vollkommenes, neues Leben!

10. Doch im Anfang müsset ihr, als die zuerst mit der rechten Liebe aus Mir Erfüllten, auch nur mit dieser Liebe zu wirken beginnen! Denn so da jemand, der sich ein rechtes Weib nehmen möchte, sich um die Hand einer Jungfrau bewirbt, zu den Eltern hingeht und seinen Wunsch ausspricht, aber dabei die Jungfrau wie auch ihre Eltern nichts von einer Liebe merken läßt, sondern nur gleich sich um die Größe und um den Wert ihrer Schätze erkundigt, – wird der wohl die Liebe der Jungfrau und ihrer Eltern je für sich gewinnen? Ich meine, daß er dabei schlecht zum erwünschten Ziele gelangen wird. Denn wer die Liebe nicht hat, der wird auch schwer eine Gegenliebe finden. Wer aber mit aller Liebe die Gegenliebe sucht, der wird sie auch finden; und hat er sie gefunden, so wende er sich von ihr nicht ab, so sie ihm mit aller Freude werktätig entgegenkommt.

11. Seht und nehmt euch alle an Mir ein rechtes Exempel! Ich kam ungerufen aus purer Liebe zu euch hierher und erwies euch sofort auch alle Liebe, ohne irgend von jemand ein Entgelt zu verlangen; da ihr Mich aber erkannt habt und Mir nun mit aller Liebe entgegenkommt, so nehme Ich solche eure Liebe auch mit freudigem Herzen auf und verschmähe es nicht, an eurem Tische mit Meinen Jüngern zu essen und zu trinken. Und würde Ich das nicht tun, möchte das freudig stimmen eure Herzen? Sicher nicht, und so denn erweiset den Menschen zuerst Liebe ohne Entgelt; so euch dann die Menschen mit aller Liebe wieder entgegenkommen, da nehmet – aber allzeit mit Ziel und Maß – von ihnen, was sie euch bieten!

12. Werdet ihr also handeln, so werdet ihr auch bald Mein Reich auf dieser Erde unter den Menschen in Hülle und Fülle ausgebreitet und keine Not zu erleiden haben.

13. Wie aber Hochmut, Zorn, Neid, Geiz, Habsucht und dergleichen Laster mehr auch dasselbe bei den andern Menschen hervorrufen, so auch ruft die wahre, uneigennützige Liebe sich selbst bei den andern Menschen hervor; darum tuet alles aus Liebe, und ihr werdet dadurch den Samen der Liebe in die Herzen der andern Menschen säen, der für sie und für euch bald zu einer segensreichsten Ernte wird schon hier, und um so mehr dann erst jenseits im andern und ewigen Leben der Seele durch Meinen Liebegeist in ihr!“

14. Diese Meine Rede begriffen alle wohl und gelobten sie auch im Geiste der vollen Wahrheit zu erfüllen.

85. Kapitel. Die Heidenpriester verteidigen ihr Verhalten in der Sturmnacht.

1. Als sie sich voll Freude über diese Meine Lehrrede unter sich besprachen, da kamen ein paar der ersten Heidenpriester in unsere Herberge, um den Hauptmann zu begrüßen, dessen Gegenwart sie von jenen Ärmeren erfahren hatten, die am Morgen unseren Hügel umlagert hatten; hauptsächlich aber kamen sie eigentlich darum in unsere Herberge, um den Mann in galiläischer Tracht selbst näher kennenzulernen, von dem sie durch den Mund der bekannten Ärmeren erfahren hatten, daß am trüben Morgen die mächtigen Elemente seinem Worte und Willen gehorcht hatten.

2. Als sie in den Speisesaal traten, da machten sie sogleich eine tiefe Verbeugung vor dem Hauptmann und sagten (die Priester): „Vergib uns, du hoher Gebieter im Namen des großen und mächtigen Kaisers durch die Allmacht der Götter und ihrer vornehmsten Diener aus der Zahl der Menschen, die sie dazu durch ihren unsichtbar wirkenden Willen erwählt und gemacht haben! Hast du auch für uns irgendein neues Gebot aus der großen Kaiser- und Götterstadt Rom, so wolle es uns gnädigst bekanntmachen, wie und wann es dir am geeignetsten dünkt, auf daß wir uns danach richten können!“

3. Sagte der Hauptmann: „Diesmal habe ich kein neues Gebot, weder für euch noch irgend fürs Volk; denn unsere Gesetze sind fest gestellt, und es ist bis jetzt kein neues hinzugekommen. Aber es ist mir etwas von euch zu Ohren gekommen, was meinem Gemüte keine Freude macht.

4. Warum betrügt und belügt ihr denn das Volk und wollet dadurch zu eurem Leibesbesten von ihm Opfer erpressen, weil ihr vorgebt, daß es nur euch zu verdanken habe, daß die erzürnten Götter in dieser Nacht die Stadt und die ganze Umgegend nicht zu einer Wüste gemacht hätten, und daß sich der trübe und noch unheilschwangere Morgen plötzlich in einen heiteren Tag umgewandelt habe? Solches prediget ihr ganz keck vor dem Volke, das euch doch selbst während des Sturmes und Erdbebens zuerst aus euren Tempeln und Wohnungen hat fliehen und im Freien Schutz suchen sehen! Heißt das den Glauben beim Volk aufrichten – oder denselben vernichten?

5. Wenn das Volk bei solchen Gelegenheiten eben bei den mutigst und gläubigst sein sollenden Priestern, die sich doch stets als treue Diener und Freunde der Götter loben und rühmen lassen, nichts als die höchste Angst, Furcht und eine vollste Vertrauens- und Glaubenslosigkeit entdeckt, – wie soll es dann, wenn die Gefahr vorüber ist, den Worten solcher Priester – wie ihr euch schon etwa zu öfteren Malen erwiesen haben sollet – noch etwas glauben, von denen es nur zu gut aus der Erfahrung weiß, daß sie selbst nicht einen Funken irgendeines Glaubens und Vertrauens an eine höhere Göttermacht besitzen? Und wie können solche Priester dann vors Volk treten und es auf eine derbste und frechste Art zu belügen anfangen?“

6. Sagte darauf einer der beiden Heidenpriester: „Vergib mir, du hoher Gebieter; in dieser unserer Sphäre hast du nicht völlig richtig geurteilt! Es ist schon wahr, daß ein Priester bei so manchen gefahrvollen Gelegenheiten stets den größten Mut und ein überaus festes Vertrauen auf die mögliche %Hilfe der hohen Götter vor dem zaghaften Volke an den Tag zu legen hat, um ihm Mut einzuflößen und in seinem Gemüte den Glauben und ein festes Vertrauen zu wecken; aber bei außerordentlich gefahrvollen Gelegenheiten soll auch der Priester vor dem Volke zeigen, daß auch er die Götter fürchtet, so sie durch das gewaltige Toben der Elemente den Menschen ihren Zorn offenbaren.

7. Ein Priester ist wohl ein Vermittler zwischen den Göttern und den Menschen, doch ein Herr gleich den unsterblichen Göttern ist er nicht und wird es niemals sein; denn sterben muß auch der Priester, gleich wie ein jeder Mensch, und so hat auch er die Götter zu fürchten.

8. Solange die Götter nur durch Blitz, Donner, starke Winde, gewaltige Regen, Hagel, Schnee und große Kälte zur ungewöhnlichen Zeit, in der sie den Früchten der Erde schadet, den Menschen anzeigen, daß sie da und allmächtig sind, da kann der Priester schon noch mit einem größeren Mute vor dem geängsteten Volke auftreten, es trösten und stärken und den Glauben und das Vertrauen beleben und erhalten; aber so die Götter manchmal in die Grundfesten der Erde, dieselben erschütternd, mit ihrer Macht eingreifen und das Unterste nach oben zu kehren drohen, da hat auch der Glaube des Priesters samt dem Boden der Erde zu wanken das Recht.

9. Er kann bei sich immerhin durch Gebete und durch allerlei taugliche Gelübde die Götter zu besänftigen trachten, aber dabei auch an den Tag legen, daß auch er nur ein schwacher Mensch ist und die Götter allzeit zu fürchten hat.

10. Siehe, du hoher Gebieter, weil sich die Sache also verhält, so taten wir in dieser wahren Schreckensnacht denn wohl nicht unrecht, daß auch wir in der Tat unsere gerechte Furcht vor der Allmacht der Götter dem Volke zeigten! Da aber die erzürnten Götter sich von uns Priestern wieder haben besänftigen lassen wegen der ihnen gemachten Gelübde, so ist es nun aber an der Zeit, das Volk davon in Kenntnis zu setzen, was es samt uns zu tun hat, um den von uns Priestern den Göttern gemachten treuen Gelöbnissen ohne Rückhalt und irgendwelche strafbare Säumnis vollends nachzukommen, ansonst bei einer künftigen Gelegenheit, in der die Götter noch erzürnter sich zu zeigen anfangen könnten, eine Besänftigung derselben sehr schwer mehr zu erhoffen wäre. Denn nur sieben Male haben die Götter eine Geduld mit den Hauptschwächen der Menschen; doch ein achtes Mal findet man schwerlich mehr eine Nachsicht und Geduld bei ihnen.

11. Und da wir solches nun dem Volke eindringlich bekanntmachen, so handeln wir sicher ganz gut und gerecht vor den Göttern und vor den Menschen, die noch irgendwelchen Glauben und einen guten Willen besitzen, und es kann nicht gesagt werden, daß wir dadurch das Volk in dem Glauben und Vertrauen an die Götter schwächen.

12. Und ich meine, daß ich unser Handeln mit dieser meiner kurzen Darstellung vor dir, hoher Gebieter, mehr denn zur vollen Genüge gerechtfertigt habe. Ich habe geredet!“

86. Kapitel. Der Hauptmann belehrt die Priester über die Nichtigkeit des Götzendienstes.

1. Sagte darauf der Hauptmann: „Geredet hast du nun wohl ganz gut, und es hatte deine Rede einen ganz vernünftigen Sinn; aber sie hat vor mir dennoch nur einen höchst geringen Wert, weil ihr Sinn und die Wahrheit in dir sehr weit voneinander entfernt sind. Denn siehe, fürs erste hast du selbst nicht einen Funken Glauben und Vertrauen an die Götter, was ich dir sowie allen deinen Kollegen auf das handgreiflichste aus meinen vielen Erfahrungen wohl beweisen könnte, – und weil du selbst keinen Glauben an irgendeinen Gott hast, so ist fürs zweite deine Rede vor mir nichts als ein eitel leeres Wortgepränge und hat keinen Wert vor mir.

2. Ich sage dir aber nun das nicht deshalb, um dich und deine Kollegen eures Benehmens wegen irgend strafen zu wollen; aber das sage und bedeute ich dir damit, daß ihr mit allem eurem weise scheinenden Geschrei vor dem Volke, dessen besserer Teil euch schon lange haarklein durchschaut hat, eine schlechte Wirkung erzielen werdet, besonders in dieser Zeit, in der sich unter den Juden die hellste Wahrheit über das Dasein nur eines allein wahren Gottes und über die Art, wie man Ihn verehren soll, und über die Bestimmung des Menschen zur höchsten Evidenz auszubreiten anfängt und bereits gar viele der besseren Heiden sich zu dem neuen Glauben der Juden wenden und in ihm einen wahren Trost und eine best- und festest gegründete Beruhigung finden.

3. So ihr davon sicher auch schon Kunde erhalten habt, – warum habt ihr euch davon noch keine Überzeugung zu verschaffen gesucht, und warum verharret ihr hartnäckig vor dem Volke bei dem, was ihr selbst noch nie geglaubt habt, es aber dennoch das Volk glauben machen wollt durch euer leeres Geschrei?

4. So ihr in euch von der Nichtigkeit unseres Göttertums überzeugt seid und an sie keinen Glauben habt, so suchet zuerst für euch selbst die Wahrheit; und habt ihr sie irgend gefunden, so enthaltet sie dem nur nach der vollen Wahrheit dürstenden Volke nicht vor, und ihr werdet euch dadurch dem Volke und dem Staat sicher nützlicher erweisen denn durch euer leeres Geschrei!

5. Machet aus den Götzentempeln Unterkunftswohnungen für eure Armen und Kranken, und kehret auch den Fremden nicht den Rücken, und ihr werdet dadurch die wahre und lebensvolle Gnade bei dem einen, allein wahren Gott finden, die euch sicher mehr nützen wird denn alle die toten Erdschätze, die ihr durch euer unsinniges Geschrei bei allen solchen Gelegenheiten, wie die diesnächtliche war, vom Volke erpreßt habt!“

6. Sagte hierauf der Heidenpriester: „Hoher Gebieter, du hast nun vollkommen die Wahrheit gesprochen, und es steht mit uns denn auch gerade also; aber wohin sollen wir uns wenden, um jene lebendige Wahrheit zu finden, die uns und auch dem Volke mehr nützen würde als der Besitz aller Schätze der ganzen Erde? Und was sollen wir, so wir diese Wahrheit gefunden und danach auch das Volk belehrt und bekehrt haben würden, unseren Oberpriestern dann erwidern, so sie uns zur Verantwortung zögen darob, daß wir das Volk von dem, was sie lehren und haben wollen, abwendig machen und es zum reinen Judentum bekehren?“

7. Sagte der Hauptmann: „Wohin ihr euch zu wenden habt, um die reine und lebendige Wahrheit und den einen, allein wahren Gott kennenzulernen und also auch Seinen Willen, da kann ich euch den allerkürzesten Weg zeigen.

8. Seht, hier mir zur Rechten sitzend ist der Mann, der euch die reinste Wahrheit in aller Fülle zeigen kann, und Er ist auch in Sich eben Derjenige Selbst, dem alle Kräfte und Mächte der Himmel und dieser Erde gehorchen! Werdet ihr das erkennen und wohl einsehen, da wird es euch schon von selbst klar werden, was ihr denen zu sagen habt, die euch danach fragen würden, warum ihr, samt dem euch anvertrauten Volke, zum wahren Judentum übergetreten seid.

9. Übrigens sind wir Römer in bezug der verschiedenen Götterlehren ja ohnehin sehr duldsam und verwehren niemand seine Art und Weise, in der er sich irgendeine Gottheit vorstellt und an sie glaubt und auf sie vertraut, was ihr ebensogut wisset wie ich; denn haben die Römer auch viele Völker in Asien, Afrika und Europa besiegt und zu Untertanen Roms gemacht, so haben sie ihnen doch ihre Götterkunde stets unangetastet gelassen und haben den fremden Göttern auch in Rom Tempel errichtet. Es ist also Rom in dieser Hinsicht duldsam, und ihr habt daher nichts zu befürchten, und hier in Asien um so weniger, indem da ja ohnehin das Judentum als Gotteslehre herrschend ist.

10. Ich habe euch nun den Weg zur reinen und lebendigen Wahrheit gezeigt, und ihr könnet nun tun, wie es euch beliebt.“

87. Kapitel. Die Befragung der Priester durch ihre Kollegen.

1. Auf diese Rede des Hauptmanns besahen Mich die beiden Priester vom Haupte bis zu den Füßen, und der eine fragte Mich, sagend: „Wer bist du denn, da dir unser Gebieter vor uns ein Zeugnis geben mochte, das man wahrlich nur einem Gott geben kann? Rede du selbst von dir, und wir wollen dir glauben, was du auch reden wirst!

2. Bist du etwa eben derjenige, von dem uns draußen unsere Armen erzählten, daß er den Winden, den Wolken und dem Feuer gebot vom Hügel Talba, und sie gehorchten ihm?“

3. Sagte Ich: „Ja, ebenderselbe bin Ich! Das Zeugnis des Hauptmanns ist wahr, haltet euch an dasselbe, – alles andere, was euch und eurem Volke not tut, werdet ihr von diesem Wirte und seinen beiden Nachbarn erfahren.

4. Werdet ihr vollgläubig danach handeln, so werdet ihr in euch das ewige Leben erwecken und es dann auch für ewig behalten. Denn Ich Selbst – obwohl vor euren Augen seiend ein Menschensohn – bin der Weg, die Wahrheit und das ewige Leben. Wer an Mich glaubt und nach Meiner Lehre vollkommen tut, der wird leben der Seele nach ewig, so er auch stürbe dem Leibe nach viele Male.

5. Wie aber Meine Lehre lautet – ganz kurz und für jedermann leicht faßlich –, das werdet ihr schon von denen erfahren, die Ich euch angezeigt habe. Und so denn möget ihr nun schon wieder zu euren Kollegen hinausgehen und ihnen sagen, was ihr vernommen habt! Sie sollen vom Volke zur Versöhnung der nichtigen Götter keine Opfer mehr erpressen; denn so sie das forttun, dann werde Ich den Mächten der Erde noch einmal den freien Lauf lassen, und sie mögen dann zusehen, wie es ihnen ergehen wird!“

6. Als die beiden Heidenpriester das von Mir vernommen hatten, sagten sie kein Wort mehr, sondern verneigten sich tief vor Mir und auch vor dem Hauptmann und begaben sich schnell hinaus auf die breite Straße zu ihren Kollegen, die dem Volke noch allerlei Wundermärchen über die Götter erzählten und so manchen Pfennig bekamen.

7. Als die beiden hinauskamen, ersahen sie ihre Gefährten, gingen auf sie zu und fragten sie voll Neugier, was sie beim Hauptmann ausgerichtet hätten, und was es mit Mir für eine Bewandtnis habe.

8. Die beiden aber sagten: „Ihr, unsere lieben Freunde, hört! Die Sache ist von höchster Wichtigkeit, und wir werden später in unserer Wohnung ausführlich davon reden; doch hier auf der offenen Straße ist kein Ort, über derlei Dinge zu reden.

9. Der Mann jedoch, von dem uns die Armen erzählten, daß Ihm alle Mächte, Kräfte und Elemente der Erde gehorchen, scheint mehr denn ein purer Mensch zu sein! Und Dieser hat ganz entschieden zu uns gesagt, daß wir von unserem Sühnopfersammeln für die Götter, die nichts seien, sogleich abstehen sollen, ansonst wir von Ihm noch etwas Ärgeres würden zu erleiden bekommen, als was wir in dieser Nacht zu erleiden hatten. Daher stehen wir von unserer Sammlerei denn auch alsogleich ab und begeben uns in unsere Burg; dort werden wir beraten, was da fürder zu tun sein wird! Denn es muß an der Sache des höchst sonderbaren Menschen im vollsten Ernste vieles gelegen sein, ansonst unser Hauptmann, der alles wohl zu prüfen versteht, eben diesem Manne nicht so sehr huldigen und Ihm ein Zeugnis vor uns geben würde, das man nur einem klar und wohl erkannten Gott geben kann. Doch hier nichts Weiteres mehr von dieser Sache!“

10. Auf diese Worte der beiden Priester wurden alle in hohem Grade betroffen, ließen das Sammeln und begaben sich in ihre Burg, und einige der ersten Bürger dieser Stadt begleiteten sie in großer Spannung.

11. Als sie in der Burg anlangten, die mit allerlei Götzenstatuen geziert war, da bestieg der eine der beiden, die bei Mir in der Herberge waren, die Rednerbühne und sagte: „Wollet mich denn nun vernehmen! Ich werde euch in der möglichen Kürze das mitteilen, was ich in der Judenherberge von unserem weisen Hauptmanne und dann aber hauptsächlich von dem sonderbaren Mann vernommen habe, das wir uns alle im hohen Grade zu Gemüte zu nehmen haben; denn ein Mensch, dem alle Mächte und Kräfte der Himmel und der Erde gehorchen, ist sicher mehr, größer und beachtenswerter denn alle unsere Götter, von denen niemand von uns mit irgendeiner überzeugenden Bestimmtheit sagen kann, daß sie jemals waren oder jetzt in der Wirklichkeit irgend sind außer in den Tempeln, gemacht von Menschenhänden.

12. Niemand hat irgend erlebt, daß einer unserer vielen Götter ein wahres Wunder gewirkt hätte. Was da vor dem blinden Volke als ein Wunder gewirkt ward unter der Anrufung eines oder des andern Gottes, das hat nicht der angerufene Gott, sondern – wie wir es wohl wissen – nur der in der Magierkunst wohlbewanderte Priester durch die ihm zu Gebote stehenden Mittel bewirkt; ohne solche Mittel aber hat noch niemals, zum wenigsten unseres guten Wissens, selbst der Pontifex maximus in Rom ein Wunder gewirkt.

13. So aber dieser Mensch, von dem ich rede, ohne alle irgend begreifbaren Mittel, sondern nur durch Sein Wort und durch Seinen Willen allen Mächten der Himmel und der Erde gebietet und sie Ihm gehorchen, so ist solch ein Mensch ganz allein ein wahrer Gott, und alles, das wir mit dem Worte Gott bezeichnen, ist nichts als eine Ausgeburt der menschlichen Phantasie und ist fürderhin von keinem denkenden und die Wahrheit suchenden Menschen als ein wirklich irgend seiendes Etwas anzunehmen.

14. Das ist eine notwendige Einleitung zu dem, was ich euch zu sagen und zu erzählen versprochen habe. Bevor ich euch aber das mitteile, was ich vom Hauptmanne und dann von dem Gottmanne vernommen habe, wollet ihr euch äußern, was ihr von eben diesem Gottmanne haltet!“

15. Sagten alle: „Rede du nur weiter und erzähle uns, was du vom Hauptmann und ganz besonders aber von dem Gottmanne vernommen hast; denn von all dem, wovon du überzeugt bist, daß es eine volle Wahrheit ist, sind auch wir überzeugt, daß es eine volle und vollkommene Wahrheit ist! Daher gehe du nur gleich zu der Hauptsache über; wir werden dich mit der größten Aufmerksamkeit anhören!“

88. Kapitel. Der Entschluß der Priester.

1. Hierauf fing der Redner das Versprochene ganz ausführlich zu erzählen an, was er vom Hauptmanne und von Mir vernommen hatte, und alle wurden voll des höchsten Staunens schon während des Erzählens; und als der Redner alles genau wiedergegeben hatte, was er in der Herberge vernommen und was er auch selbst mit dem Hauptmanne und auch mit Mir geredet hatte, da sagten alle: „Wenn also, dann bleibt uns wohl freilich nichts anderes übrig, als völlig zu glauben, daß der Gottmann wahrlich ein lebendiger Gott ist, neben dem kein anderes Wesen als ein Gott anzunehmen und zu verehren ist; und so wir Seine Lehre und durch sie auch Seinen Willen aus dem Munde des Hauptmanns oder aus dem Munde eines andern Kundigen vernehmen werden, so werden wir das zu unserem Lebensgesetze machen und werden danach dann strenge handeln.

2. Doch unsere Götterlehren und Mythen samt den Statuen und Bildern werden wir für immer hinwegschaffen und auch unsere Kinder in der neuen Lehre unterweisen; ihr Priester aber werdet vor allem dafür sorgen, daß diese neue Lehre von jedermann vernommen, wohl verstanden und in ihrem gesetzlichen Teil strenge beachtet wird.

3. Aber nun wird es an der Zeit sein, daß wir alle hingehen und dem Gottmanne unsere erste, Ihm allein gebührende, möglich höchste Verehrung darbringen und mit ihr auch den Dank für die von uns nie verdiente Gnade, die Er uns dadurch erwiesen hat, daß Er zu uns kam und Sich uns sichtbar wohl zu erkennen gab.“

4. Mit diesem Antrag waren alle vollkommen einverstanden, verließen die Priesterburg, begaben sich zu unserer Herberge und wollten auch gleich in dieselbe eintreten.

5. Da aber der Hauptmann das von Mir erfuhr – wie auch alle, die in der Herberge sich befanden –, was in der Priesterburg verhandelt worden war, so fragte er Mich, ob die Kommenden wohl in die Herberge, wo der Raum ein beschränkter sei, eingelassen werden sollten, oder ob man ihnen bedeuten solle, daß sie draußen warten sollen, bis es Mir genehm wäre, zu ihnen hinauszukommen.

6. Ich aber sagte: „Lasset sie alle zu Mir kommen, die da mühselig und mit allerlei Nacht belastet sind, und Ich will sie alle erquicken! Die zu Mir wollen, denen soll die Tür aufgetan werden, und sie werden in Mir Den finden, den sie lange vergeblich suchten und mit aller ihrer Weltweisheit nicht finden konnten. Wo Ich bin, da gibt es auch Raum für jeden, der Mich liebt und sucht.“

7. Als der Hauptmann solches von Mir vernahm, da ging er selbst zur Tür und öffnete sie, als die Angekommenen schon vor der Türe harrten und unter sich berieten, wer von ihnen zuerst in die Herberge treten solle; denn als die bewußten Angekommenen zu der Herberge kamen mit dem Vorsatz, alsogleich in die Herberge einzutreten, befiel sie eine kleine Angst, und es getraute sich keiner, zuerst die Tür zu öffnen.

8. Als aber der Hauptmann selbst die Tür geöffnet hatte, da verneigten sich die Angekommenen vor ihm, und die beiden Priester fragten ihn, ob sie in die Herberge gehen dürften, um Mir zu geben die Ehre und den Dank für die Gnade, daß Ich auch zu ihnen in diese alte und sehr abgelegene Stadt gekommen sei und Mich von den blinden Menschen habe als der eine, allein wahre Gott erkennen lassen.

9. Sagte der Hauptmann: „Der Herr hat ein Wohlgefallen an euch, da Er um euer aller Beschluß, den ihr in der Halle gefaßt habt, gar wohl weiß, und so möget ihr nun wohl in die Herberge eintreten!“

10. Auf diese Antwort des Hauptmanns traten alle mit der höchsten Ehrfurcht in den Speisesaal, verneigten sich tiefst vor Mir, und die beiden Priester hielten eine wohlgeordnete Anrede an Mich und beendeten sie mit dem Dank, den sie alle Mir, schuldigst sich dünkend, darbringen wollten.

11. Als sie ihre Rede beendet hatten, da erhob Ich Mich, segnete sie und sagte: „Wohl jedem, der zu Mir kommt und Mich erkennt wie ihr nun! Denn wer Mich erkennt, der hat schon ein Licht dazu überkommen von Mir, daß er Mich erkennen und dann an Mich lebendig glauben kann.

12. Aber es ist dies Licht nun bei euch nur ein kleines Flämmchen in eurer Seele; so ihr aber erst Meine Lehre und mit ihr auch Meinen Willen werdet überkommen haben und werdet danach handeln und leben, so wird euer nunmaliges kleines Licht zu einer Sonne werden, und ihr werdet dann erst in die volle Wahrheit alles Lebens und Seins gelangen und in euch selbst erwecken das ewige Leben.

13. Der Wirt hier aber wird euch geben die Lehre, die er von Mir erhalten hat, und seine beiden Nachbarn und seine Leute werden für euch rechte Zeugen sein und euch vieles sagen, das ihr nun noch nicht wisset; so ihr aber solches wissen werdet, dann erst werdet ihr über Mich vollends ins klare kommen.

14. Nun aber setzet euch an einen Tisch und nehmet zu euch etwas Brot und Wein, und stärket eure Glieder; darauf wollen wir noch einiges miteinander besprechen und anordnen.“

15. Darauf setzten sich die Heidenpriester mit etwelchen ersten Bürgern dieser Stadt an einen noch unbesetzten Tisch, und es ward ihnen alsbald Brot und Wein dargereicht, und sie aßen und tranken ganz wohlgemut; denn sie hatten schon Hunger und Durst.

89. Kapitel. Der Dank der Priester.

1. Als der Wein ihnen die Zungen regsamer gemacht hatte, da fingen sie untereinander an, über allerlei ihnen bekannte Weise aus der Vorzeit zu reden und zu urteilen, und waren bald dieser und bald wieder einer andern Meinung. Am Ende kamen sie denn auch auf die jüdischen Weisen und Propheten, und der erste Priester wußte vieles von Moses und Jesajas, die er für die zwei größten Weisen der Juden hielt; nur gefiel ihm die oft zu verhüllte Sprache nicht, und er meinte, daß das überhaupt ein Fehler der meisten alten Weisen wäre, daß sie selten ganz klar und offen vor dem Volke geredet und geschrieben hätten, und daß gar viele Irrtümer eben dadurch ins Volk übergegangen seien, was bei einer klaren und unverhüllten Redeweise niemals hätte stattfinden können.

2. Als sie noch also untereinander redeten, gab Ich dem Jakobus M. einen Wink, daß er den irrig Urteilenden eine rechte Aufhellung geben solle; denn dieser Jünger war in dem Fache schon ganz wohl bewandert und verstand die Entsprechungen zwischen den geistigen und natürlichen Dingen wohl.

3. Er ging darum zu den Priestern der Heiden hin, grüßte sie und fing an, ihnen die Gründe kundzugeben, warum Moses und also auch die andern Weisen und Propheten nur so wie sie gerade geredet und geschrieben haben und nicht anders haben reden und schreiben können.

4. Die Priester und auch die Bürger hatten das bald aufgefaßt und recht wohl begriffen und lobten daher sehr den Jünger und gaben Mir die Ehre und einen rechten Dank, daß Ich auch einem Menschen eine so tiefe Einsicht in die rein göttlichen Dinge gegeben habe.

5. Darauf ging der Jünger wieder an seinen Platz, und die Heidenpriester und die bei ihnen seienden Bürger urteilten nun ganz anders über die Rede- und Schreibweise der alten Weisen und brachten viele gute Dinge zum Vorschein, über die sich auch unser Hauptmann recht sehr verwunderte, sich auch zu ihnen begab und mit ihnen zu reden begann und ihnen auch so manches, was er von Mir wußte, ganz offen kundgab, worüber die Heidenpriester und anwesenden Bürger eine größte Freude an den Tag legten.

6. Es ward ihnen vom Hauptmanne auch die wahre Gestalt der Erde, die Art ihrer Bewegung und ihre Größe, sowie auch der Mond, die Sonne, die Planeten und die andern Gestirne in Kürze so faßlich als möglich dargestellt, und die Unterrichteten hatten darüber eine große Freude.

7. Und einer sagte: „Wenn sicher also und nicht anders, in wie vielen Irrtümern sind da eine Unzahl von Menschen noch tiefst begraben, und wann wird es bei ihnen auch darin licht und helle werden?“

8. Und der Hauptmann sagte: „Freunde, das überlassen wir allein dem Herrn; denn Er allein weiß es am allerbesten, in welcher Zeit Er einem Volke in allen Dingen ein größeres Licht zu geben hat! Von nun an aber wird das rechte und hellste Licht nach Seinem Willen schon in der Eile unter die Menschen, die eines guten Willens sind, verbreitet werden, und wir selbst werden bei diesem Geschäft unsere Hände nicht in den Schoß der Trägheit legen!“

9. Sagten alle: „Wahrlich, das werden wir nimmer; denn nun wissen wir es in aller Wahrheit, was wir zu tun haben, und für wen und warum!

10. O der langen Geistesnacht, die schon unsere Urväter und nun auch uns mit ehernen Banden gefangenhielt! Dem Herrn und allein wahren Gott ohne Anfang und Ende, in dem alle Mächte und Kräfte vereint sind, alle Ehre, alles Lob und allen Dank, daß Er Sich so tief herabgewürdigt hat, Selbst Fleisch und Blut anzuziehen, um uns aus der alten Nacht des Todes zu erlösen! Denn ein Mensch, der in allen Dingen und Erscheinungen, die ihn umgeben, in der größten Irre und vollsten Geistesblindheit sich befindet, ist am Ende, beim rechten Lichte betrachtet, ja um vieles ärger daran als jedes Tier und ist so gut wie tot anzusehen.

11. Aber wenn er im Geiste erweckt wird, dann erst wird er lebendig und steht mit seiner reinen Gotteserkenntnis und -liebe hoch erhaben über aller andern materiellen Kreatur.

12. Bis jetzt war unser Leben nur ein eitler Traum, in dem der Träumende wohl auch ein verworrenes Dasein fühlt, sich aber von nichts eine wahre Rechenschaft geben kann, daher auch nichts einsieht und der Wahrheit nach begreift.

13. Aber unser Traumzustand hat nun durch die Gnade des Herrn ein Ende genommen, wir sind wach geworden und leben nun in der Wirklichkeit. Und welch eine Seligkeit ist da das Leben, in dem man zum vollen Bewußtsein gelangt, daß man wirklich und wahrhaft lebt und das Leben auch nicht mehr verlieren kann, so man in Dem verbleibt in der rechten Liebe, der ewig das Urleben alles Lebens Selbst ist ohne Anfang und Ende. Oh, wie glücklich fühlen wir uns schon jetzt in der vollen Gegenwart Gottes, des ewigen Herrn über alle Dinge, obschon uns noch des Leibes Schwere und Gericht drückt; wie endlos glücklich aber werden wir uns erst dann fühlen, so uns der Herr bald auch von dieser Bürde erlösen wird!

14. Doch zuvor sollen noch möglichst viele unserer armen Mitbrüder durch uns auch zum Leben des Geistes aus ihrem Todesschlaf und eitlen Traum erweckt werden; denn was uns nun gar so selig gemacht hat, das soll in der Folge gar viele tausendmal Tausende von Menschen durch unsere Mühe ebenso selig machen!“

15. Auf diese gute Rede wurde der Redner selbst ganz gerührt und konnte vor Tränen nicht mehr weiterreden.

90. Kapitel. Vom Verhalten der wahren Jünger Jesu. Der Dank in Aphek

1. Hier erhob denn auch Ich Mich von Meinem Stuhl, trat mit freundlicher Miene hin zu den Heidenpriestern und etlichen Bürgern dieser Stadt und sagte: „Höret, so ihr in Meinem Namen Mein Licht und Reich mit der rechten und uneigennützigen Nächstenliebe unter euren noch in tiefer Finsternis schmachtenden Brüdern und Schwestern ausbreiten werdet, desto erleuchteter und lebensvollkommener werdet ihr selbst werden, und es werden euch dann erst Dinge eröffnet werden, von denen ihr jetzt noch keine Ahnung habt und auch nicht haben könnt!

2. Bleibet aber fortan diesem eurem Vorsatz getreu, und lasset ihn nicht verdrängen von den Anreizungen dieser Welt, so werdet ihr bleiben in Mir und Ich in euch!

3. Suchet die Welt zuerst in euch zu besiegen, und es wird dann für euch auch ein leichtes sein, sie auch in euren Brüdern zu besiegen! Es kann niemand seinem Nächsten etwas geben, das er zuvor nicht selbst besitzt. Wer in seinem Bruder die Liebe erwecken will, der muß mit der Liebe ihm entgegenkommen, und wer in seinem Nebenmenschen die Demut erzeugen will, der muß mit der Demut zu ihm kommen. So erzeugt die Sanftmut wieder Sanftmut, die Geduld die Geduld, die Güte die Güte, die Barmherzigkeit die Barmherzigkeit.

4. Nehmet euch alle an Mir ein Beispiel! Ich bin der Herr über alles im Himmel und auf Erden, in Mir ist alle Macht, Gewalt und Kraft, und dennoch bin Ich von ganzem Herzen voll Liebe, Demut, Sanftmut, Geduld, Güte und Barmherzigkeit. Seid ihr alle desgleichen, und man wird daraus wohl erkennen, daß ihr wahrhaft Meine Jünger seid!

5. Liebet euch untereinander als Brüder, und erweiset euch Gutes! Keiner erhebe sich über den andern und wolle ein Erster sein; denn Ich allein bin der Herr, – ihr alle aber seid pur Brüder. In Meinem Reiche wird nur der ein Erster sein, der ein Geringster und stets bereit ist, in allem Guten und Wahren seinen Brüdern zu dienen.

6. In der Hölle dies- und jenseits, als im Reiche der Teufel und aller bösen Geister, ist der hochmütigste, stolzeste, selbst- und herrschsüchtigste Geist der Erste zur Qual der Niedereren und Kleineren, und zwar aus dem Grunde, damit die andern mehr oder weniger in einer Art Demut, im Gehorsam und in der Untertänigkeit erhalten werden; aber in Meinem Reiche ist es nicht also, sondern wie Ich es euch nun gesagt habe.

7. Seht hin auf die Großen dieser Welt, die auf den Thronen sitzen und über die Völker herrschen! Wer darf sich ihnen anders als nur mit der tiefsten Untertänigkeit nahen? Würde es jemand wagen, sich einem Herrscher gebieterisch zu nahen, – was würde wohl sein Los sein?

8. Seht, ebenso ist die Ordnung auch in der Hölle bestellt; aber unter euch, Meinen Jüngern, soll es nicht also sein, sondern so nur, wie Ich es euch gezeigt habe!

9. Die Großen der Welt lassen sich lange bitten, bis sie jemand irgendeine Wohltat im Wege der außerordentlichen Gnade erweisen; aber ihr sollet euch zur Erweisung einer Wohltat von einem eurer Nächsten nicht zuvor bitten lassen. Denn nur Gott, den wahren Herrn und Vater von Ewigkeit, möget ihr um all die guten Dinge bitten, und sie werden euch zukommen; aber Brüder sollen sich untereinander nicht bitten lassen.

10. So aber ein demütiger, armer Bruder seinen reicheren um etwas bittet, da soll der Reichere es ihm ja nicht vorenthalten, ihm das zu tun, um was der Ärmere ihn gebeten hat; denn eine Herzenshärte erzeugt die andere, und Mein Reich ist nicht in ihr.

11. Was nützte es dem Menschen, in sich zu sagen und zu bekennen: ,Herr, Herr, Gott Himmels und der Erde, ich glaube ungezweifelt, daß Du der einzige und ewig allein wahre, allweiseste und allmächtige Schöpfer aller Sinnen- und Geisterwelten bist, und daß alles, was da lebt, denkt und will, nur aus Dir lebt, denkt und will!‘?

12. Ich sage es euch, daß das niemandem zum wahren Heile seiner Seele etwas nützen würde, sondern nur dem wird ein solcher Glaube wahrhaft zum Heile seiner Seele nützen, der das mit aller Freude tut, was Ich zu tun ihm anbefohlen habe; denn ein freundlicher und fertiger Täter Meines Willens tut mit dem wenigen, was er tun kann, zehnfach mehr als derjenige, der sich lange bitten läßt und dann mit der Liebestat an seinem Nächsten sich rühmt und brüstet.

13. Wie ihr es nun aus Meinem Munde vernommen habt, also tuet es auch, und ihr werdet dadurch erst in euch lebendigst innewerden, daß Meine Worte wahrhaft Gottes Worte sind, und ihr werdet dadurch Meinen Geist in euch erwecken, und der wird euch in alle Weisheit der Himmel leiten, euch zum ewigen Leben reinigen und euch zu wahren Gotteskindern machen.

14. Und nun wisset ihr zur Erreichung des ewigen Lebens eurer Seele vorderhand zur Genüge; ein noch Weiteres werdet ihr – wie es euch schon gesagt worden ist – von diesem Wirte und dessen beiden Nachbarn erfahren, und das Vollkommenste aber dann erst durch Meinen Liebegeist in euch. – Habt ihr alle das wohl auch verstanden?“

91. Kapitel. Die Abreise nach Aphek.

1. Sagte der Redner: „O Du Herr und Meister von Ewigkeit! Verstanden haben wir das sicher alle wohl und gut, denn Du hast ja in reiner, uns wohlverständlicher Sprache zu uns geredet; aber das sehen wir auch ein, daß wir noch sehr weit vom rechten Lebensziel entfernt sind, und daß wir noch manchen Kampf mit uns selbst und mit den andern Menschen dieser Welt werden zu bestehen bekommen!“

2. Sagte Ich: „Da hast du ganz richtig und recht geredet; denn um Meines Namens willen werdet ihr von der Welt viele Verfolgungen und Verlästerungen zu erdulden bekommen. Aber da verliert die Geduld und den Mut nicht, und kämpft mit aller Liebe und Sanftmut gegen die Feinde der Wahrheit und des Lichtes aus den Himmeln, und ihr werdet euch die Krone des Sieges erringen!

3. Stehet nur von der rechten Liebe in eurem Herzen niemals ab; denn sie erduldet alles und siegt am Ende über alles! So ihr in der Liebe mit Mir handeln und wandeln werdet, so werdet ihr auf Schlangen und Salamandern und Skorpionen einhergehen können, und ihre Giftbisse werden euch keinen Schaden verursachen können; und so man euch Gift zu trinken bieten wird, da wird es nicht krank machen eure Eingeweide. Und Ich, der Herr, sage dazu: Amen, also sei es und bleibe es für jeden, der wahrhaft in Meiner Liebe verbleiben wird!

4. Aber wer neben Meiner Liebe auch mit der Welt von Zeit zu Zeit mecheln (liebäugeln) wird, der auch wird vor all dem Schaden der Weltgifte nicht gesichert sein.

5. Wer Mich aber wahrhaft lieben und Meine leichten Gebote halten wird, zu dem werde Ich, wenn er es im Herzen nur immer ganz lebendig wünschen und verlangen wird, kommen und werde Mich ihm offenbaren und ihm geben allerlei Kraft und Macht, zu kämpfen wider alle die argen Geister der Welt und der Hölle, und sie werden ihm nicht zu schaden vermögen. Und nun wisset ihr noch näher, wie ihr mit Mir daran seid!

6. Wer Mich nicht verlassen wird, den werde auch Ich nicht verlassen; und wer mit Mir wider die Welt und die Hölle kämpfen wird, der wird auch des Sieges sicher sein.“

7. Als Ich dieses zu den Heidenpriestern geredet hatte, da dankten sie Mir alle voll Inbrunst in ihren Herzen für solch eine Belehrung und mit ihr engst verbundene Verheißung, erhoben sich von ihren Sitzen und wollten in ihre Burg gehen, um da alles zu veranstalten anzufangen, um Meine Lehre und Mich unter den Heiden würdevoll zu verkünden.

8. Ich aber sagte zu ihnen: „Freunde, was ihr nun schon tun wollt, dazu hat es morgen der Zeit zur Übergenüge; für jetzt aber bleibet noch hier und haltet mit uns das Mittagsmahl, und stärket euch damit!

9. Nach dem Mahle aber werde Ich Selbst mit Meinen Jüngern und mit eurem Hauptmann von hier weiterziehen, und ihr könnet euch dann mit dem Wirte und mit seinen beiden Nachbarn über Mich weiter besprechen und Vorkehrungen treffen, wie ihr etwa morgen schon über Mich mit den Bewohnern dieser Stadt und ihrer Umgebung werdet zu verkehren haben.“

10. Als die Heidenpriester und die etlichen ersten Bürger solches von Mir vernommen hatten, da dankten sie abermals für diesen Antrag, setzten sich wieder an ihren Tisch, auf den gleich darauf wohlbereitete Speisen und Brot und Wein in rechter Menge aufgesetzt wurden, sowie auch zugleich auf die andern Tische. Und Ich setzte Mich denn auch an unseren Tisch, und wir alle nahmen frohen Gemütes das Mahl zu uns.

11. Nach dem Mahle aber erhob Ich Mich mit den Jüngern sogleich, und ebenso auch der Hauptmann mit seiner Tochter, die sich während der Zeit, als wir mit den Heidenpriestern zu tun hatten, in der Küche befand und sich an der Bereitung des Mittagsmahles sehr tätig beteiligte.

12. Der Wirt führte Mir noch einmal sein Weib, seine Kinder und auch seine Dienerschaft vor und bat Mich um Meinen Segen, und Ich segnete alle, die im Hause sich befanden, auch die Heidenpriester und die etlichen Bürger und selbstverständlich auch die beiden Nachbarn mit ihrer gesamten Familie, wofür Mir alle mit dem gerührtesten Gemüte dankten.

13. Darauf sagte Ich zum Hauptmanne: „Wir ziehen nun nach Aphek, aber nicht nach der Heeresstraße, sondern einem Fußsteige entlang, auf daß wir kein Aufsehen bei den Bewohnern machen, die sich an der Straße angesiedelt haben.“

14. Das war dem Hauptmanne recht, und wir verließen sogestaltig Golan und erreichten gegen Abend die Bergstadt Aphek.

92. Kapitel. Beim römischen Wirte in Aphek.

1. Der Weg von Golan nach Aphek war ein ziemlich beschwerlicher, weil wir da einen tiefen Graben, der ins Jordantal einmündete, zu übersteigen hatten, was uns eine Zeit von nahe ein paar Stunden kostete.

2. Als wir uns aber gegen Abend der Bergstadt Aphek nahten, da fragte Mich der Hauptmann, sagend: „Herr und Meister! Wo werden wir denn in dieser Stadt die Nachtruhe nehmen? Denn in dieser Stadt gibt es meines guten Wissens gar keine Judenherberge und ebenso auch keine sonstigen Judenbürger; einige jüdische Dienstboten dürften zerstreut darin anzutreffen sein, – aber, wie gesagt, keine ansässigen Juden. Ich habe auch in dieser Stadt eine wohleingerichtete Wohnburg; so es Dir wohlgefiele, möchtest Du da nicht in der besagten Burg die Nachtruhe nehmen?“

3. Sagte Ich: „Eine Burg hast du wohl, und sie ist versehen mit allerlei Ruhebetten, Tischen, Bänken und Stühlen, – aber deine Speisekammern sind leer; also hast du auch keinen Wein und kein Brot und Salz. Wir aber sind müde geworden – und namentlich die schon ziemlich alten Jünger bis auf einige wenige, die in Meinen Jahren stehen – und alle sollten mit etwas Speise und Trank gestärkt werden. Wird das in deiner Wohnburg wohl möglich sein?

4. Ich weiß aber, daß du dir nun denkst und in dir sagst: „,Herr, Dir ist alles möglich!‘“ Da hast du wohl recht; aber wir ziehen nicht in diese Stadt, um nur auszuruhen und mit wundersamer Speise unsere müden Glieder zu stärken, sondern um Mein Lebensreich auch auch hier unter den Heiden auszubereiten.

5. Wir werden daher deine Wohnburg nicht beziehen, sondern in der Mitte der Stadt in einer Römerherberge Unterkunft suchen und auch nehmen. Dort werden sich alsbald seltsame Gelegenheiten bieten, Mein Reich unter den Heiden auszubreiten.“

6. Als der Hauptmann solches von Mir vernommen hatte, da war er sogleich mit Mir völlig einverstanden; nur machte er die Bemerkung, daß der bezeichnete Herbergswirt ein stockfester Heide sei, und daß es in seinem sonst wohl sehr geräumigen Hause von allen möglichen Götzenbildern derart wimmele, daß man es eher ein förmliches Pantheon denn eine Herberge nennen könnte. Auch seien in dieser Herberge stets mehrere Heidenpriester zugegen und machten sich darin breit.

7. Sagte Ich: „Sieh, eben darum habe Ich diese Herberge erwählt für unsere Unterkunft, und es wird sich darin vieles bewirken und bewerkstelligen lassen! Darum gehen wir nun nur raschen Schrittes dahin, auf daß wir in derselben Aufnahme finden mögen!“

8. Darauf gingen wir raschen Schrittes der Stadt zu und erreichten sie noch vor der Torsperre.

9. Als wir ans Tor kamen, stand da eine römische Wache und hielt uns an.

10. Da aber trat der Hauptmann vor und verlangte den, der über die Wachen zu befehlen hatte; als dieser kam, da erkannte er alsbald den Hauptmann und befahl der Wache, uns ungehindert in die Stadt einziehen zu lassen, da solches der Hauptmann von ihm verlangt hatte.

11. Wir kamen bei schon ziemlicher Dunkelheit vor die schon bezeichnete Herberge, und der Hauptmann sandte sogleich einen Unterdiener in die Herberge, der dem Wirte zu sagen hatte, sich alsbald zu uns heraus zu begeben, was denn auch sogleich geschah.

12. Als der Wirt zu uns kam, da fragte ihn der Hauptmann, ob wir bei ihm eine gute Unterkunft haben könnten.

13. Sagte der Wirt: „So gut ich's habe, will ich sie euch geben; doch mit der nötigen Bedienung für die Gäste, die mit dir, hoher Gebieter, kommen, wird es für diesmal freilich ganz schwach aussehen, denn mehr denn zwei Dritteile liegen krank danieder. Die große Angst, die sie in der vorigen Nacht während des heftigen Sturmes und Erdbebens zu bestehen hatten, und die Furcht vor einer Wiederkehr von solch einer Kalamität hat besonders meine weibliche Dienerschaft völlig dienstuntauglich gemacht.

14. Es haben sich wohl unsere Priester alle Mühe gegeben, meine Leute teils durch Reden und teils auch durch andere Mittel zu heilen, aber bis jetzt war alles vergeblich. Die Zeit wird sicher noch der beste Arzt meiner kranken Diener und Dienerinnen werden.

15. Wir alle haben erst vor einer Stunde es gewagt, ins Haus zu treten; denn die ganze halbe Nacht befanden wir uns im Freien, aus begreiflicher Furcht vor dem sehr leicht möglichen Einsturz unserer Häuser. Denn wenn die aufeinandergelegten Steine einmal ganz gewaltig zu klaffen und zu klappern anfangen, dann ist es auch schon die höchste Zeit, sich aus den Häusern ins Freie zu begeben.

16. Ich sage es in aller Untertänigkeit dir, du hoher Gebieter, daß jetzt noch mehr als drei Vierteile der Bewohner dieser Stadt sich im Freien befinden, und so auch mehrere meiner bravsten Diener und Dienerinnen; nur wenige haben den Mut gehabt, sich mit mir und meiner Familie erst vor einer Stunde ins Haus zu begeben. Und so sieht es mit schon bereiteten Speisen bei mir für heute sehr schlimm aus; aber mit Brot, Salz und Wein kann ich euch schon aufwarten.

17. Ja, hoher Gebieter, diese Nacht hat mir einen großen Schaden zugefügt! Aber was vermag der schwache und sterbliche Mensch gegen die Allmacht der unsterblichen Götter und ihrer Elemente!

18. Die Priester – ich sollte es zwar freilich nicht sagen – haben durch ihre Buß- und Opferreden vor dem ohnehin schon überaus verzagten Volke zu der großen Wirrnis dieses Tages wohl sehr vieles beigetragen. Jetzt, gegen Ende des Tages, haben sie ihre Lyren freilich wohl mit besseren Saiten zu beziehen angefangen; aber es fruchtet das wenig, weil das Volk noch immer die Götter als viel zuwenig versöhnt wähnt und somit eine Wiederkehr der schrecklichen Kalamität befürchtet.

19. Und daran schulden auch wieder unsere äußerst habgierigen Priester, die dem Volke laut vorpredigten, daß die Götter, so sie einmal derart über die losen Menschen erzürnt sind, daß darob die Grundfesten der Erde sich zu erschüttern anfangen, nicht mit geringen Opfern zu besänftigen seien. Sie gäben auf die Bitten der Priester wohl auf eine kurze Zeit nach; wenn aber das Volk dann auf die Mahnworte der von den Göttern inspirierten Diener irgend zu wenig achtet und nicht alsbald beinahe mit seiner ganzen Habe herbeieilt und sie vor die Füße der Stellvertreter aller Götter niederlegt, und ganz besonders möglichst viel Gold und Silber, so werden die Götter noch zorniger denn ehedem und lassen dem Volke dann ums Hundertfache ärger ihren Zorn fühlen.

20. Nun, unsere Bergstadt ist zum größten Teil arm, und die Menschen konnten den Anforderungen der Priester bei weitem nicht nachkommen, befürchten darum eine Wiederkehr der großen Kalamität und sind um keinen Preis der Welt in die Stadt hereinzubringen.

21. Also stehen bei uns die Sachen, und du, hoher Gebieter, wirst es einsehen, aus welchem Grunde ich dich und deine sicher auch hohe Gesellschaft in dieser Nacht nur sehr karg und mager werde zu bewirten imstande sein.

22. Tretet denn wohlgefällig in dies mein großes Haus, und wir werden schon sehen, was sich im selben noch alles wird tun lassen!“

93. Kapitel. Die Gedanken des Wirtes über Jesus.

1. Auf diese ganz triftige Entschuldigungsrede des Wirtes gingen wir ins Haus und wurden sogleich in den größten und am zierlichsten eingerichteten Saal geführt, der bis jetzt nur ganz spärlich mit einer Lampe erleuchtet war, aber alsogleich besser und mit mehreren Lampen genügend erleuchtet wurde.

2. Nun bemerkte der Wirt, daß wir in der Gesellschaft des Hauptmanns bis auf sein Gefolge alle Juden waren. Er fragte darum den Hauptmann, wie es käme, daß er, als sonst bekannt nicht ein besonderer Freund der Juden, nun in ihrer Gesellschaft eine Bereisung, und zu Fuß auch noch dazu, mache. Und wie werde er, als ein Römerwirt, der den Juden ein Greuel ist, nun diese zufriedenzustellen imstande sein?

3. Sagte der Hauptmann: „Kümmere du dich jetzt um nichts anderes, als daß du uns bringest Brot, Salz und Wein in rechter Menge; dann wird sich dir alles andere schon wie von selbst zu enthüllen anfangen.“

4. Da ward sogleich Brot, Salz und Wein in rechter und genügender Menge herbeigeschafft. Wir setzten uns an einen großen Tisch, der ganz aus Stein angefertigt war, und nahmen etwas Brot mit Salz zu uns und tranken darauf den Wein.

5. Es fiel aber dem Wirte auf, daß des Hauptmanns Tochter Mir, als Ich zu trinken begehrte, sogleich den Mir in Pella kredenzten goldenen Becher, mit Wein gefüllt, vorsetzte und Ich denselben auch an Meinen Mund führte und daraus trank, während alle andern Anwesenden den Wein aus tönernen Krügen tranken.

6. Der Wirt und auch ein paar seiner Diener betrachteten Mich aus einer kleinen Ferne vom Kopfe bis zu den Füßen und wußten nicht, was sie aus Mir machen sollten.

7. Der Wirt sagte bei sich: „Der muß etwas Hohes sein, ansonst ihm unser Hauptmann nicht also huldigen würde!“

8. Als wir uns alle mit Brot und Wein hinreichend gestärkt hatten, da sagte Ich zum Wirte: „Siehe, du Wirt, deinem Hause ist ein großes Heil widerfahren! Ihr meisten Römer und Griechen seid nicht unbewandert in den Schriften der Juden, und daß ihnen und durch sie auch euch Heiden ein Messias von dem einen, allein wahren Gott, dem Schöpfer Himmels und der Erde und alles dessen, was auf ihr, in ihr und über ihr war, ist und sein wird, schon vom Anbeginn der Menschen durch den Mund der Propheten ist verheißen worden! Und siehe, dieser verheißene Messias bin Ich und bin denn nun auch zu euch Heiden gekommen, um auch unter euch das Reich Gottes zu gründen und auszubreiten!

9. Ich bin aus den Himmeln von Gott dem Vater gesandt, und der Vater, der Mich gesandt hat, ist die ewige Liebe, und Mein Herz ist ihr Thron; sie ist in Mir und Ich in ihr. In Mir wohnt demnach denn auch alle Macht, Kraft und Gewalt über alles im Himmel und auf Erden; Ich bin das Leben, das Licht, der Weg und die ewige Wahrheit Selbst.

10. Wer an Mich glaubt, Mich mehr denn alles in der Welt liebt und nach Meiner Lehre lebt und handelt und seinen Nebenmenschen liebt wie sich selbst, der wird von Mir das ewige Leben überkommen, und Ich werde ihn erwecken am Jüngsten Tage.

11. Du hast Mich ehedem betrachtet vom Kopfe bis zu den Füßen und sagtest bei dir selbst: ,Hinter diesem Menschen muß etwas Hohes verborgen sein, ansonst ihm unser Hauptmann nicht also huldigen würde!‘ Und siehe, du hattest recht geurteilt!

12. Auf daß du dich aber auch überzeugen magst, daß es sich mit Mir auch also verhält, wie Ich es dir gesagt habe, so lasse nun alle Kranken in deinem Hause zu Mir hierher bringen, und Ich werde sie gesund machen! – Glaubst du das wohl?“

13. Sagte der Wirt: „Herr, Herr, Deine Worte drangen tief in meine Seele und riefen in ihr ein früher nie gefühltes Leben wach, und es muß demnach alles wahr sein, was Du zu mir gesagt hast! Ich glaube denn auch ungezweifelt, daß Du alle meine Kranken sicher heilen wirst.“

14. Hierauf wurden die vielen Kranken in unseren großen Speisesaal gebracht. Darunter waren etliche von bösen Fiebern geplagt, einige von der Fallsucht, andere von der Gicht, und einer war ein Blinder, und zwei hatten durch die Angst während des Erdbebens Stimme und Sprache verloren.

94. Kapitel. Jesus heilt die Kranken in der Herberge.

1. Als in der Zeit von einer halben Stunde alle Kranken, bei dreißig an der Zahl, in den Saal geschafft worden waren, da sagte der Wirt: „Siehe, o Herr, Herr, da sind nun die Kranken meines Hauses! So Du sie heilen willst, so tue Du das, und mein ganzes Haus wird an Dich glauben und Dich über alle die Maßen ehren und lieben!“

2. Sagte Ich: „So geschehe ihnen denn nach deinem Glauben!“

3. Als Ich dieses ausgesprochen hatte, da wurden plötzlich alle so vollkommen gesund, als hätte ihnen niemals irgend etwas gefehlt.

4. Es wollte aber darauf das Loben und Preisen Meines Wesens kein Ende nehmen, und die Geheilten hielten Mich für einen Gott nach ihrer Heidenlehre und baten Mich, auf den Knien liegend, es ihnen gnädigst kundtun zu wollen, ob Ich etwa gar der Jupiter selbst oder ein anderer Gott wäre, auf daß sie dann solch einem Gott stets die größte Ehre und Dankbarkeit bezeigen könnten.

5. Ich aber sagte: „Ich bin weder der Jupiter noch irgendein anderer aus der Reihe eurer Götter, die nie waren, nicht sind und auch nie sein werden!

6. Gehet aber nun alle in eure Gemächer, und nehmet Speise und etwas Wein zu euch und stärket eure Glieder! Alles Weitere, was ihr von Mir zu glauben und zu halten haben werdet, wird euch schon morgen verkündet werden!“

7. Darauf begaben sich die Geheilten sogleich in ihre Gemächer, und etliche gingen auch zu etwelchen Priestern, die in einem andern Saale dieser Herberge beisammen waren und noch immer untereinander berieten, wie sie vom Volke noch größere Opfer erpressen könnten, und sagten es ihnen, wie sie von einem Manne, welcher der Tracht nach ein Jude sei, aber durch sein Wort und Willen so gewirkt habe, wie ein wahrer lebendiger Gott, wunderbar geheilt worden seien.

8. Als die Priester solches über Mich vernommen hatten und sahen, daß die ihnen wohlbekannten Kranken nun völlig geheilt vor ihnen sich befanden, da wußten sie nicht, was da zu tun sein werde.

9. Einer aus der Zahl der Priester sagte: „Gehen wir selbst hin zu dem sonderbaren Menschen, und es wird sich wohl zeigen, was sich hinter ihm verbirgt; denn das dumme Volk kann über derlei Dinge nicht urteilen! Doch nur einer von uns gehe zuerst hin und fühle dem Wundermanne auf den Zahn und sage es uns dann, was es mit ihm für eine Bewandtnis hat! Am Ende ist er einer aus der Zahl der Essäer, die in aller Zauberei bestbewandert sind!“

10. Darauf begab sich einer, und zwar ein in vielen Künsten und Wissenschaften wohlbewanderter Römer, zu uns in den großen Speisesaal, grüßte den Hauptmann und fragte darauf gleich nach Mir.

11. Da sagte zu ihm der Hauptmann so ganz barsch: „Hier an meiner rechten Seite sitzt Derjenige, dessen Namen wir nicht würdig sind auszusprechen!“

12. Als der Priester solches vernommen hatte, ward er weniger keck, wandte sich an Mich und sagte: „Vergib es mir, daß ich mir die Freiheit nehme, dich in aller Ehrfurcht und Bescheidenheit zu fragen, wie es dir möglich war, ohne alle Mittel die Kranken zu heilen! Ich verstehe auch so manches und besitze viele Erfahrung und weiß es denn auch zu beurteilen, was einem Menschen, der mit den geheimen Kräften der Natur wohlvertraut ist, zu bewirken möglich sein kann. Ohne gewisse geheime Mittel hat meines Wissens noch kein Magier und kein Priester irgendein Wunder, das nur den Göttern möglich wäre – so sie irgend in der Wahrheit und Wirklichkeit bestünden –, je gewirkt; bei dir scheint es aber dennoch der Fall zu sein, daß du bloß durch dein Wort und deinen Willen Taten zu vollführen vermagst, und benötigst dazu keines Mediums?

13. Wie aber gelangtest du zu solch einer Willenskraft, und wie könnte auch ein anderer Mensch dazu gelangen? Denn daß es bei den Menschen in Hinsicht der Willensmacht große Unterschiede gibt, ist gewiß, und es ist solches daraus zu schließen, daß ein Mensch, der schon von Natur aus einen starken Willen besitzt, es bei einer rechten Bildung seines Willens am Ende zu einer erstaunlichen Kraft bringen müßte, besonders, so er auch mit all den geheimen Kräften, Mächten und Gewalten der großen Natur in voller Vertrautheit stünde.

14. Aber wo und wie kann man zu solch einer Ausbildung seines Willens gelangen? Wo und wie bist du zu solch einer nahe noch nie dagewesenen Willensmacht gelangt?“

95. Kapitel. Jesus erzählt den Bildungsgang des Priesters.

1. Sagte Ich: „Du hast ja auch der Juden Schriften durchstudiert, und das einmal schon in Rom und um fünf Jahre später, als du nach Oberägypten als Priester des Zeus, des Mars, der Minerva und des Merkur unter Kaiser Augustus bist beordert worden, zu Theben, wo du dich auch in die alten Mysterien hast einweihen lassen.

2. Von Moses an hast du besonders den vier großen Propheten deine Aufmerksamkeit gewidmet; da sie dir aber trotz deines Lesens und Grübelns unverständlich geblieben sind, so hast du dich abermals um fünf Jahre später, als du als Volks- und Militärpriester hierher bist übersetzt worden, geheim an einen jüdischen Schriftgelehrten gewandt und verlangtest von ihm die Aufhellung dessen, was dir dunkel war. Da aber der Schriftgelehrte sie dir nicht zu geben vermochte, so schobst du der Juden Schrift ebenso zur Seite, wie du eure Schriften schon lange vorher zur Seite geschoben hattest.

3. Aber da du der Juden Schrift dennoch stets im Gedächtnis behalten hast, so müssen dir ja doch die Taten des Moses, Aaron, des Josua, des Elias und der andern Propheten gezeigt haben, daß diese Menschen nur durch die Hilfe des einen, allein wahren Gottes der Juden solche Dinge und Taten zu bewirken imstande waren, die auf der ganzen Erde bei keinem Volke je gewirkt worden sind.

4. Wenn du Mich nun auch also wirken siehst, so werde Ich sicher auch durch und mit Gott wirken. Saget ihr Römer denn nicht selbst, daß es ohne einen göttlichen Anhauch keinen großen Weisen gäbe? Und so werde auch Ich von dem einen, allein wahren Gott der Juden schier sehr angehaucht sein!“

5. Sagte der Priester: „Ja, ja, du magst da schon ganz recht haben, und du bist in die Mysterien eurer Schriften sicher tiefer eingeweiht denn jener weise tuende Schriftgelehrte, von dem ich ein rechtes Licht zu erhalten suchte und den ich am Ende noch als der Weisere verließ.

6. Aber da du mich früher ebensowenig irgend hast sehen und kennenlernen können, als ich dich je zuvor irgend gesehen und gekannt habe, – wie ist dir mein geheimes Streben durch eine ziemlich große Reihe von Jahren also bekannt, als hätte ich selbst dir das erst vor kurzem irgend eröffnet? Denn du müßtest es nur von mir erfahren haben, was ich im geheimen tat und nach was ich strebte, da ich als ein Priester wohl niemals jemandem das verriet, was ich für meine höchsteigene Beruhigung tat und unternahm!

7. Wie also weißt du, als für mich ein totaler Fremdling, das, was ich in Rom, dann Theben und endlich hier in Asien tat?“

8. Sagte Ich: „Siehe, auch solches vermag Ich durch die Hilfe des einen, allein wahren Gottes der Juden, der allmächtig und auch allwissend ist von Ewigkeit, ohne Anfang und ohne Ende!“

9. Sagte der Priester: „Ich will dir das nicht in Abrede stellen, und du wirst nun wie ehedem schon ganz recht haben; aber sonderbar ist es von eurem einen und nach deiner Aussage allein wahren Gott dennoch, daß Er Sich nur höchst selten von einem Juden also finden und sogar gebrauchen läßt, wie nun von dir!

10. Ich gestehe es aufrichtig, daß ich für mich an die eine wie die andere Gottheit sehr wenig glaube und vertraue; denn je mehr man sie mit dem möglichsten Eifer sucht, desto mehr entfernt man sich auch von ihr, und es ist dem Menschen wahrlich nützlicher und dienlicher, den Schleier der Isis niemals zu lüften zu versuchen, als durch solch ein eitles Mühen sich in den finstersten Abgrund aller erdenklichen Zweifel zu stürzen. Besser ist es, gleich den Affen blind und dumm zu bleiben, als nach einer oder nach der andern Gottheit zu forschen, die wahrscheinlich sonst nirgends als in der Phantasie solcher Menschen bestand und noch besteht, die über die andern herrschen wollten.

11. Du magst aber deine Gottheit wohl irgend gefunden haben; doch wie und wo, das wirst du ebensogut für dich behalten, wie es die Alten für sich behalten haben und haben dann ihre Lehre über einen oder auch mehrere Götter in ein solches Dunkel gehüllt, das von keiner Sonne je mehr erhellt werden kann.

12. Warum hat denn mir, der ich doch auch ein Mensch bin und mich schon von meiner Jugend an gesehnt habe, nur einmal einer Gottheit näherzukommen, sich bis jetzt, wo ich schon an die siebzig von Jahren stehe, noch immer keine Gottheit genaht und mich mit irgendeiner besonderen Fähigkeit angehaucht, und warum außer dir, du wundersamer Freund, auch allen mir bekannten Juden nicht? Darum, Freund, halte ich auf alle Götter für mich wenig; das andere kannst du dir wohl selbst denken!“

96. Kapitel. Die Belehrung Jesu über den Verfall der Menschheit.

1. Sagte darauf Ich zum Heidenpriester: „Du hast in deiner Rede an Mich eben nicht völlig unrichtig bemerkt, daß gewisse Gottheiten pur aus der Phantasie solcher Menschen entstanden sind, die über ihre Mitmenschen herrschen wollten, welche für sie arbeiten und streiten sollen, damit die herrschenden Menschen überaus wohl leben und sich vergnügen könnten.

2. Aber siehe, im Anfange der Zeit der Menschen auf dieser Erde war es nicht also! Da kannte den einen, allein wahren Gott jeder Mensch, und es sind viele tausendmal Tausende von Ihm belehrt, geführt und beschützt worden. Es ward jedermann urgründlich gezeigt, daß er sich von all den Reizungen freiwillig nicht solle gefangennehmen lassen, weil sie die Seele in das Gericht der Materie und in ihren Tod hinabziehen und für alles Göttliche und Reingeistige taub, blind und fühllos machen.

3. Allein, weil Gott jedem Menschen die vollste Freiheit des Willens gab, Seinen Rat zu befolgen oder dem Zuge der Welt zu folgen, so ließen sich nur zu bald viele Menschen von der Welt betören und blenden und verloren dadurch Gott aus dem Gesichte, weil durch die böse Liebe der Welt ihre innere Sehe völlig geblendet worden war.

4. Und siehe, als ein großer Teil der Menschen von der Welt geblendet worden war und dadurch den allein wahren Gott völlig aus dem Gesichte verlor, da erst fingen die blinden Menschen an, sich allerlei Götter zu machen, die eben diesen blinden Weltmenschen – die Gott, um sie von der Welt rückwendig zu machen, mit allerlei Plagen heimsuchte – gegen Entrichtung von allerei Opfern und durch die Bitten der Priester – aus denen nur zu bald stolze Herrscher entstanden – helfen möchten in ihrer großen Not.

5. Aber es ward ihnen nicht geholfen; denn der eine, allein wahre Gott konnte und durfte ihnen darum nicht helfen, auf daß sie nicht noch bestärkt in ihrer Verblendung und in ihrer Gottlosigkeit werden sollten. Denn hätte ihnen Gott nach der Anrufung ihrer falschen und völlig nichtigen Götter die gewünschte Hilfe gegeben, so wäre diese erst ein rechter Triumph für die habgierigen und über alles herrschsüchtigen Priester gewesen, und der, dem geholfen worden wäre, hätte an der Darbringung der Opfer sich erschöpft, auf daß die Priester und die Götter ihm ja nimmerdar feind werden möchten.

6. Und siehe, weil die Juden, als das erwählte Volk Gottes – weil seine Väter am längsten sich aus Liebe zu Ihm von der Welt nicht haben betören und blenden lassen wollen –, mit der Zeit sich auch von dem allein wahren Gott abgewandt und sich gleich den Heiden zur Welt gewendet haben, so sind sie auch taub und blind geworden, und das nun ärger denn die Heiden; denn diese haben das Verlorene doch wieder zu suchen angefangen, und viele von ihnen haben es auch schon völlig wiedergefunden.

7. Aber den allermeisten Hauptjuden ist es noch nicht eingefallen, das Verlorene, die ewige Wahrheit, zu suchen; sie befinden sich in ihrer Lebensnacht ganz behaglich. Obgleich sie bei sich wohl fühlen, daß sie gottlos sind, so wollen sie aber der reichen Opfer wegen davon das Volk nichts merken lassen und sind die bittersten Feinde gegen den, der dem Volke ein rechtes Licht gäbe, ihm den rechten Weg zu Gott zeigte und Ihn wirkungsvoll suchen und auch sicher finden hülfe.

8. Es wird aber darum solchen Juden denn auch noch das bißchen Licht, das sie irgend, ganz verkümmert, noch haben, genommen und den Heiden, die sich nach demselben lebendig sehnen, gegeben werden.“

97. Kapitel. Das rechte Gottsuchen.

1. (Der Herr:) „Du sagtest auch, daß du bei dir selbst auf gar keine Gottheit irgend mehr achtest, dieweil du irgendeine wahre Gottheit schon so lange gesucht hast und sich dir aber trotz deines eifrigsten Suchens doch noch keine irgend von ferne nur genaht habe.

2. Du hast freilich für dich wohl schon lange eifrigst eine rechte Gottheit gesucht, und es ist dir noch keine zu Gesicht gekommen; aber du mußt auch bedenken, daß du die wahre Gottheit nur ganz einseitig und egoistisch gesucht hast. Du wolltest nur für dich, als ein großer Lebensfreund, gesichert sein, daß es eine wahre Gottheit gibt und des Menschen Seele nach dem Leibestode für ewig fortlebe; aber das Volk solle in der alten Dummheit und vollen Blindheit schmachten und euch Priestern opfern wie zuvor!

3. Bei dem einen, allein wahren Gott aber hat der Priester nicht den allergeringsten Vorzug vor einem noch so nichtig scheinenden Menschen aus dem Volke. Bei Gott gibt es keine Ranggrade für die Menschen; vor Ihm stehen Kaiser und Bettler auf ein und derselben Stufe. Nur der hat bei Gott einen Vorzug, der Ihn der vollen Wahrheit nach erkennt, dann über alles liebt, seinen Nebenmenschen wie sich selbst, und die Gebote Gottes, wie sie dem Moses gegeben worden sind, beachtet, in allem demütig ist und von niemandem etwas Ungerechtes wider die Ordnung und wider den Willen Gottes verlangt, weder mit Gewalt noch mit List; denn alle solche Tat ist vor Gott ein Greuel.

4. Ihr Priester aber habt allzeit das Volk derbst belogen und betrogen, und so wirst du es nun wohl einsehen, warum Sich die eine und allein wahre Gottheit von euch, trotz alles eures Suchens, nicht hat wollen finden lassen; denn Sie sah es nur zu klar, daß ihr das Volk aus lauter Weltrücksichten dennoch hättet in der alten Finsternis belassen, wie das auch bei vielen Priestern Ägyptens der Fall war.

5. Diese wußten es wohl, wie sie mit dem einen, allein wahren Gott daran waren, aber das gemeine Volk mußte glauben, was sie ihm zum Glauben vorstellten; und da die Priester also handelten, so hat Gott sie auch mit Blindheit geschlagen, – und in dieser Blindheit befindet ihr euch noch und werdet euch noch lange hin befinden, so ihr nicht von der Welt ablasset und nach dem rechten und nach allen Richtungen hin vollwahren Grunde Gott, Sein Geistreich und dessen reinste Gerechtigkeit suchet.

6. Wer Gott nicht in aller Liebe, Sanftmut, Demut, Geduld und vollster Selbstverleugnung sucht, der findet Ihn, als das höchste Lebensgut, nicht; und wer Gott nicht also sucht und findet, der hat von Ihm auch eine außerordentliche Hilfe nicht zu erwarten.

7. Gott sorgt in Seiner unermeßlichen Liebe zwar für alle Menschen also, wie Er auch sorgt für alle Kreatur im endlos großen Allgemeinen nach Seiner ewigen, unwandelbaren Ordnung; aber besonders und außerordentlich sorgt Er Sich nur um jene, die Ihn wahrhaft erkannt haben, Seinen ihnen geoffenbarten Willen tun und Ihn also wahrhaft in aller Tat über alles lieben.

8. Du hast wahrlich den einen, allein wahren Gott lange mit vielem Eifer gesucht; aber frage dich nun selbst, ob du jemals Gott also gesucht hast, wie Ich es dir nun gezeigt habe.

9. Ich sage es dir: Nicht der, der da spricht: ,Herr, Herr, wo bist Du? So ich als Dein Geschöpf Dich suche und zu Dir rufe aus der finstern Tiefe meiner Lebensnacht, warum lässest Du Dich nicht finden, und warum antwortest Du mir nicht und sagst: ,Hier bin Ich!‘?‘, wird Gott den Herrn finden und zu Ihm kommen, sondern nur der, der Gott also sucht, wie Ich es dir nun gezeigt habe.

10. Siehe, du hast Moses und die Propheten gelesen und hast den Willen Gottes an die Menschen in den dir wohlbekannten zehn Geboten klar ausgesprochen gefunden, und diese Gebote gefielen dir also wohl, daß du bei dir gar oftmals sagtest: ,Wahrlich, weisere und für das wahre Glück und Wohl aller Menschen tauglichere und besorgtere Gesetze gibt es in aller Welt nicht, und man kann es füglich annehmen, daß sie im Ernste von einem Gottwesen herstammen!‘

11. Da du aber bei dir also reden konntest, – warum fiel es dir dabei nicht auch einmal in den Sinn, diese Gesetze bei dir selbst in die Tat übergehen zu lassen? Hättest du das getan, so hättest du Gott auch schon gefunden; aber da fandst du allerlei Weltgründe, solche Gesetze zwar wohl zu bewundern, aber nicht in die Tat übergehen zu lassen.

12. Laß aber von nun an diese Gesetze bei dir zur Tat werden, und vergüte jedem nach Möglichkeit das, was du an ihm Übles begangen hast, und fasse dazu vorderhand einen festen Willen, und du wirst Den, welchen du so lange vergeblich gesucht hast, bald und leicht finden!“

98. Kapitel. Jesus veranschaulicht das rechte Gottsuchen.

1. Sagte auf diese Meine Rede der Priester: „Du wahrhaft großweiser und gottbegeisterter Meister, ich besitze ein großes Vermögen, – genügt es, so ich drei Vierteile davon zu Wohltaten an die verwende, die nach den Gesetzen Mosis, die ich von nun an alle befolgen will und werde, durch mich zu irgendeinem Schaden gekommen sind, und mit dem einen Vierteile aber andere Werke der Nächstenliebe bis zu meinem Lebensende ausübe?“

2. Sagte Ich: „Freund, das genügt mehr denn vollkommen; denn siehe, Gott in Sich ist die ewig reinste und purste Liebe!

3. So es aber einen Menschen gibt, der da sich nehmen möchte ein Weib, da er eines Weibes benötigt, aber er hat keine Liebe und sucht das Weib auch nicht mit der Liebe, sondern mit dem trocknen Weltverstande nur, – meinst du wohl, daß so ein Mensch jemals ein rechtes Weib voll Liebe zu ihm finden wird? Eine Törin, ja, die nicht den Menschen, sondern nur sein Gold ehelicht, um es dann mit andern zu vergeuden, wird er finden, aber ein Weib voll Liebe zu ihm nicht! Wer sonach aber ein Weib voll Liebe finden will, der muß es auch mit Liebe suchen.

4. Wer demnach aber Gott, als die reinste Liebe, suchen und finden will, der muß Ihn auch in der reinsten Liebe im eigenen Herzen, an der keine noch so geringfügig scheinende schmutzige Weltliebe klebt, suchen; und sucht er Ihn also, so wird er Ihn auch allersicherst finden.

5. Als du noch ein junger Mann warst, da hattest du das Glück, einer sehr schönen und sehr reichen Tochter eines Patriziers zu gefallen, und du hattest auch eine mächtige Liebe zu ihr und hättest sie auch zum Weibe erhalten, so deine wohl recht mächtige Liebe zu ihr ganz rein gewesen wäre; weil aber die benannte Tochter, die man damals eine Perle Roms nannte, dich eben sehr liebte, ohne daß du davon mehr, als nötig war, merken konntest, so war es ihr auch darum zu tun, sich auf geheimen, dir unbekannten Wegen von deiner Liebe zu ihr genaue Kunde zu verschaffen, und sie fand bald, daß du auch noch andere Maiden hattest, denen du auch dein Herz offen hieltest.

6. Als die Perle Roms des inne ward, da wandte sie sich bald von dir ab und gab dir kein Zeichen mehr, daß sie dich liebte, und wandte so denn auch ihr Angesicht von dir ab.

7. Da wurdest du freilich sehr traurig und machtest noch manche eitlen Versuche, sie dir wieder geneigt zu machen, und es hätte dir das auch gelingen können; aber du konntest deiner Leidenschaft der Liebe zu den andern nicht völlig, dich selbst verleugnend, ledig werden und verlorst dadurch die Perle ganz.

8. Und siehe, so ungefähr steht es auch bei Gott als der ewig reinsten Liebe! Nur mit der reinsten und makellosesten Liebe kannst und wirst du Ihn finden, sehen und preisen und von Ihm überkommen das ewige Leben.

9. Es ist für den, dessen Herz voll von allerlei weltlichen Dingen ist, freilich wohl schwer, sich von ihnen zu reinigen; aber ein fester Wille ist ein tüchtiger Arbeiter und macht das, was dir heute noch unmöglich dünkt, für morgen leicht und für noch weiterhin immer leichter und leichter ausführbar.

10. Frage dich nun aber selbst in deinem Gemüte, ob du das auch gehörig verstanden hast, was Ich dir nun erklärt habe!“

99. Kapitel. Der Priester will sein weltliches Leben rechtfertigen.

1. Sagte der Priester: „Du wahrlich übermenschlich weiser Meister, ich habe dich wohl verstanden und sehe nun noch mehr ein denn zuvor, daß dir ein wahrhaft daseiender, lebendiger Gott sehr stark helfen muß, da es dir sonst allerunmöglichst sein müßte, von meinen Jünglingsverhältnissen eine so genaueste Kunde zu haben, wie sie in ganz Rom aber auch gar kein Mensch je besessen hat und noch um vieles weniger jetzt irgend besitzt!

2. Du hast in allem, was du zu mir sagtest, vollkommen recht, und ich könnte sagen: Nicht du als ein Mensch mir gleich, sondern ein Gott hat aus dir nun geredet.

3. Aber bedenke du alle unsere menschlichen und daneben die uns mit ehernen Mußketten fesselnden Staatsverhältnisse, die wir nun lebenden Priester sicher nicht geschaffen haben!

4. Ein jeder Mensch, der ohne sein Wissen und Wollen in diese Welt gekommen ist und schon gleich nach der Geburt genährt werden muß, um das höchst fatale Leben zu erhalten und nach den starren Gesetzen der Natur ein kräftiger Mensch zu werden, ist, nach der Vernunft beurteilt, ein ärmstes Wesen.

5. Ist man einmal so weit im Wachstum gediehen, daß man den Tag von der Nacht und das Rot vom Grün unterscheiden kann, so wird von seiten der Eltern mit der Erziehung, die sich kein Kind bestimmen kann, emsigst begonnen.

6. Ist man durchs viele Lernen endlich ein gebildeter Mann geworden, so heißt es dann, sich einen Stand wählen, in welchem man sich für sein ganzes Leben seinen Unterhalt verschaffen kann. Man möchte aber in der Welt nicht schlecht, sondern so gut als möglich leben, weil man schon überhaupt einmal leben muß, und so wählt man sich denn auch nach seinen Fähigkeiten vernünftigermaßen einen Stand, in dem man unter den Fesseln der Staatsgewalt noch am freiesten und auch am besten leben kann. Und das war für mich der Priesterstand; ich ward Priester, gleichviel, ob das, dem ich vorstand, auf den Grund der Lüge und des Volksbetruges oder auf den irgendeiner Wahrheit gestellt war, – kurz, ich mußte laut den Staatsgesetzen sein, was ich nun noch bin.

7. Die Welt und die eigene möglichst beste Versorgung war denn doch schon von der Kindheit an das Allernächste, um das man sich vor allem zu kümmern hatte. Dazu erwachten in mir natürlich bald noch andere Bedürfnisse aller Art und Gattung, und da man die Mittel dazu besaß, um auch diese Bedürfnisse – freilich stets nur auf dem staatsgesetzlichen Wege – zu befriedigen, so befriedigte man sie denn auch nach Möglichkeit, und es erschien da keine Gottheit irgend aus dem Himmel oder aus der Erde, die da gesagt hätte: ,Höre, du Priester, du lebst und handelst da gänzlich wider Meinen Willen und wider Meine Ordnung! Lebe in der Folge so und so, ansonst Ich dich auf das gewaltigste züchtigen werde!‘

8. Daß man unter solchen Lebensverhältnissen im Herzen und Gemüt nur mit der materiellen, unreinen und ungeistigen Liebe erfüllt worden ist, da man dagegen von nichts rein Geistigem und Göttlichem ist angeregt worden, so blieb man dem Außen nach zum mindesten denn auch, wie man bleiben konnte und am Ende laut den Staatsgesetzen auch bleiben mußte, obschon man nach und nach sich innerlich stets mehr und mehr, besonders im vorgerückteren Alter, zu fragen anfing: Ja, ist aber da auch nur ein Fünklein Wahrheit darin, dem du vorstehst, und das du pflegst? Alles, was ich lehre und tue, ist offenbar selbstverständlich Lüge und Trug. Gibt es denn keine Urwahrheit mehr auf der ganzen Erde?

9. Ich forschte, suchte und forschte und suchte gleichfort nahe bis jetzt – und fand nichts! Wie hätte ich einer wahren Gottheit je mit der reinsten Liebe entgegenkommen können, die sich mir niemals hatte auf irgendeine Weise offenbaren wollen? Was nicht da ist, das kann man auch nicht lieben, ob nun ein Gott oder irgendein anderer durch die Einbildung der Menschen höchst werter Gegenstand.

10. Und siehe nun, du höchst weiser Meister, kann ich nun dafür, daß ich am Ende denn doch das lieben mußte, was für mich als mein Lebensvergnügen erreichbar da war; denn die Bilder seiner eigenen Phantasie lieben, heißt nach der natürlich reinen Vernunft: ein Narr sein!

11. So ich denn den einen, allein wahren und lebendigen Gott schon seit langem über alles hätte lieben sollen und die vor jedermanns Sinnen daseienden Annehmlichkeiten der Welt verachten und fliehen, so hätte sich mir entweder ein solcher Gott offenbaren sollen, oder meine Phantasie hätte mir in aller Lebensglut einen schaffen sollen; es geschah aber weder das eine noch das andere, und so war es denn auch selbstverständlich, daß man die Welt und ihre die Menschheit nährenden und ergötzenden Schätze und Güter, für deren Genuß man geboren und erzogen worden ist, nicht einem Wesen, das für mich gar nicht und nirgends da war, nachsetzen konnte.

12. Aber sei es nun, wie es wolle, – ich bin wahrlich noch voll Welt in meinem Herzen; heute, in diesem Augenblick, offenbare sich mir eine allein wahre Gottheit und verlange, was ich tun soll, und alle meine alte Welt ist auf einmal aus mir verbannt!

13. Hätte mir die gewisse Perle von Rom nur einmal eine gewisse Zusicherung gegeben, daß sie mein werde, so ich dies oder jenes tue oder unterlasse, – und ich wäre schon der Mann gewesen, dem kein Opfer zu schwer geworden wäre! Aber da so etwas nicht stattgefunden hat, so blieb ich denn auch bei dem, was für mich leichter erreichbar war.

14. Ich sehe und weiß es gar wohl, daß alle Menschen, die ich kennengelernt habe, schon seit Menschengedenken in einer großen Trübsal und Wirrnis leben und endlich auch oft verzweiflungsvoll sterben; aber was nützt dieses Sehen und Wissen, so da niemand kommt, der ihnen die volle Wahrheit zeigt?

15. Siehe, du weisester Meister, du hast wahrlich in allem, was du mir gesagt hast, vollkommen recht; aber auch ich habe nach der menschlichen Vernunft nicht unrecht! Können denn die armen Menschen darum, daß sie in aller Blindheit in diese Welt geboren worden sind und sich in aller Lüge und allem Trug haben erziehen lassen müssen? – Habe ich recht oder nicht?“

100. Kapitel. Die früheren Offenbarungen Jesu dem Priester gegenüber.

1. Sagte Ich: „Du hast wohl in mancher Hinsicht recht, aber im ganzen dennoch völlig unrecht; denn du beschuldigst die Gottheit der Fahrlässigkeit und vollen Gleichgültigkeit gegen die Menschen, – und das, Freund, ist nicht wahr, wenn es deiner Vernunft auch also vorkommt!

2. Gott hat Sich den Menschen allzeit geoffenbart, und so auch dir schon in Rom, und noch deutlicher in Theben, und du hast einmal, als du am Ufer des Nils dich befandest, eine laute Stimme also vernommen: ,Lies Moses, und lebe nach den Gesetzen, die darin geschrieben sind, und du wirst finden, was du suchst!‘

3. Darauf fingst du wieder an, Moses und auch die andern Propheten zu lesen; aber nach den Gesetzen zu leben und zu handeln, hast du aus allerlei Gründen dennoch unterlassen.

4. Ein Jahr darauf kamst du abermals an dieselbe Stelle des Stroms, vernahmst abermals die gleiche Stimme und dachtest lange darüber nach. Aber zum Handeln kamst du dennoch nicht; denn fürs erste warst du ja ein römischer Priester und wolltest deiner Idee nach nicht den Gesetzen Roms zuwiderhandeln, weil dir daraus ein weltlicher Nachteil hätte erwachsen können, obschon du wohl wußtest, daß es eben nicht verboten war, daß ein Priester auch an den Gott der Juden halten (glauben) dürfe, und fürs zweite kam dir das Handeln nach den Gesetzen Mosis zu unbequem vor, und die von dir klar vernommene Stimme hieltest du am Ende doch nur für einen leicht möglichen Sinnentrug und dachtest dir, so an dieser Stimme etwas Wahres sei, da werde sie sich wohl zu öfteren Malen vernehmen lassen.

5. Und so hattest du darauf wohl noch fortgeforscht und gesucht, aber zum Handeln kamst du nicht und glichest einem Baumeister, der einen Bauplan um den andern macht; aber so es zum Ins-Werk-Setzen des Bauplanes kommen soll, da läßt er sich von der Mühe und den Unkosten abschrecken und es kommt zu keinem Bau.

6. Freund, das Denken, Sinnen, Urteilen, Forschen und Suchen ist keine Tat, sondern pur nur eine Vornahme zur Tat, – da aber das Leben selbst keine Vornahme zum Tatleben, sondern das Tat- und Wirkungsleben selbst ist, so muß die Lebensvornahme auch zur Lebenstat werden, so man durch sie das Gesuchte erreichen will.

7. Du hast zwar dann und wann wohl etwas getan, aber das war zu wenig, um deiner inneren Gesinnung eine andere Richtung zu geben, und so bliebst du stets auf einem und demselben Fleck stehen; nun erst hast du zum ersten Male einen völlig festen Willen gefaßt, ein völlig anderer Mensch zu werden, und zwar nach dem dir von Mir bekanntgegebenen Willen des einen, allein wahren Gottes der Juden, und so wirst du auch das finden in der Fülle der Wahrheit, was du so lange vergeblich gesucht hast.

8. Du hast es aber eigentlich schon gefunden; nur bist du jetzt noch einem Menschen zu vergleichen, der mitten in einem dichten Walde eben den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht.“

9. Sagte der Priester: „Höre, du wahrlich weisester Meister, wie soll ich das verstehen und nehmen?“

10. Sagte Ich: „Siehe her! Da steht ein leerer Becher, Ich aber will es, daß er voll Weines werde, und du sollst von diesem Weine trinken! Da nimm ihn hin und trinke, und beurteile dann, ob das auch einem Magier zu bewirken möglich ist!“

11. Als der Priester das sah und den Wein, der den allerwürzhaftesten Geschmack hatte, kostete, da sah er Mich groß an und sagte: „Du wahrlich gottähnlichst weisester Meister, das ist von einem Menschen noch nie bewirkt worden! Du mußt mit dem allein wahren Gott der Juden in einem gar mächtigen Verbande stehen; denn dein Wille und der Wille deines Gottes scheinen schon völlig geeint zu sein.

12. Der Becher war doch vollkommen leer, und du hast ihn bloß durch deinen Willen, und das mit einem so auserlesenen besten Weine voll angefüllt, wie ich einen ähnlichen, der den Namen VINUM OLYMPICUM hatte, nur ein einziges Mal in Rom beim obersten Priester gekostet habe.

13. Weil dir das möglich war, so wird dir noch gar vieles andere möglich sein! Wer es mit der Freundschaft der Gottheit so weit wie du gebracht hat, dem ist es am Ende freilich auch möglich, sich völlig unsterblich zu machen.

14. Ja, wäre ich auch als ein Jude in diese Welt gekommen, so hätte ich es vielleicht auch auf eine hohe Stufe in der Einung mit Gott bringen können – denn am Willen und am Fleiß hätte es bei mir keinen Mangel gehabt –; aber als ein Heide, in aller Nacht in diese Welt kommend, konnte ich den rechten Weg niemals finden, und so blieb ich denn auch in der stets gleichen Nacht haften und konnte bis jetzt zu keinem Wahrheitslichte gelangen. Doch von nun an soll es anders werden!

15. Nun aber erlaube mir, daß ich zu meinen Kollegen gehe und es auch ihnen mitteile, was ich hier erfahren habe; denn auch sie fühlen gleich mir, was ihnen abgeht.“

16. Sagte Ich: „So gehe denn hin, und rede die Wahrheit!“

101. Kapitel. Des Hauptmanns Bedenken über die Naturschönheiten.

1. Darauf ging der Priester hin zu seinen Kollegen, die schon mit brennender Sehnsucht auf seine Rückkehr harrten. Als er zu seinen Kollegen kam, da erzählte er ihnen alles, was er gesehen und erfahren hatte, und diese wurden voll Staunens.

2. Und einer von ihnen, ein alter Grieche, sagte: „Was braucht es da noch ein Weiteres? Der Mensch ist ein Gott, und wir wollen das tun, was Er angeordnet hat, und wir werden leben.“

3. Und so wurden an diesem Abend die Heidenpriester zu Meinen Jüngern in der Stadt Aphek und gaben Mir am nächsten Tage ihr Bekenntnis und ihre Gelübde ab.

4. Wir aber begaben uns zur Ruhe nach dem Abgange des Priesters und ruhten wohl bis zum Morgen.

5. Wie allzeit so auch diesmal befand Ich Mich mit Meinen Jüngern und mit dem Hauptmanne schon eine volle Stunde vor dem Aufgange im Freien; und da es ein ganz heiterer Morgen war, so genossen wir von einer Anhöhe außerhalb der Bergstadt eine überaus schöne Fernsicht und so manche überraschend schöne Morgennaturszene.

6. Als der Hauptmann und auch unser Wirt an Meiner Seite die schöne Natur ganz entzückt bewunderten, da sagte nach einer Weile des seligen Bewunderns der Hauptmann zu Mir: „Herr und Meister, es ist den Menschen kaum zu verargen, daß sie nach und nach weltliebig und am Ende gar abgöttisch (gottlos) geworden sind; denn was der Mensch mit all seinen Sinnen wahrnimmt in seinem offenbar anfänglichen Naturzustande, das nimmt ihn auch mit einer oft unwiderstehlichen Macht gefangen, und alle noch so geistigen Lehren und Reden können ihn von den Fesseln, die ihm die zahllosen Reize der Welt angelegt haben, nicht von heute bis morgen ablösen. Wie heute der Morgen mit zahllosen Reizen geschmückt ist, so war es sicher auch schon zahllose Male. Und daß beim Anblick solcher Schönheiten die Menschen in allerlei seltene (seltsame) Phantasien geraten sind, ist mir nun ganz leicht begreiflich; und daß sie sich in dieselben stets mehr und mehr vertieft und in ihnen begründet haben, das bewirkte ebenfalls die zu schöne und stets wechselvollste Szenerie der Natur.

7. Bis ein Mensch sich ganz von allen Anreizungen der Welt abziehen kann, dazu gehört schon ein höchster Grad der heldenmütigsten Selbstverleugnung.

8. Ich denke es mir nun, daß Menschen, die nicht in gar zu reizend schönen Gegenden der Erde wohnen und leben, für rein geistige und somit übersinnliche Wahrheiten empfänglicher sein dürften als Menschen, die da Bewohner eines zu schönen Landes sind.

9. Ich betrachte da nur das alte, höchst traurig aussehende Ägypten. Solange es die Menschen durch ihren Fleiß noch nicht kultiviert hatten, da gab es darin geistig geweckte Menschen in großer Menge; sowie aber der Fleiß der Menschen die sterile Natur dieses großen Landes sehr zu verschönern angefangen hatte, da verlor sich ihr geistiger Sinn auch stets mehr und mehr, und der naturmäßige gewann nur zu bald die Oberhand, und es entstanden allerlei Bilder und aus ihnen allerlei Götter, und der Geist des Menschen, als sein größtes Lebensgut, verlor sich ganz, und Moses selbst mußte das zu versinnlichte Volk Israel bei vierzig Jahre lang in der unwirtlichsten und naturunschönsten Wüste festhalten, um es fürs innere Gottgeistige empfänglich zu machen.

10. Und so bin ich denn der Meinung, daß diese Erde zum großen Teil für die geistige Bildung der Menschen denn doch viel zu reizend und schön ist.

11. Mir gefällt dieser Morgen freilich wohl unbeschreiblich gut; aber ich fühle es auch, welchen bezaubernd mächtigen Eindruck er auf ein gesundes, junges Gemüt ausüben muß.“

12. Sagte Ich: „Du hast schon recht zu einem Teil, aber zum andern nicht! Denn so Ich die Menschen dieser Erde nicht also gestellt hätte, daß sie sich selbst infolge ihres freien Willens, ihrer Vernunft und ihres Verstandes zu bilden hätten und zu suchen Meinen Geist in sich, so hätte Ich sie ja als Polypen irgend im finstersten Abgrunde des Meeres können ruhen lassen. Aber so kann das nicht sein, da der Mensch ein völlig freies Wesen ist und sich selbst zu bilden hat.

13. Siehe, diese ganze, große und schöne Weltnatur ist demnach für die Selbstbildung des Menschen höchst notwendig; denn ohne sie würde es mit seinem Denken, Fühlen und Empfinden ganz mager aussehen, und er würde sich nicht viel über das Reich der Tiere erheben! Da aber die Erde so überaus mannigfach mit allen Kreaturen ausgestattet ist, so muß der Mensch sie einmal mit verwunderndem Wohlgefallen zu betrachten anfangen, und aus solchem Betrachten und Vergleichen der verschiedenen Dinge durch alle Reiche der Natur dieser Erde und so auch des steten Wechsels der Tages- und Jahreszeiten und auch der Gestirne am Himmel, geht der Mensch notgedrungen in ein stets tieferes Denken über und fängt dabei denn auch an, den Urgrund des Daseins so zahllos vieler Dinge zu suchen und zu erforschen. Und ist der Mensch durch die Eigentätigkeit einmal so weit gekommen, so komme auch Ich ihm entgegen und offenbare Mich ihm stets mehr und mehr und klarer und klarer.

14. Darum, Mein Freund, ist es schon ganz recht also, daß diese Erde, auf der die Menschen berufen sind, Gottes Kinder zu werden, eben in allem so schön und höchst mannigfaltig ausgestattet ist!

15. Aber freilich soll der Mensch nicht mit zu viel Liebe diese schöne Welt erfassen und mit all seinen Sinnen an ihr hängen; denn dadurch wird er materiell in seiner Seele und entfernt sich von dem, was er anstreben soll, stets mehr und mehr und wird blind, finster und böse in diesem kurzen Willensfreiheitsprobeleben.

16. Wie schwer aber dann solche Menschen auf die rechte Bahn des Lebens zu bringen sind, das lehrt die Erfahrung aller Zeiten, und du selbst hast darin schon gar viele Erfahrungen gemacht und wirst noch viele machen.

17. Nun aber kommen etwelche Priester mit dem einen, der gestern von Mir belehrt worden ist, zu uns heraus und wollen sehen und erfahren, was denn so ganz eigentlich an Mir ist, denn der von Mir schon Belehrte hat ihnen ein Lichtlein angezündet und sie zu einem tiefen Nachdenken genötigt. Lassen wir denn die Sucher zu uns kommen und auch finden, was sie suchen, nämlich die Wahrheit des Lebens!“

102. Kapitel. Die Bitte und das Versprechen der Priester.

1. Als Ich solches mit dem Hauptmann geredet hatte, da kamen auch schon die Priester vollends zu uns und grüßten uns auf das freundlichste.

2. Darauf sagte der von Mir schon Belehrte zu seinen Gefährten: „Sehet, hier steht der große und erhabenste Wundermann, nach dessen Willen sich alles gehorsamst fügen muß, und in dessen Rede die tiefste Wahrheit und Weisheit waltet! Darum sei ihm von uns denn auch alle Ehre, aller Preis und alles Lob dargebracht!“

3. Sagte Ich: „Freunde, Ich bin nicht in diese Welt gekommen, um Mich von den Menschen ehren, preisen und loben zu lassen, sondern darum, daß alle Menschen durch Mich und in Mir Den wiederfinden und erkennen sollen, den sie durch ihre eigene Schuld verloren und gänzlich verkannt haben, und daß sie erkennen sollen Seinen Willen und handeln und leben nach demselben. Wer Mich denn wahrhaft ehren, preisen und loben will, der nehme Meine Lehre an und handle und lebe nach ihr!

4. Aber solange ihr eure ehernen, steinernen und hölzernen Götzen verehret, werdet ihr zum wahren Lebenslicht aus Gott nicht gelangen, Ihn in Mir nicht erkennen und sonach auch keinen Teil an Seinem Reiche haben, das in Mir aus den Himmeln nun auf diese Erde gekommen ist.“

5. Hierauf sagte einer, der noch sehr an der Vielgötterei hing: „Es wäre alles recht nach deinem Worte, und wir würden für uns mit unsern Göttern auch bald fertig werden; aber was wird dann das Volk tun und was sagen zu uns, die wir es waren, die mit aller Redekraft und auch mit allerlei Zeichen eben dem Volke die Götter als daseiend und wirkend anpriesen und es zur Verehrung derselben antrieben? Das Volk hängt noch sehr an dem, was es von Kindheit an sich zu eigen gemacht hat, und es wird wohl schwer werden, ihm das Gehabte völlig zu nehmen und dann dafür etwas anderes und Besseres zu geben.“

6. Sagte Ich: „Das hängt alles von eurem Willen ab! Die Wahrheit begreift sogar ein Kind eher denn etwas, das falsch und somit eine Lüge ist; also wird ein erwachsener Mensch die Wahrheit sicher wohl noch um so eher begreifen und sie sich mit Liebe aneignen. Es kommt daher jetzt nur auf euren Willen an, und dann wird euch schon Mein Wille helfen, ein rechtes Werk in Meinem Namen zustande zu bringen.

7. Doch einen Zwang von Mir aus erwartet nicht; denn von Mir aus hat ein jeder Mensch einen vollkommen freien Willen und kann tun, wie es ihm beliebt. Doch wehe dereinst dem, der die Wahrheit wohl erkannte, sie aber dennoch der Weltvorteile wegen von sich verbannte, nicht nach ihren Grundsätzen gehandelt, sondern sie am Ende noch verfolgt hat mit Feuer und Schwert. Wahrlich, für den wäre es besser, so ihm ein Mühlstein an den Hals gehängt und er dort in ein Meer versenkt würde, da es am tiefsten ist!

8. Daß an euren Göttern samt ihren durch Menschenhände erzeugten Abbildern nichts ist, und in der Weise, wie ihr sie betrachtet, tausend Male nichts, das ist klar; denn was da noch auf dem Wege der alten Entsprechungen irgendeinen inneren, geistig lebendigen Sinn hatte, das ist schon seit gar lange her in den dicksten und finstersten Unsinn und so denn auch in eine barste Lüge verwandelt worden.

9. So Ich euch nun die volle Wahrheit über das Dasein des einen, allein wahren Gottes wiederbringe und euch Seinen Willen bekanntgebe, so lasset denn auch ab von euren völlig nichtigen Götzen und schaffet hinweg ihre Abbilder, – nehmet die Wahrheit an!

10. Und habt ihr sie angenommen, dann gebet sie auch denen, die schon lange nach ihr sehr hungern und dürsten, und sie werden euch darum nicht zu Feinden werden, sondern zu wahren Freunden nur; denn da sie euch nicht verfolgt haben, wo ihr ihnen lauter Arges erwiesen habt, so werden sie euch sicher um so weniger verfolgen, wenn ihr ihnen Gutes für ihr diesirdisches, und noch mehr für ihr jenseitiges Leben erweisen werdet in Meinem Namen.

11. Wie Ich aber heiße, und wer Ich so ganz eigentlich bin, das werdet ihr alle leicht und bald erfahren.“

12. Hierauf sagte einer der Heidenpriester: „Höre, du wundersamer Meister in der Kraft deines Willens und Wortes! Du hast gestern bald nach deiner Ankunft in unserer Herberge dem Wirte alle seine Kranken geheilt, von welcher Tat wir bald volle Kunde erhielten, und wir nun auch des Glaubens sind, daß so etwas zu bewirken nur mit der sichern Hilfe eines wahren Gottwesens möglich ist. Daß du aber solch einer Mithilfe auch stets gewärtig sein wirst, das läßt sich von selbst denken und am Ende auch begreifen; weil aber das sicher der Fall bei dir ist, so möchten wir nun auch hier von dir ein Zeichen von der Macht deines Wortes und Willens gewirkt sehen! So auch wir darin einen Beweis haben, da wollen wir noch heute alle unsere Götter zerstören und im Tempel des Zeus dem einen, allein wahren Gott der Juden nach der Weise Mosis und Aarons ein Opfer darbringen.“

13. Sagte Ich: „Eines solchen Opfers bedarf nun der eine, allein wahre Gott nicht nur der Juden, sondern aller Menschen, aller Kreaturen und Dinge wahrlich nimmer. In allen jenen Opfern war in der inneren, rein geistigen Entsprechung nur Ich Selbst vorgebildet und das Gottesreich, das Ich nun nicht fürs Fleisch und Blut, sondern für die Seelen und für den Geist der Menschen auf dieser Erde gründe.

14. So Ich nun aber Selbst vor jedermanns Augen hier unter euch Menschen umherwandle, so ist die Schrift denn auch erfüllt, und es bedarf da keines Weitern mehr, das Mich in Mir entsprechender Weise vorbilden sollte.

15. Das neue, Mir wohlgefällige Opfer aber bestehe einzig und allein nur darin für alle Zukunft, daß ihr Menschen an Mich glaubt, Gott über alles in Mir liebt und eure Nebenmenschen wie euch selbst durch Haltung Meiner Gebote.

16. Ihr sollet Mir keine Tempel von Holz, Steinen und von Gold und Silber erbauen und Mich darin ehren durch allerlei eitle, nichtige Zeremonie, an der Ich nie ein Wohlgefallen hatte und nie haben werde; der rechte Tempel, darin ihr Mich ehren sollt, sei euer Mich liebendes Herz! Wer Mir im Herzen durch die Werke der Liebe zu Mir und zu seinem Nächsten opfern wird, dessen Opferung wird bei Mir allein einen Wert haben, und Ich werde ihn belohnen mit dem ewigen und seligsten Leben in Meinen Himmeln.

17. Also sollet ihr auch Mir zu Ehren keinen Festtag und tatlosen Feiertag einsetzen; denn ein jeder Tag ist Mein, und ihr sollet an jedem Tage Meiner gedenken und in Meinem Namen Gutes tun.

18. So ihr aber Mich um etwas bittet, so sperret euch in ein Kämmerlein und bittet im Verborgenen, und Ich werde erhören eure Bitte, – also spricht der Herr Gott Zebaoth zu euch Menschen.

19. Also hinweg mit all den Tempeln, Götzen, mit all den Festtagen und mit all der nichtigen und wertlosesten Zeremonie; aber dafür errichtet wahre, Mir wohlgefällige Tempel in euren Herzen, und bringet Mir Opfer der reinen uneigennützigen Liebe! Machet gut den Schaden, der durch euch den armen, blinden und zumeist eben nur durch euch belogenen und betrogenen Menschen ist zugefügt worden, und ihr werdet der Gnade Gottes gewärtig werden!“

103. Kapitel. Das Entsprechungswunder für die bekehrten Priester.

1. (Der Herr:) „Ihr habt Mich um die Wirkung eines Zeichens gebeten, und Ich will euch denn auch eines vor euren Augen wirken; aber des Zeichens wegen werdet ihr nicht selig werden, sondern nur eures Glaubens an Mich und des Lebens nach Meiner Lehre wegen!

2. Sehet, hier auf diesem Hügel, der ganz kahl und öde ist, steht noch ein alter, aber schon seit mehr denn dreißig Jahren dürrer Feigenbaum! In jener Zeit entlud sich hier ein mächtiges Gewitter, der Regen fiel in Strömen von den Wolken zur Erde nieder und riß das ohnehin spärliche Erdreich vom steinigen Boden hinweg, und so verdorrten denn auch bald Gras und Bäume, weil sie nicht mehr genährt werden konnten.

3. Seht, es steht mit diesem Hügel sowie mit der ziemlich gedehnten Umgegend und so auch mit diesem Baume, wie es mit eurer Erkenntnis des einen, allein wahren Gottes steht! Wie aber für den Menschen ohne die wahre, innere Erkenntnis des einen, allein wahren, lebendigen Gottes alles tot, wüste und öde ist und sein muß und er, da er keine Nahrung für Seele und Geist finden kann, verdorrt und verkümmert, weil der Weltsinnssturm von ihm das ihn nährende und belebende Erdreich, welches da ist das lebendige Gotteswort, hinweggeschwemmt hatte, so verdorrte dieser Baum und um ihn alles Gras und kann nicht zum Leben kommen aus sich, weil da kein Erdreich sich vorfindet, sondern nur durch Gottes Macht, die da schaffen kann ein neues Erdreich, erfüllt mit dem, was zum Pflanzenleben nötig ist. Und so denn will Ich, daß diese ganze Gegend, so wie dieser Hügel vorerst, mit fruchtbarer Erde bei zwei volle Ellen hoch überdeckt werde! – Es geschehe!“

4. Als Ich dieses ausgesprochen hatte, da war die ganze Gegend und ebenso auch der Hügel mit dem sichtlich fruchtbarsten Erdreich überdeckt, worüber sich die Heidenpriester also tief verwundernd entsetzten, daß sie zu beben anfingen und der eine, schon am Abend vorher Unterwiesene laut ausrief: „Ja, Den ich so lange vergeblich gesucht habe, ist hier gefunden! Du, o Herr, groß, heilig und über alles mächtig, bist wahrlich Selbst eben Derjenige, von dem Du sprachst, daß ich Ihn noch finden werde! Denn nur ein Gott kann ein wüstes Land durch Sein Wort in einem Moment mit dem fruchtbarsten Erdreich bedecken; für die Menschen ist das unmöglich!

5. Heil uns, daß wir Dich endlich einmal ganz so gefunden haben, wie wir Dich schon lange zu finden gewünscht haben! Nun ist der verhängnisvolle Isisschleier vor unsern Augen mit einem Schlag gelüftet. Oh, alle Ehre und alle Liebe Dir allein, Du ewig großer, allein wahrer Gott und Herr!

6. Oh, vergib uns unsere vielen Sünden, die wir in unserer zu großen Blindheit gegen Dich und so denn auch gegen unsere Nebenmenschen begangen haben! Wir wollen und werden von nun an aber nach Möglichkeit mit Deiner über alles mächtigen Hilfe alles wieder gutmachen, was wir jemals Übles angerichtet haben; sei Du uns gnädig und barmherzig, und verstoße uns Sünder nicht zu weit von Dir, Du unser Gott und unser Herr!“

7. Sagte Ich: „Du hast nun wohlgeredet, doch dein Fleisch und dein Blut hat dir das nicht eingegeben, sondern der Geist Meines von dir aufgenommenen Wortes in dein Gemüt. Auch du bist nun mit geistig fruchtbarer Erde also überdeckt worden wie dieser Hügel und diese sehr gedehnte Umgegend, und was in dir wüst und öde war und keine Frucht zum Leben hervorbringen konnte, wird allenthalben zu grünen beginnen und eine reichliche Frucht in aller Mannigfaltigkeit zur wahren Nahrung und vollen Sättigung der Seele für ihr ewiges Leben hervorbringen.

8. Darum bleibe du tätig nach deinem Vorsatze, und du wirst zum Leben für viele ehest ebenso erblühen, wie nun dieser Hügel und die ganze Umgegend durch Mein Wort ergrünen und erblühen werden, und wirst als ein im Geiste der Lebenswahrheit bis jetzt tot gewesener Mensch eben also auch nur durch Mein Wort, das du als ein lebendiges Gotteswort in dir an- und aufgenommen hast, zur wahren Lebensfruchtbringung vollends belebt werden, wie nun vor euer aller Augen dieser durch volle dreißig Jahre dürre und tote Feigenbaum, von dem nur noch der Stamm nebst einigen stärkeren Wurzeln und Ästen hier ersichtlich ist.

9. Ich will denn nun, daß dieser Hügel mit der ganzen Umgegend ergrüne und zur reichlichen Fruchtbringung erblühe und dieser alte und morsche Feigenbaum wieder lebendig werde und Früchte erzeuge zum Genusse für Menschen und Vöglein des Himmels! Es sei!“

10. Auf diese Meine Worte ergrünte und erblühte der Hügel und die ganze Umgegend, und der Feigenbaum ward voll Blätter und Blüten und auch mit vielen neuen Ästen und Wurzeln versehen.

104. Kapitel. Des Jüngers Andreas Rede von den Werken und Worten Jesu.

1. Das machte unsere Heidenpriester vor lauter Verwunderung über Verwunderung ganz stumm; denn sie merkten es jetzt erst ganz klar, wen sie in Mir vor sich hatten.

2. Auch unser Wirt, der auch bei uns war, wurde, obschon er am Abend das große Heilungszeichen von Mir gewirkt sah und höchst bewunderte, auf dies Morgenzeichen erst ganz dahin überzeugt, daß Ich nicht wie irgendein großer Prophet erfüllt mit dem Geiste aus Gott, sondern ganz selbständig aus eigener Macht und Kraft handle und wirke und sagte darum denn auch zum Hauptmanne, der mit den Seinen selbst voll des höchsten Staunens dastand: „Hoher Gebieter, dieser Mann ist kein Mensch, der mit der Hilfe des einen, allein wahren Gottes der Juden solche nie erhörten Zeichen wirkt, sondern in Ihm wohnt die ganze, ewig endlose Fülle der Gottheit sichtbar vor uns körperlich! Denn Er sagte: ,Ich will es!‘ und nicht: ,Gott hat also zu Mir geredet, und dies und jenes, daß es geschehe und werde‘!“

3. Sagte der Hauptmann zum Wirte: „Freund, das weiß ich schon von Pella aus, dahin Er kam und auch also lehrte und große Zeichen wirkte wie hier; doch ein solches Zeichen wie dieses habe ich selbst noch nicht gesehen, obschon diesem ähnliche mehrere, die mir nur zu klar und zu laut sagten: ,Siehe, das ist wundersamstermaßen der Herr Selbst!‘

4. Er sagt freilich wohl: ,Ich bin vom Vater in diese Welt gesandt!‘, doch Er ist eben Derjenige, der Sich Selbst durch Seine Liebe zu uns Menschen in diese Welt gesandt hat, um uns fürderhin kein unsichtbarer und unbegreiflicher Gott und Vater, sondern ein wohl sichtbarer und begreiflicher zu sein, und daß wir in der Folge lebendig glauben können, daß eben Er ein allein wahrer Gott ist und es außer Ihm keinen andern Gott und Herrn gibt und geben kann.

5. In Ihm wohnt das Ursein alles Seins, die Urkraft aller Kräfte, die Urmacht aller Mächte, das klarste Seiner- Selbst-Bewußtsein alles Bewußtseins aller Kreaturen in der ganzen ewigen Unendlichkeit, die erfüllt ist von Seinen Werken, und also wohnt in Ihm denn auch die höchste und nie erforschbare Weisheit. Und siehe, dieses alles glaube ich nicht nur, wie ein Mensch gewöhnlich irgendeine vernommene Wahrheit zu glauben pflegt, aber neben solchem Glauben mit seinem Verstande doch noch nachforscht und grübelt, ob die vernommene große Wahrheit wohl auch in allen ihren teilweisen Beziehungen völlig wahr sei, und wie man sich davon vollkommen überzeugen könne, sondern ich bin von all dem vollkommenst und lebendigst überzeugt und bin bereit, für solch meine vollste und lebendigste Überzeugung mein Leben hinzugeben!“

6. Sagte der Wirt: „Hoher Gebieter, so tief wie du kann ich in dies hochheiligste Geheimnis noch nicht eingeweiht sein; aber ich glaube nun alles ungezweifelt, was du nun ausgesprochen hast, und hoffe, daß auch mir und meinem ganzen Hause von all dem die lebendigste Überzeugung werden wird! Darum alle Ehre und Liebe nun dem einen, sichtbaren Gott vor uns!“

7. Ebenso wie der Hauptmann und der Wirt besprachen sich auch die Priester und auch die Jünger untereinander.

8. Und ein Priester ging zu einem Jünger hin und befragte ihn, ob Ich solche Zeichen schon zu öfteren Malen gewirkt hätte.

9. Sagte der Jünger: „Ziehe hin in alle Orte von ganz Galiläa, von Judäa, von Samaria und noch andern Ländern im Süden und Norden und von Osten nach Westen, und forsche, und man wird dir sagen und zeigen, was der Herr gewirkt hat!

10. Zeichen, wie dieses hier, sind viele gewirkt worden, und es sind alle Länder, die wir mit Ihm durchwandert haben, voll von Seinen Taten und voll von Seiner Ehre; denn Er ist es, der Seinesgleichen nicht hat weder im Himmel noch auf Erden. Aber Er will es nicht, daß wir viel reden von den großen Zeichen, die Er zur Bekräftigung der Wahrheit Seiner euch nun schon in den Hauptteilen bekannten Lehre gewirkt hat. Denn die Zeichen werden veralten und mit der Zeit also vergehen, wie auf dieser Welt alles vergänglich und wandelbar ist, und so man nach vielen Jahren davon reden wird, so werden die Menschen es nicht glauben und nicht fassen; aber Seine Worte werden nicht vergehen, sondern ewig als die Wahrheit aller Wahrheit bleiben in allen Himmeln und auf der ganzen Erde und in der großen Welt der Geister!

11. Er will demnach nur, daß dieses von Ihm aus den Himmeln in diese Welt gebrachte Lebenswort allen Menschen gepredigt werde und sie an Ihn den lebendigen Glauben überkommen durch das Handeln nach dem Worte.

12. Werden die Menschen das, so werden sie durch Ihn schon also geweckt und gestärkt werden, daß sie in Seinem Namen selbst Zeichen wirken werden, wie auch wir schon in Seinem Namen gar manche Zeichen gewirkt haben, indem wir allerlei Kranken die Hände auflegten und sie darauf vollkommen gesund geworden sind. Euch selbst wird dieses Zeichen erst dann zum Nutzen werden, so ihr nach Seiner Lehre leben und handeln werdet.

13. Es ist aber ein solches Zeichen wohl als ein übergroßes Wunder anzusehen, so die Menschen, die davon persönlich Zeugen waren, über die Wesenheit des Zeichenwirkers noch nicht hinlänglich im klaren waren; haben aber die Menschen den Zeichenwirker einmal in Seiner Wesenheit erkannt, dann ist das gewirkte Zeichen an und für sich kein Wunder mehr, denn sie sehen es ja ein, daß Gott, dem ewig Allmächtigen, kein Ding unmöglich ist.

14. Was ist diese Erde denn anders als des Herrn Wort und Wille aus Seiner Liebe und Weisheit? Was sind der Mond, die Sonne und alle die zahllosen Sterne mit all dem, was sie tragen und fassen, indem sie – wie wir es genauest wissen – auch Weltkörper sind, und die meisten, die wir mit unseren Augen erschauen können, ums unvergleichbare größer denn diese Erde, die uns trägt und nährt?

15. So es Gott dem Herrn von Ewigkeit aber sicher möglich ist, solche großen Werke auch nur durch Seinen Willen entweder augenblicklich oder nach Seiner Liebe und Weisheit in gewissen Zeitperioden ins Dasein zu rufen, so ist es Ihm ja auch ebenso leicht möglich, durch Sein Wort und Seinen Willen einen kleinen Fleck der kahlen Erde mit fettem Erdreich zu überdecken und dasselbe nach seiner Art also zu befruchten, wie es die Beschaffenheit des Landes erfordert nach der von Ihm festgestellten Ordnung.

16. Wenn ihr sonst sehr verständigen und mit vielen Erfahrungen wohlversehenen Römer das ganz leicht einsehen und begreifen könnt, so werdet ihr es auch einsehen und begreifen, daß die nun vom Herrn gewirkten Zeichen nicht die Hauptsache für uns Menschen sind, sondern Sein Wort und Seine Lehre, die uns den Weg zum ewigen Leben zeigt. Das Wort aus dem Munde Gottes ist demnach für uns alles in allem, und wir werden sein und leben durch dasselbe ewig und dort sein, wo Er ist, und wirken durch Sein Wort und durch Seinen Willen in uns.“

17. Als der Priester solches von dem Jünger vernommen hatte, da sagte er: „Freund, du bist in der rechten Weisheit aus Gott schon weit vorgedrungen, und mich nimmt es nun nicht wunder, daß ihr alten Jünger des Herrn euch nach dem gewirkten, unerhört großen Wunderzeichen um vieles gleichgültiger benommen habt als wir Heiden! Aber was du mir nun gesagt hast, werde ich eben also behalten, als hätte es mir der Herr Selbst gesagt, und ich danke dir für deine Freundschaft und Geduld.“

18. Darauf ging der Priester wieder zu seinen Kollegen und besprach sich mit ihnen über das, was er von dem Jünger, der Andreas hieß, vernommen hatte.

105. Kapitel. Das wunderbare Morgenmahl.

1. Es kam aber nun ein Bote aus der Stadt, um uns anzuzeigen, daß das Morgenmahl bereitet sei; er konnte aber vor lauter Staunen über die ganz verwandelte Gegend kaum zum Reden kommen. Ich aber sagte dem Wirte, warum dieser Mensch, ein auch von Mir geheilter Diener des Hauses, zu uns gekommen sei, und wir begaben uns darauf sogleich in die Stadt. Die Priester folgten uns auf dem Fuße nach in die Stadt, da sie die in ihnen zu Mir erwachte Liebe mit aller Gewalt an Mich zog.

2. Als wir alle in das Haus des Wirtes kamen und uns auch sogleich zu Tische setzten, da sagte der eine Hauptpriester, als er Mich das Morgenmahl zu Mir nehmen sah, zu Mir: „O Herr, Du Allmächtiger und Höchstweiser! Das ist auch ein Wunder, daß Du eine irdische Kost zu Dir nehmen magst, da doch alles, was auf dieser Erde Nährstoff heißt, auch ein Werk Deines Wortes und Willens ist! Du könntest auch hier sagen: ,Es werde der Tisch mit Speise und Trank aus den Himmeln in aller Reinheit besetzt!‘, und es würde geschehen, was Du wolltest! Denn siehe, unsere heidnische Kost ist vor den Augen eines streng mosaischen Juden unrein, und dennoch genießest Du samt Deinen Jüngern sie mit aller Lust!“

3. Sagte Ich: „Siehe, für den Reinen ist alles rein, und so denn sicher auch für Mich! Wo Ich Menschen treffe, die voll guten Willens und dadurch auch schon zum größten Teil eines reinen Herzens sind, da ist auch ihre Kost rein; denn Ich Selbst reinige sie für alle, und es wird durch sie niemand verunreinigt.

4. Weil du aber schon glaubst, daß Ich durch Mein Wort und Meinen Willen einen Tisch mit reiner Speise und reinem Trank aus den Himmeln decken und bestellen könnte, so setzet euch an den nächsten Tisch, und es soll geschehen nach deinem Glauben!

5. So aber der Tisch mit Speise und Trank angefüllt sein wird, da esset und trinket ohne Furcht und Scheu; denn solche Speise und solch ein Trank wird euch stärken und sehr mutig machen im Kampf gegen den Fürsten der Nacht und der Lüge und des Truges vor Heiden und Juden!“

6. Hierauf setzten sich alle die Priester an den bezeichneten Tisch, der im Augenblick mit dem feinsten Byssus bedeckt und mit dem erforderlichen Eßzeuge wohlversehen war. Aber die Schüsseln standen noch leer vor den erstaunten Gästen, und in den Kristallbechern blinkte noch kein Wein, und Ich sagte zu den Priestern: „Sehet, euer Tisch wäre nun schon bestellt mit der reinsten Speise und mit dem reinsten Wein aus den Himmeln, was ihr zwar mit euren Augen noch nicht sehet und auch nicht mit der Zunge schmecket; aber es ist alles dennoch schon da!

7. Ich will aber nun, daß sich das Geistige umkleide mit der Materie, und ihr sehet nun schon allerlei Speise und den besten Wein, und so möget ihr nun davon essen und den Wein trinken!“

8. Nun war es bei den Priestern völlig aus, und sie erschöpften sich vor lauter Lobpreisung und Ehrung Meines Namens.

9. Darauf fingen sie an zu essen und konnten den Wohlgeschmack der Speisen, die alle nach römischer Art bereitet waren, nicht genug loben und fanden auch den Wein so überaus vortrefflich, daß sie alle bezeugten, einen solchen Wein noch niemals gekostet zu haben.

10. Unser Wirt ward denn auch sehr begierig, von der wunderbaren Kost auf dem Tische der Priester etwas zu verkosten.

11. Ich aber sagte zu ihm: „Freund, sei danach nicht lüstern; denn was du an unserem Tische genießest, hat einen und denselben Ursprung, den gleichen Geschmack und dieselbe Wirkung, – denn auch diese Speisen sind Mein Wort und Mein Wille.“

12. Als der Wirt solches von Mir vernommen hatte, da stand er von seiner Neugier ab und war also ganz zufrieden.

106. Kapitel. Von der Beseitigung des Heidentums.

1. Als wir und also auch die römischen Priester uns mit dem Morgenmahle zur Genüge gestärkt hatten, da dankten Mir die Priester laut für dies wunderbare Mahl und sagten darauf: „O Du allmächtiger Herr und allein wahrer Gott, wir alle glauben nun ungezweifelt an Dich und haben auch den allerfestesten Willen gefaßt, die andern Heiden zu solchem Glauben zu bekehren; aber wir sehen es auch ein, daß das keine leichte Arbeit sein wird, weil besonders das gemeine Volk noch sehr an den heidnischen Göttern hängt und ihre Bildnisse anbetet und verehrt.

2. Es wird hier in dieser Stadt wohl nicht leichtlich ein Haus sich vorfinden, das da nicht voll gefüllt wäre mit den Hauslaren und tausend andern Ganz- und Halbgöttern, zu denen teilweise auch die Hauslaren gehören, so sie als Namenspatrone einer oder der andern Familie angehören und als solche denn auch verehrt werden.

3. Nun, alle diese Bilder des finsteren Heidentums auf einmal durch unsere Reden und Lehren über Dich hinwegzuschaffen, wird uns wohl sauer werden; Dir, o Herr, Herr, aber wäre das ein leichtestes, denn Du darfst ja nur wollen und in der ganzen Stadt sind alle die nichtigen Götterbilder, aus welchem Stoffe sie auch angefertigt bestehen, mit einem Mal nicht mehr vorhanden, und wir hätten also eine leichtere Arbeit, das Volk auf den rechten Licht- und Lebensweg zu bringen.“

4. Sagte Ich: „Das könnte Ich wohl allerdings tun, aber dadurch würde eure Arbeit für Mich und Mein Reich auf dieser Erde nicht erleichtert, sondern nur sehr erschwert werden; denn ein ganz verstocktes und über alle Maßen verfinstertes Gemüt und der freie Wille der Menschen läßt sich durch neue Zeichen und Wunderwerke nicht so leicht brechen, wie ihr es meinet. Denn so Meine Zeichen, die Ich zu Jerusalem gewirkt habe, das vermöchten, da wären alle Pharisäer und Schriftgelehrten samt dem Hohenpriester schon bei Mir und wären Meine Jünger; aber sie sind zu verfinstert und verstockt und hassen und verfolgen Mich allwegs als einen Volksaufwiegler und – verführer.

5. Ich könnte auch den Tempel und ihr Trugzeug in einem Augenblick zunichte machen; doch das würde die Finstern und Verstockten nicht im geringsten bessern, sondern sie noch hartnäckiger in ihrer großen Bosheit machen. Und so denn lasse Ich den Tempel noch eine Zeitlang stehen und dahin kommen den Stolz und die Herrschsucht seiner Einwohner und seiner Verehrer, daß sie sich setzen werden wider Rom, und das wird das Ende Jerusalems, seines Tempels und seiner Einwohner sein.

6. Also lasset auch ihr bei den sonst gutmütigen Bewohnern dieser Stadt und ihrer Umgegend das Alte so lange bestehen, bis sie selbst durch euer Licht aus Mir dahin erleuchtet werden, das Nichtige ihrer Götzenbilder einzusehen, und die Erleuchteten werden dann schon selbst zu der Vernichtung all der alten Trugwerke euch ihre Hände leihen. Denn es genügt vorderhand, daß das Götzentum in den Gemütern der Menschen zerstört und vernichtet wird; ist das bewerkstelligt, so ergibt sich alles andere schon von selbst.

7. Doch vorher mit der Vernichtung der alten Glaubensmonumente beginnen und dann erst mit dem neuen Lichte die höchst betroffenen und erschütterten Gemüter und Herzen aufhellen zu wollen, wäre dem gleich, der sein altes Haus völlig abreißen und zerstören ließe, ehe er für sich einen Plan machte, wie das neue Haus aussehen solle.

8. Wo wird er unterdessen wohnen, bis das neue Haus fertig ist? Hat er aber das neue Haus erbaut, so wird er dann ein leichtes haben, das alte niederzureißen und es aus dem Dasein zu schaffen.

9. So Ich nun in einem Moment durch die Macht Meines Wortes und Willens alle eure Götzenbilder zerstörte, so würde das noch an diesem Tage einen Volksaufstand unvermeidbar hervorrufen, den ihr schwer dämpfen würdet, wenn ihr auch noch so laut und so scharf vom großen Zorn der beleidigten Götter in allen Gassen und Straßen zu predigen anfinget; denn das Volk würde endlich ganz erbost zu fragen anfangen, wodurch es sich bei seiner immerwährend gleichen Opferwilligkeit und Tugend bei den Göttern also versündigt habe, daß diese sogar ihre Abbilder, die es stets in hohen Ehren hielt, von ihm genommen haben.

10. Am Ende würde das Volk euch eurer ihm wohlbekannten Habsucht bezichtigen, und die Menschen würden sagen: ,Höret, ihr Priester, das haben nicht die Götter, sondern das habt ihr getan! Schaffet uns die Götter her, oder ihr werdet zur Beute unseres gerechten Zorns!‘

11. Und sehet, unter solchen Verhältnissen würdet ihr Meine Lehre und den Glauben an Mich unter den Heiden schwer ausbreiten können!

12. Darum bauet zuvor ein neues Haus für sie, und sie werden euch dann selbst helfen, das alte völlig zu zerstören; was aber die Götzen in euren Wohnungen betrifft, die zumeist aus edlen Metallen, wie Gold und Silber, angefertigt sind, die schmelzet zusammen, verkaufet das Metall, und verteilet das Geld unter die Armen, die euch dann sicher nicht verachten werden.

13. Mein Reich, das Ich nun auf dieser Erde gründe, ist ein Reich des Friedens und nicht ein Reich der Zwietracht, der Verfolgung und des Krieges; und so sollet ihr es auch im Frieden unter den Menschen ausbreiten und euch dabei keines Schwertes bedienen!

14. Wenn aber diese Meine Lehre einmal durchs Schwert unter die Völker ausgebreitet zu werden begonnen wird, dann wird es bald sehr elend auf dieser Erde aussehen. Das Blut wird in Strömen fließen, und alle Meere werden eine traurige Färbung annehmen. Darum seid ihr alle nun friedsame Arbeiter in Meinem Namen, und vermeidet allen Zank und Hader! Wirket allein durch Meine Liebe in euren Herzen; denn in der Liebe liegt die größte Kraft und Macht verborgen!

15. Denket, daß euer Heidentum zwar wohl ein alter, morscher und lebloser Baum ist, – aber er hat dennoch so viele noch feste Holzteile und nahezu versteinerte Wurzeln, daß er sich mit einem Axthieb nicht sogleich fällen läßt; doch mit der Zeit, rechten Klugheit, Geduld und Ausharrung wird er den vielen Axthieben dennoch weichen müssen. Die scharfe Axt, die Ich euch nun gebe, aber heißt Wahrheit; dieser wird am Ende dennoch jeder noch so finstere und harte Widerstand weichen müssen.

16. Also ist da Mein Wille; diesem nach handelt, und ihr werdet für Mein Reich goldene Früchte ernten durch Meine Liebe in euch!“

107. Kapitel. Über Nächstenliebe.

1. Als die Priester eine solche Weisung von Mir erhielten, wurden sie ganz frohen Mutes, dankten Mir dafür, erhoben sich von ihrem Tische bis auf den einen, der eine Art Oberpriester war, und gingen in ihr Gemach, das, wie schon bekanntgegeben, sich dermalen auch im Hause des Wirts, das da groß und überaus fest gebaut war, befand, und hielten untereinander Rat, wie sie diese Sache anfangen würden, damit sie möglichst ruhig und gut vonstatten gehe.

2. Der eine bei uns verbliebene Priester aber besprach sich mit dem Hauptmanne wegen des Verkaufs der goldenen und silbernen Gottheiten, weil sie hier keine Gelegenheit hätten, derlei erst zu schmelzen und dann als Metall zu verkaufen; auch befände sich in der ganzen weiten Umgegend kein Goldschmied, der solche Metalle ankaufen und dann nach seinem Belieben verwenden könnte.

3. Und der Hauptmann sagte: „Ich werde euch alles tun, was dem Herrn und Meister über alles recht sein wird, – aber Er wolle Sich gnädigst zuvor darüber aussprechen, was da vollends recht wäre; denn unser Wollen soll von nun an nur Sein Wollen in uns sein!“

4. Hierauf sagte Ich: „Da tuet ihr selbst nach eurem Gutdünken; die Hauptsache ist, daß der Erlös den Armen zugute kommt auf eine zweckdienliche Art und Weise, was ihr wohl durch Meinen Geist in euch zu beurteilen imstande sein werdet.

5. Machet womöglich alles gut, was ihr – wie Ich das schon einmal bemerkt habe – irgend Übles angerichtet habt, und ihr werdet dadurch Meiner Gnade in eurer Seele gewärtig werden! Wo ihr aber irgend an einem Menschen ein begangenes Unrecht nicht wiedergutmachen könnt, da habt doch den guten Willen dazu, und wendet euch vollgläubig im Herzen an Mich, und Ich werde eure rechte Bitte nicht unerhört lassen!

6. Aber das sei auch euch allen gesagt, daß der nicht in Mein Reich eingehen wird, der nicht den auch noch so geringen Schaden, den er jemandem zugefügt hat, wiedergutgemacht hat! Denn was ihr nicht wollt, daß man euch tue, das tut auch eurem Nächsten nicht!

7. Wenn aber euch jemand einen Schaden zufügt und also an euch sich versündigt, den ermahnet mit aller Sanftmut, und vergebet es ihm! Bessert er sich, so wird das euch zugute kommen; bessert er sich aber nicht, so verdammt ihn darob nicht, sondern wendet euch da wieder an Mich in eurem Herzen, und Ich werde eure gerechte Bitte auch da wahrlich nicht unerhört lassen!

8. Tut alles, was ihr tut, in aller Liebe in Meinem Namen, und ihr werdet dadurch zu Kindern Gottes und zu Erben des Himmelreiches werden, und eure Seligkeit wird nimmerdar ein Ende haben, sondern ewig fortdauern!

9. So ihr alle das wohl verstanden habt, da tuet vor allem selbst danach, und lehret auch eure Nebenmenschen danach handeln; denn dadurch werdet ihr am meisten Mein Reich, das nicht von dieser Welt ist, unter den Menschen ausbreiten, wofür euch einst ein großer Lohn in Meinem Reiche zuteil werden wird, – denn was Ich euch verheiße, ist und bleibt ewige Wahrheit!“

10. Hierauf sagte der Hauptmann: „Herr und Meister! Ich sehe die ewig große Wahrheit aller Deiner Worte und Lehren sicher ein und fühle es auch lebendig in mir, daß es unter den Menschen also sein sollte, wie Du es uns gezeigt hast; aber es gibt unter den Menschen dennoch gar viele Bösewichte, wie Diebe, Räuber, Mörder, Ehebrecher, Knaben- und Mädchenschänder, sowohl unter den Juden wie unter den Heiden, und wir haben da gar strenge Gesetze, derlei Verbrecher unnachsichtlich mit aller Strenge zum abschreckenden Beispiel für die andere Menschheit zu bestrafen.

11. Nun, solch ein Verbrecher ist doch auch unser Nebenmensch und könnte sich vielleicht mit der Zeit auch noch bessern, so man ihm das Leben ließe und ihn belehrte über das, was da allein gut, wahr und recht ist und so man auch die geringeren Verbrecher, statt sie in lange andauernde Kerkerhaft zu werfen, in eine gute Schule gäbe und sie die Wahrheit lehrte.

12. Doch solange wir unsere unerbittlichen Gesetze haben, kann dieser mein Wunsch auch nur ein frommer Wunsch bleiben; denn so ich selbst irgendeines Verbrechens könnte schuldig gemacht werden, da wäre es mir ja doch auch lieber, so man nach meinem frommen Wunsche mit mir verfahren möchte, als daß man mich verdamme ohne alle Liebe und Schonung.

13. Aber bei den Richtern heißt es niemals: ,Was ihr nicht wollt, daß man es euch tue, das tut auch euren Nächsten – also unsern Nebenmenschen – nicht!‘, sondern da heißt es: ,Ich verurteile dich nach dem Gesetz!‘, und es ist dabei von einer Liebe und Erbarmung aber auch nicht eine allergeringste Spur.

14. Nun aber bin ich selbst ein oberster Richter in diesem Bereich, das Du, o Herr und Meister, wohl kennst, und habe gar manchen Verbrecher in die Kerker legen müssen! Soll ich nun auch diesen statt der Strenge des Gesetzes die Liebe erweisen?“

15. Sagte Ich: „Daran wirst du, wo es tunlich ist, sicher sehr wohl tun! Wer da die Gefangenen leiblich und geistig befreit von den Fesseln des Teufels, der soll auch befreit werden von den Banden des ewigen Todes!

16. Wer ein Richter ist und ein sanftes und gerechtes Gericht führt über verblendete Menschen, der wird dereinst auch von Mir also gerichtet werden. Mit welchem Maß ihr ausmesset, mit demselben Maß wird euch wieder zurückgemessen werden!

17. Wer da barmherzig ist, der wird auch bei Mir Barmherzigkeit finden; wer aber da ist ein strenger Richter, der wird auch an Mir einen sehr strengen Richter finden, – denn gerade jene Strenge, mit der er seine Nebenmenschen gerichtet hat, wird dereinst sein eigener Richter sein!

18. Ein jeder Mensch trägt also seinen dereinstigen Richter schon in sich. Das zu deiner Richtschnur, Mein Freund Pellagius!“

19. Mit dem war er denn auch vollkommen zufrieden, und wir begaben uns darauf wieder ins Freie, doch auf eine andere Seite der Stadt Aphek.

108. Kapitel. Jesu Verheißung und Mahnung.

1. Der Hügel, auf dem wir uns am Morgen befanden, lag gen Osten von der Stadt aus; der Teil außerhalb der Stadt, nach dem wir uns nun nach dem Morgenmahle begaben, lag aber gen Westen und war ein noch höherer Hügel. Dieser Hügel war ehedem auch völlig kahl; doch am Morgen wurde auch er mit fettem Erdreich bedeckt und mit allerlei Gras und andern wohlriechenden Kräutern reichlichst ausgestattet.

2. Als wir zu diesem Hügel kamen, da verwunderten sich alle, und der Wirt und der römische Priester sagten: „Da betrachte ein Mensch, wie weit doch reicht in aller Fülle die göttliche Kraft und Macht! Daß der Osten von der Stadt aus durch Dein Machtwort, o Herr, ergrünte, das sahen wir morgens; aber daß Du, o Herr, auch unseres noch rauheren und kahleren Westens mit Deiner Macht gedachtest, dafür sei Dir nun abermals unser Dank dargebracht!

3. Dieser Teil außerhalb dieser unserer Stadt, von dem aus man auch eine schöne und weite Aussicht gen Westen und Süden hin genießt, ward von uns Bürgern dieser Stadt wegen seiner zu unerquicklichen Kahlheit nur sehr selten besucht, und in der hier sehr heißen Sommerzeit schon gar niemals; denn sein schwarzes Gestein ward von den Sonnenstrahlen stets so sehr erhitzt, daß man es gar nicht betreten konnte.

4. Nun ist denn durch Deine übergroße Güte und Gnade, o Herr, auch dieser ödeste und wüsteste Teil außerhalb unserer sonst ganz bedeutenden Stadt in ein fruchtbares Land umgewandelt worden, und unsere nun sehr schwachen Herden, die wir nur in den tieferen Tälern erhalten konnten, werden hier in diesen höher gelegenen Gegenden ein reichlichstes Futter finden und sich auch bald sehr vermehren können, und wir werden dadurch den Armen und auch den Fremden mehr Wohltaten, als das bis jetzt möglich war, zu erweisen vermögen.

5. O Herr und Meister von Ewigkeit ohne Anfang und Ende! Es ist nun die ganze weite Umgegend dieser Stadt durch Deine Gnade in ein wahres Elysium umgestaltet worden, und es gewährt ihr Beschauen uns eine große Freude; doch um eines wollen wir Dich noch für diese Gegend bitten.

6. Siehe, diese ganze weite Gegend ist sehr wasserarm und hat nur sehr wenige gute Wasserquellen! Dir aber ist ja alles möglich! Wie wäre es denn, so Du sie auch mit mehreren guten und reinen Quellen versehen möchtest?“

7. Sagte Ich: „Auch das soll und wird euch werden zur rechten Zeit; doch für jetzt will Ich nur auf diesem Hügel für dich, du unser Wirt, da dieser Hügel sich in deinem Besitze befindet, eben auf diesem Hügel eine ganz reichliche Wasserquelle entstehen lassen, die diese ganze Stadt genügend mit Wasser wird versehen können. Was aber diese ganze weite Umgegend betrifft, so werden sich im Winter, der nicht lange auf sich warten lassen wird, schon von selbst Quellen bilden und diese Gegend bewässern.

8. Sehet aber zu, daß ihr im Glauben an Mich und in der Liebe zu Mir und zu euren Nächsten nicht versieget und trocken werdet in euren Herzen; denn so das bei euch oder bei euren Nachkommen einträte, dann würden auch diese Quellen versiegen, und die ganze weite Umgegend würde öder werden, als sie bisher war.

9. Es war aber diese Gegend, als sie in den Zeiten Josuas und der Richter den Israeliten gegeben wurde, ebenso fruchtbar bestellt, wie sie nun ist, und blieb auch unter den ersten Königen Israels eben also; als aber später Neid, Mißgunst, Verfolgung und Kriege unter den Stämmen Israels sich einstellten und die Juden von Mir abfielen und Meiner stets mehr und mehr zu vergessen anfingen, da ließ Ich auch durch große Gewitter und Stürme diese Gegenden weithin verwüsten, und aller Fleiß der Menschen, die sich hier ansiedelten, vermochte dieses Gefilde nicht mehr zu befruchten.

10. Nun habe Ich diese Gegend zu einer fruchtbaren umgestaltet, und da zuoberst dieses Hügels ersehet ihr auch schon eine reichliche Quelle hervorspringen, deren Wasser euer Fleiß zu sammeln und an die rechten Stellen zu leiten verstehen wird; aber bleibet in eurer Mir angelobten Liebe, und fallet nicht ab im Glauben an Mich, so werde auch Ich mit Meinen Segnungen bei euch verbleiben!

11. Um was ihr den Vater in Meinem Namen bitten werdet, das wird euch denn auch gegeben werden, und wo auch nur zwei oder drei von euch in Meinem Namen vollgläubig sich versammeln werden, da werde Ich im Geiste Meiner Liebe, Macht und Kraft mitten unter euch sein. Um was ihr dann volltrauig bitten werdet, werde Ich euch denn auch geben, so das, um was ihr bittet, fürs Heil eurer Seelen gedeihlich ist.

12. Würdet ihr aber um eitle Dinge dieser Welt bitten, so werden sie euch nicht gegeben werden, gleichwie auch ihr einem Kinde, so es euch noch so bitten würde, kein scharfes Messer zum Spielen in die Hände geben werdet, aus dem Grunde, da ihr es wohl wisset, daß sich eure Kinder mit dem scharfen Messer nur zu bald und zu sicher beschädigen würden.

13. Ihr seid aber nun in den geistigen Dingen auch noch mehr oder weniger unerfahren, und Ich allein weiß es am allerbesten, was euch not tut zur Erreichung des ewigen Lebens. Darum suchet nur vor allem Mein Reich und seine Gerechtigkeit, alles andere wird euch schon hinzugegeben werden; denn Ich weiß es allzeit und ewig, wessen ihr bedürfet.

14. So ihr Mich in der Folge aber schon um eines oder anderes bitten werdet, da bittet Mich um etwas Gerechtes, Gutes und Wahres!“

109. Kapitel. Die Allmacht Jesu und ihre Einschränkung.

1. Sagte der Wirt: „O Herr, es war das, da ich und der Priester Dich um die Bewässerung dieser Gegend gebeten haben, doch wohl nichts Ungerechtes, Ungutes und Unwahres?“

2. Sagte Ich: „Nun, durchaus nicht; aber so ihr Mich fürder um pur diesirdische Dinge bitten würdet, so wäre das dann nach Meiner Ordnung eben nicht zu sehr gerecht, gut und wahr, weil zu große irdische Vorteile stets Nachteile für die Seele sind.

3. Ich aber bin nicht gekommen zum Nutzen des Leibes, sondern zum Nutzen der Seele des Menschen nur bin Ich in diese Welt gekommen; darum sollt ihr Mich auch vor allem nur um das bitten, was eurer Seele zum wahren, ewig währenden Nutzen gereicht. Denn was nützte es dem Menschen, so er gewinnen möchte alle die toten Schätze dieser Welt, an seiner Seele aber dadurch sicher den größten Schaden erlitte? Wie wird er diese wohl retten können vom Tode und Gerichte der Weltmaterie?

4. Ihr saget in euch nun wohl: ,Herr, bei Dir sind alle Dinge gar wohl möglich, und auch die Materie dieser Erde ist Dein Werk!‘ Da habt ihr wohl recht, – aber dennoch sage Ich es euch, daß Mir eben beim Menschen nicht alles möglich ist und möglich sein darf; denn wäre Mir beim Menschen alles möglich, so hätte Ich es niemals nötig gehabt, zu euch in diese Welt als Selbst ein vollkommenster Mensch zu kommen und euch zu belehren mit Meinem höchsteigenen Munde.

5. Denn darum habe Ich dem Menschen den freien Willen gegeben und seinem Verstande gezeigt Wahres und Gutes und daneben Falsches und Böses, auf daß er sich selbst prüfe, richte und bilde, und daß er eben infolgedessen erst ein Mensch und kein von Meiner Macht gehaltenes und gerichtetes Tier ist, das nach Meinem Mußgesetze also tun muß, wie es in dasselbe gelegt ist, und somit in sich keine Freiheit, Selbstbestimmung und keine ihm anheimgestellte Selbständigkeit hat.

6. Der Mensch aber hat außer seinem Leibe kein Mußgesetz von Mir, sondern ein ganz freies Gesetz in seinem Willen und einen völlig unbeschränkten Verstand, mit dem er alles erforschen, prüfen, begreifen und behalten und dann zu seiner Handlungsrichtschnur nehmen kann, was er als wahr und gut erkannt hat.

7. Darum prüfet auch ihr alles, und das, was ihr als wahr und gut erfunden habt, behaltet und handelt und lebt danach, und ihr werdet dadurch euch zu wahren, Mir allzeit und ewig lieben Kindern bilden und gleich Mir frei und selbständig werden!

8. Wenn ihr dadurch Meinen euch nun bekannten Willen werdet völlig zu dem eigenen gemacht haben und also auch stark im lebendigen Glauben an Mich werdet geworden sein, dann wird auch euch alle Kreatur, gleichwie Mir Selbst, untertänig sein, und ihr werdet euch gegen Meine ewige Ordnung, welche der Grund alles Werdens, Seins und Bestehens ist, nimmerdar verstoßen und versündigen können. Darin aber wird dann auch bestehen das wahre und allerseligste ewige Leben eurer Seele, und wo Ich sein werde, da werdet auch ihr als Meine lieben Kinder bei Mir sein und wirken gleich Mir.

9. Auf daß der Mensch aber zu solch einer höchsten Seligkeit gelangen kann, muß er zufolge seines vollkommen freien Willens und unbeschränkten Verstandes und seiner Vernunft sich nach Meinem ihm bekanntgegebenen Willen selbst richten, bestimmen und bilden, und Ich kann und darf mit Meiner Allmacht nicht ergreifen seinen freien Willen und ihn zum Handeln wie eine andere, noch gerichtete Kreatur zwingen, was ihr alle nun vom wahrsten Grunde aus wohl einsehen werdet.

10. Und so ist in der Art, wie ihr es euch irrig vorgestellt habt, Mir bei dem Menschen nicht alles möglich, weil Ich mit Meiner Allmacht in die volle Freiheit des Menschenwillens nicht eingreifen kann, so der Mensch als ein Mensch nach Meiner ewigen und unwandelbaren Ordnung werden und bleiben soll für ewig.

11. So ihr das nun wohl begriffen haben werdet, da wird es euch auch leicht und bald vollends klar und sehr einleuchtend werden, um was ihr Mich vor allem zu bitten haben werdet, und so ihr Mich um etwas Rechtes volltrauig werdet gebeten haben, da wird es euch auch gegeben werden im rechten Maße. Bittet sonach vor allem stets um das, was zum wahren Wohle eurer Seele dienlich ist, und sehr selten und wenig um das, was eurem Leibe dienlich ist!

12. Mit dem aber will Ich gar nicht gesagt haben, als dürftet ihr in euren Leibesnöten nicht zu Mir um Hilfe flehen. Ja, Ich sage es euch noch hinzu, daß ihr, so ihr euren Nächsten aus Liebe zu Mir und in Meinem Namen leibliche Wohltaten erweisen werdet, dafür mit geistigen Gütern zum Wohle für eure Seelen reichlichst werdet belohnt werden, und daß euch, so ihr durch die Werke der Liebe im lebendigen Glauben an Mich verbleiben werdet, von Mir die Kraft erteilt wird, die Kranken durch die Auflegung eurer Hände zu heilen und die von argen Geistern Besessenen, deren es besonders in dieser Zeit viele gibt, von solcher Quälerei zu befreien.

13. Doch solches werdet ihr nur im vollsten und lebendigst festen Glauben an Mich zu bewirken imstande sein. Kurz, mit Mir werdet ihr alles vermögen, ohne Mich aber nichts! Darum bleibet gleichfort durch die Liebe und durch den Glauben in Mir, und Ich werde also bleiben mit Meiner Liebe, Wahrheit, Macht und Kraft in euch!“

110. Kapitel. Die Frage des Hauptmanns nach der Hölle.

1. Nach dieser längeren Rede dankten Mir alle, daß Ich sie mit so vieler Geduld über so großwichtige Dinge belehrt habe, und versprachen es Mir auf das festeste, solche Lehre alsogleich ins Leben treten zu lassen, und sollte es dabei auch so manchen Kampf kosten.

2. „Denn jede gute und große Sache fürs Leben der Menschen“, sagten sie, „kann nicht ohne Mühe und manchen Kampf erreicht werden; hier aber handelt es sich um die Erreichung des höchsten Lebensgutes der Menschen, und so heißt es da auch: um so weniger Mühen, Arbeiten und Kämpfe scheuen.

3. Wir Römer aber sind keine kampfscheuen Menschen und haben keine Furcht vor einem Feinde, und so werden wir auch in kurzer Zeit so manchen Sieg zuerst über unsere eigenen Schwächen, die unsere nächsten und oft die hartnäckigsten Feinde sind, und sodann auch und leicht über die andern Feinde außer uns erringen, so Du, o Herr, uns mit Deiner Gnade auch dann nicht verlassen wirst, so wir als noch diesirdische Menschen irgendwann leicht noch in einem oder dem andern Lebenspunkte fehlen und fallen würden.

4. Lasse Du aber nur nicht zu große Versuchungen über uns kommen, darum wir Dich hier bitten in der freudigsten Hoffnung, daß Du solche Bitte nicht unerhört lassen wirst!“

5. Sagte Ich: „Sehet, diese Erde und der ganze sichtbare Himmel mit allem, was er faßt, werden vergehen, aber Meine Worte und Meine Verheißungen werden ewig nicht vergehen! Ich werde eure gerechten Bitten auch niemals unerhört lassen; doch in dieser Zeit braucht das Reich Gottes Gewalt, und nur die werden es besitzen in der Fülle, die es mit Gewalt an sich reißen werden. Daher wird dessen volle Erreichung auch sicher noch gar manchen inneren und äußeren Kampf kosten.

6. Doch fürchtet euch nicht vor jenen Feinden, die wohl den Leib des Menschen töten, aber der Seele keinen Schaden zufügen können; so ihr aber jemanden fürchtet, da fürchtet Gott, der die arge Seele in die Hölle verstoßen kann!“

7. Hier trat der Hauptmann vor und sagte: „O Herr und Meister, da Du nun von der Hölle, von der die Juden glauben, daß darin die bösen Seelen von den ärgsten Teufeln ewig gemartert werden, und auch die Heiden solch einen Schreckensort unter dem Namen Orkus, auch Tartarus, bekennen, – Erwähnung machtest, so sage es uns nun auch für unser Verständnis mit genügender Helle, was es denn mit der Hölle für eine Bewandtnis hat, wo sie ist, und wer nach dem Leibestode in diesen Schreckensort kommt!

8. Denn so wir nun in höchst klarer Weise aus Deinem Munde vernommen haben, was für Seligkeiten jene Menschen zu gewärtigen haben, die nach Deiner Lehre leben und handeln werden, so meine ich, daß es nicht minder nötig sein dürfte, auch mit dem Schreckenslos derjenigen etwas näher bekannt zu werden; die auf dieser Welt entschieden und unverbesserlich Deine Widersacher und Feinde sind, auf daß wir ihnen auch sagen und zeigen können, wie, wo und was sie dafür jenseits zu erwarten haben, um sie dadurch möglicherweise leichter von ihrer bösen Verkehrtheit abzuwenden und für Dein Reich zu gewinnen.“

9. Sagte Ich: „Mein Freund, du hast wohl recht, Mich also zu fragen; aber es ist jetzt noch schwer, davon etwas dir ganz Verständliches zu sagen, weil dein innerster Liebelebensgeist noch nicht völlig in deine Seele übergegangen ist. Doch so viel, als es dir und auch den übrigen verständlich sein kann, will Ich dir schon sagen, und so höre denn, und merke es wohl!

10. Siehe, wie der Himmel allenthalben ist, wo es gute und Mir liebe und wohlgefällige Menschen gibt, so ist auch die Hölle überall, wo es Gottesverächter, Feinde alles Guten und Wahren, Lügner, Betrüger, arge Diebe, Räuber, Mörder, Geizige, weltehrsüchtige Herrschgier und arge, lieblose Hurer und Ehebrecher gibt.

11. Willst du wissen, wie es in einer solchen Hölle aussieht, so betrachte nur das Gemüt, die arge Liebe und den bösesten Willen eines solchen Menschen, in dem die Hölle waltet, und du wirst daraus leicht innewerden, wie es in der Hölle, die eben ein Werk von derlei Menschen ist, aussieht!

12. In der Hölle will ein jeder der Erste, der höchste und unumschränkteste Herrscher und Gebieter sein, die höchste Gewalt und Macht haben, alles besitzen, und alle sollen ihm gehorchen und für ihn arbeiten um den schlechtesten Lohn.

13. Von einer solch einen bösesten Unsinn und solch eine ärgste Blind- und Torheit erleuchtenden Wahrheit kann da selbstverständlich noch weniger eine Rede sein denn auf dieser Welt, wo irgendein herrschsüchtigster Tyrann sich auch nimmerdar durch eine allerlichteste Wahrheit über sein Unrecht, das er auf die grausamste Weise den Menschen zugefügt hatte, also wird bekehren lassen, daß er seinen goldnen Thron verließe und dann hinginge und eine rechte Buße übte, sein Unrecht einsähe und sein an so vielen Menschen verübtes Unrecht nach Möglichkeit wieder gutzumachen trachtete.

14. Versuche du, einen solchen Wüterich zu bekehren, und du wirst dich nur zu bald überzeugen, wie er dir begegnen wird!“

111. Kapitel. Der Zweck der Zerstörung der äußeren Form.

1. (Der Herr:) „Wo man aber selbst mit dem hellsten Lichte der Wahrheit nichts auszurichten vermag, mit was anderem sollte man derlei Menschen bekehren können, ohne daß man ihren freien Willen mit der Allmacht gefangennähme, was aber nicht anders geschehen kann, als daß man solch einem Menschen seine ganz verkehrte böse Eigenliebe völlig wegnähme. Einem Menschen solche seine Liebe hinwegnehmen aber hieße soviel, als den ganzen Menschen vollends töten und vernichten, was aber nach der ewigen und unwandelbaren Ordnung darum nicht angehen kann, weil alles, vom Kleinsten bis zum Größten – ob nach eurem Menschenverstande gut oder böse – sowenig vernichtbar ist wie Gott als die urewige Kraft und Macht und Seine Liebe und Weisheit Selbst, aus der alles sein Dasein hat.

2. Übergänge vom Unvollkommenen zum Vollkommenen sind gar wohl möglich, weil Gott dadurch Seinen großen Gedanken und Ideen – um nach Menschenweise zu reden – eine freie Selbständigkeit verschaffen will; aber die Übergänge sind keine Vernichtungen, sondern nur erscheinliche Zerstörungen im Gebiete des äußersten Naturmäßigen. Nur die materiellen Formen, in denen das geistige Lebenskraftwesen eine Zeitlang von der allgemeinsten göttlichen Geistwesenheit als gewisserart abgetrennt und abgeschieden rastend verborgen ist, sind zerstörbar, aber ihr inneres Wesen nimmerdar.

3. Und diese äußeren Formen müssen darum der Erscheinlichkeit nach zerstörbar sein, weil ohne sie eine geistige Vervollkommnung in Hinsicht auf die freie, individuelle Selbständigwerdung eines Wesens völlig unmöglich wäre. Denn was anderes wohl ist für euch als nun auch noch in einer letzten materiellen Form steckende Menschen die sicht- und wahrnehmbare Kreatur, als Meine durch Meinen Willen für eine gewisse Zeit dauernd festgehaltenen Gedanken und Ideen, die Ich, so es nötig ist, ändern kann, wie und wann Ich es nach Meiner Liebe und Weisheit will?

4. Ich tue das aber ja nicht etwa aus einer Art Laune, um Mir dadurch ein gewisses Herrschervergnügen nach menschlicher Weise zu verschaffen, sondern Ich tue das aus ewiger Notwendigkeit nach Meiner ewig weisesten Liebeordnung, um Meinen Gedanken und Ideen eine vollste und freieste und individuell wesenhafte Selbständigkeit zu verschaffen. Wäre das auf einem andern Wege – den es nicht gibt, noch geben kann, was ihr nun freilich noch nicht völlig einsehen und begreifen könnt – möglich, so würde Ich ihn dem, den ihr als langweilig und gewisserart mühsam betrachtet, sicher vorgezogen haben; aber es ist und bleibt der euch bekannte Weg nur der allein mögliche und somit auch der allein wahrste und beste, weil durch ihn allein nur Meine Absichten vollkommen erreicht werden können.

5. Wenn nun die Menschen auf dieser Erde sich solche Meine Ordnung nicht wollen gefallen lassen und nach ihrem Verstand und freien Willen sich eine andere und vermeintlich bessere und vernünftigere Ordnung schaffen wollen – was gar überhäufig hier- und jenseits der Fall ist –, so müssen sie es sich selbst zuschreiben, wenn sie dadurch in einen, statt bessern, nur immer schlimmeren Lebens- und Seinszustand gelangen und sich am Ende so weit verrennen und verarbeiten, daß ihnen nur auf – leider – keine andere Weise mehr beizukommen ist als durch die Empfindung aller erdenklichen Qualzustände, die sie sich selbst bereitet haben; und derartige Empfindungen dauern dann so lange fort, bis eine Seele in sich zu gehen anfängt und stets mehr und mehr einsieht, daß sie durch das Sichsträuben gegen Meine Ordnung sich ihren Zustand ewig nie verbessern, sondern nur verschlimmern muß.

6. Siehe, du Mein Freund Pellagius, ein solch freiwillig fortgesetztes Streben wider Meine Ordnung ist denn auch die eigentliche Hölle mit all ihrem Finstern, Bösen, Argen und sicher unbeschreibbar Qualvollen!“

112. Kapitel. Der Zweck der Krankheiten.

1. (Der Herr:) „Betrachte du abermals einen Menschen auf dieser Welt, der eine ganz kernfeste Leibesgesundheit besitzt! Weil der Mensch aber eben gar so gesund ist, so mißbraucht er diese durch allerlei seine Sinne ergötzende unmäßige Genüsse und unnötige Kraftanstrengungen.

2. Es kommen wohl recht erfahrene Menschen zu ihm und sagen: ,Freund, Freund, mißbrauche nicht so sehr deine Gesundheit, – denn die ist durch eine solche unnatürliche und unvernünftige Lebensweise bald und leicht dahin; und ist sie einmal dahin, so bringt sie dir kein Arzt und keine Arznei völlig wieder, und du bleibst dann ein siecher und sehr leidender Mensch dein Leben lang!‘ – Der gesunde Mensch aber kehrt sich nicht danach, sondern tut nach wie zuvor.

3. Nach etlichen Jahren aber verfällt er in eine recht arge Leibeskrankheit und wird anfangs ganz toll über diese ihm über alles lästige Krankheit. Er läßt Ärzte kommen, und diesen gelingt es, ihn wieder zu heilen, wenn auch nicht vollkommen, so doch ganz erträglich. Die Ärzte sagen ihm aber nach der Heilung ganz ernstlich: ,Freund, sei nun vernünftig, und verfalle nicht in deine alte Lebensweise, ansonst verfällst du abermals in eine noch um vieles ärgere Krankheit, denn diese jetzt war, aus der wir dich mit genauester Not gerettet haben, und es wird dir dann schwerer zu helfen sein denn diesmal!‘

4. Der Geheilte beachtet diesen Rat wohl eine Zeitlang; aber dann wandelt ihn wieder von neuem die Begierde an. Er fängt wieder an, unordentlich zu leben; und ob er auch schon ganz bedeutende Mahnungen zum abermaligen starken Krankwerden verspürt, so kehrt er sich dennoch nicht daran und sündigt fort gegen seine schon ohnehin sehr geschwächte Natur.

5. Er verfällt denn auch notwendig in eine noch ärgere Krankheit und bekommt unsägliche Schmerzen. Die Ärzte kommen abermals und versuchen ihn zu heilen. Aber diesmal will es ihnen nicht so bald gelingen, und sie ermahnen ihn zur Geduld; denn da er ihren Rat nicht befolgt hatte, so muß er es sich nun selbst zuschreiben, daß er durch seinen alten Leichtsinn in ein viel ärgeres und länger währendes Übel verfallen ist.

6. Dieser Mensch muß nun über ein Jahr hindurch leiden und wird ganz schwach und voll Zagens; aber nach einem Jahre wird es wiederum etwas besser mit ihm, und er schwört nun bei allem, was ihm heilig ist, den Rat der Ärzte und auch anderer kluger und erfahrener Menschen niemals mehr in den Wind zu schlagen.

7. Ja, diese zweite, sehr bittere Erfahrung hat den Menschen schon um ein bedeutendes klüger und behutsamer gemacht, und er kommt wieder zu Kräften. Wie er aber wieder sich ganz wohl fühlt, so denkt er bei sich: ,Ei, wenn ich ein einziges Mal nur mir eine alte Freude gönne, so wird mir das doch sicher nichts machen!‘ Er tut das wohl nur einmal und kommt dabei wohl noch mit heiler Haut davon. Aber weil er diesmal mit heiler Haut davongekommen ist, so denkt er sich abermals: ,Nun, weil mir das nichts gemacht hat, so wird es mir ein zweites und drittes Mal auch sicher nichts machen!‘ Und er sündigt ein zweites, drittes und auch viertes Mal.

8. Und siehe, die alte Krankheit wirft ihn abermals auf etliche Jahre derart ins Bett, daß ihm kein Arzt mehr so wie das erste und zweite Mal zu helfen vermag.

9. Nach vier langen Jahren bittersten Leidens wird es ihm mehr durch die Angewöhnung ans Leiden denn durch die Arzneien leichter, und er sieht es erst jetzt ein, daß all sein großes Leiden eine Gnade Gottes war, durch die er von all seinem Leichtsinn ist insoweit geheilt worden, daß er dadurch doch seine Seele reiner und Gott wohlgefälliger hat zeihen (heranbilden) können; denn durch die Leiden des Leibes wird die Seele des Menschen demütiger, geduldiger und ernster und gewinnt an der Kraft, um der Sinne des Fleisches Meister zu werden.“

113. Kapitel. Über die Schwierigkeiten der Umkehr verirrter Seelen im Jenseits.

1. (Der Herr:) „Und siehe, wie dieses dir nun gezeigten Menschen Seele durch große Leiden und Schmerzen, die er durch sein unordentliches Leben sich selbst bereitet hatte, nüchtern, geduldig, bescheiden, reiner und zum Wirken für ihr inneres Leben kräftiger, ernster und tiefer in sich eingehender geworden ist, also werden auch die Seelen im großen Jenseits durch allerlei Leiden, Widerwärtigkeiten und auch Schmerzen, die sie sich aber nur selbst bereiten, mit der Weile geläutert, und zwar dadurch, daß sie selbst einen rechten Widerwillen gegen ihr unordentliches Handeln und Treiben bekommen, es in sich stets tiefer und tiefer zu verabscheuen beginnen, also ihre Liebe, ihren Willen und also denn auch ihr Denken und Trachten völlig ändern, in sich als in ihren wahren Lebensgeist eingehen und so nach und nach wie von Stufe zu Stufe in ein helleres und glücklicheres Sein übergehen.

2. Doch im großen Jenseits geht das schwerer und mühsamer als auf dieser Welt, und es wird bei gar vielen zu tief wider Meine Ordnung gesunkenen Seelen wohl einer für dich undenkbar langen Zeitenfolge benötigen, bis sie in sich den Weg in Meine ewige und unwandelbare Ordnung werden gefunden haben.

3. Auf dieser Erde hat ein jeder Mensch einen festen Boden, hat vor sich eine Menge guter und schlechter Wege und hat um sich allerlei Ratgeber, Führer und Lehrer; er kann sich da bei nur einigem Prüfen leicht für alles Gute entscheiden und so denn auch seine Liebe und seinen Willen ändern und also denn in allem seinem Handeln nach Meiner ihm stets klarer werdenden Ordnung vollkommener und vollkommener werden; aber im andern Leben hat des Menschen Seele nichts als nur sich selbst und ist die Schöpferin ihrer Welt, ähnlich wie in einem Traume.

4. In solch einer Welt kann es denn auch keine andern Wege geben, als die sich eine Seele aus ihrer Liebe, aus ihrem Willen und aus ihrer Phantasie gebahnt hat.

5. Ist ihre Liebe und ihr Wille nach Meiner Ordnung gut und gerecht, wenn auch nur zum größeren Teil, dann wird solch eine Seele auch bald nach einigen bitteren Erfahrungen, die sie auf einem oder dem andern unordentlichen Wege wird gemacht haben, freilich eher und leichter sich für die ordentlichen Wege entscheiden, auf ihnen vorwärtsschreiten und also denn auch von ihrem Phantasie- und Traumsein in ein wahres und reelles Sein übergehen, in welchem ihr alles im stets helleren Lichte verständlich und begreiflich wird, was ihr früher niemals in den Sinn hatte kommen können.

6. Und solch eine schon aus ihrem eigenen Besseren lauterer gewordene Seele kommt dann freilich bald und leicht vorwärts. Aber dagegen eine Seele, auf deren aus ihrer unordentlichen Liebe und aus ihrem ebenso unordentlichen Eigenwillen entsprungenen Traum- und Argphantasiewelt es oft kaum einen halben Ordnungsweg gibt und geben kann, wird es dann sicher höchst schwer haben, sich in sich zu entschließen, auf dem kaum merkbaren halbordentlichen Wege nach langen Zeiten auf nur einen ganz ordentlichen Weg, der zum wahren Lichte des Lebens führt, sich zu begeben und auf demselben, mit noch gar manchen Hindernissen kämpfend, in Meine volle Ordnung emporzukommen.

7. Wie wird es dann erst einer Seele in der andern Welt ergehen, die auch nicht einen halben oder viertel Weg aus Meiner Ordnung hat und so denn auch keinen wird finden können? Siehe, das ist dann schon die eigentliche Hölle!

8. Eine solche Seele wird alle ihre oft zahllos vielen bösen Wege auf ihrer finsteren Traum- und Phantasiewelt betreten und zur Herrschaft auch über Mich sich emporschwingen wollen.

9. Da sie dadurch aber nicht nur nichts erreichen, sondern nur immer mehr und mehr verlieren wird, so wird sie denn auch stets zorniger, grimmiger und in immer größerer Wut rachgieriger, aber dabei auch stets finsterer und ohnmächtiger.

10. Nun denke dir die zahllos vielen unordentlichsten Argwege in der tollen Phantasiewelt einer solchen Seele! Wann wird sie diese alle durchgemacht haben, bis sie in sich dahin gelangen wird, daß sie nur so halbwegs wird zu ahnen anfangen, daß all ihr Trachten, Streben und Mühen eine eitle Torheit war, und dann in ihr ein gewisses Sehnen dahin wach und rege wird, in der Folge lieber zu gehorchen, als über alles selbst zu herrschen?!“

114. Kapitel. Die zwecklose Erziehung eines Tyrannen.

1. (Der Herr:) „Gehe hin zu dem dir ehedem gezeigten herrschsüchtigsten Tyrannen, in dessen Sinnen, Trachten und Streben nichts anderes liegt, als die ganze Welt zu erobern, alle andern Regenten zu seinen niedrigsten Sklaven zu machen und sich von allen Völkern der Erde als ein über alles gebietender Gott ehren und anbeten zu lassen, sammle dir ein mächtiges Kriegsheer, überfalle seine Länder, nimm ihm alle seine Städte und Burgen weg, nimm ihn endlich selbst gefangen, und sage dann zu ihm: ,Siehe, du stolzester und höchst übermütiger Tor von einem Könige, der du die ganze Welt erobern wolltest und zu Sklaven machen all die andern Herrscher der Völker, – nun bist du in meiner Gewalt und mußt dich fügen nach meinem Willen! Ich will aber nicht hart sein gegen dich, sondern ich will dir Gnade für Recht angedeihen lassen, so du dich in deinem Gemüte selbst demütigst und ein solcher Mensch wirst, der allen seinen Nebenmenschen wohl will und das an ihnen so unerhört oft begangene Unrecht gutmachen will. Ich werde dich zwar in mein Gewahrsam nehmen und dich beobachten nach allen Richtungen deines Sinnens und Trachtens. Werde ich dich als völlig geändert finden, so wird es in Meiner Macht und gutem Willen stehen, dich wieder in dein Reich zu führen und dich auf den wahren Regententhron zu setzen zum Wohle, aber nimmer zum Wehe der Völker, die unter deiner Tyrannei geschmachtet haben!‘

2. Und siehe, du Mein Freund Pellagius, nun weiter! Dein Gefangener wird dir darauf verheißen, alles zu tun, was du ihm nur immer vorschreiben wirst, weil du ihm dafür sein Reich und seinen Thron wieder zurückzugeben versprachst. Aber meinst du, daß er sich in seinem Gemüte deshalb völlig ändern wird? Zum Scheine ja, aber in der Wahrheit sicher nicht; denn setze du ihn wieder auf den Thron, und all sein Trachten wird im geheimen dahin gerichtet sein, sich an dir zu rächen. Denn einen hochmütigsten und stolzesten König also zu demütigen, daß er vom höchsten Thronglanze tief unter den Bettelstab kommt, heißt aus ihm erst einen ganz vollendeten Teufel machen, dem dann im Reiche der ewigen Finsternis nahe nimmer zu helfen ist.

3. Ein solcher Mensch, ob er nun ein König oder ein Sklave und ganz vom höchsten Zorn und von der unversöhnlichsten Rachgier erfüllt ist, ist nicht zu bekehren und zu bessern. Am besten ist es, derlei Menschen entweder mit aller Geduld zu ertragen und bei Gelegenheit sie zu ermahnen, gleichwie Ich Selbst das getan habe durch den Mund Meiner vielen Propheten.

4. Kehren sie sich – wie gewöhnlich – nicht daran, so lasse man einige sehr empfindliche Züchtigungen über sie kommen, bei denen ihnen zum wenigsten halb einleuchtend wird, daß sie daran selbst die Schuld tragen; ändern sie sich aber dennoch nicht, dann fege man sie völlig von der Erde hinweg, was aber freilich nur allzeit Mir zukommt, weil nur Ich es allzeit am klarsten einsehe, wann eines solchen Menschen Greuelmaß voll ist.

5. So du über dies von Mir über das Wesen der Hölle Gesagte und Gezeigte recht in dir nachdenkst, so wird es dir schon klar werden, was die eigentliche Hölle ist, wie beschaffen und wo sie ist.

6. Wie der gute und nach dem Willen Gottes tugendhafte und fromme Mensch den Himmel als das Reich Gottes in sich trägt unverwüstbar, also trägt auch der entschiedene Gegner der Ordnung Gottes die Hölle unverwüstbar in sich; denn sie ist ja seine Liebe und sein unbeugsamer Wille und somit auch sein Leben. – Hast du das nun wohl verstanden?“

115. Kapitel. Eine Verheißung Jesu über die letzte Zeit.

1. Sagte nun Pellagius: „Ja, o Herr und Meister, wir alle danken dir für dieses Licht, das freilich nicht geeignet ist, ein besseres Menschenherz heiter zu stimmen. Aber es ist dennoch auch gut also, daß sich der Böse selbst richtet, verdammt und vom Guten vollends für immerdar absondert.

2. Doch so man hier zu solchen Menschen sichtbar gar mächtige Engelsgeister aus den Himmeln sendete, die ihnen ihr Unrecht so recht klar zeigten und ihre Sendung auch durch große Zeichen bestätigten, da sollte es sich ja doch um alles in der Welt handeln, daß sie nicht in sich gingen und sich bekehrten!“

3. Sagte Ich: „Ja, du Mein Freund, es macht deinem Herzen eine große Ehre, daß du also denkst; doch der Wunsch, den du nun ausgesprochen hast, ist von Mir auf dieser Welt, wie zuweilen in der andern, schon gar oft ins Werk gesetzt worden und war für die noch immer Rettbaren auch stets von der besten und oft sehr nachhaltigen Wirkung, doch für die schon ganz verstockt Argen von gar keiner.

4. Siehe die Geschichte von Sodom und Gomorra! Da kamen wahrlich Engel aus den Himmeln zu Lot, – und was richteten sie aus? Lies, und du wirst es finden! Lies, was zu Noahs Zeiten geschah! Wer, außer Noah mit den Seinen, kehrte sich daran? Was tat Moses vor dem Tyrannen Pharao, – und dieser ward nur immer erboster und böser und ließ nicht nach, Moses und die Israeliten auf das ärgste so lange zu verfolgen, bis das Meer ihn samt seinem Heere verschlang! Sieh an die Geschichte von Jericho! Da geschahen unter Josua große Zeichen, und außer einer Hure kehrte sich niemand daran! Lies dann die Geschichte aller großen und kleinen Propheten und du wirst es finden, wie wenig sie bei den eigentlichen verstockten Sündern wider die Ordnung Gottes bewirkt haben!

5. Lassen wir aber alles das, was auf dieser Erde die Zeit verschlungen hat, sondern betrachten wir die große und nie dagewesene Jetztzeit!

6. Siehe an Meine Jünger! Wer sind sie? Arme Fischer zumeist! Es sind von Jerusalem wohl auch einige hier, die Mir nun schon eine geraume Zeit nachfolgen. Wo aber sind die eigentlichen Großgebieter dieser Stadt, die doch auch Meine Worte vernommen haben, und wo Ich als der Herr Selbst im Geleite eines der größten Engel aus den Himmeln vor ihren Augen die größten Zeichen gewirkt habe und der Engel selbst an Meiner Seite?

7. Was aber hatte das alles gewirkt? Siehe, daß sie Mich nun über Hals und Kopf mit der größten Hast verfolgen und Mich zu töten suchen!

8. Ich werde am Ende auch noch das – wie Ich dir das schon angezeigt habe – an Mir, das heißt an diesem Meinem Leibe geschehen lassen und werde am dritten Tage wieder auferstehen und zu allen Meinen Freunden kommen und sie trösten und stärken, – und die Verstockten werden sich dennoch nicht daran kehren, sondern mit gleicher Hast verfolgen auch Meine Freunde, und das so lange, bis das Maß ihrer Greuel voll wird und Ich sie von der Erde hinwegfegen werde.

9. Ich werde aber fürderhin bis ans Ende der Welt Meine Boten senden aus den Himmeln, auf daß von den argen Kindern dieser Welt Mein Wort nicht vertilgt und zu sehr verunglimpft werde; aber auch diese werden um Meines Namens willen verfolgt werden, mehr oder weniger, bis zur Zeit, da Ich wiederkommen werde wie ein Blitz, der vom Aufgange bis zum Untergange alles hellst erleuchten wird, was auf Erden ist und gut oder böse wirkt.

10. In jener Zeit werde Ich eine größte Sichtung über den ganzen Erdboden ergehen lassen, und nur die Guten und Reinen werden erhalten werden.

11. Aus dem kannst du nun wohl entnehmen, daß Ich deinem ausgesprochenen Wunsche seit dem Urbeginn der Menschen stets getreuest nachgekommen bin, jetzt sicher außerordentlich nachkomme, und also auch bis ans Ende der Zeiten dieser Welt nachkommen werde; aber der Wille des Menschen wird dennoch stets frei bleiben, und ein jeder Mensch wird in jeder Zeit die Fleischlebensprobe durchzumachen haben und wird sich in all den Begierden und Gelüsten des Fleisches möglichst selbst verleugnen und in allem demütig und geduldig sein müssen, um so Mein Reich in sich wahrhaft zu pflegen und zu vollenden. Denn ein jeder, der zu Mir wird kommen wollen, der wird auch so vollkommen sein müssen, wie da Ich Selbst vollkommen bin; damit er aber das auch werden kann, darum bin Ich Selbst leibhaftig in diese Welt zu euch gekommen und zeige euch allen den Weg dazu.

12. Lasset euch denn nicht betören und verblenden von der Welt, ihrer Materie und von den Gelüsten eures Fleisches, auf daß in euch nicht wach werde das Gericht der Welt, ihrer Materie und eures Fleisches und dadurch denn auch die eigentliche Hölle, die der wahre, zweite Tod der Seele ist.“

116. Kapitel. Die geistige Umgebung Jesu.

1. Diese Meine Worte machten einen tiefen Eindruck in die Seele der anwesenden Römer, und alle sagten bei sich: „Ja, ja, Er hat in allen Dingen recht, und wir Menschen sind Sein vollster Ernst und kein Scherz und Spielzeug Seiner göttlichen Macht!“

2. Darauf sagte der Hauptmann wieder zu Mir: „Herr und Meister über alles! Du hast im Verlaufe Deiner göttlich inhaltschweren Rede auch davon gesprochen, daß mit Dir auch eine längere Zeit hindurch einer der vollkommensten Engel der Himmel für alle Menschen sichtbar umhergewandelt sei und habe von Dir treust und wahrst bezeugt, daß in Dir eben Der in diese Welt zu den Menschen gekommen ist, der durch den Mund der Propheten schon seit gar langem verheißen war, wie auch wir Heiden davon seit lange her Kunde hatten. Wäre es denn nun nicht mehr tunlich, daß Du, o Herr und Meister, auch uns einen Engel aus Deinen Himmeln hierher beriefest, er uns erscheine und wir ihn sähen?“

3. Sagte Ich: „O allerdings, – obwohl die Erscheinung eines Engels euren Glauben an Mich nicht noch fester machen wird, als er ohnehin schon ist!

4. Ich brauche solch einen Engel aber nicht aus irgendeinem fernen Himmel nach deinem Denken hierher zu berufen; denn wo Ich bin, da ist auch schon der allerhöchste Himmel mit den zahllosen Engelscharen, die Mich umgeben immerdar.

5. Ich will denn eure Augen einige Augenblicke lang auftun, und ihr sollet sehen Meine Umgebung! Und so denn geschehe Mein Wille!“

6. Als Ich solches ausgesprochen hatte, da ersahen alle, wie in weiten Kreisen, wie auf lichten Wolken stehend, sitzend und kniend, unzählig viele Engel sich befanden, die alle ihre Blicke nach Mir richteten und Mich lobten und priesen.

7. Diese Erscheinung betäubte die Römer, und sie baten Mich, daß Ich vor ihren noch zu unwürdigen Augen die Himmel wieder verschließen möchte. Und Ich verschloß denn auch sogleich ihre innere Sehe, und sie sahen denn auch keine Engel auf den lichten Wolken mehr; aber den Raphael ersahen sie an Meiner Seite in der schon bekannten Jünglingsgestalt, wie mit Fleisch und Blut angetan.

8. Und der Hauptmann fragte Mich voll Staunens über die große Anmut dieses Jünglings, wer er wäre, und woher er nun so plötzlich gekommen sei.

9. Sagte Ich: „Das ist ebenderselbe Engel, der nach Meinem Willen längere Zeit, so es zur höheren Weckung des Glaubens nötig war, stets um Mich also sichtbar, wie nun, war und die Menschen belehrte und auch große Zeichen wirkte. So ihr wollt, da könnet ihr selbst mit ihm wie mit Mir reden.“

10. Da trat der Hauptmann zu Raphael hin und fragte ihn, ob er wohl immer um Mich sei, um Mir zu dienen.

11. Sagte Raphael: „Der Herr bedarf unseres Dienens nicht; aber dennoch dienen wir Ihm in aller Liebe darin, daß wir euch Menschen dienen nach Seinem Willen und euch beschützen vor zu argen Nachstellungen der Hölle.

12. Je mehr wir im Namen des Herrn zu tun bekommen, sowohl auf dieser Erde als auch noch auf zahllos vielen andern Erden im endlosesten Schöpfungsraume, desto glücklicher und seliger sind wir. Tuet auch ihr desgleichen, und ihr werdet das werden und vermögen, was ich bin und vermag!“

13. Darauf sagte der Hauptmann: „Was du bist, das weiß ich bereits; doch was du vermagst, das weiß ich noch nicht.“

14. Sagte der Engel: „Was der Herr Selbst vermag, das vermag auch ich. Aus mir selbst vermag ich wohl auch ebensowenig wie du; aber aus dem Willen des Herrn, der mein ganzes Wesen erfüllt und ausmacht, vermag auch ich alles. Mache auch du des Herrn Willen völlig zu dem deinen, so wirst auch du das vermögen, was ich vermag!“

15. Hierauf verschwand Raphael plötzlich, und der Hauptmann beherzigte tief seine wenigen Worte.

16. Darauf aber kam ein Bote von der Herberge und lud uns zum Mittagsmahle, und wir begaben uns denn auch sogleich in dieselbe, in der das bereitete Mahl unser harrte.

117. Kapitel. Die Bürger von Aphek bewundern die befruchtete Gegend.

1. Als wir in der Herberge das ganz wohlbereitete Mittagsmahl zu uns genommen hatten, an dem auch die in der Herberge zurückgebliebenen andern Heidenpriester teilnahmen, da kamen denn auch mehrere andere erste Bürger dieser Stadt in die Herberge, die von Mir noch nichts wußten.

2. Und einer von ihnen sagte voll Staunens zum Wirte (ein Bürger): „Weißt du noch nicht, daß die ganze weite Gegend um unsere Stadt grünend und blühend geworden ist? Sollte das eine Wirkung des Erdbebens sein, oder haben sich die Götter über diese Gegend erbarmt infolge der Bitten unserer Priester und unserer ihnen willig dargebrachten Opfer? Das ist im Ernste kein Scherz, sondern ein vollkommenster Ernst!“

3. Sagte der Wirt: „Da bringt ihr uns keine neue Kunde; denn auch wir wissen sehr darum und sind darob über alle Maßen froh! Wir wissen aber noch um ein mehreres, denn ihr da wisset. Gehet hinaus auf meinen Hügel, der gegen Abend außerhalb der Mauer unserer Stadt liegt, und ihr werdet dort eine neue, überreichliche Wasserquelle finden, aus der unsere ganze große Stadt mehr als genügend wird mit dem besten Wasser versehen werden können! Wir werden denn auch so bald, als es tunlich sein wird, alles aufbieten und das Wasser in die Stadt leiten und damit unsere bereits schon völlig trocken gewordenen Zisternen füllen und werden an keiner Wassernot zu leiden haben und werden auch nicht mehr Not haben, unsere Herden in den tiefen Schluchten und Tälern ihr mageres Futter suchen zu lassen. Gehet nun nur hinaus und überzeuget euch selbst!“

4. Als die Bürger das von unserem Wirte vernommen hatten, da verneigten sie sich vor dem Hauptmanne, den sie wohl kannten, und begaben sich alle sogleich an die besagte Stelle.

5. Und als sie die reiche Quelle alsbald antrafen, da konnten sie sich nicht genug verwundern, und einer, der noch ziemlich stark auf die heidnischen Götter hielt, sagte: „Höret, da müssen wir uns vor allem mit den Priestern beraten, und zwar dahin, daß in möglich kürzester Zeit auf diesem Hügel dem Gott Neptun ein Tempel erbaut werde aus Dank für seine uns nun erwiesene so große Gnade und Wohltat, und daß zur größeren Ehre dieses Gottes auch ein eigener Neptunpriester von uns unterhalten werde, dem wir in der Nähe dieser Quelle denn auch eine stattliche Wohnung erbauen wollen und werden!“

6. Sagte ein anderer: „Wir werden alles tun, was unsere Priester anordnen werden; denn nur sie allein wissen es, was da zu machen sein wird. Wir wissen das nicht; darum werden wir nach unsern Kräften das tun, was sie im Namen der Götter anordnen werden.“

7. Mit dem waren alle einverstanden, gingen in die Stadt und zeigten das auch vielen andern Bürgern an. Denn es wußte noch kein Mensch in der ganzen Stadt um dies Wunder, erstens, weil es ohnehin erst kaum einige Stunden lang bestand, und zweitens, weil der Punkt der Stadt wegen seiner schon bekanntgegebenen Sterilität durchaus kein besuchter war.

8. Als so denn auch die andern Bürger von dieser Quelle Kunde erhielten, da lief alles, jung und alt, an den Ort des Wunders und betrachtete es beinahe bis gen Abend hin, und wir blieben dadurch von den Zudringlichen verschont und konnten dadurch denn auch unbeirrt leicht und bald nach dem Mittagsmahle Anstalten zur Weiterreise treffen.

9. Bevor Ich mit Meinen Jüngern diesen Ort verließ, sagte Ich dem Hauptmanne und auch den Priestern, was die Bürger an der Quelle miteinander geredet hatten, und daß die Priester nun wohl wissen würden, was sie zu tun haben werden, auf daß das Heidentum nicht noch tiefere Wurzeln schlage, als es bei diesen Heiden nun bei dieser Gelegenheit geschlagen hatte.

10. Da sagte der Hauptmann: „Das, o Herr und Meister, werden wir mit Deiner sicher steten Mithilfe wohl zu verhüten verstehen! In weltlicher Hinsicht bin ich hier allein der Gebieter und unterstehe allein dem Obersten Kornelius, der gegenwärtig in Kapernaum residiert, und dem Oberstatthalter Cyrenius, der gewöhnlich zu Tyrus und zeitweilig auch in Sidon daheim ist.

11. Da diese meine Vorgesetzten Dich, o Herr und Meister, auch gar wohl kennen und für Deine heiligste Lebenssache für uns Menschen im höchsten Grade eingenommen sind und uns daher im Verbreiten Deiner Lehre nicht hinderlich sein werden, so werden wir denn auch bei unserer Arbeit zum höchsten Wohle der Menschen auf sehr wenig Widerstände zu stoßen zu befürchten haben.“

12. Sagte Ich: „Ohne diese wird die Arbeit für Mein Reich zwar nicht vor sich gehen; aber so ihr an allerlei kleine und dann und wann auch größere Übelstände stoßen werdet, da verlieret den Mut, das Vertrauen auf Mich und den Glauben an Mich nicht, und ihr werdet nicht vergeblich gearbeitet haben. Denn – wie Ich es euch schon gesagt habe – in dieser Zeit, in der die Macht der Hölle auf dieser Erde unter den Menschen übergroß geworden ist, braucht Mein Reich Gewalt und große Mühe, und nur die werden es zu eigen besitzen, die es mit Gewalt an sich reißen werden.

13. Es werden demnach auch über euch noch allerlei Prüfungen und Versuchungen kommen; wenn sie aber kommen werden, dann denket, daß Ich euch das zum voraus verkündet habe.

14. Seid dann mutig und kämpfet weise und stets mit aller Liebe gegen das Heranstürmen der Welt in euch und auch außer euch, und ihr werdet mit Meiner steten Hilfe für eure Arbeit des Himmels goldene Früchte im reichlichsten Maße ernten, und eure Freude darob wird eine große und unvergängliche sein.

15. Ein jeder tüchtige Arbeiter ist auch seines Lohnes wert, und je schwerer und mühevoller die Arbeit ist, eines desto größeren und ausgezeichneteren Lohnes ist auch der Arbeiter wert, – was ihr wohl einsehet. Doch wer nicht mehr arbeiten will, weil ihm die Mühe zu groß dünkt, der hat auch keinen Lohn zu gewärtigen und soll denn auch nicht essen, sondern Hunger leiden.

16. So aber schon der leibliche Hunger schmerzt, um so schmerzhafter wird dann erst der geistige Hunger sein für jeden, der schon einmal vom Brote aus den Himmeln gegessen hat, sich aber dann keine weitere Mühe gab, daß ihm ein großer Vorrat von diesem Brot zuteil werde und seine Seele dann von dem Vorrate lebe für ewig.

17. Das wahre Brot und der wahre Trank aus den Himmeln aber bin Ich in der ewigen Wahrheit alles dessen, was Ich euch gelehrt habe.

18. Ihr habt zwar von diesem Brot und Wein einen großen Vorrat überkommen; sehet aber nun selbst wohl zu, daß er bei euch keine Verminderung erleide! Um dem kräftig vorzubeugen, seid denn gleichfort tätig in Meinem Namen! Meine Liebe stärke und Meine Weisheit führe euch!“

19. Nach dieser Meiner Rede erhoben wir uns alle, und alle dankten Mir unter vielen Tränen für die Belehrungen und für all die andern ihnen erwiesenen Wohltaten.

118. Kapitel. Die Abreise Jesu von Aphek. Jesus auf dem Wege nach Bethsaida

1. Nach diesen vielen Dankesbezeigungen fragte Mich der Hauptmann, ob er Mich noch weiterhin in einen nächsten Ort geleiten dürfe.

2. Sagte Ich: „Freund Pellagius, du hast bisher zur Genüge getan, und so auch alle, die mit dir waren; nun wirke du nur wieder in deinem Bezirk und in deinem Amte, und also auch in dem, in welchem Ich dich nun bestellt habe!

3. So du nach Pella zurückkommen wirst, wirst du auch viel Arbeit finden. Ich aber werde nun mit Meinen Jüngern allein Meine Reise fortsetzen, und wir werden uns andernorts wohl sicher zurechtfinden; und so verbleibe du noch ein paar Tage hier und unterstütze diese Priester bei ihrer anfänglich schweren Arbeit für Mein Reich, – dann aber begib dich nach Pella!

4. So aber da bald Fremde und auch Juden zu euch kommen, da machet nicht zu viel Aufhebens von Meinen Taten, und machet Mich nicht vor der Zeit unnötigerweise ruchbar!“

5. Als Ich diese Worte an den Hauptmann ausgesprochen hatte, da gab Ich den Jüngern einen Wink, die Herberge zu verlassen und gen Aufgang fortzuziehen und Mich außerhalb der Stadt zu erwarten.

6. Darauf nahmen die Jünger, was sie mit sich hatten, und gingen voraus – bis auf den Johannes, der bei Mir blieb und dann mit Mir auch den andern Jüngern nachzog.

7. Ich aber blieb der Veronika wegen noch eine kurze Zeit von etwa einer Viertelstunde zurück und tröstete sie, weil sie bei Meiner Abreise voll Traurigkeit geworden war.

8. Als die Veronika bald heiteren Mutes geworden war, da verließ denn auch Ich die Herberge und begab Mich, nur vom Hauptmann und Meinem Jünger Johannes begleitet, den vorangegangenen Jüngern nach.

9. An dem Hügel, den wir am Morgen besuchten, erwarteten sie Mich, und als Ich da ankam, nahm der Hauptmann von Mir Abschied und begab sich zu den Seinen in die Stadt; wir aber zogen auch ganz behende vorwärts, und zwar in der Richtung gen Osten in eine andere Stadt, an deren Namen nicht viel gelegen ist.

10. Es wird hier mancher fragen, was Meine Lehre bei den Heiden in Aphek mit der Zeit für eine Wirkung gemacht habe, und wie und wie lange es herging, bis diese Heiden völlig zum Glauben an Mich übergingen. Da sei es in möglichster Kürze gesagt, daß schon im Verlaufe von kaum einem Jahre es in dieser ganzen Stadt und auch in deren ziemlich weiter Umgebung keinen daselbst hausenden Heiden mehr gab.

11. Anfangs gab es freilich wohl bedeutende Gegenbestrebungen; aber weil das Volk von den Priestern und zeitweilig auch vom Hauptmanne selbst ganz wohl belehrt wurde, so sah es auch bald und leicht die alten Irrtümer ein und fand sich höchst beglückt in der Erkenntnis der reinen Wahrheit, und Ich ermangelte sicher nicht, jedem treuen Bekenner Meiner Lehre durch Wort und Tat Meine Kraft zu erteilen.

12. Nach Meiner Auferstehung besuchte Ich auch besonders diese Orte und gab ihnen den vollsten Trost und eine rechte Kraft, in Meinem Namen zu wirken.

13. Zur Zeit der großen Bedrängnis in Jerusalem und in ganz Judäa diente auch die Stadt Aphek den flüchtigen Juden, die völlig in Meiner Lehre standen, zu einer Zufluchtsstätte, und alle, die dahin kamen, fanden eine gute Aufnahme.

14. Der Hauptmann aber stiftete mit der Zeit selbst eine Gemeinde so ganz ohne ein Weltaufsehen, die später, als er von Mir heimberufen wurde, auch seinen Namen führte.

15. Er selbst aber lebte nach Meiner Auffahrt noch bei dreißig Jahre und ward zum Obersten über alle die zehn großen Städte ernannt, zwischen denen sich noch eine Menge kleinerer Städte befanden, die alle zu den zehn Städten gerechnet wurden.

16. Das ist sonach in aller Kürze eine Übersicht, und zwar also zu nehmen, wie es sich mit der Zeit mit Meiner Lehre in diesen Städten und Orten verhielt.

119. Kapitel. Das Zusammentreffen der Karawane aus Damaskus.

1. Und nun wollen wir wieder zu uns selbst zurückkehren und sehen – aber auch in möglichster Kürze –, wie es uns über Aphek hinaus erging.

2. Als wir uns etwa bei zwei Stunden Weges von der vorbenannten Stadt weit weg befanden, da begegnete uns eine ganz große Handelskarawane, die aus Damaskus nach den Küstenstädten zog, um daselbst ihre Waren an den Mann zu bringen.

3. Als diese Karawane aber anstatt in der ihr nur zu wohlbekannten wüsten Gegend sich nun in einer ganz blühend gesegneten befand, da kannte sie sich nicht aus und war der Meinung, den Weg verfehlt zu haben.

4. Als wir mit der Karawane zusammenkamen, da trat der Karawanenführer zu Mir, weil Ich voranging und die Jünger Mir nachfolgten, und fragte Mich, sagend: „Guter Freund, siehe, wir sind Handelsleute aus Damaskus und ziehen alljährlich zweimal den Küstenstädten zu, weil wir daselbst unsere Waren leicht und gut verkaufen können! Wir haben allzeit unsern Weg über Aphek, Golan, Abila, Pella und Genezareth genommen und kennen sonach den Weg sicher gar wohl. Bis hierher können wir den Weg unmöglich verfehlt haben und müßten uns nun schon also in der Nähe der Stadt Aphek befinden, daß wir sie in ein paar Stunden erreichen müßten. Wir kennen aber die Wüste, in der sich die alte Stadt befindet; diese hatte hier, wo die Straße ganz holpericht wird und zwischen diesen schwarzen Basaltfelsen sich durchzuwinden beginnt, ihren Anfang genommen, und wir wußten dann, daß wir uns in der Nähe unserer Bleibestation über die Nacht befinden.

5. Aber da sieh, – hier ist von einer Wüste keine Spur mehr! Alles ist grün, und am Wege stehen Gruppen von Fruchtbäumen aller Art, – und vor kaum einem halben Jahre, als wir auch dieses Weges zogen, sah man kaum hie und da ganz verkümmert irgendein Dorngesträuch! Wir müssen also unsern schon altbekannten Weg denn doch einmal verfehlt haben und wissen nun nicht, wo wir uns befinden und wohin wir uns wenden sollen, um wieder auf den rechten Weg zu gelangen. Ihr aber werdet da sicher ortskundig sein und die Güte und Freundschaft haben, uns das Rechte zu sagen.“

6. Sagte Ich: „So ihr diesen Weg schon gar oft gemacht habt und er bis zu dieser Stelle kein verfehlter war, so wird er auch von hier weiter noch der rechte sein, indem wir selbst nun auf diesem Wege gerade von Aphek herkommen!“

7. Sagte der Karawanenführer: „Jawohl, jawohl, du guter Freund kannst schon ganz recht haben; denn die Lage der ganzen Gegend scheint denn doch die uns sehr wohlbekannte zu sein! Aber es gibt dennoch Gegenden, die sich der Gestaltung nach wie Zwillinge ähneln, aber dabei doch ganz andere sind, wie man längs des Euphrat derlei Gegenden häufig antrifft.

8. Aber ich glaube deiner Aussage, daß wir uns hier schon auf dem ganz rechten Weg nach Aphek hin befinden. Was aber haben die Bürger der Stadt getan, daß sie in so kurzer Zeit die ganz bedeutend große Wüste, in deren Mitte sich die Stadt mit nur wenigen und kleinen Fruchtgärten befand, in ein so üppiges und blühendes Land umgestaltet haben? Woher haben sie das sicher sehr fette Erdreich genommen, um das weithin ganz kahle Gestein zu überkleiden, und mit welchen Mitteln haben sie es herbeigeschafft?“

9. Wir kennen die Apheker wohl und wissen es, daß sie zu solch einer Arbeit bei weitem nicht die erforderlichen Mittel und ebenso auch nicht die genügenden Arbeitskräfte besitzen; und so das die Gegend um Aphek ist – daran ich nun nicht mehr zweifeln will –, so muß es da wahrlich nicht mit natürlichen Dingen zugegangen sein.

10. Wären die Apheker irgend altfromme Juden, wie es deren etwelche noch in Damaskus gibt, so könnte man sich denken, daß da irgendein großer Prophet, etwa gleich dem Moses oder Elias, aufgestanden sei, und diese Wüste wunderbar mit Erdreich und darauf mit aller Art Pflanzen und Fruchtbäumen versehen habe. Aber so sind eben die Apheker ganz stockfeste Heiden und bekannte Feinde der Juden, und denen hätte ein Moses oder ein Elias im Namen und in der Kraft Jehovas eine solche Wohltat sicher nicht erwiesen, sondern hätte ihnen schier nur das getan, was Moses dem verstockten Pharao angetan hat und Elias den gewissen Götzenpriestern.

11. Und so ist die Umwandlung dieser bedeutend großen Gegend ein wahres Rätsel, und wir müssen uns stets mehr und mehr darüber verwundern. Unser Verstand ist da wahrlich zu kurz und zu blöde, um das zu bestimmen, was da vor sich gegangen sein muß. Vergib uns, daß wir euch als auch Reisende über die Gebühr lange an dieser Stelle aufgehalten haben!

12. Nur eines erlaube, du lieber und sehr gefälliger Freund, mir noch, nämlich dir noch mit einer Frage lästig zu fallen, und diese besteht darin: Habt ihr diese Gegend zuvor niemals besucht, als sie noch eine vollkommene Wüste war? Denn mir kommt es sonderbar vor, daß euch nun das ganz und gar nicht zu befremden scheint, daß sie nun ein fruchtbarstes Land ist.“

120. Kapitel. Jesu Worte an die Karawane.

1. Sagte Ich: „So ihr bald nach Aphek kommen werdet, alldort werdet ihr schon das Nähere über die Umwandlung dieser ehemaligen Wüste in ein fruchtbares Land erfahren. Wir alle wissen wohl auch sehr klar, wie das vor sich gegangen ist, und kennen den mächtigen Grund dieser Umgestaltung. Aber der Tag neigt sich für uns und für euch, und es ist keine Zeit mehr, hier euch das zu enthüllen.

2. Doch das lasset euch gesagt sein: Hätte sich Pharao auf die Mahnungen Mosis also von seinem Götzentum bekehrt, wie sich die Apheker zum reinsten und wahrsten Judentum bekehrt haben, so hätte er die bekannten Plagen nicht auferlegt bekommen, und alle Wüsten Ägyptens hätten zu grünen angefangen.

3. Die Apheker aber haben sich zu dem einen und allein wahren Gott bekehrt, wovon ihr euch in der großen Herberge bald überzeugen werdet, und sind sonach als ein alter, verdorrter Zweig vom Stamme Abrahams wieder vollkommen lebensgrün geworden. Der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs aber ist noch ganz Derselbe, wie Er war von Ewigkeit her – und Ihm sind alle Dinge möglich!

4. Dem es möglich war, die ganze Erde und alle Kreatur durch Seinen Willen ins Dasein zu rufen, dem wird es wohl auch möglich sein, eine so kleine Wüste mit fettem Erdreich wohl zu versehen und mit Pflanzen und allerlei Fruchtbäumen. Da auch ihr Juden seid, so werdet ihr den Sinn dieser Meiner Worte wohl auch begreifen können?

5. Freilich ist euer Judentum auch schon zum meisten Teil ein Welttum geworden, und die Altbegebenheiten, von denen ihr aus der Schrift noch eine halbe Kunde habt, sind für euch auch in das Reich der frommen Fabeln verbannt worden; aber dem ist dennoch nicht also, wie es euch euer Weltverstand eingibt, sondern ganz außerordentlich bedeutend anders!

6. In euren pur weltlichen Dingen, mit denen der innere Geist in keinem Verbande steht, mag auch euer Weltverstand richten und entscheiden; aber in den göttlichen Dingen richtet und entscheidet nur ein lebendiger Glaube an Gott und die reine Liebe zu Ihm und aus der zum Nächsten.“

7. Sagte der Führer: „Wahrlich, Freund, du bist auch noch ein echter Altjude, wie es auch bei uns noch einige wenige gibt; aber trotz ihres festen Glaubens sieht es um unsere große Stadt dennoch zumeist sehr unfruchtbar aus, und der gute Jehova scheint sich um uns Damasker nicht besonders zu kümmern!“

8. Sagte Ich: „Er kümmert sich um euch gerade also, wie ihr euch um Ihn kümmert!“

9. Sagte der Führer: „Wir senden doch alljährlich unsere vorgeschriebenen Opfer nach Jerusalem in den Tempel, und dieser ist mit uns zufrieden!“

10. Sagte Ich: „Das tut ihr zwar wohl und ehret Gott mit euren Lippen und Rindern, aber eure Herzen sind ferne von Ihm!

11. Es grünt in euch die wahre, durch Moses und durch die Propheten verkündete Liebe zu Ihm nicht, und es ist in euch ebenso wie im Tempel zu Jerusalem sehr wüste und dürre geworden, und so ist es auch um eure Stadt wüste und dürre, und ihr werdet mit all eurer Hände Mühe die Wüsten um Damaskus nimmer in völlig fruchtbare Ländereien umgestalten. Ihr braucht das auch nicht, da ihr mit aller Welt Handel treibt und eure Stadt mit Brot und allerlei Weltschätzen wohl versehet, euch dadurch aber auch von Gott stets mehr entfernt, anstatt daß ihr, als wahre Juden, euch Ihm stets mehr und mehr nähern solltet in eurem Gemüte.

12. So ihr selbst aber schon so klug, weise und mächtig geworden seid, für euren Unterhalt bestens zu sorgen, da hat dann Gott der Herr denn auch wahrlich nicht nötig, Sich um euch irgend besonders zu kümmern.

13. Ziehet aber nun nur nach Aphek; dort werdet vielleicht auch ihr in eurem Gemüte etwas grüner zu werden anfangen, als ihr es bis jetzt waret, und es wird euch dann eine blühend gewordene Wüste nicht mehr glauben machen, als hättet ihr den rechten Weg verloren!

14. Wer in sich nicht auf dem rechten Wege ist, der ist auch in dieser Welt nirgends auf dem rechten Wege.“

15. Als der Führer diese Worte aus Meinem Munde vernommen hatte, da sagte er: „Vergib es mir, daß ich euch so lange aufgehalten habe! Aber ich und die ganze große Karawane haben dabei sehr vieles gewonnen. Du bist ein großer und seltener Schriftgelehrter von echtem altem Schrot und Korn; wenn du zu uns nach Damaskus kämest, da würde es in und um die Stadt bald zu grünen und zu blühen anfangen. Aber bei uns sieht es mit der Schriftgelehrtheit sehr schlecht aus, und darum ist denn auch der Glaube lau; denn wo es keine rechten Lehrer gibt, da kann es auch keine rechten Jünger geben. Ich danke dir aber nun im Namen der ganzen Karawane für deine mir geschenkte Geduld und Mühe; komme einmal zu uns nach Damaskus, und du sollst von uns bestens aufgenommen werden!“

16. Sagte Ich: „Ich Selbst in dieser Person, die nun mit dir redet, werde nach Damaskus schwerlich also, wie Ich nun da bin, kommen; aber daß von Mir ein rechter Jünger dahin in Kürze entsendet werden wird, des könnet ihr versichert sein!“

17. Als Ich dieses zu dem Führer gesagt hatte, da dankte er nochmals für Meine ihm erwiesene Gefälligkeit. Die ganze Karawane bewegte sich dann weiter, und Ich zog mit Meinen Jüngern denn auch schnell weiter.

121. Kapitel. Jesu Einkehr in einer Herberge bei Bethsaida.

1. Wir gelangten noch vor dem Untergange in einen Ort unweit von Bethsaida, in und in der Nähe dieser Stadt Ich schon früher einmal lehrte und Zeichen wirkte.

2. Die Bewohner dieses Ortes waren zumeist Hirten und Fischer; denn alle die nun benannten Orte, die Ich von Genezareth aus durchzog, befanden sich wie in einem großen Halbkreis mehr oder weniger in der Nähe des Galiläischen Meeres und längs dem Ausfluß des Jordans aus demselben.

3. Allein an der Lage dieser Städte und auch ihren Namen liegt wenig, sondern alles nur zuallermeist an dem, was Ich gelehrt, und dann auch an dem, was Ich getan habe, welch letzteres aber – nota bene – bis zu dieser Zeit freilich zum größten Teil völlig in Vergessenheit geriet, während so manches, noch von Mund zu Mund sich fortpflanzend, so entstellt wurde, daß an ihm aber auch nicht ein wahres Jota mehr kleben blieb, daran aber denn auch wenig oder gar nichts gelegen ist, denn, wie gesagt, die Haupt- und Lebenssache liegt nur an der treu erhaltenen Lehre als der Wahrheit aller Wahrheit. –

4. In dem kleinen Ort, den wir, wie schon gesagt, noch vor dem Untergange der Sonne erreicht hatten, fanden wir bei den zumeist ganz armen Bewohnern eine recht freundliche Aufnahme.

5. Es war allda wohl auch eine kleine Herberge, in der es aber höchst ärmlich an allem, was eine Herberge haben sollte, aussah.

6. Von Brot und Wein war da gar keine Rede; getrocknete Fische, gewisse Wurzeln, getrocknete Feigen, Kürbisse, Haselnüsse und Schafskäse war alles, was man da haben konnte.

7. Der Wirt, ein Grieche, aber ein ganz guter und geduldiger Mensch, hatte eine ziemlich zahlreiche Familie, darunter auch drei Söhne, von denen ein jeder über zwanzig Jahre zählte. Diese drei zogen allwöchentlich zum von diesem Orte schon bei einer kleinen Tagereise entlegenen Meere Galiläas, fingen da Fische und brachten sie treulich nach Hause.

8. Diesmal waren sie denn auch, um Fische zu bekommen, schon vor zwei Tagen vom Hause abgegangen, aber noch nicht, wie sonst gewöhnlich, gegen Abend des dritten Tages nach ihrer Abreise zurückgekehrt, und es waren darum der Wirt, sein Weib und auch die andern Kinder dieses Wirtes voll Angst und Sorge, daß etwa den dreien etwas Übles begegnet sei.

9. Der Wirt klagte Mir auch gleich seine Not und entschuldigte sich auch in der Hinsicht, daß er uns für diesen Abend außer mit etwas Käse und Schafs- und Ziegenmilch nichts zu bieten haben würde, so die drei Söhne nicht mit einer Ladung Fische bald nach Hause kämen.

122. Kapitel. Jesus enthüllt dem Wirte die Ursache des Ausbleibens seiner Söhne.

1. Da vertröstete Ich den Wirt und sagte: „Sei darob nicht ängstlich! Deine drei Söhne werden über Bethsaida in einer kleinen Stunde hier mit einer reichen Ladung eintreffen; denn sie haben diesmal so viele Fische gefangen, daß sie samt ihren drei Lasttieren dieselben mit der knappsten Not und Mühe weiterzubefördern imstande sind. Allein in Bethsaida haben sie bei einem Bekannten zwei Lasttiere entliehen, und so geht die Weiterbeförderung der vielen und guten Fische nun schon schneller vorwärts.“

2. Sagte der Wirt, der am Judentume hing: „Wollte es der Gott der Juden, daß du die Wahrheit geredet hättest!“

3. Sagte Ich: „Freund, wüßte Ich darum nicht für ganz bestimmt, daß es also ist, so hätte Ich dir das auch nicht gesagt; denn bei Mir geht die Wahrheit über alles, und von jeglicher Lüge bin Ich der größte Feind!“

4. Sagte der Wirt, der sich über Meine Bestimmtheit zu wundern begann: „Freund, bist du denn ein jüdischer Seher, daß du um Dinge so ganz bestimmt zu wissen scheinst, von denen du auf dem natürlichen Wege kaum eine Kunde haben dürftest? Denn ihr kommet über Aphek hierher, welche Stadt schon ziemlich weit über der Ausmündung des Jordans aus dem Meere auf den das große Jordantal begrenzenden Bergen liegt; Bethsaida aber liegt noch an den Bergen, deren gedehnte Ausläufer die Ufer des Meeres selbst bilden, – und so kannst du selbstverständlich auf dem natürlichen Wege durchaus nicht wissen, wie es meinen heimkehrenden Söhnen ergeht.

5. Da du mich aber über ihr Befinden mit aller Bestimmtheit in Kenntnis setztest, so mußt du ein Seher sein; weil du aber das bist, so sage mir zu meiner noch größeren Beruhigung, wie viele Schafe und Ziegen ich besitze!“

6. Sagte Ich: „Freund, so du Mich kenntest, da würde Ich zu dir sagen: Es ist nicht fein, daß du Mich zu versuchen dich getraust! Aber da du Mich bis jetzt noch nicht kennst, so will Ich dir deine Frage wohl beantworten.

7. Siehe denn, du besitzest dreißig Schafe, darunter zwei Männlein und somit achtundzwanzig Weiblein, von denen dir aber nur vierzehn Milch geben, die andern vierzehn aber nicht; die Ursache davon ist dir als einem Hauswirt wohl bekannt. Und siehe, gerade also verhält es sich mit deinen Ziegen! Bist du nun wohl überzeugter, daß Ich es auch wohl wissen kann, wie sich deine drei Söhne befinden?“

8. Sagte der Wirt: „Ja, Freund, nun glaube ich deinen Worten ungezweifelt, und was du mir immer sagen wirst, das werde ich glauben; denn nun bin ich vollkommenst überzeugt, daß du wahrhaft ein Seher und somit auch ein Weiser der Juden bist!

9. Siehe, ich und auch meine wenigen Nachbarn sind erst vor etwa dreißig Jahren hierher gekommen und haben uns mit Bewilligung des römischen Gerichts hier angesiedelt, weil dieser alte Ort gänzlich menschenleer war und somit auch keine Besitzer hatte weit und breit herum.

10. Vor etwa fünfzig bis sechzig Jahren sollen hier noch etliche sehr verarmte Juden gehaust haben; da sie aber dem harten Boden bis auf einiges Wurzelwerk nichts abgewinnen konnten, so verließen sie diesen Ort ganz und sollen sich irgendwo am Meere Galiläas angesiedelt haben. Was da weiter mit ihnen geschah, das wird der Gott der Juden schier am allerbesten wissen.

11. Wir aber waren und sind noch Griechen und kamen von Tyrus, wo wir Fischerei trieben und uns dabei ein kleines Vermögen erwarben. Wir hätten uns auch gern in einer besseren Gegend angesiedelt; aber dazu hatten wir zu wenig des dazu erforderlichen Vermögens. Mit unserem Fleiß haben wir diesen Boden teilweise doch also hergerichtet, daß er uns nun, wenn auch nur karg, ernährt.

12. Wir machten in Bethsaida aber bald Bekanntschaft mit einem alten, sehr weisen Juden, der dabei aber auch ein sehr wohlhabender Mann war und uns so manche Wohltat erwies.

13. Dieser Jude erzählte uns, wie dieses nun so verödete Land einst zu den gesegnetsten gehörte. Aber als die Juden von ihrem alten und allein wahren Gott nach und nach und stets mehr und mehr abfielen und Seiner zu vergessen anfingen, da zog Er auch Seine Segnungen von diesem Boden zurück, ließ große Gewitterstürme kommen, durch welche das fette Erdreich von diesen Berggegenden hinweggeschwemmt wurde, und was noch irgend von den Stürmen verschont blieb, das wurde durch oftmalige und langwierige Kriege verwüstet. Und so ward diese dereinst so übergesegnete Gegend zu einer förmlichen Wüste und würde als solche auch verbleiben, solange die Menschen sich nicht vollkommen zu Gott wieder bekehren würden.

14. Für die Heiden sei da wenig Gutes zu erwarten; denn ihre Götter, die pure Phantasiebilder der Menschen und sonst nichts seien, könnten ihnen nicht helfen, und den einen, allein wahren und allmächtigen Gott der Juden erkennten sie nicht und könnten auch nicht an Ihn glauben, Seine überweisen Gebote halten und Ihn also volltrauig, wie gute Kinder ihren Vater, um Seine Hilfe und Gnade bitten. Weil solches bei den Heiden aber nicht statthaben könne, so könnten sie sich wohl selbst denken, daß bei ihnen von den außerordentlichen Segnungen keine Rede sein kann.“

123. Kapitel. Der Glaube und das Vertrauen des Wirtes.

1. (Der Wirt): „Als uns der Alte solche Eröffnungen machte, da fragte ich ihn einmal, also sagend: ,Freund, wir Griechen, die wir bei euch Juden als gottlose Heiden verschrien sind, halten nicht so besonders große Dinge auf unsere Götter und haben uns schon in Tyrus in die Gotteslehre der Juden einweihen lassen und beachten auch nach Möglichkeit das mosaische Gesetz, mit der alleinigen Ausnahme der etwas lästigen Beschneidung, in der wir wahrlich wenig wahren Heiles für die Menschen ersahen!‘

2. Der Alte sagte darauf denn auch, daß an der Beschneidung eben nur dann für die geborenen Juden etwas gelegen sei, wenn sie die Gebote Gottes genau hielten. Für die Heiden aber genüge vor Gott, wenn sie von ihrem Götzentum abstehen, an den allein wahren Gott ungezweifelt glauben, Seine zehn Gebote halten, Ihn über alles lieben und die Nebenmenschen wie sich selbst; Gott verlange von den Heiden keine andern Opfer als die der wahren Liebe im Herzen.

3. Als ich und noch einige meiner Nachbarn solche wahrhaft sehr weise Lehre von dem Alten vernommen hatten, da beschlossen wir, im Glauben und in der Tat vollkommen Juden zu sein, aber für die Welt Griechen zu verbleiben, um nicht Untertanen der höchst eigennützigen, herrschsüchtigen und unbarmherzigen Oberpriester zu werden, die sich wohl darauf unendlich viel einbilden, daß sie das sind, was zu sein sie den Juden vorpredigen, – aber so man sie beim rechten Lichte betrachtet, da stellt es sich nur zu klar heraus, daß sie eben diejenigen sind, welche die Gebote Gottes durch ihr Tun ordentlich mit Füßen treten.

4. Und so wirst du, als selbst ein weiser Jude, uns Griechen sicher nicht unrecht geben, daß wir also sind, wie ich es dir nun dargestellt habe; ihr brauchet euch vor uns nun freilich armen Griechen nicht zu scheuen, – denn wir sind auch Juden!“

5. Sagte Ich: „Daß ihr dem Glauben und der Tat nach Juden seid, das wußte Ich und bin darum auch zu euch gekommen, um euch den rechten Trost zu bringen und euren Glauben noch mehr zu kräftigen.

6. Aber da ihr schon seit einer ziemlich geraumen Zeit an den einen, allein wahren Gott der Juden glaubet, Ihn lobet, ehret und preiset und auch nach Seinen Geboten lebt und handelt, so wird Gott euch in eurem Haushalte ja auch schon zu öfteren Malen so recht sichtlich gesegnet haben und hat dadurch euren Glauben sicher belohnt?“

7. Sagte der Wirt: „Höre, du lieber und weiser Freund, von irgendwelchen schon von weitem ersichtlichen Segnungen war bei uns freilich trotz unseres festesten Glaubens noch keine besondere Rede; aber es tut das auch nichts zur Sache, und unser Glaube an Ihn ist darum nicht schwächer geworden. Doch sind wir auch nicht ohne Segnung geblieben; denn wir hatten, wenn auch noch so knapp bemessen, dennoch immer das Nötige und brauchten nie besonders fühlbar Hunger und Durst zu leiden, nicht nackt umherzugehen und ohne Wohnung zu sein.

8. Unsere kleinen Herden blieben gesund und versahen uns hinreichend mit Milch und Käse, und unsere kleinen Gärten, die wir freilich wohl recht emsig pflegten, brachten für unsere kleinen Bedürfnisse mehr denn genügend der Segnungen Gottes zum Vorschein, und es hat uns noch kein Mißjahr getroffen.

9. Daß dann und wann vorüberziehende Stürme uns auch nicht völlig verschont haben, das läßt sich leicht von selbst denken; doch haben wir dabei nicht gemurrt, denn wir dachten dabei: ,Gott hat von neuem wieder unsern Glauben, unsere Liebe und Treue und unsere Geduld einer kleinen Prüfung unterzogen und wird uns den durch einen Sturm verursachten Schaden durch einen andern Segen ersetzen‘, – was denn auch immer der Fall war, und auch unsere Gärten erblühten, freilich durch unsern Fleiß, von neuem wieder und brachten das, was wir benötigten.

10. Auch muß ich noch das hinzufügen, daß diese Gegend von besonders starken Gewittern nur höchst selten heimgesucht wird; und so sie schon dann und wann mehr auf den Höhen losbrechen, so verspüren wir in diesem unserem Orte davon weniger denn auf den Vollhöhen, weil eben dieser Ort sich, wie ihr sehet, in einer Vertiefung unseres Hochlandes befindet.

11. Und so sind wir mit den Segnungen unseres lieben Herrn und Gottes denn auch stets zufrieden, und solche unsere Zufriedenheit ist denn ja auch eine wahre Segnung Gottes. Denn was würde es uns wohl nützen, alles einem Könige gleich zu besitzen, und Gott würde uns aber mit einer nagenden Unzufriedenheit, die nur zu bald die Brücke zu allerlei großen Lastern werden kann, strafen? Würde das unser Glück vermehren?

12. Und so siehe, du lieber Freund, wenn es bei uns auch äußerlich noch so armselig und verlassen aussieht und man meinen könnte, Gott stehe uns mit Seinen Segnungen ferne, so ist dem aber dennoch nicht also; denn bei uns gelten die inneren und äußerlich selten sichtbaren Segnungen um gar vieles mehr, als wenn unsere Gegend ein wahres Eden wäre und uns die gebratenen Wachteln von selbst in den Mund flögen.

13. Freund, wem Gott die goldne Zufriedenheit und eine rechte Geduld verleiht, dem hat Er mehr gegeben, als so Er ihm seines Glaubens und seiner Treue und Tugend wegen ein ganzes Königreich mit unermeßlichen Schätzen geschenkt hätte!

14. Wenn du, lieber und sicher auch sehr weiser Freund, das so recht lebendig betrachtest, so wirst du es auch einsehen, daß wir nicht ohne Segnungen Gottes dastehen! – Habe ich recht oder nicht?“

124. Kapitel. Jesu Frage nach dem Messias.

1. Sagte Ich, dem Wirte Meine Hand darreichend: „Freund, solch einen Glauben und solch einen reinen Sinn habe Ich in ganz Israel nicht angetroffen; darum aber wird es auch kommen, daß das Licht den Juden genommen und den Heiden gegeben werden wird.

2. Du und auch deine Nachbarn seid schon vollkommen auf dem ganz rechten Wege, und Ich bin darum zu euch gekommen, um bei und in euch die Segnungen Gottes zu vermehren und euch auch zu zeigen, daß euer Glaube und eure Treue vor Gott vollkommen gut, wahr und gerecht war. Doch lassen wir nun das, denn wir werden davon heute und morgen schon noch weiter sprechen!

3. Hast du, Mein lieber Freund, aber von dem noch nicht besonders viel vernommen, daß die Juden den ihnen verheißenen Messias erwarten, und wann dieser kommen soll?“

4. Sagte der Wirt: „Mir hat davon der Alte in Bethsaida vieles aus den Propheten vorgelesen und zur Not auch erklärt; aber ich meine, daß der verheißene Messias, der nichts weniger als Gott der Herr Selbst sein werde, zu den Juden, wie sie nun besonders in Jerusalem und auch in vielen andern Orten daheim sind, deren Herz nicht mehr an Gott, sondern nur an den Schätzen und Gütern dieser Welt hängt, schwerlich kommen wird. Und so Er auch käme, da werden sie Ihn doch nicht erkennen; denn Er wird sicher nicht in weltlicher Pracht kommen, sondern so, wie Er will, daß alle Menschen auf dieser Welt in aller Demut, Liebe und Geduld einhergehen sollen, und da werden Ihn die überhochmütigen Juden, und ganz besonders die hohen Priester, die von Gold und Edelsteinen strotzen, sicher nicht als den rechten Messias annehmen.

5. Wir aber haben unsern wahren Messias schon in unseren Herzen, und die Ihn da nicht haben, die werden wohl schier vergeblich auf Ihn in ihren mit Gold verbrämten Gewändern warten.“

6. Sagte Ich: „Da hast du auch wieder ganz richtig und wahr geurteilt, und es ist das tatsächlich nun also; doch siehe, dort kommen nun deine drei Söhne mit Fischen schwer belastet! Sende ihnen ein paar Nachbarn entgegen, daß sie ihnen die Bürde ein wenig erleichtern!“

7. Das vernahmen sogleich ein paar anwesende Nachbarn und eilten den Ankommenden entgegen, und in wenigen Augenblicken waren sie zur großen Freude des ganzen Ortes da, und alle konnten sich nicht zur Genüge verwundern über die Menge der Fische und lobten und priesen Gott den Herrn darum.

8. Und der Wirt sagte: „Sehet, wie sichtbar uns nun Gott gesegnet hat; darum Ihm allein alle Ehre!“

9. Auf diese ganz ergreifende Szene wurden sogleich die Fische versorgt.

10. Im ganzen Ort hatte nur der Wirt einen Quellbrunnen und einen kleinen, aus Stein einst mühsam gehauenen Teich, der von dem Brunnen sein Wasser erhielt und den kleinen Herden dieses Ortes zur Tränke diente.

11. Wenn die Fischer vom Galiläischen Meere dann und wann noch lebende Fische nach Hause brachten, so wurden sie in diesen Teich eingesetzt; war aber das besonders in der Sommerzeit nicht der Fall, so wurden die Fische sogleich aufgemacht, gereinigt, gut eingesalzen, dann sogleich über einen eigenen Herd zum Trocknen aufgehängt, indem man auf dem Herd ein mäßiges Feuer anmachte und die ganze Nacht unterhielt. Denn das Beste bei diesem Orte war, daß sich in seiner Nähe ein ziemlich wohlerhaltener kleiner Zypressen- und Myrtenwald befand, der dem Ort das nötige Brennholz lieferte, und so konnten die Bewohner denn auch ihre Fische und auch anderes Fleisch nach ihrer ganz guten Art trocknen und für eine längere Zeit zu ihrem Gebrauch aufbewahren.

12. Doch diesmal war diese Arbeit nicht nötig, da auch nicht ein Fisch trotz der den ganzen Tag andauernden Reise tot war, obschon die Fische nicht in den Lägeln, sondern in Säcken nach Hause geschafft werden mußten.

13. Darüber fingen denn auch alle sich hoch zu verwundern an und brachten die Fische in den kleinen Teich, in welchem sie alsbald ganz munter umherzuschwimmen begannen. Einen kleinen Teil behielt der Wirt im Hause, um für uns ein Nachtmahl zu bereiten.

14. Da es abends schon ziemlich kühl geworden, so begaben wir uns ins Haus des Wirtes, das ein Zimmer hatte, in dem für uns alle hinreichend Raum war.

125. Kapitel. Jesu Zeugnis von Sich.

1. Als wir uns im Hause, und zwar in dessen geräumigstem Zimmer, an einem Tische, der von Steinen ganz zweckmäßig zusammengefügt war, gelagert hatten und der Wirt und einige seiner Nachbarn neben uns Platz nahmen, da sagte der Wirt zu Mir: „Höre, du wahrlich um alles ganz wunderbar wissender Freund, deine Weisheit ist von keiner gewöhnlichen Art, denn dir scheint nichts unbekannt zu sein!

2. Du bist ein Jude aus Galiläa, und da wir alle, wie ich schon früher vor dir dargetan habe, in den Schriften und Lehren der Juden nicht unbewandert sind, so ist irgendwo einmal gesagt, daß aus Galiläa kein Prophet komme, und dennoch bist du ein gar großer Prophet! Denn wärest du es nicht, wie wohl hättest du wissen können, daß meine drei ältesten Söhne, um Fische zu fangen, nach dem überfischreichen Meere Galiläas ausgezogen sind, und daß sie gen Abend, als heute, mit einem reichen Fange heimkehren werden?

3. Und das war alles richtig und wahr also, wie du es zum voraus angegeben hast; um aber so etwas aller Wahrheit gemäß angeben zu können, muß man ein großer Seher und Prophet sein, – und du bist doch ein Galiläer, aus dem Lande, aus dem niemals ein Prophet erstehen soll! Wie ist demnach dieses zu nehmen und zu verstehen?“

4. Sagte Ich: „Freund, Ich lebte wohl die meiste Zeit in Galiläa, doch bin Ich aus Galiläa nicht geboren, sondern aus Bethlehem und bin am achten Tage nach Meiner Geburt im Tempel zu Jerusalem beschnitten worden nach der Vorschrift. Aus diesem Grunde könnte Ich dann wohl ein Prophet sein!

5. Aber Ich bin dennoch kein Prophet, sondern eben Derjenige, von dem die Propheten geweissagt haben, daß Er kommen werde, um zu erlösen alle, die an Ihn glauben werden, von den Banden des alten Truges, von der Nacht der Sünde, des Gerichtes, der Hölle und ihres ewigen Todes.

6. Ich bin also der Herr und Meister Selbst und kein Diener, bin aber nun doch in dieser Welt, um allen Menschen, die eines guten Sinnes und Willens sind, mit Meiner Liebe, Weisheit und Macht zu dienen und ihnen zu geben das ewige Leben; denn wahrlich sage Ich euch: Alle, die an Mich glauben und völlig nach Meiner Lehre leben und handeln werden, die werden den Tod nicht sehen, fühlen und schmecken, sondern nach dem Abfalle ihres Leibes werden sie in einem Augenblick verwandelt werden und bei Mir im Paradiese sein, und ihrer Seligkeit wird fürder kein Ende sein.

7. Und so weißt du, Mein Freund, es nun ganz offen aus Meinem Munde, wen du in Mir in deinem Hause beherbergest!

8. Die aber mit Mir kamen, sind Meine Jünger – bis auf einen, der nach der Welt seine Augen richtet, obschon er wohl weiß und auch fest glaubt, wer Ich bin und was Ich schon alles gelehrt und getan habe. – Was sagst du nun dazu?“

9. Sagte der Wirt: „Herr und Meister, was soll, was könnte ich als ein armer, sündiger Mensch dazu sagen? Du bist der Herr aller Dinge und unseres Lebens, sei uns armen Sündern denn auch gnädig und barmherzig!

10. Da Du uns unbeschnittenen Juden schon einmal die Gnade erwiesen hast, uns in unserer Einschicht (Einsamkeit) zu besuchen, so hoffen wir, daß Du mit Deiner Gnade auch bei uns verbleiben und segnen wirst uns und unsere Kinder!“

11. Sagte Ich: „Daran sollet ihr keinen Mangel jemals haben; so ihr bleibet im Glauben an Mich und in der Liebe zu Mir, so werde Ich auch bleiben mit aller Meiner Gnade bei euch.

12. Und nun, Meine Freunde, von etwas anderem, und zwar von eurem Mir nur zu wohlbekannten Dürftigkeitszustand!

13. Ihr habt weder Brot noch Wein und bedienet euch anstatt des Brotes eurer Schaf- und Ziegenkäse und eurer getrockneten Fische.

14. Ich werde aber euer zumeist ödes und wüstes Ländlein in ein fruchtbares umwandeln, und ihr werdet in der Zukunft Gerste, Korn und den schönsten Weizen ernten und euch daraus ein gutes Brot bereiten können; vorderhand aber sollen eure Speicher mit den ausgesprochenen drei Getreidearten und eure Speisekammern mehr denn zur Genüge mit gutem Brot versehen sein.

15. Also möget ihr an geeigneten Stellen in der Folge auch Weinreben anpflanzen, und sie werden euch Wein zur Genüge bringen.

16. Für jetzt aber füllet ihr eure leeren Gefäße und Schläuche mit reinem Wasser! Es soll nach Meinem Willen dasselbe zu Wein werden, und ihr werdet daraus alsogleich erkennen, daß Ich ob eures Glaubens und eurer rechten Liebe zu Mir mit Meiner Gnade, Liebe und mit Meinem Segen bei euch bin und auch bei euch verbleiben werde. Denn Ich habe bei euch einen Glauben angetroffen wie nirgends unter den Juden, wie Ich davon schon Erwähnung machte, bevor ihr noch wußtet, mit wem ihr es in Mir zu tun habt. Und nun gehet und tut, was Ich zu euch gesagt habe!“

126. Kapitel. Die Fischmahlzeit.

1. Hierauf erhoben sich der Wirt und alle die anwesenden Nachbarn, gingen und taten, was Ich ihnen angeraten hatte. Da sie selbst und alle ihre Angehörigen sogleich die Hände an die Arbeit legten, so dauerte es auch nicht lange, bis alle ihre leeren Gefäße und Schläuche mit reinem Wasser vollgefüllt waren. Und als dies der Fall war, da kosteten sie alsbald das Wasser und wurden darob voll Staunens, als sie sogleich den besten Wein in den Mund bekamen; und alle priesen Gottes Macht in Mir.

2. Es ward also der ganze arme Ort mit Brot, Getreide, Mehl und Wein bestens versehen.

3. Nachdem alle den Wein gekostet hatten, gingen sie in ihre Speicher und in ihre Speisekammern und fanden eine gerechte Menge Getreide, Mehl und Brot, und der Wirt fand in seinen Speisekammern auch noch eine gerechte Menge von Hülsenfrüchten, von denen er selbst ein besonderer Freund war.

4. Nach einer kleinen Stunde Zeit kamen alle wieder zu Mir und wollten Mir über Hals und Kopf für alles zu danken anfangen.

5. Ich aber sagte ganz freundlichen Angesichtes: „Lasset das Mir gar nicht angenehme Danken mit dem Munde; denn euer Herzensdank ist Mir lieber als das Hohelied Salomonis, gesungen von ganz Israel mit stummem Herzen! Gehet aber nun, und bringet auf den Tisch Brot und Wein in gerechter Menge, und wir wollen uns stärken!“

6. Da ging der Wirt mit seinen drei schon bekannten Söhnen und brachte sogleich eine hinreichende Menge Brot und Wein, und wir alle aßen und tranken und stärkten unsere von der ziemlich weiten Reise müde gewordenen Glieder. Auch die drei Söhne, die von der Reise auch sehr müde und auch hungrig und durstig geworden waren, griffen wacker nach dem ihnen über alles wohlschmeckenden Brote und ließen sich den Wein auch wohlschmecken.

7. Als wir uns aber mit dem Brot und Wein gestärkt hatten, da kamen auch das Weib und ein paar Töchter des Wirtes, und das Weib sagte, daß sie bereits eine gerechte Menge Fische nach der griechischen Art zubereitet habe, und fragte, ob sie dieselben auf den Tisch bringen dürfe.

8. Sagte Ich: „Habe keine Scheu vor uns Juden! Wir haben schon zu mehreren Malen Griechen- und Römerkost zu uns genommen und sind darob nicht unrein geworden; denn was nach Bedarf und mit rechtem Ziel und als eine für den Menschen seit alters her anerkannte und möglichst rein bereitete Speise zum Munde in den Magen hineinkommt, das verunreinigt den Menschen nicht, doch was zum Munde aus dem Herzen herauskommt, wie Lästerung, Ehrabschneidung, arger Leumund und allerlei Lüge, unflätige Reden und allerlei Schelterei, das verunreinigt wohl den ganzen Menschen. Darum bringe du, Weib, deine nach griechischer Art bereiteten Fische nur ohne Scheu auf den Tisch, und wir werden sie schon verzehren!“

9. Darauf begab sich die Wirtin sogleich in die Küche und brachte mehrere Schüsseln voll Fische auf den Tisch, und die andern Kinder brachten das nötige Eßgerät, natürlich von ganz einfacher Art, wie es die armen Bewohner dieses kleinen Ortes haben konnten.

10. Ich nahm denn auch alsogleich einen Fisch auf einen tönernen Teller vor Mich hin, zerteilte ihn und verzehrte ihn. Dasselbe taten auch Meine Altjünger.

11. Aber die bekannten Judgriechen aus Jerusalem und die etlichen Johannesjünger, die mit Mir waren, getrauten sich doch nicht, die Griechenfische zu essen; und es fragte Mich der Wirt, ob diese denn wohl gar so strenge Mosaisten seien. Sie würden ja doch schon gar wohl wissen, wer Ich sei!

12. Sagte Ich: „Das wissen sie wohl und sind auch gar so strenge Mosaisten nicht; aber es steckt noch so manche altverrostete Gewohnheit in ihnen, und so essen sie die Fische, so sie völlig nach griechischer Art bereitet sind, nicht. Doch lassen wir sie nur recht hungrig werden, und sie werden auch derlei Fische mit großer Gier verzehren.

13. Ich bin nun ein wahrer Bräutigam, und diese sind Meine Bräute und Meine Hochzeitsleute. Solange Ich bei ihnen bin, haben sie noch nie gefastet und irgend Hunger und Durst gelitten; wenn aber Ich als der Bräutigam von ihnen werde genommen werden, dann werden sie auch gar oft fasten müssen und Hunger und Durst zu erleiden bekommen. Und wenn sie dann zu euch kommen werden, dann werden ihnen eure Fische gar wohl schmecken.“

127. Kapitel. Die geistige Allgegenwart Jesu und die Führungen Seiner Gnade.

1. Als die Johannesjünger und auch die Jerusalemer solches von Mir vernommen hatten, da griffen sie dennoch nach den Fischen und aßen sie und fanden, daß sie ganz gut waren; und als sie die Fische bald völlig verzehrt hatten, da dankten sie Mir für Meine Worte und sagten auch, daß in ihnen trotz des überschwenglichen Lichtes, das sie von Mir empfangen hätten, noch so mancher altpharisäische Kot stecke, dessen sie noch nicht völlig loswerden könnten.

2. Sagte Ich: „Ihr werdet all des alten Kotes in euch schon loswerden, wenn Ich bald nicht mehr leiblich unter euch sein werde. Ihr habt euch an Meine Person schon zu sehr gewöhnt und kennet Mich, und Ich bin für euch keine so außerordentliche Erscheinung mehr; aber so Ich nicht mehr in dieser Meiner sicht- und wohlfühlbaren Person unter euch sein werde, dann werdet ihr voll Traurigkeit werden und auch erst vollkommener einzusehen anfangen, wer Ich war, bin, und ewig sein werde.

3. Ich werde in Meiner Person, doch nur geistig, wohl auch bei euch sein, doch nicht mehr sichtbar euren Fleischesaugen, sondern nur eurem Herzen durch die rechte und wahre Liebe zu Mir.“

4. Diese Meine Worte machten Meine Jünger tiefsinnig und nachdenkend; aber es getraute sich keiner von ihnen, Mich um etwas Weiteres mehr zu fragen.

5. Der Wirt aber, nun schon ganz begeistert von dem guten Weine, sagte zu Mir: „O Herr und Meister, ich weiß es gar wohl, daß Du mit dieser Deiner übergeheiligten Person nicht bis ans Ende unserer diesirdischen Zeit bei uns verbleiben wirst, so wie Du nun auch nicht mit Deiner Person unsere Speicher mit Getreide, unsere Speisekammern mit Brot, Mehl und andern Früchten reichlichst angefüllt und also auch das Wasser nicht in Wein verwandelt hast, sondern allein durch Deine göttliche Willensmacht! Und so denn fühleten wir uns in unserer noch starken Sündhaftigkeit auch viel zu unwürdig, Deine Person stets in unserer Mitte zu haben; aber nur mit Deiner Gnade, mit Deiner Liebe und mit Deinen Segnungen verlaß uns nicht, o Herr und Meister!

6. Wir waren Heiden und fingen an, Dich, den einen und allein wahren Gott, in den Büchern und Schriften der Juden zu suchen, und fanden bald, daß nur der Gott der Juden der allein lebendig wahre sein kann.

7. Wir faßten Vertrauen zu Ihm, hielten Seine Gebote so gut, als es uns nur immer möglich war, und seht, wir wurden bald inne, daß der Gott der Juden unser gar fühlbar zu gedenken anfing! Er gab uns den Sinn, unser Fischergeschäft zu verlassen und uns hier in dieser Einsamkeit anzusiedeln.

8. Wir fanden hier sicher keine Weltreichtümer und kein buntes Menschengetümmel, wie das in den Städten der Fall ist, in denen nichts als Handel über Handel, Betrug, Lüge und Heuchelei getrieben wird und die Habsucht alle Menschen von Gott dem alleinigen Herrn abwendet und man sich Tag und Nacht durcheinander treibt, reibt, betrügt und verfolgt; aber wir fanden dennoch das, was wir zur Fristung unseres Lebens bedurften, vor allem aber fanden wir Ruhe des Gemüts und auch eine gute Gelegenheit, uns mit dem einen, allein wahren Gott der Juden stets vertrauter zu machen, Seine Gebote gewissenhafter zu halten und unsere Kinder in Seiner geoffenbarten Ordnung zu erziehen.

9. Da wir solches taten, so hat uns Gott denn nun auch persönlich in Dir, o Herr und Meister, heimgesucht und uns den Lohn für unser besseres Streben überbracht und hat uns alle mehr denn handgreiflich überzeugt, daß unser Streben kein vergebliches war.

10. Da Du, o Herr und Meister, uns aber schon insoweit gnädig warst, daß Du unsere stets größere Sehnsucht nach Dir befriedigt hast und persönlich zu uns gekommen bist zu einer Zeit, da wir es wohl nicht erwarten konnten, so hoffen wir alle nun nach Deinem heiligen Worte mit aller Zuversicht, daß Du uns mit Deiner Gnade, Liebe und Segnung auch nimmerdar verlassen wirst, da wir Deinen uns wohlbekannten Willen von nun an sicher noch um gar vieles getreuer beachten werden, als das bisher der Fall war und sein konnte.

11. Wir werden freilich auch trauern, so Du uns sicher in Kürze mit Deiner heiligen Persönlichkeit verlassen wirst; aber noch mehr müßten wir trauern, so Du uns auch mit Deiner Gnade verlassen würdest, was Du sicher nicht tun wirst, so wir durch unser Tun und Handeln und durch unsere Liebe zu Dir und auch zu unseren Nebenmenschen unverwandt bei Dir verbleiben werden.

12. Lasse, o Herr, aber nicht zu große Prüfungen über uns kommen, in denen einer oder der andere von uns schwach werden könnte im Glauben an Dich und in der Liebe zu Dir! Dein heiliger Wille bleibe bei uns und wirke in uns allzeit bis an das Ende unserer Tage, und dann jenseits ewig!“

13. Sagte Ich: „Oh, wer also, wie du nun, zu Mir beten wird, nicht nur mit dem Munde, sondern auch im Herzen, dessen Gebet wird bei Mir auch allzeit die vollste Erhörung finden! – Doch nun wieder von etwas anderem!“

128. Kapitel. Vom Verbreiten der Lehre Jesu und vom Segnen.

1. (Der Herr:) „Siehe, du Wirt, und auch ihr andern Bewohner dieses Ortes, ihr seid nun zwar vollends fest in Meiner Lehre unterwiesen, da ihr das in euch lebendig einsehet, daß alle Gesetze und auch alle Propheten in dem enthalten sind, daß der Mensch den einmal wohlerkannten Gott über alles und seinen Nächsten wie sich selbst lieben soll! Wer das tut, der erfüllt Meinen allzeit den Menschen geoffenbarten Willen vollkommen, und es wird dadurch auch Mein Geist in ihm seine Seele erwecken und in alle Weisheit leiten, wie ihr alle das bald in euch erfahren werdet.

2. Aber es handelt sich hier noch um etwas, und das besteht in dem, daß auch alle andern Menschen in dieser Lehre also unterrichtet werden sollten, um nach ihrem Geiste denken, wollen, handeln und leben zu können; denn so ein Mensch von einer Lehre nichts kennt, so kann er sie auch nicht zur Richtschnur seines Denkens, Wollens, Handelns und Lebens machen.

3. Es ist aber das eben keine leichte Sache, Menschen, die sich in allerlei Irrtümern begründet haben, und jene, die aus den Irrtümern irdische Vorteile zu gewinnen verstehen, zu der reinsten Wahrheitslehre aus den Himmeln zu bekehren, indem ein jeder Mensch einen vollkommen freien Willen hat und sonach denn auch allzeit denken, glauben, wollen, handeln und leben kann, wie er will, und sich dann sicher am allerschwersten von seinen großen Irrtümern abwendig machen läßt, so ihm diese, wie schon bemerkt, große irdische Vorteile bieten.

4. Bedenket aber nun, wie viele Menschen auf der ganzen Erde nun noch in den größten Irrtümern leben und in der tiefsten Geistesfinsternis wandeln! Wäre es da denn nicht für jene Menschen, die nun von Mir aus ins höchste Lebenswahrheitslicht gesetzt worden sind, sehr zu wünschen, daß so bald als möglich auch alle die in den alten, kaum denkbar vielen Irrtümern sich befindenden Menschen sich in dem Lichte befinden möchten, in dem ihr alle euch nun schon befindet?

5. Ich sehe es in euren Herzen, daß ihr solchen Wunsch in euch ganz lebendig heget; aber wie das anfangen, um diesen von Mir vor euch ausgesprochenen und von euch lebendig gefühlten Wunsch ins Werk zu setzen? Etwa sogleich sich auf den Weg machen und allenthalben Meine Lehre predigen und also den Menschen Mein Licht aus den Himmeln überbringen?

6. Ja, Meine lieben Freunde, das wäre schon alles recht, wenn sich solch einer Unternehmung, besonders in dieser Zeit, in der sich die ganze Hölle mit ihrer Macht und ihrem argen Einfluß über die ganze Erde gelagert hat, nicht zu große Hindernisse in den Weg stellten; denn fürs erste ist die Erde zu groß, und ein Mensch hätte schon bei tausend Jahre zu tun, um nur das ganze Asien, Europa und nur einen Teil von Afrika derart zu durchwandern, daß er an allen Punkten und Orten, wo Menschen leben, Meine Lehre hinbrächte und die Menschen für sie gewönne.

7. Doch saget ihr nun in euch: ,Ja, für einen Menschen wäre das sicher völlig unmöglich, so er auch mit keinem andern Hindernis zu kämpfen hätte als mit der Größe und Weite der Erde; aber was einem Menschen nicht möglich ist, das kann bei nur diesem einen Hindernis doch vielen erleuchteten Menschen möglich sein! Man sende sie nach allen Richtungen aus, und es werden so nicht tausend Jahre erforderlich sein, bis das Lebenslicht zu allen Menschen gebracht würde!‘

8. Ich sage es euch, daß ihr ganz richtig gerechnet habt, so man auf der Erde nur mit diesem Hindernis zu kämpfen hätte, das an und für sich ein rein natürliches und durchaus kein höllisches ist.

9. Aber wie den Hindernissen der Hölle begegnen, wie die beinahe zahllos vielen Priester, die bei ihren Völkern und Königen in größtem und gefürchtetstem, nahezu übergöttlichen Ansehen stehen und durch ihre Zauberkünste und durch ihre Irrlehren sich schon seit gar langer Zeit unermeßliche Weltreichtümer und dadurch auch eine übergroße Weltmacht erworben haben, zum Lichte der ewigen Wahrheit aus den Himmeln bekehren?

10. Seht, das wäre auf dem von Mir nun des wahren Heiles der Menschen wegen gezeigten, ganz natürlichen Wege Mir Selbst ebenso unmöglich, wie das jedem von euch selbst bei dem allerbesten und ernstesten Willen unmöglich wäre!

11. Mit Meiner Allmacht wirken, aber hieße alle diese Menschen so gut wie völlig zunichte machen und aus ihnen Tiere zeihen. Denn die Tiere brauchen für ihr gerichtetes Naturleben keinen Unterricht, sondern sie handeln alle nach dem Trieb, den Meine Weisheit und Macht in ihnen nach ihrer Art und Gattung erweckt und aufrechterhält, und sind darum keiner wahren, aus ihnen hervorgehenden Lebensvervollkommnung fähig; nur gewisse Haustiere können durch den Verstand und festen Willen des Menschen dahin über ihren Naturstand gezogen werden, daß sie ihm dann die bekannten, ganz groben und untergeordnetsten Dienste erweisen können.

12. So Ich nun alle die in den tausendmal tausend Irrtümern stehenden Menschen auch also behandeln würde, – was Unterschieds wäre da hernach wohl zwischen ihnen und den Tieren?

13. Was sonach tun, um allen Menschen die Lehre, die Ich nun Selbst von neuem aus Meinen Himmeln zu euch besseren Menschen brachte, zu verkünden, und das mit der besten Wirkung?

14. Da heißt es, Zeit und Geduld niemals außer acht lassen und dabei aber auch stets den festen Willen haben, bei jeder schicklichen Gelegenheit vor den Menschen, welches Glaubens sie auch immer sein mögen, Meinen Namen zu bekennen und ihnen Meinen Willen bekanntzugeben. Denn wer Mich ohne Scheu und Furcht bekennen wird vor den Menschen, in der Absicht, sie zu erleuchten für ihr ewiges Heil, den werde auch Ich bekennen im Himmel vor dem Throne des Vaters, welcher da ist die ewige und reinste Liebe in Mir.

15. Seht, auf diesem Wege, der aus dem weiten Morgenland nach den vielen Abendländern führt, ziehen das Jahr hindurch gar viele Menschen hin und her! Sie haben bei euch wohl nur selten – außer Wasser – etwas genommen und sind von hier nach Aphek gezogen; so aber nun auch euer Ländlein durch Meine Segnung euch weit über euren Hausbedarf allerlei Früchte tragen wird und auch eure Herden zahlreicher werden, dann werdet auch ihr gar manchen Wanderer ganz wohl beherbergen können! Und so er euch sicher fragen wird, wie denn diese ihm wohlbekannt so wüste Gegend in eine so blühende und reiche umgestaltet worden ist, da benutzet die Gelegenheit und zeiget dem noch blinden Wanderer das Licht der Wahrheit aus den Himmeln, und nennet vor ihm Meinen Namen!

16. Und so er euer Licht annehmen und eures Glaubens werden wird, dann segnet ihn in Meinem Namen, und er wird dessen alsbald gewärtig werden und wird dann in seinem Lande bald viele seiner Freunde, Bekannten und Verwandten zu seinem Glauben bekehren und dadurch einen guten Vorläufer für jene Verkünder Meiner Lehre machen, die Ich zur rechten Zeit dahin entsenden werde!

17. Werden Leute aus Bethsaida und auch andern Orten zu euch kommen und euch fragen, wann und auf welche Art euer Ländlein so blühend geworden ist, da tuet dasselbe, das Ich euch riet mit den Fremden zu tun; die da leicht voll Glaubens werden, die segnet denn auch in Meinem Namen, und sie sollen des Segens innewerden!

18. Der Segen aber bestehe darin, daß ihr den gläubig Gewordenen die Hände aufleget und in eurem festen Vertrauen auf Mich und im lebendigen Glauben an Mich ihnen saget: ,Gott der Herr, der im Menschensohne Jesus zu uns gekommen ist und durch die Macht Seines Wortes und Willens bezeugte, daß Er der verheißene Messias ist, sei mit euch und durch Ihn der Friede den Menschen auf Erden, die an Ihn glauben, Seine Gebote halten und eines guten Willens sind!‘

19. So ihr das über die Bekehrten werdet ausgesprochen haben, so werden sie des Segens von Mir alsbald innewerden und auch sicher eure wahren Freunde werden, – doch denen, die nur so halbgläubig geworden sind, tut das erst, so sie mit der Zeit auch voll Glaubens wurden; denn ein halber Glaube taugt für den Empfang Meines Segens nicht!

20. Und nun abermals von noch etwas anderem!“

129. Kapitel. Jesus erklärt das Universum zwecks Bekämpfung des Aberglaubens.

1. (Der Herr:) „Seht, ein kleiner Irrtum auch in den Dingen dieser Welt, das heißt dieser Erde, sowie auch der verschiedenen Gestirne des Himmels, zieht notwendig auch nur zu bald eine Menge anderer Irrtümer und Falschheiten nach sich!

2. Wollt ihr selbst nicht wieder in die alten Irrtümer und in allerlei finsteren Aberglauben der Zeichendeuterei auf dieser Erde und jener Falschseher verfallen, die der Menschen Geschick aus den Sternen lesen, so müsset ihr auch der vollen Wahrheit nach wissen, wie die Erde gestaltlich beschaffen und wie groß sie ist, und wie da entsteht Tag und Nacht.

3. Ebenso müsset ihr denn auch wissen, was der Mond, was die Sonne und was die zahllos vielen andern Sterne sind! Denn eure Vorstellung von der Erde, von dem, wie da wird Tag und Nacht, vom Monde, von der Sonne, von den Planeten und von den Fixsternen und ihren Bewegungen, von den Finsternissen, von den Kometen und noch andern Erscheinungen am Himmel und in der Luft wie im Wasser ist bisher grundfalsch und ist nicht ein wahres Jota daran.

4. Ich will euch denn auch in diesen natürlichen Dingen ein wahres Licht geben. Aber es geht das ohne gewisse anschauliche Behelfe freilich nicht gut vonstatten, und so werde Ich für euch solche Behelfe aus Meiner alles vermögenden Macht nun schon herbeischaffen und euch dann zeigen die Gestalt der Erde, ihre Bewegung, ebenso den Mond, die Sonne, die Wandelsterne, ebenso auch die Fixsterne, und wieder also auch die andern Erscheinungen am Himmel, in der Luft, im Wasser und auf und in der Erde. Gebet denn nun alle wohl acht auf das, was ihr sehen werdet, und wie euch all die Dinge erklärt werden!“

5. Hierauf rief Ich, wie andernorts schon zu öfteren Malen, einen ganz natürlichen Erdglobus in einer solchen Größe ins Dasein, daß auf seiner Oberfläche im natürlich wohl nur kleinsten Maßstabe alles vorkam, was sich als größeres Objekt auf derselben befindet, und Ich erklärte ihnen alles auf eine ganz kurze und möglichst leichtfaßliche Weise.

6. Wie Ich das mit der Erde tat, also tat Ich es auch mit all den andern Weltkörpern, zeigte das Wesen der Fixsterne, der Zentralsonnen, nebstbei auch das Wesen der Hülsengloben, und so denn auch die Kometen und all die andern vorerwähnten Erscheinungen.

7. Die Erklärung dauerte aber wohl gut ein paar Stunden über die Mitte der Nacht hinaus, und weil Ich es also veranstaltete, daß ihr Geist in ihre Seele, soviel es nötig war, übertrat, so begriffen alle das Erklärte wohl und konnten nicht genug erstaunen über die endloseste Größe Meiner Weisheit und Meiner Macht.

8. Und der Wirt sagte nach einer Weile seines Staunens: „Ja, Du großer Herr und Meister in Deinem Gottgeiste von Ewigkeit, dieses alles kann nur Der kennen und es uns schwachen Kindern dieser Erde auch zeigen und erklären, der von all dem der ewige Werkmeister ist und auch als solcher fortan ewig verbleiben wird! Alles, was wir Dir für diese Deine uns so wunderbar erwiesene Gnade zum Dank darbringen könnten, wäre ja noch weniger als vollkommen nichts!

9. Ja, wenn ich nun meine vorigen Begriffe von der Erde und von all den Gestirnen am Himmel mit dem nun Vernommenen vergleiche, so kann ich mich im Grunde auch nur sehr verwundern, wie es den Menschen möglich war, von all dem sich so grundirrige Begriffe zu machen! Moses und auch die andern großen Weisen der Juden, die sich Gottes Volk nannten, mußten nebst vieler andern Weisheit, in der sie von Gott aus stets wohl unterwiesen waren, ja auch in dem, was Du, o Herr und Meister, uns nun gezeigt hast, irgendwelche besseren und wahreren Begriffe und Kenntnisse gehabt haben, und doch findet sich darin eben unter den Juden eine wahrlich nahezu noch größere Unkunde vor als unter den Römern und Griechen, die in dieser Sphäre ihre Kenntnisse von den alten Ägyptern nahmen, die darin denn doch so manches verstanden, obschon sie auch die Sonne für einen Planeten hielten, der sich um die Erde bewegt.“

130. Kapitel. Von der Astrologie und anderen Irrtümern.

1. Sagte Ich: „Freund, die alten Ägypter wußten um das alles zum größten Teil, und so wußten es auch Moses und viele andere Weise, und Moses hatte darüber ein großes Buch geschrieben, das sich bis in die Zeiten der Könige erhielt. Aber dem Priestertum, das nach den irdischen Gütern jagte, trug solche Kenntnis viel zuwenig ein; daher griff es nach der ägyptischen Astrologie und prophezeite den blinden Menschen daraus allerlei Gutes und Schlechtes und ließ sich dafür so gut, als es nur möglich war, bezahlen.

2. Daß das, was sie den Menschen aus den Sternen weissagten, zumeist in Erfüllung ging, dafür wußten sie durch ihre geheimen Umtriebe schon zu sorgen. Wem sie etwas Gutes prophezeiten, der zahlte ohnehin gerne mehr, als sie von ihm verlangten, – und wem sie etwas Schlechtes prophezeiten, der mußte sich dann an die Priester wenden, daß sie sich für ihn zu Gott wendeten und für ihn Besseres erbäten. Dafür mußte er aber dann auch die verlangten Opfer bringen, und es waren also die Priester nie im Nachteil, ob sie jemandem Gutes oder Schlechtes weissagten; das Schlechte aber kam viel häufiger zum Vorschein als das Gute, weil es ihnen mehr Gewinn abwarf als das Gute.

3. Aus dem könnet ihr nun ganz leicht ersehen, aus welchem Grunde mit der Zeit eben die Priester zumeist die Naturwahrheiten in Falschheiten und Lügen verwandelten. Denn da dachten sie, daß daran wenig liege, ob ein Mensch dies oder jenes von den Gestirnen glaube, denn hinkommen und sich selbst überzeugen, ob die Sachen so oder anders sich verhalten, wäre ja doch nicht möglich.

4. Wenn er nur an einen Gott glaube und Seine Gebote halte, so tue er zur Genüge; was die Gestalt der Erde betreffe und die Gestirne des Himmels, da sei es ihm besser, so er davon keine gegründete Wahrheitskunde besitze.

5. Aber sie bedachten nicht in ihrer Weltblindheit, wie ein kleiner Irrtum den Menschen nur zu bald und zu leicht zu einem größeren und aus dem dann auch zu einer großen Menge von allerlei Irrtümern und Falschheiten verleitet.

6. Und daß dies nun bei allen Völkern der Fall ist, das lehrt euch nun eure gute Kunde, die ihr von allen Seiten her über den blinden Zustand der Menschen besitzet.

7. So die Menschen einmal über alle ihnen sichtbaren Dinge dieser Welt eine wahrheitsvolle Kunde haben werden, dann werden ihnen die gold- und schätzegierigen Priester nicht mehr ihre alten Dummheiten als glaubbare Wahrheiten darstellen können, und mit der alten und bösen Priesternacht wird es sein Ende nehmen.“

8. Sagte der Wirt: „O Herr und Meister, das sehe ich nun wohl ganz klar ein; aber ich sehe auch die große Schwierigkeit nicht minder klar ein, die sich von selbst darstellen wird, so wir einen und den andern in diesen alten Irrtümern begründeten Menschen in diesen natürlichen Dingen der vollen Wahrheit nach werden zu unterrichten anfangen. Denn fürs erste werden wir ihm das ohne die geeigneten Mittel, die Du aus Deiner Gottmacht leicht herbeischaffen konntest, nur sehr schwer und unvollkommen versinnlichen können, und fürs zweite wird ein jeder Laie uns fragen, woher wir solche Kunde hätten.

9. Wir werden da freilich nicht ermangeln, uns auf Dich zu berufen; aber es wird auch so manches vorausgehen müssen, bis er das begreifen wird, wer Du bist!

10. Mit der Zeit werden sich freilich in Deinem allerheiligsten Namen gar große Dinge bewerkstelligen lassen; aber in gar zu kurzer Zeit wird sich nicht besonders vieles machen lassen.

11. Wohl werden wir alles mögliche aufbieten und den Menschen die getreueste Kunde geben, was sich hier alles zugetragen hat, und was wir gesehen und vernommen haben, und wir sind auch schon zum voraus überzeugt, daß unsere Mühe keine vergebliche sein wird; doch wird es darunter auch sicher so manche geben, die uns nicht glauben werden.

12. Allein, das alles soll uns dennoch nicht im geringsten beirren, Dich den andern Menschen, woher sie auch zu uns kommen sollen, als den alleinig wahren Gott, Herrn und Schöpfer Himmels und der Erde zu verkünden.

13. Aber nur noch eines, Herr und Meister! Wolltest Du uns denn nicht so welche bleibenden Behelfe aus Deiner Macht herbeischaffen, mittels deren wir den andern Menschen das leichter versinnlichen könnten, wie sich alle die großen Weltdinge der Wahrheit nach verhalten, über die wir von Dir eine so überhelle Aufklärung erhalten haben?“

14. Sagte Ich: „O ja, nichts leichter als das, – doch in der Art nicht, wie Ich sie für euch hergestellt habe, aber wie aus Ton zum Aufbewahren, und das im freilich noch kleineren Maßstabe, als Ich es für euch in einer ganz natürlichen Weise dargestellt habe; das andere muß dann euer Verstand und eure Weisheit hinzufügen.“

131. Kapitel. Die Notwendigkeit der Vorsicht beim Lehren.

1. (Der Herr:) „Gebet aber allzeit acht, daß nicht irgendwelche Feinde der Wahrheit zu euch kommen als reißende Wölfe in Schafspelzen und euch unter allerlei Gelöbnissen derlei Behelfe entleihen und sie euch dann nicht wieder zurückstellen, auf daß eben das, was ihr die Menschen lehret, nicht zu weit unter die Menschen komme und den Priestern ihre Wahrsagerei dann nichts mehr eintrüge!

2. Denn so ihr lehren werdet, daß Ich der rechte Messias sei, so wird das besonders den Juden in Jerusalem und auch euren Priestern nicht gar zu besonders viel machen; denn sie werden sagen: ,Die Heiden mögen glauben, was sie wollen, wir zu Jerusalem aber bleiben, wie wir sind, und lassen uns von den Heiden nichts vorpredigen!‘

3. Und eure Priester werden sagen: ,Das sind noch ganz brauchbare Menschen für uns, die noch ganz lebhaft an einen oder den andern Gott glauben; denn es ist uns schon ohnehin ein ganzes Heer von nichts mehr glaubenden Weltweisen über alle unsere Köpfe gewachsen, und so müssen wir froh sein, noch irgend an eine Gottheit glaubende Menschen anzutreffen, weil wir sie um gar vieles besser brauchen können als alle die hochtrabenden Weltweisen, die uns keine Opfer mehr verabfolgen wollen.‘

4. Aber so ihr die wahre Gestalt der Erde nebst allen Erscheinungen – die in ihrer Nähe, die auf ihr und auch weit außer ihr –, ebenso den Mond, die Sonne, die Planeten und die andern Sterne auf eine sehr begreifliche Weise den Menschen werdet zu erklären anfangen und die verschiedenen Priester, die nun zumeist von der Wahrsagerei leben, davon Kunde erhalten werden, so werdet ihr mit ihnen eure Not haben.

5. Darum seid da vorsichtig, und unterrichtet in solchen Dingen nur solche Menschen, die voraus schon überfest im Glauben an Mich und in der Liebe zu Mir geworden sind, und saget ihnen dann dasselbe, was Ich euch jetzt gesagt habe; und die es beachten werden, die werden bequemen Weges wandeln.

6. Ich sage es euch: Bis das, was Ich nun von den natürlichen Dingen dieser Welt kundgemacht habe, in die große Menschenmasse übergehen wird, werden mehr denn tausend Erdjahre verstreichen.

7. Es hängt zwar von all dem des Menschen ewiges Leben nicht ab, denn das wird ihm durch seinen Glauben an den einen allein wahren Gott und durch die treue Erfüllung Seines Willens zuteil, – doch ist es für den Menschen von großem Nutzen, und das für Seele und Geist, so er nebstbei auch von all dem alten Aberglauben gereinigt wird und Gott dadurch immer heller und klarer erkennt und Ihn dadurch auch sicher stets mehr und mehr lieben wird.“

8. Auf diese Meine Rede sagten alle: „Wir können noch so gut und uns völlig richtig dünkend eine Sache darstellen, – allein Du, o Herr und Meister, hast am Ende doch ganz allein nur vollkommen recht in allem! Wir sehen es nun schon ganz vollkommen ein, daß es mit der Verbreitung dieser Naturlehre, weil sie zu sehr in die irdischen Vorteile der Priester eingreift, seine sehr fraglichen Wege haben wird, und wir werden uns auch nicht irgend über die Maßen beeilen, sie jedem nächstbesten Menschen aufzudrängen; aber dennoch bitten wir Dich, uns zu dem Behufe mit den nötigen Behelfen zu versehen, auf daß wir bei einer guten Gelegenheit auch in diesem Fache Deinen Namen höchst verherrlichen können.“

9. Darauf sagte Ich zum Wirte: „Siehe, du hast in diesem deinem Hause nun wohl nur sehr wenig geeigneten Raumes, in welchem man derlei Dinge ganz zweckdienlich unterbringen könnte. Es bleibt Mir demnach auf eure gute Bitte nichts übrig, als deinem Hause eine solche Räumlichkeit anzufügen, in der die früher besprochenen Erklärungsbehelfe ordentlich und zweckdienlich untergebracht und zur rechten Zeit von euch in Meinem Namen gebraucht werden können.

10. Ich habe denn das nun auch bereits schon ins Werk gesetzt, und so gehen wir denn nun durch das anstoßende kleine Gemach, und aus demselben werden wir durch eine offene Tür in das besagte neue Gemach gelangen, in dem sich schon alles vorfinden wird, was ihr zu den gewissen Erklärungen benötigen werdet!“

11. Darauf erhoben sich, bis auf einige Meiner alten Jünger, die schon voll Schlafes waren, alle, jung und alt, und gingen mit Mir, anzustaunen das neue Wunder.

12. Als wir in das gewisserart astronomische und geologische Gemach kamen, das wohl an vier Male so groß war als unser Speisezimmer, da war es völlig aus bei den Bewohnern dieses Ortes. Ich aber zeigte und erklärte dem Wirte die Behelfe, und er begriff alles sogleich und fand alles im höchsten Grade zweckdienlich.

13. Unter vielen Lobpreisungen Meiner Macht, Liebe und Weisheit kehrten wir wieder in unser Gemach zurück, und der Wirt fragte Mich, ob er Mir irgendein gutes Lager für die paar Stunden der noch andauernden Nacht bereiten solle.

14. Sagte Ich: „Lasse du das; denn Ich bleibe hier am Tische, so wie auch Meine Jünger alle hier am Tische ruhen! Es fängt der Morgen ohnehin schon zu grauen an, und wir werden keiner langen Nachtruhe benötigen.“

15. Damit war der Wirt zufrieden und setzte sich auch an den Tisch; seine Nachbarn aber begaben sich in ihre Wohnungen und versuchten einzuschlafen; aber ihre Seelen waren noch zu erregt, und so sah es bei ihnen mit dem Schlafe schlecht aus.

132. Kapitel. Die gesegnete Landschaft.

1. Am Morgen, noch mehr denn eine Stunde vor dem Aufgange, kamen einige schon vor die Tür unseres Wirtes, der auch nicht einschlafen konnte – obschon er zu dem Behufe noch einige Schlucke Weines zu sich genommen hatte –, und als der Wirt seine Nachbarn gar leicht an ihren Stimmen erkannte, erhob er sich denn auch ganz sachte vom Tische und ging hinaus, um zu erfahren, was denn seine Nachbarn schon so früh am Morgen vor seines Hauses Tür machten.

2. Als er hinauskam, da schlug er die Hände über dem Kopfe zusammen und sagte (der Wirt): „Aber hört, wo sind wir denn nun? Mein Haus ist wohl noch das alte; aber die Gegend ist ganz fremd! Da gibt es kein kahles Gestein mehr, alles ist grün und blühend! Und da oben auf dem Steinhügel, auf dem noch nie eine noch so elende Distelstaude zum Vorschein kam, steht ein ganzer Wald voll der üppigsten Fruchtbäume, die in dieser vorgerückten Herbstzeit dazu noch voll reifer Früchte sind! Ich ginge nun wahrlich gern hinauf, um mich davon völlig zu überzeugen; aber es ist das alles ein heiliges Wunderwerk des Herrn, und wir werden erst dann Gebrauch davon machen, wenn Er an unserer Seite uns von all dem den Gebrauch einräumen wird.“

3. Damit waren auch alle seine Nachbarn unter großer Rührung ihres Gemütes einverstanden.

4. Sie gingen aber ums Haus herum, um alle Punkte ihres Ländleins zu besichtigen, und als sie nach den verschiedenen Richtungen ihres Ländleins ein wahres Eden entdeckten, da konnten sie vor lauter Lobpreisungen Meines Namens gar nicht zu Ende kommen.

5. Endlich kam Ich Selbst noch vor dem vollen Aufgange zu ihnen hinaus, und sie fielen alle auf die Knie und dankten Mir für solch eine Segnung.

6. Ich aber beruhigte sie alle bald und riet ihnen, mit Mir auf den ehemaligen Steinhügel zu gehen und den Aufgang der Sonne zu betrachten und da sich auch in der großen Natur zu überzeugen, daß Meine nächtliche Erklärung vollste Wahrheit sei.

7. Wir bestiegen den Hügel, der, vom Hause aus gemessen, bei dreihundert Handspannen höher war als der Punkt, auf dem das Haus stand.

8. Von diesem ganz freien Hügel genoß man eine weite Fernsicht besonders gen Osten und konnte auch die Mauern von Bethsaida noch recht gut ausnehmen. Auch in die Gegend von Aphek konnte man sehen, doch wegen der ziemlichen Entfernung von etlichen Stunden Weges nicht viel ausnehmen.

9. Der Wirt aber betrachtete zuerst die vielen und pur edlen Fruchtbäume seines Hügels, auf dem wir uns befanden.

10. Und als er mit diesem für ihn seligen Betrachten zu Ende war und die Sonne sich schon sehr dem Aufgange nahte, da kehrte auch er seine Augen voll Aufmerksamkeit dem Aufgange der Sonne zu und sagte, als die Sonne über den niederen Horizont emporzusteigen begann: „Nun sehe ich es klar, daß die große Sonne wahrlich steht und nur die sich von Westen nach Osten drehende Erde ihre Länder und Orte unter die stillstehende Sonne hinschiebt!“

11. Und was der Wirt gewahrte, das gewahrten auch seine Nachbarn, und alle waren höchst erfreut darob, daß sie solches auch nun selbst an der großen Natur wahrgenommen hatten.

12. Als wir so bei einer Stunde lang die Morgenszene betrachteten, da kamen schon einige Wanderer von Morgen her auf der Heerstraße, die nach Damaskus und noch weiter bis nach Persien führte. Diese Wanderer, kleine Kaufleute, die allerlei hölzernes und auch tönernes Küchengerät auf ihrem Rücken zum Verkaufe herumtrugen, waren aus der Gegend von Damaskus.

13. Als sie an unseren kleinen Ort kamen, den sie wohl kannten, weil sie auch alljährlich zwei bis drei Male diesen Weg begingen und in den zehn, eigentlich bei sechzig Städten für ihre Ware, die sie sehr billig zum Verkaufe anboten, sichere Abnehmer fanden, da blieben sie stehen, und einer fragte den andern, ob dies wohl der Ort wäre, in dem sie dann und wann auch ein kleines Geschäft gemacht hätten.

14. Da sie vor kaum einem halben Jahre sich auch in dieser Gegend befanden, allwann sie noch ganz kahl war, so begriffen sie nicht, wie diese unbemittelten Einwohner dies ihr zum größten Teil kahles Ländlein in einer so kurzen Zeit derart zu kultivieren vermochten, was selbst die reichsten Menschen kaum in zehn Jahren beim größten Fleiß zu bewirken imstande wären.

15. Einer von ihnen, der ein Jude nach altem Schlage war, sagte zu seinen Gefährten: „So diese Gegend dieselbe ist, als die wir sie kennen, so muß da ein offenbarstes Wunder geschehen sein! Es steht in einem Propheten, daß dieses Land noch einmal grünen werde, und zwar zur Zeit der Ankunft des verheißenen Messias. Man hört, daß in Galiläa ein Mann aus dem Stamme Davids solle erstanden sein und treibe wunderbare Dinge.

16. Allein, es ist in dieser Zeit auf derlei Wunderdinge nicht viel zu halten, da wir von allen Seiten von Wundertätern in großen Massen ordentlich belagert sind. Denn solange nur Juden diese Länder bis weit über Damaskus hinaus innehatten, da hatten bei ihnen die fremden Magier keinen Zutritt; aber seit das alles den Römern gehört, da dürfen sie von allen Seiten hereindringen und ihre Zaubereien ausüben, und mitunter – wie wir uns schon mehrere Male selbst überzeugt haben – bewirken sie im Ernste erstaunliche Dinge.

17. Am Ende sind etwa vor kurzem auch hier solche Magier durchgezogen und haben diesen armen Menschen eine außerordentliche Wohltat erwiesen. In Damaskus hatten ja auch vor ein paar Jahren etliche Magier einem Reichen ein Stück ganz kahlen Feldes in wenigen Tagen in eine grüne Wiese verwandelt.“

18. Sagten die andern: „Nun ja, es mag auch hier etwas Ähnliches vorgefallen sein! So wir wiederkehren werden, werden wir wohl etwas Näheres erfahren!“

19. Auf das zogen sie weiter gen Aphek hin.

20. Ich aber sagte das dem Wirte, was diese Leute unter sich geredet hatten, und sagte weiter hinzu: „Wenn diese in die Nähe von Aphek kommen werden, da werden sie sich noch weniger auskennen denn hier, wo sie sind; denn um Aphek ist in stundenweitem Umkreise das geschehen, was hier in eurem Ländlein geschah. Wenn diese Leute wiederkehren werden, dann werdet ihr leicht mit ihnen zu reden haben; denn sie werden in der benannten Stadt über ihren Mann aus Galiläa schon diejenigen Aufklärungen bekommen, daß sie ihn nicht mehr mit den heidnischen Zauberern verwechseln werden.“

21. Nachdem kosteten wir mehrere Früchte auf dem Hügel, die allen vortrefflich schmeckten, und begaben uns darauf wieder in die Herberge, allwo schon ein wohlbereitetes Morgenmahl auf uns wartete.

133. Kapitel. Die zweite Aussendung der Jünger.

1. Als wir in die Herberge kamen, da waren alle Jünger auch schon auf den Beinen und baten Mich um Vergebung, daß sie diesen Morgen verschlafen hatten.

2. Ich aber sagte: „Seid ruhig, denn Ich habe es ja also gewollt!“

3. Darauf wurden alle ruhig, setzten sich zum Tische und nahmen mit Mir das wohlbereitete Morgenmahl zu sich. Diesmal schmeckten allen der Griechen Fische.

4. Nach dem Morgenmahle aber sagte Ich zu den Jüngern: „Nur einmal im Anfange Meines Lehramtes habe Ich euch ausgesandt vor Mir hin, daß ihr ausginget, um in manchen Orten und Städten den Menschen von Mir und Meinem Reiche Kunde zu bringen, und erteilte euch die Macht, durchs Händeauflegen in Meinem Namen die Kranken zu heilen und die Teufel und bösen Geister, von denen so manche Menschen besessen sind, auszutreiben; und ihr ginget auf eine kurze Zeit, und ihr wisset, wo und wann Ich euch wieder zu Mir brachte. Und sehet, jene Voraussendung war von nachhaltig guter Wirkung.

5. Wir befinden uns nun in der großen Landschaft Hauran, die beinahe vom Ursprung des Jordans bis zu dessen Mündung ins Tote Meer das sehr gebirgige östliche Ufer bildet. In dieser einst über alle Maßen gesegneten Landschaft liegen die zehn großen Städte, von denen wir nun in einer kurzen Zeit einige mit der besten Wirkung durchgemacht (bearbeitet) haben.

6. Aber es gibt noch viele, die wir zu durchwandern haben; denn von den zehn Großstädten haben wir erst drei – als Pella, Abila und Golan – besucht (denn Aphek gehört zu den Kleinstädten), und es bleiben uns demnach noch sieben Großstädte und eine große Menge Kleinstädte und andere Orte übrig, und Meine Zeit geht ihrem Ende zu.

7. Ich habe aber nun bei gut zweieinhalb Jahre nahe ganz allein ohne Ruhe und Rast gearbeitet und will nun hier in diesem Meinem Lieblingsorte eine Rast von sieben Tagen nehmen.

8. Johannes, Jakobus der Größere und Matthäus, unser Schreiber, sollen bei Mir verbleiben; ihr andern aber teilt euch in zwei Gruppen! Die eine ziehe nach Hippos, einer Kleinstadt – nicht ferner von Aphek gelegen denn dieser kleine Ort –, und die zweite begebe sich nach Edrei, auch mehr eine Klein- denn Großstadt, die von hier zwischen Morgen und Mittag liegt und in etlichen Stunden leicht erreicht werden kann!

9. In diesen beiden Städten werdet ihr zuallermeist nur Griechen und auch Römer antreffen. In jeder dieser Städte gibt es mehrere Herbergen; in welcher man euch aufnehmen wird, in der bleibet auch, und was man euch aufsetzen wird auf den Tisch, das esset und trinket!

10. So ihr recht in Meinem Namen handeln werdet, so werdet ihr allenthalben wohl aufgenommen sein. Wo ihr aber in einer Herberge einkehret, da saget: ,Der Friede sei mit euch! Wir sind gekommen, euch das große Lebenslicht aus den Himmeln des einen, allein wahren Gottes zu verkünden und Ihn Selbst euch kennen zu lehren. Die ihr an Ihn glauben werdet, sollet Seine göttliche Kraft an uns von Ihm Ausgesendeten erfahren.‘

11. Wo man euch nach solch einer Anrede aufnehmen wird, da bleibet und verkündet dem Hause Meinen Namen und Meine Lehre.

12. Ihr werdet in den beiden Städten und auch in etlichen kleinen Nebenorten aber eine Menge Kranker finden; die heilet, und ihr werdet in Meinem Namen eine reiche Ernte machen! Lasset euch aber ja von niemand für eure Mühe mit Geld bezahlen; denn solange Ich auf dieser Erde im Leibe bin, werdet ihr für euer Leben des Geldes nicht bedürfen. So euch aber jemand aus purer Liebe etwas darreichen würde, das möget ihr wohl annehmen, so es auch Geld wäre; denn es gibt allenthalben Arme, denen ihr es wiedergeben könnt!

13. Nach sieben Tagen aber sollet ihr wieder hier eintreffen, allwann wir dann weiterziehen werden! Ihr wisset nun, was ihr zu tun habt, und somit könnet ihr euch schon auf den Weg machen!“

134. Kapitel. Die Organisation der Jünger Jesu.

1. Als die Jünger solches vernommen hatten, da sagte zu Mir Simon Juda: „Herr und Meister, da wir uns nun in zwei Gruppen teilen, soll denn nicht eine jede Gruppe einen Vorsteher haben?“

2. Sagte Ich: „Wann hat denn die reinste Liebe und die vollste und klarste Wahrheit aus den Himmeln eines Vorstehers benötigt?

3. Die Liebe, wie die Wahrheit in ihrer höchsten Reinheit und Vollendung ist ja eben in sich auch alsosehr das Allerhöchste in sich selbst, daß sich darüber nichts noch Höheres denken und begreifen läßt!

4. Ist aber solch eine Liebe und Wahrheit aus Mir in jedem von euch, die Ich nun in Meinem Namen aussende, – wer von euch will oder möchte dann seinem Bruder einen Vorsteher abgeben? Wie willst du dir da eine Vorstehung anmaßen, so du sagst und lebendig glaubst, daß nur Ich der Herr bin, – alle die andern aber sagen und glauben ganz dasselbe? Wer von euch will bei solch einer Annahme und bei solch einem Glauben ein Erster sein?

5. Wenn ein guter Rechner sagt und beweist, daß drei ganz gleiche Dinge und wieder ebenso drei ganz gleiche Dinge sechs solche ganz gleichen Dinge ausmachen, und ein zweiter und dritter, vierter, hundertster ebenso guter Rechner sagen und beweisen ganz dasselbe, – Frage: Wer von ihnen soll da wohl der Vorzüglichere sein, und wen von ihnen sollten die hundert gleich guten Rechner zu einem eitlen Vorsteher über sich erwählen, und warum?

6. Siehe, Ich ganz allein bin der Herr! Ihr alle untereinander aber seid ganz gleiche Brüder, und es soll keiner mehr noch minder sein; denn eine jede noch so geringe Vorsteherei erweckt im Gemüte des Vorstehers die satanische Herrschgier und wird denn auch nur zu bald zum Verderber der reinen Liebe und der lebensvollen Wahrheit aus ihr, wie es sich gleich im Anfange des Königtums nur zu klar erwiesen hat und sich nun im Tempel zu Jerusalem mehr und noch klarer erweist.

7. Wer von euch denn aber schon durchaus ein Erster Meiner Jünger sein will, der sei ein Letzter und Geringster von ihnen und sei ihrer aller Knecht und Diener! Denn also besteht die Ordnung in Meinen Himmeln unter Meinen Engeln!

8. Wahrlich, Ich sage es euch: Alle, die sich auf dieser Erde in einem andern Sinne werden zu Vorstehern berufen lassen, werden jenseits einen schweren Stand überkommen! Denn die schwerste Lebensaufgabe für einen Hochmütigen – was am Ende nahe ein jeder Vorsteher wird – ist die Demütigung seines Gemütes.

9. Darum bleibet alle völlig gleiche Brüder, und keiner wolle vor dem andern einen noch so geringen Vorzug haben; und alle Menschen werden daraus, daß ihr euch untereinander als wahre, vollkommen gleichberechtigte Brüder liebt und achtet, ersehen und erkennen, daß ihr wahrhaft Meine Jünger seid.

10. So ihr das nun der vollsten Wahrheit nach begriffen und aufgefaßt habt, so ziehet nun hin und tut nach Meinem Willen!“

11. Als die Jünger solchen Bescheid von Mir vernommen hatten, da dankten sie Mir dafür und begaben sich sogleich auf den Weg und haben in den sieben Tagen in den benannten Orten viele Heiden samt ihren Priestern zu Mir bekehrt.

12. Nur mit dem Judas Ischariot hatten die nach Edrei Gezogenen einige Anstände wegen seiner unverbesserlichen Schmutzerei (Geldgier); aber da sich bei der nach Edrei gezogenen Gruppe auch unser Thomas befand, so ist ihm sein schmutziges Bestreben bald gelegt worden; und die ganze Aussendung hat gute Früchte getragen.

13. Was aber habe denn Ich mit den drei bei Mir gebliebenen Jüngern und mit den Bewohnern dieses kleinen Ortes die sieben Tage hindurch getan?

14. Im ganzen nahm Ich hier – wie schon zum voraus bemerkt – eine Rast für Meines Leibes Glieder, die auch aus Fleisch und Blut bestanden; aber dennoch vergingen diese sieben Tage nicht gar so in einer vollen Untätigkeit, wie sich das etwa jemand vorstellen möchte.

135. Kapitel. Der Fischteich des Wirtes.

1. An diesem Tage, gleich nach dem Abgang der ausgesandten Jünger, beging Ich mit den drei Jüngern und mit den Bewohnern dieses Ortes ihr Ländlein, das sie als ihr von den Römern aus bestimmtes Eigentum ansehen durften und für das sie dem Herodes, der auch hier ein Pachtkönig über die Juden war, keinen Tribut zu entrichten hatten.

2. Als wir in ein paar Stunden Zeit das Ländlein ganz leicht und sehr gemächlich durchwanderten, da sagte zu Mir der Wirt: „Herr und Meister, siehe, das über die Grenzen dieses unseres Besitztums weitgedehnte Land, das ganz wüste ist und unseres guten Wissens gar keine Besitzer Stunden weithin hat, bringt keinem Menschen einen nur allergeringsten Nutzen! So wir es mit unserem Fleiß mit der Zeit über unsere Grenzen hinaus kultivierten und benutzten, würden wir dadurch fehlen?“

3. Sagte Ich: „Nicht im geringsten! Was ihr durch euren Fleiß kultiviert, das könnet ihr auch benutzen, und es wird euch deshalb kein Mensch zur Rede stellen. Aber es wird euch das viel Arbeit und Mühe kosten, und ihr werdet von den kahlen Steinen eine magere Ernte haben.

4. Ich werde aber schon noch etwas tun für euch auch in dieser Hinsicht; doch vorderhand begnüget euch nur mit dem, was ich für euch gesegnet habe!

5. Es werden schon in einer jüngsten Zeit eine Menge Reisende bei euch einkehren und werden euch ganz wohlhabend machen, und ihr werdet dann dies euer Ländlein recht weit über seine nunmaligen Grenzen fruchtbar machen können, und eure Nachkommen werden darauf die nötige Nahrung finden; doch vorderhand denket noch nicht allzusehr daran!“

6. Mit diesem Bescheid waren alle zufrieden, und wir begaben uns zu dem schon bekannten kleinen Fischteich, in dem es von Fischen wimmelte, woran die Bewohner alle eine große Freude hatten, obschon der Teich nur dem Wirte gehörte; denn obwohl alle Einwohner dieses Ortes eine Art Kommune bildeten und ein gemeinschaftliches Leben führten, so waren aber dennoch ihre Gründe nach den Gesetzen Roms abgemarkt, und ein jeder hatte seinen wohl ausgemessenen Anteil.

7. Der Fischteich, wie auch der Brunnen waren im Besitze des Wirtes. Das Wasser war wohl zum Gebrauch für den ganzen Ort bestimmt, doch der kleine Teich nicht, und so denn auch die Fische nicht, die er faßte. Freilich hatte sich dieser Teich wohl nur selten eines Vorrates erfreut, aber diesmal hatte er einen großen Vorrat.

8. Und Ich sagte darum am Teiche: „Weil nur durch Meine Macht und Meinen Willen erstens die große Menge der edlen Fische im Meere Galiläas gefangen, zweitens vollkommen frisch und gesund in den Säcken hierher gebracht worden sind, und drittens, da sich diese Fische in diesem Teiche auch gleichfort reichlichst vermehren und gleichfort erhalten werden und den ganzen Ort reichlich versehen sollen, so soll von nun an denn auch ein jedes Haus aus diesem Teiche Fische zu nehmen berechtigt sein, so viele es nach rechtem Ausmaße bedarf. Auf daß aber die Fische mit der Zeit, so sie sich sehr vermehren werden, auch den gehörigen Raum finden sollen, so wollen wir diesen Teich im gerechten und entsprechenden Maße vergrößern!“

9. Als Ich diese Worte noch kaum ausgesprochen hatte, da hatte der ehemals ganz kleine Teich auch schon die geziemende Ausdehnung, und alle Einwohner priesen Mich und lobten Gottes Macht in Mir.

10. Von dem Teiche kehrten wir wieder in die Herberge zurück, da es schon über die Mittagszeit geworden war, und besprachen uns da über gar manche Dinge und Verhältnisse im Leben der Menschen auf dieser Erde, nahmen bei dieser Gelegenheit auch ein kleines Mittagsmahl zu uns und begaben uns nach demselben wieder ins Freie, wo es sich besonders auf dem bekannten Hügel ganz wohl ruhen ließ.

11. Auf diesem Hügel ruhten wir bei drei Stunden lang.

12. Als sich die Sonne dem Untergange zu nahen begann, da entdeckte der Wirt, daß sich auf dem Wege von Bethsaida her einige Menschen dem kleinen Orte nahten, alle Augenblicke stehenblieben, die Gegend betrachteten und sicher nicht wußten, wie sie daran waren. Aber sie gingen dennoch dem Orte zu und erkannten ihn an den ihnen wohlbekannten ärmlichen Wohnhäusern. Sie gelangten nun denn vor die Herberge und erkundigten sich nach dem Wirt.

13. Als der Wirt das von Mir vernahm, da fragte er Mich, was er nun tun solle; denn er werde da mit tausend Fragen belästigt werden, und er wisse nicht, was er ihnen für Antworten geben solle.

14. Sagte Ich: „Gehe du nun nur hinab zu ihnen, und da sie dir wohlbekannte Juden sind, so magst du ihnen schon sagen, was nun für eine Zeit ist und was nun alles in der Welt geschieht; und Ich werde dann mit diesen Meinen drei Jüngern ins Haus hinabkommen und mit den dreien reden!“

136. Kapitel. Der Wirt belehrt die Gäste über die Umänderung des Landes.

1. Als der Wirt dieses von Mir vernommen hatte, da eilte er mit seinen Nachbarn in sein Haus hinab und bewillkommte die drei Angekommenen.

2. Diese überfielen ihn sogleich mit einer Menge Fragen über den Grund der so erstaunlichen Veränderung dieses Ortes, und wie er in einer so kurzen Zeit in einen so blühenden Kulturstand erhoben worden sei.

3. Und der Wirt sagte: „So ich euch das allein sagen würde, daß dieser Ort durch ein wahres Gotteswunder in einen solchen Kulturstand erhoben worden ist, so würdet ihr mir das wohl schwerlich glauben; aber da stehen alle meine Nachbarn und da meine Kinder und mein Weib, und alle mögen dafür als Zeugen einstehen! Derlei dürfte sich auf dieser Erde unter den Menschen wohl überaus selten und in dieser Weise wohl noch kaum je ereignet haben; aber es war auf dieser Erde auch noch nie eine solche Zeit, wie diese nun ist, in der der verheißene Messias wahrhaft zu uns Menschen als Selbst Mensch mit Fleisch und Blut gekommen ist.

4. Die große Verheißung ist zwar nur den Juden, aber daneben auch allen Menschen auf der ganzen Erde gegeben worden, und somit auch uns Heiden, die wir uns nun dennoch im Glauben von euch Juden schon eine geraume Zeit befinden.

5. Und seht und hört: Dieser nun in diese Welt aus den höchsten Himmeln herniedergekommene Messias, der wahrhaft Gott und Mensch zugleich ist, ist auch zu uns gekommen und hat Sich über unsere geistige und daneben auch über unsere leibliche Armut erbarmt und hat unsere Wüste gesegnet und sie in ein fruchtbares Ländlein umgewandelt durch Seinen allmächtigen Willen.

6. Also hat Er uns auch mit allem reichlichst versehen, was der Mensch zur Ernährung und Stärkung seines Leibes benötigt; dazu hat er uns auch mit dem Wesen unserer Erde, mit den Erscheinungen in ihr, auf ihrer Oberfläche und in der sie umgebenden Luft und mit dem gesamten gestirnten Himmel auf das anschaulichste und für den Verstand begreiflichste vertraut gemacht, und hat uns auf diese Art von all dem alten, finsteren Aberglauben der Heiden und Juden erlöst.

7. Doch darüber können wir mit euch nicht ein Näheres jetzt schon sprechen, weil auch in euch Juden noch eine zu große Menge des alten Aberglaubens steckt; doch bei einer nächsten Gelegenheit werden wir mit euch schon auch noch darauf zu sprechen kommen.

8. Mit dem habe ich euch nun ganz vollkommenst der Wahrheit getreu kundgetan, auf welche Art diese unsere kleine Gegend auf einmal so blühend reich geworden ist, und es stehen vor euch die Zeugen in hinreichender Anzahl; so ihr sie befragen wollt, werden sie euch dasselbe sagen!“

9. Sagte einer der Juden, der ein Ältester und Schriftgelehrter in Bethsaida war und mit dem unser Wirt schon zu öfteren Malen gesprochen hatte: „Ja, wir müssen euch glauben, daß es sich mit der Kultivierung eures Ortes und Ländleins also verhält, wie du es uns soeben kundgemacht hast, weil das auf eine natürliche Weise bei der Sterilität dieses Bodens wohl nicht denkbar wäre. Denn woher hättet ihr das fruchtbare Erdreich genommen, um dieses zum größten Teil kahle Steinländlein zu überdecken, das im ganzen – was euren Anteil betrifft – doch über tausend Morgen ausmachen wird, und woher hättet ihr die große Menge von allerlei Fruchtbäumen genommen und sie hier so angepflanzt, daß sie nun also groß und voller Früchte dastehen, als wären sie schon vor dreißig Jahren hier angepflanzt worden?

10. Das ist demnach ein vollkommenes Gotteswunder, worüber sich kein Zweifel erheben kann, und wir wollen denn auch glauben, daß der Mensch, der dieses unerhörte Wunder hier für euch gewirkt hat, ganz sicher entweder der verheißene Messias Selbst oder zum mindesten ein großer Prophet ist; aber wann war er denn bei euch, und eine wie lange Zeit brauchte er dazu, um dies euer Ländlein also zu segnen, und wohin ist er von euch gegangen?“

11. Sagte der Wirt: „Freunde, gestern gen Abend hin ist Er mit Seinen Jüngern hier angekommen! Die meisten Seiner Jünger hat Er vorausgesandt zur Verkündung Seiner Lehre; Er Selbst mit drei Seiner Jünger aber weilet noch hier und wird noch bei sieben Tage lang hier verweilen. Mit dem habe ich euch sicher noch mehr kundgegeben, als ihr von mir habt erfahren wollen.

12. Er wird sogleich Selbst erscheinen, und ihr könnet dann mit Ihm Selbst alles Weitere besprechen und verhandeln!“

137. Kapitel. Die Erkenntnis der Gäste.

1. Als die drei Juden solches vom Wirte vernommen hatten, da wurden sie ganz verlegen und wußten nicht, was sie nun darauf sagen und tun sollten, ob bleiben oder weitergehen.

2. Nach einer kleinen Weile erst fragte der Älteste den Wirt, der eben beschäftigt war, den dreien Brot und Wein zu geben: „Wie sieht er denn aus, auf daß wir ihn alsbald, so er kommt, begrüßen können?“

3. Sagte der Wirt: „Da nehmet nun Brot und Wein zu euch, und so Er hier eintreten wird, werdet ihr es nicht schwer haben, Ihn bald zu erkennen! Haben wir Heiden Ihn gar bald erkannt, so werdet ihr echte und alte Juden Ihn wohl noch eher zu erkennen vermögen!“

4. Hierauf nahmen die drei sogleich Brot und Wein zu sich und fanden beides rein und gar vortrefflich, und sie fragten den Wirt, woher er Brot und Wein erhalten habe, da sie wohl wüßten, daß er ihnen zuvor noch nie mit dergleichen habe aufwarten können.

5. Sagte der Wirt: „Ich habe es euch ja schon zuvor gesagt, daß uns eben der Messias mit allem auch für den Leib reichlichst versehen hat. Dem es möglich ist, eine Wüste mit Seinem Willen erblühen zu lassen, dem wird es wohl auch möglich sein, uns als jene Armen, die wir uns schon lange nach Ihm sehnten, mit Brot und Wein zu versehen! Ihr genießet nun ein wahres Brot aus den Himmeln und also auch den Wein, der auch keine Frucht dieser Erde ist!“

6. Als die drei Juden auch das vernommen hatten, da sagte der Älteste: „Moses hat in der Wüste auch von Gott das Manna für die Israeliten erhalten, und der Fels, an den er mit seinem Hirtenstabe schlug, gab alsbald ein süßes und reinstes Trinkwasser; doch solch ein Brot und solch einen Wein bekam Moses nicht aus der Hand Jehovas, und die Wüste wollte auch nicht grünen in den ganzen vierzig Jahren für Israel und seine mageren Herden. Da ist demnach offenbar mehr als Moses, Aaron, Josua, Elias und all die andern Propheten!“

7. Als der Älteste solches von sich gab, da trat Ich mit den drei Jüngern denn auch in die Herberge und sagte zu den dreien: „Der Friede sei mit euch! Lasset euch nicht beirren durch uns, sondern esset und trinket und stärket euch mit dem Weine; denn solch ein Brot und solch einen Wein habt ihr in Bethsaida und in Gadara nicht!“

8. Als Ich solche Worte an die drei ausgesprochen hatte, da erhoben sie sich sogleich von ihren Sitzen, verneigten sich tiefst vor Mir und sagten: „Herr! Du bist es, dem alles möglich ist, und Du bist auch der verheißene große Messias, der neue große König der Juden, der ein Reich gründen wird, das kein Feind uns bis ans Ende der Welt je mehr zu entreißen imstande sein wird! Darum Heil Dir, dem großen Sohne Davids!“

9. Sagte Ich: „Ein endlos großes Reich gründe Ich wohl, aber kein diesirdisches, sondern ein wahres Gottesreich für Seele und Geist des Menschen, das ewig bestehen wird; in ihm werden alle das ewige Leben haben, die an Mich glauben und nach Meiner Lehre leben werden.

10. Ihr verstehet die Schrift wohl dem Buchstaben nach, aber dem innersten Geiste der Wahrheit nach habt ihr sie noch nie verstanden, so ihr da meinet, daß Ich als der verheißene und nun in diese Welt gekommene Messias als der ewige Sohn des ewigen Vaters auf dieser Erde für die Juden ein unvergängliches Reich gründen werde, wo doch alles samt dieser Erde zeitlich und vergänglich ist. Denn nicht nur diese ganze Erde, sondern auch der ganze euch sichtbare Himmel wird vergehen; wie sollte dann auf dieser Erde für die Juden ein ewig dauerndes Reich gegründet werden können? Darum stärket euch nun, auf daß ihr den inneren Geist der Schrift fassen und begreifen möget!“

11. Nach diesen Meinen Worten sahen die drei einander groß an, und der Älteste sagte: „Höret, das klingt ganz anders als im Tempel zu Jerusalem! An was sollen wir uns halten? Im Tempel sitzen und lehren auf den Stühlen Mosis und Aarons die Pharisäer, Schriftgelehrten um den Hohenpriester und lesen und erklären vor dem Volke die Schrift ganz nach dem Buchstaben; aber auf ihr Wort und nach ihrem Willen ergrünet keine Wüste, und kein kahles Gestein wird mit fruchtbarem Erdreich überdeckt.

12. Dieser Meister lehrt ganz anders und zeigt, daß wir die Schrift dem Geiste nach noch nie verstanden haben, und Sein Ausspruch ist dem des Tempels schnurstracks entgegen, – aber auf Sein Wort und Seinen Willen erblüht die Wüste, und ihr Gestein ist mit fetter Erde überdeckt in rechtem Maße; also muß denn auch nur in Ihm die volle Wahrheit zu suchen sein!

13. Wir wollen darum denn auch bei diesem Meister bleiben und dem Tempel für alle Zeiten den Rücken zuwenden, und so trinken wir auf das Wohl aller, die das schon getan haben, was wir nun erst tun!“

14. Hierauf erhoben die drei ihre Becher und leerten sie bis auf den letzten Tropfen.

138. Kapitel. Das Bekenntnis des Ältesten.

1. Als sie nun ganz voll heiteren Sinnes geworden waren, da wandte sich der Älteste wieder an Mich und sagte: „Herr und Meister aus des Himmels höchsten Höhen! Du wirst doch auch schon Jerusalem besucht haben? Haben Dich die im Tempel auch also erkannt wie wir hier? Was sagten sie über Dein Erscheinen in dieser Welt?“

2. Sagte Ich: „Die große und überselbstsüchtige Blindheit der Juden in Jerusalem wird das Gotteslicht nicht erkennen und auch keinen Anteil an ihm haben; denn es wird den Juden das Licht genommen und den Heiden gegeben werden.

3. Ich habe schon mehrere Male im Tempel gelehrt und Wunder gewirkt, und von all denen, die sich groß dünken und von jedermann hochpreisen lassen, glaubte niemand an Mich; und so geschieht es denn nun auch zum Zeugnisse über sie, daß Mein Licht ihnen genommen und den Heiden in großem Maße gegeben wird, wie solches denn auch über sie geschrieben steht.

4. Sehet diese Heiden an, und redet auch mit den vielen Heiden anderer Orte und Städte, und fraget sie, was sie von Mir halten. Wahrlich, es soll euch unter ihnen viel Lichtes werden!

5. Gehet aber nach Jerusalem und in viele andere Judenstädte und -orte, und ihr werdet euch über die schnödesten Urteile über Mich nicht genug verwundern können! Und doch habe Ich allenthalben die gleiche reinste Lebenswahrheit gelehrt und große Zeichen gewirkt. Was soll Ich nun mit dieser Unart von Juden tun?“

6. Sagte der Älteste: „Herr und Meister, tue mit ihnen das, was Du mit den Sodomitern getan hast!“

7. Sagte Ich: „Jetzt noch nicht; denn es gibt noch etwelche Gerechte in solchen Städten und Orten; aber es wird das nicht lange mehr währen, weil diese wenigen Gerechten um Meines Namens und Meiner Lehre willen von den blinden und übermütigst stolzen Weltlingen derart werden verfolgt werden, daß sich am Ende auch nicht ein Gerechter in Meinem Lichte in solch einer Stadt wird aufhalten können, und dann wird ihr Maß voll sein, und es wird ihr noch um vieles ärger ergehen, als es dereinst Sodom und Gomorra ergangen ist. Doch lassen wir nun das und reden wir von etwas anderem!

8. Saget es Mir, ob euch von Mir und Meinem Wirken noch nichts zu Ohren gekommen ist! Denn vor ein paar Jahren war Ich auch in der Nähe von Gadara und habe daselbst die beiden Argbesessenen von ihren vielen bösen Geistern befreit, die sich dann einer Herde Schweine bemächtigten und sich mit ihnen in das Meer stürzten. Und habt ihr nicht vernommen, wie Ich einmal in der Nähe von Bethsaida in einer Wüste mehrere Tausende von Menschen mit nur wenigen Broten und Fischen derart gespeist habe, daß nach der Speisung mehrere Körbe von dem, was sie nicht verzehren konnten, erübrigt worden sind?“

9. Sagte der Älteste: „Ja, Herr und Meister, davon haben wir alle wohl gar vieles reden hören und hielten den Wundertäter, der ein Nazaräer und zwar des Zimmermannes Joseph – den ich persönlich recht wohl gekannt habe – Sohn gewesen sei, für einen Magier, der seine Wunder etwa bei den berüchtigten Essäern erlernt habe und Jesus heiße.

10. Damals hatte das blinde Volk also geurteilt, und wir konnten uns denn auch nicht leichtlich etwas anderes denken; denn was konnten wir uns wohl von dem Sohne eines Zimmermanns aus Nazareth anderes denken, als daß er ein recht gewandter Magier sein werde, die Lehre der Altjuden kenne und sich vor dem leicht täuschbaren Volke als ein Prophet produziere, um es für seine nur ihm bewußten Zwecke an sich zu ziehen?

11. Wären wir von jenen Deinen Taten selbst Zeugen gewesen, so hätten wir über Dich – und so Du auch zehnmal der Sohn Josephs gewesen wärest – auch sicher ganz anders geurteilt!

12. Doch nun sind wir selbst Zeugen von Deiner Tat, die keinem Essäer, sondern nur einem Gott zu bewirken möglich ist, und Du kannst nun als Mensch der Sohn Josephs, des Zimmermannes aus Nazareth sein – wie Du es auch sein wirst –, so beirrt das unsern Glauben an Dich nicht im geringsten und Du bist und bleibst für uns der verheißene Messias!

13. Nimm uns dies unser Bekenntnis nicht für ungnädig auf, und enthalte uns Deinen Segen nicht vor!“

139. Kapitel. Die Frage nach dem Nächsten.

1. Sagte Ich: „Dafür wird euch euer lebendiger Glaube an Mich beschützen; und so ihr euren Glauben an Mich durch die Werke der wahren Nächstenliebe erweisen werdet, dann auch werdet ihr es in euch selbst vollends innewerden, daß Ich wahrhaft der verheißene Messias bin, und ihr werdet dann in den Propheten nachlesen und durch Mich alles erfüllt und an Mir alles bestätigt finden, was in der Schrift von Mir geschrieben steht.“

2. Sagte der Älteste: „Herr und Meister, die Nächstenliebe den Menschen erweisen, wäre schon ganz recht, wenn man so recht klar wüßte, wer so ganz wahrhaft unser Nächster ist!“

3. Sagte Ich: „Euer Nächster ist ein jeder Mensch, ob Freund oder Feind, so er eurer Hilfe in was immer für einer guten, den Geboten Gottes gemäßen Art bedarf; es versteht sich aber von selbst, daß ihr dem, der Handlungen wider Gottes Gebote begeht, dazu nicht behilflich sein, sondern ihn davon abhalten sollet. So ihr das tut, dann übet ihr auch die Nächstenliebe aus, und euer Lohn im Himmel wird groß sein.

4. So Arme zu euch kommen und euch ihre Not klagen, so helfet ihnen nach eurer Kraft und nach eurem Vermögen; denn was ihr den Armen tut, das werde Ich also ansehen, als hättet ihr es Mir getan, und Ich werde es euch vergelten schon hier und noch mehr dereinst in Meinem Reiche für ewig dauernd.

5. So ein oder der andere wahrhafte Jünger und Prophet in Meinem Namen zu euch kommen wird, den nehmet auf, höret ihn und erweiset ihm Liebe; denn dadurch habt ihr Mich aufgenommen und werdet darob auch eines Propheten Lohnes gewürdigt werden.

6. Doch es werden in Meinem Namen gar bald auch eine Menge falscher Propheten aufstehen, das Volk lehren für ihren Sack und werden es berücken durch falsche Zeichen, die sie werden von den Magiern erlernt haben. Derlei falsche Lehrer und Propheten, so sie auch laut schreien werden: ,Seht, hier oder dort ist der Messias, der Gesalbte Gottes!‘, nehmet nicht auf, sondern zeiget es ihnen mit Liebe und Ernst, daß sie wider Mich sind und handeln. Werden sie euch hören und von ihrer Falschheit abstehen, dann möget ihr sie denn auch als Freunde ansehen und behandeln; werden sie euch aber nicht anhören und sich nicht bekehren, dann treibet sie aus der Gemeinde!

7. Einen falschen Lehrer und Propheten werdet ihr leicht aus seinen selbstsüchtigen und eigenliebigen Werken und Taten erkennen; denn von den Disteln erntet man keine Feigen und von den Dornen keine Trauben.

8. Seid denn stets voll Liebe, Sanftmut, Demut, Erbarmung und Gerechtigkeit und Wahrheit gegen jedermann, und Ich werde desgleichen sein gegen euch! Werdet nicht harthörig und hartherzig gegen die Stimme der Armut, sowohl dem Geiste als auch dem Leibe nach, und Ich werde imgleichen es auch nicht sein gegen euch, so ihr in irgendeiner Not eure Stimme zu Mir erheben werdet. Mit dem Maße ihr ausmessen werdet, mit demselben Maße wird es euch wieder zurückgemessen werden.

9. So ihr aber Meines besten Wissens schon ein großes Erdenvermögen besitzet und es nur denen um gute Zinsen darleihet, die es euch in einer bestimmten Zeit wieder zurückerstatten können, so habt ihr dadurch wohl auch eine Art Nächstenliebe ausgeübt, – doch bei Mir kommt derlei Nächstenliebe, die euch mit den guten Zinsen selbst belohnt, in keine Vergeltsrechnung. Aber so ihr euer Vermögen auch ohne Zinsen den Armen leihet, von denen ihr es wissen könnet, daß sie es euch nicht leichtlich wieder zurückerstatten werden können, da werde Ich der Zinsenbezahler und Rückerstatter eures Vermögens sein, und niemand wird bei Mir zu kurz kommen!

10. Da sehet nun diese arm gewesenen Bewohner dieses Ortes an! Sie selbst hatten allzeit nur ganz kümmerlich zu leben; so aber irgend Arme und Notleidende zu ihnen kamen, so wurden solche aufgenommen und nach Möglichkeit ohne alles Entgelt verpflegt. Ich aber wußte wohl darum und kam, als der beste Vergelter, nun zur rechten Zeit zu ihnen, und keiner von ihnen wird sagen, daß Ich entweder zu früh oder zu spät gekommen bin. Tut also desgleichen, und Ich werde auch euer Vergelter sein zur rechten Zeit!“

140. Kapitel. Das Gleichnis vom Gutsherrn.

1. (Der Herr:) „Die Pharisäer, diese Wucherer, die ihr vieles Gold und Silber stets für hohe Zinsen an andere große Makler und Wucherer sicher darzuleihen verstehen und ihre hohen Zinsen dann mit Huren und meineidigen Ehebrecherinnen vergeuden und arg verprassen, so aber Arme und Notleidende zu ihnen kommen, zu ihnen sagen: ,Wendet euch zu Gott, der wird euch schon helfen; denn wir sind selbst arm und müssen betteln!‘, – werden vor Mir dereinst schlecht bestehen!

2. Solche falschen Gottesdiener, die dem Volke wohl auch von der Gottes- und Nächstenliebe predigen, aber sie selbst noch niemals ausgeübt haben, stehen vor Mir als die ärgsten Sünder und Verbrecher da und werden dafür jenseits auch ihren Lohn bei dem Fürsten der Hölle finden, dem sie gedient haben. Denn derlei Hurer, Ehebrecher, Wucherer, Prasser und hierdurch die wahrsten Gotteslästerer werden in Mein Reich nicht eingehen; darum richtet euch nicht nach ihrem Beispiel!

3. Wer von euch kann da zu seinem Nächsten sagen: ,Wende du dich in deiner Not an Gott, den du über alles zu lieben hast, Er wird dir helfen!‘, – so er doch selbst an Gott nicht glaubt und Ihn um so weniger über alles liebt!

4. Wer da schon seinen notleidenden Nächsten nicht liebt, den er doch sieht, wie wird er dann Gott über alles lieben, den er nicht sieht? Gottesliebe von seiten des Menschen ist bedingt durch die Liebe zum Nächsten. Wer da sagt, daß es zur Seligkeit genüge, nur Gott allein über alles zu lieben, dabei aber vor seinem armen Nächsten Herz und Tür verschließt, der ist in größter Irre! Denn die Liebe zu Gott ist ohne die Liebe zum Nächsten ewig nicht denkbar und auch nicht möglich. Darum liebet eure Nächsten, weil sie, gleich wie ihr, Gottes Kinder sind, und ihr werdet dadurch auch Gott über alles lieben!

5. Seht, es war ein gar reicher Gutsmann, der eine Menge Güter hatte, und ein jeder, der bei ihm bedienstet war, hatte ein gutes Leben. Dieser Gutsmann hatte aber auch viele Kinder, die er liebte und sie, damit sie wohlerfahrene Menschen würden, in die Weltschulen hinausgab.

6. Er gab ihnen aber nur das Nötigste mit in die Weltschulen, auf daß sie sich nicht übernähmen, träge würden und dann zur Verwaltung seiner Güter untauglich werden könnten.

7. Diesen Kindern ging es denn in den Weltschulen nicht am besten, und sie mußten sich oft recht kümmerlich durchbringen und nicht selten um ein Almosen die fremden Menschen angehen.

8. Einige der angegangenen Fremden sagten: ,Ei, ihr habt ja einen überreichen Vater! Gehet nur den an, er wird euch schon helfen!‘ und gaben den Kindern nichts.

9. Einige wenige andere aber dachten sich in ihren milderen Herzen: ,Wir wissen es wohl, daß dieser Kinder Vater sehr reich ist und seinen hier studierenden Kindern wohl helfen könnte, so er etwa dagegen nicht gar weise Gründe hätte, – aber die Kinder leiden unter uns einmal sichtlich Not, und wir wollen ihnen helfen, so gut wir es vermögen.‘ Also gedacht, und also auch getan!

10. Nach einiger Zeit aber kam der überreiche Gutsmann selbst in jene fremde Weltstadt, in der seine Kinder die verschiedenen Kenntnisse und Erfahrungen sich zu eigen zu machen hatten, und erkundigte sich um alles, wer da seinen Kindern Liebe erwiesen hatte.

11. Und seht, die Kinder führten den Vater allenthalben hin, wo ihnen Liebe erwiesen worden war, und der Vater belohnte die Wohltäter seiner Kinder hundertfältig und nahm die ersten Wohltäter auf seine Güter und hielt sie seinen Kindern gleich.

12. Seht, hier vor euch stehet in Mir der Gutsmann! Die Armen in dieser Welt sind wahrhaft Meine Kinder allenthalben; die Reichen aber sind zumeist Kinder dieser Welt.

13. Ich lasse Meine Kinder, auf daß sie sich nicht übernehmen sollen, in dieser harten, aber für sie dennoch überaus heilsamen Lebensschule denn auch Not leiden und in ihrer Not vor die Reichen der Welt kommen; was diese Meinen Kindern tun, das werde Ich auch ihnen tun und werde sie belohnen vielfach schon hier und endlosfach in Meinem Reiche.

14. Wer demnach der Kinder Liebe hat durch seine Liebe zu den Kindern, der hat auch des Vaters Liebe sicher sich erworben und den ewigen Lohn mit ihr. – Verstehet ihr nun, was ,Gott über alles lieben‘ heißt?“

141. Kapitel. Jesu Voraussage über Seinen Tod und Seine Auferstehung. Jesus in zwei weiteren Städten

1. Sagte der Älteste: „O Herr und Meister und wahrster Vater der Menschen, ja, nun verstehe ich es zum ersten Male, was ,Gott über alles lieben‘ heißt.

2. Wer Seine Kinder wahrhaft liebt und erkennet des Vaters Weisheit, der liebt Gott als den allein wahren Vater aller Menschen über alles; und so ist denn die wahre Nächstenliebe die höchste Lebenstugend in dieser Welt, und wir werden uns bestreben, sie allenthalben nach allen unsern Kräften zu üben.“

3. Nach diesen Worten des Ältesten kam das Weib des Wirtes mit der Anzeige, daß das Abendmahl bereitet sei. Der Wirt aber fragte Mich, ob er auf den Tisch, der noch nicht gedeckt war, die gebratenen Fische bringen lassen solle.

4. Sagte Ich: „Als Ich in der Wüste einige Tausende mit wenig Brot und Fischen sättigte, fand sich kein gedeckter Tisch vor; so man Brot und Wein auf einem ungedeckten Tische verzehren kann, warum denn nicht auch etwelche gebratene Fische? Darum laß du die Fische nun nur auf diesen ungedeckten Tisch setzen, und wir werden sie verzehren!“

5. Ich aber hatte das der drei Juden wegen also angeordnet, weil diese noch sehr viel auf einen mit ganz reinem Tuche gedeckten Tisch hielten; denn nach ihrem Gesetz könne ein Jude, der eine warme Speise von einem nicht mit reinem Tuche gedeckten Tische zu sich nehme, verunreinigt werden.

6. Es sahen Mich die drei denn auch also bei sich ganz geheim fragend an: „Wie, hältst Du nicht mehr an alle die Vorschriften Mosis?“

7. Ich aber sagte: „Was denket ihr euch denn? Hatten die Israeliten in der Wüste, als sie Manna aßen, auch mit reinen Tüchern gedeckte Tische?“

8. Sagte der Älteste: „Herr und Meister, das hatten sie sicher nicht!“

9. Sagte Ich: „Nun, so können auch wir auf den ungedeckten Tisch gesetzte Fische verzehren! Was für Mich rein ist, das sei auch für euch rein! Es heißt ja auch, daß man das Brot nicht mit ungewaschenen Händen essen solle, und dennoch habt ihr zuvor vor Mir das Brot mit ungewaschenen Händen in euren Mund geführt und seid darum eben vor Mir dennoch rein geblieben! Seid ihr aber vor Mir rein, wer sollte euch dann der Unreinheit zeihen? Etwa ein blinder Pharisäer im Tempel zu Jerusalem? Lasse du, Wirt, die Fische nur hereinbringen, und wir werden sie verzehren und dabei rein verbleiben!“

10. Mit diesem Meinem Bescheid waren die drei Juden denn auch vollkommen zufrieden und aßen mit uns die Fische ohne alles weitere Bedenken.

11. Diese drei Juden blieben hernach noch drei volle Tage bei Mir, und Ich und auch die drei bei Mir gebliebenen Jünger haben ihnen gar vieles aus der Schrift, und namentlich, was die Schöpfung, die Propheten Jesajas und Hesekiel betrifft, wohl erklärt und sie auch in den natürlichen Dingen dieser Erde ins rechte Licht gesetzt.

12. Am vierten Tage aber zogen sie nach Meinem Rat nach Aphek, um sich auch dort selbst zu überzeugen, was Ich dort für die gläubig gewordenen Heiden getan habe. Bevor sie aber noch von Mir Abschied nahmen, fragte Mich der Älteste, ob sie nicht auch nach Jerusalem ziehen sollten, um daselbst den blinden Templern die Augen über Mich zu öffnen.

13. Sagte Ich: „Das lasset bleiben; denn so sie Mich Selbst nicht hören und Mir nicht glauben trotz der vielen Zeichen, die Ich vor ihren Augen gewirkt habe, so werden sie euch noch weniger hören und euren Worten glauben, – wohl aber würden sie euch ins Gefängnis werfen und euch züchtigen lassen! Darum lasset das, und bleibet, wo ihr seid, und prediget Mein Evangelium bei schicklicher Gelegenheit den Heiden, und gebet ihnen das Licht der Wahrheit, das Ich euch gegeben habe; doch setzet nichts hinzu und nehmet auch nichts hinweg!

14. Umsonst habe Ich es euch gegeben, und also gebet es wieder jedem, den es danach hungert und dürstet; doch den puren Weltschweinen von Menschen sollet ihr diese Perlen nicht vorwerfen!

15. Ich werde aber gegen Ostern Selbst noch einmal nach Jerusalem gehen, und es wird da mit Mir geschehen, was Ich euch aus den Propheten umständlich erklärt habe; und so ihr davon hören werdet, da ärgert euch nicht, und denket, daß Ich euch das zum voraus verkündet habe, und daß dadurch auch das letzte Häkchen der Schrift erfüllt wird.

16. So Ich aber am dritten Tage wieder auferstehen werde vom Tode des Leibes, dann werde Ich auch zu euch, so wie Ich nun da vor euch stehe, wiederkommen und werde euch stärken mit Meinem Geiste.

17. Wir werden uns also nur eine kurze Zeit nicht sehen und dann wiedersehen zu eurem Troste!“

18. Darauf segnete Ich die drei Altjuden, und sie zogen gen Aphek, wie Ich das schon zuvor angezeigt habe.

19. Es versteht sich von selbst, daß diese drei, als sie in die Nähe der Stadt kamen, sich stets mehr und mehr über das große Zeichen zu verwundern anfingen, und als sie erst vollends in die Stadt und in dieselbe Herberge kamen und von dem Wirte auch mit der größten Freundlichkeit aufgenommen wurden, da wollte es sowohl von seiten der drei, wie von seiten des Wirtes und aller, die bei ihm waren und sich einfanden, des Lobens und Preisens Meines Namens kein Ende nehmen.

20. Was machte denn Ich die noch etlichen Tage in unserem lieben kleinen Orte?

21. Es kamen an jedem Tage Reisende und kehrten beim Wirte ein und erkundigten sich emsig, wie diese Gegend so sehr blühend hatte gemacht werden können. Etwelchen ward es wohl angedeutet, doch den meisten nicht; denn diese Reisenden waren zumeist Handelsleute, die für derlei geistige Dinge keinen Sinn hatten, und so nahm sich von uns denn auch niemand die Mühe, derlei pure Weltmenschen in die Wahrheiten des Lebens einzuweihen, und die Bewohner dieses Ortes sahen es auch ein, daß man den Weltschweinen die Perlen nicht zum gemeinen Fraße vorwerfen solle.

22. Es kam der siebente Tag, und Meine ausgesandten Jünger kamen gen Abend alle wieder voll guter Dinge in diesen Ort zu Mir und konnten nicht genug erzählen, wie sie in Meinem Namen zum größten Teil gute Geschäfte gemacht hatten.

23. Und Ich sagte: „Daß Mir euer Wirken bekannt ist, das wisset ihr, und ihr seid denn auch eures Lohnes, Meine Jünger zu sein, wert; doch nun sollet ihr ruhen und euch stärken mit Speise und Trank!“

24. Es ward denn auch sogleich Wein und Brot gebracht und dann auch Fische.

25. Nach dem Abendmahle aber begaben sich die zurückgekehrten Jünger alsbald zur Ruhe; Ich aber blieb mit dem Wirte und den drei bei Mir gebliebenen Jüngern bis zum Morgen wach.

142. Kapitel. Auf der Weiterreise.

1. Am Morgen aber machten wir uns auf die Weiterreise, nachdem Ich zuvor den ganzen Ort gesegnet hatte.

2. Der Wirt und mehrere Bewohner geleiteten uns dankbarst eine recht weite Strecke und kehrten dann wieder nach Hause, und wir zogen in eine von diesem Orte bei einer Tagereise entfernte Stadt, die wir erst am Abend erreichten, und wurden in einer alten Herberge ganz wohl aufgenommen.

3. In der vorangezeigten Stadt, die auch zumeist von Heiden bewohnt war, blieb Ich mit den Jüngern auch etliche Tage lang und belehrte die Menschen über das Reich Gottes auf dieser Erde wie in den vorigen Städten und Orten und bekräftigte Meine Lehre durch taugliche und den Menschen nützende Zeichen.

4. Auch hier wurden die meisten Heidenpriester zum Judentum bekehrt, und mit ihnen viele andere Menschen; nur mit einigen in dieser Stadt wohnenden Juden, die im Glauben der Sadduzäer standen, ging es nicht so gut vonstatten wie mit vielen Heiden, die in dieser ganz bedeutenden Stadt lebten und Handel trieben.

5. Nach einigen Tagen verließen wir unter Meinen Segnungen an einem Morgen auch wieder diese Stadt und zogen nach einer andern, mehr gen Mittag hin, und erreichten sie auch bis gen Abend.

6. Auf halbem Wege wurden einige Jünger hungrig und durstig, denn es gab auf diesem verlassenen Wege auch nur alte, verlassene Zisternen und ein paar ebenso verlassene Herbergen, die von einigen ganz armen Hirten bewohnt waren, die uns außer etwas Käse und Milch nichts zu bieten hatten.

7. Da baten Mich die Jünger auf halbem Wege, daß Ich nun auch für sie ein Zeichen zu ihrer Leibesstärkung wirken solle.

8. Ich aber sagte: „Das könnte Ich wohl tun, so es ganz streng nötig wäre; kann aber Ich nun ein wenig fasten, warum denn ihr nicht? Wir werden in dem Orte, den wir in einigen Stunden erreichen werden, viel zu tun bekommen, und es ist gut, daß wir nüchterner als sonstwo dahin gelangen. Im Orte wird sich schon für euren Leib eine mäßige Stärkung vorfinden lassen!“

9. Mit dem gaben sich die Jünger zufrieden.

143. Kapitel. Jesus in der armen Herberge der Basaltstadt.

1. Wir zogen dann ganz ruhig unseren Weg weiter, erreichten die Stadt noch eine Stunde vor dem Untergange und wurden allda von einem Altjuden, der hier eine Herberge besaß, ganz gut aufgenommen und bekamen auch alsbald Brot und etwas Wein, den die Bewohner dieser Stadt selbst aus wildwachsenden Weintrauben sich zu bereiten verstanden, und der zum Löschen des Durstes auch ganz taugte.

2. Der Wirt merkte es einigen Jüngern wohl an, daß ihnen der Wein eben nicht besonders munde, und sagte darum denn auch: „Meine lieben Freunde, ich merke es wohl, daß euch unser Wein nicht am besten mundet; aber ich kann euch dennoch keinen andern bieten, als wie diese unsere magere Gegend ihn hergibt. Bessere Weine hierherbringen zu lassen, dazu fehlen uns die Mittel, und so danken wir dem Herrn, daß Er uns mit einem solchen Wein versehen hat, mit dem wir unsern Durst in den heißen Tagen des Sommers besser löschen können als jene in den großen Städten, die da den besten Wein nur trinken, um ihrem verzärtelten Gaumen eine große Lust zu machen. Wir in dieser unserer von Jerusalem schon sehr fern gelegenen Stadt leben nicht nach Art der wollüstigen Prasser, sondern nach der Art armer Hirten und sind dabei gesünder und zufriedener denn die Reichen in den großen Weltstädten, die den ganzen Tag nachsinnen, wie sie am üppigsten schwelgen könnten, aber an Gott zu denken und Ihm allein die Ehre zu geben keine Zeit haben. Trinket daher nur diesen unsern Wein; er wird euch wahrlich nicht schaden!“

3. Als die Jünger das von unserem Wirte vernahmen, da belobten sie seine alte Gottestreue, aßen darauf mit Lust das Gerstenbrot und tranken mit vieler Freude den Wein, der freilich etwas sauer war.

4. Als wir uns also bald gestärkt hatten, da fragte uns der Wirt, ob wir etwa auch von irgendwoher kommende Handelsleute wären, und mit was wir Handel trieben, und wie lange wir etwelcher Geschäfte wegen hier zu verweilen willens wären.

5. Sagte Ich: „Freund, wir sind fürwahr eine Art Handelsleute, handeln aber mit einer Ware, die du zwar jetzt mit deinen Augen nicht sehen kannst, daher du auch meinen kannst, daß Ich Mir einen Scherz mit dir erlaube; doch dem ist nicht so, sondern wahrlich ganz also, wie Ich es dir gesagt habe!

6. Meine Ware ist im Ernste unsichtbar und hat doch den höchsten Wert für jeden Menschen, der sie von Mir mit einem gläubig reinen Herzen und Willen annehmen will.

7. Auf daß du aber merken magst, worin allenfalls Meine unsichtbare Ware besteht, so laß nun jenen deiner Söhne, der blind und lahm ist, zu Mir hereinbringen, und Ich werde ihn sehend und gerade machen in einem Augenblick!“

8. Als der Wirt solches von Mir vernommen hatte, da sagte er: „Also bist du ein Heiland, und Kranke gesund machen ist deine unsichtbare Ware? Ja, so das mit dir und deinen Gefährten der Fall ist, da wirst du bei uns freilich wohl die besten Geschäfte machen; denn an allerlei Kranken, denen unsere Ärzte nicht helfen können, hat es bei uns keinen Mangel. Sogleich will ich selbst meinen blinden und lahmen Sohn hierher bringen!“

9. Darauf ging der Wirt und brachte den verlangten Sohn und stellte ihn vor Mich hin.

10. Als dieser auf einem Bett sich vor Mir befand, da fragte Ich ihn, ob er sehend und unlahm sein möchte.

11. Sagte der Sohn: „Meister, so dir das möglich sein sollte – woran ich nicht zweifle –, so erweise mir solche deine Gnade!“

12. Sagte Ich: „So will Ich denn, daß du in diesem Augenblick sehend und gerade werdest!“

13. Als Ich solches ausgesprochen hatte, da war der Sohn auch schon sehend und am ganzen Leibe völlig gerade.

14. Und der Wirt, seine Hände über seine Brust schlagend, sagte: „Nein, das ist keine gewöhnliche Heilart! Du mußt das durch den Geist Jehovas bewirkt haben und mußt demnach ein großer Prophet sein.“

15. Bemerkte darauf der geheilte Sohn, der in der Schrift und besonders in den Propheten wohlbewandert war, sagend: „Vater, soviel mir aus den Propheten bekannt ist, die auch von Zeit zu Zeit Wunder gewirkt haben, so haben diese niemals gesagt: ,Ich will es, daß dieses oder jenes geschehe!‘, sondern allzeit: ,Der Herr sagt es, und Sein Wille ist es, daß dies und jenes geschehe und folgen werde, so das Volk Israel von seinen Sünden nicht abstehen wird!‘ Dieser Heiland aber hat gesagt: ,Ich will es, daß du sehend und gerade werdest!‘, und sieh, ich ward im Augenblick sehend und gerade an allen meinen Gliedern, deren gänzliche Lahmheit mich schon mehrere Jahre und teilweise schon von Kindheit an geplagt hat!

16. So dieser Heiland aber alles das durch die Macht seines Wortes und Willens zu bewirken imstande ist, da muß er offenbar mehr als ein Prophet sein.

17. Seine nunmalige Wundertat erinnert mich sehr an die bedeutungsvollen Worte eines Propheten, der aus dem Geiste Jehovas also geredet hat: ,So der große Held, der Löwe aus Juda, der König der Könige, der Herr aller Heerscharen in diese Welt kommen wird, so werden die Blinden sehend werden, die Tauben hörend, die Krummen gerade, und der Lahme wird einherspringen wie ein Hirsch, und solches alles wird Er tun aus Seiner Macht und wird gründen ein Reich, das kein Ende nehmen wird.‘

18. Nun, das stimmt ganz mit der Handlungs- und Redeweise dieses Wunderheilandes zusammen, und ich werde mich nicht irren, so ich behaupte, daß hinter Ihm der so oft verheißene und von allen wahren Juden mit der größten Sehnsucht erwartete Erlöser daheim ist.

19. Mich hat schon Seine erste Ansprache, als ich noch blind und lahm im Bette mich befand, also erweckt, daß ich nicht mehr zweifeln konnte, daß Er mich heilen werde, und so zweifle ich auch jetzt nicht mehr, daß Er der Verheißene ist; und da Er zu uns gekommen ist, so ist unserem Hause und also auch dem ganzen Ort ein größtes Heil widerfahren. Die Folge aber wird es zeigen, ob ich mich geirrt habe.“

20. Sagte der Wirt, als der Vater des Geheilten: „Mein Sohn, du könntest da wohl sehr recht haben; denn auch ich bin geheim in mir auf diesen Gedanken gekommen! Doch wir wollen da dennoch nicht zu vorschnell urteilen; denn dieser gute Wunderheiland wird es uns sicher nicht vorenthalten, über Sich Selbst einen näheren und vollwahren Aufschluß zu geben!“

21. Sagte Ich: „Das werde Ich auch tun, und ihr werdet euch dessen hoch erfreuen, doch nun siehe du, Wirt, in deiner Speisekammer nach, ob du nicht etwelche Fische vorrätig hast! Diese sollst du nach eurer Art zurichten lassen und sie uns auf den Tisch setzen; und du und dein Sohn sollet euch auch damit sättigen!“

22. Als der Wirt solchen Meinen Wunsch vernommen hatte, ward er ordentlich traurig und sagte: „O Du wundersamster Heiland! Derlei haben wir schon seit gar langem entbehren müssen; denn bis zum Meere Galiläas ist es von hier zu weit, und also auch bis zum Strome Jordan, und bis zum Euphrat hin nicht minder. Unsere zwei kleinen Bäche, deren spärliches Wasser wir für unsere Haustiere in einem Teiche ansammeln lassen, sind zur Haltung für Fische nicht tauglich, und so haben wir in dieser Stadt, aufrichtig gesagt, auch nicht einen Fisch.

23. In den früheren Zeiten sollen sich auch in der Nähe dieser Stadt ein paar recht große Teiche mit süßem Wasser befunden haben und sehr reich an Fischen gewesen sein. Allein infolge der oftmaligen Erderschütterungen, von welchen diese Gegend alljährlich heimgesucht wird, sind die erwähnten Teiche um ihr Wasser gekommen und somit auch um ihre Fische, und wir haben darum nun weit und breit von hier keine Fische, und ich werde demnach nun Deinem Wunsche nicht nachkommen können.“

24. Sagte Ich: „Aber du hast im großen Hofraum deines Hauses doch einen Brunnen, der Süßwasser enthält, und daneben einen ganz bedeutenden förmlichen Teich, der in den Stein des Bodens gehauen ist und das Wasser wohl hält. Warum züchtest du darin keine Fische?“

25. Sagte der Wirt: „Daß Dir in meiner Haushaltung schon gleich alles bestbekannt ist, das habe ich schon aus dem entnommen, daß Du gleich bei Deinem Eintritt in dies mein Haus um die Krankheit meines Sohnes wußtest; und ebenso verhält es sich auch mit dem Brunnen und steinernen Teich, der allerdings eine Menge Fische fassen könnte. Aber woher die Fische nehmen und sie in den Teich setzen? Nach allen Seiten ist es zu weit, um lebendige und völlig gesunde und frische Fische hierher zu bringen und sie zur Fortzucht in den Teich zu legen. Da das offenbar eine vergebliche Mühe wäre, so blieb mein Teich denn auch gleichfort ohne Fische – und somit denn auch aus leicht begreiflichen Gründen meine Speisekammer!“

26. Sagte Ich: „So du glauben kannst, da gehe dennoch in deine Speisekammer nachsehen, und es werden sich sicher so viele Fische schon geschlachtet und gereinigt vorfinden, daß sie für diesen Abend genügen werden; und für die Folge wird dein Teich stets eine rechte Menge von edlen Fischen besitzen!“

27. Hierauf machte der Wirt ganz verwundert große Augen und ging nachzusehen, wie es mit den Fischen stünde.

144. Kapitel. Das Fischwunder.

1. Als er mit seinem Weibe und mit etlichen seiner andern Kinder in die Speisekammer trat, da fand er zu seinem größten Erstaunen einen ganzen Korb voll schon ganz gereinigter Fische von der besten und edelsten Art und befahl denn auch seinem Weibe und seinen in der Küche bewanderten Kindern, diese Fische bestens zuzubereiten.

2. Sein Weib wußte freilich nicht, was sie zu diesem Wunder sagen sollte.

3. Der Wirt aber sagte: „Denket nun darüber nicht viel nach; denn dem Manne Gottes, dem es möglich war, meinen Sohn, den alle Heilkundigen schon lange für unheilbar erklärt haben, bloß durch Sein Wort und Seinen Willen vollkommen gesund zu machen, dem ist es sicher auch möglich, uns diese Fische auf eine wunderbare Art in unsere Speisekammer gestellt zu haben. Machet euch nun an die Arbeit, und seht, daß ihr bald fertig werdet; alles andere wird euch schon später bekanntgemacht werden!“

4. Darauf machten sich das Weib und die Kinder an die Bereitung der Fische, und der Wirt kam voll Dankbarkeit wieder zu uns.

5. Und Ich sagte zu ihm: „Nun, wie sieht es mit den Fischen aus?“

6. Sagte der Wirt: „Wundersamster Meister, es ist schon alles in der vollsten Ordnung; aber diese Fische sind doch sicher aus keinem Wasser dieser Erde, sondern sie sind von Dir neu erschaffen! Ich sehe nun, daß mein von Dir geheilter Sohn ehedem völlig recht hatte, so er Dich für den großen Verheißenen erklärte; und so bist Du Deinem inneren Geiste nach wahrlich kein Diener irgendeines Höheren über Dich, sondern mit dem Allerhöchsten gleich Selbst ein Herr, der Seinesgleichen nicht hat, weder auf dieser Erde noch in den Himmeln.

7. Du bist demnach mit Gott ein und dasselbe Wesen Deinem Geiste nach; daß Du aber nun als ein Mensch unter uns wandelst, das ist also sicher auch nur Dein Wille, – denn Dir kann nichts unmöglich sein!

8. Es heißt freilich wohl im Moses, daß Gott niemand sehen und dabei leben kann; aber es wird dieser Spruch sicher auch einen andern Sinn haben. Denn es hatte der Vater Abraham Gott gesehen und gesprochen und verlor dabei das Leben nicht, ebenso der Vater Jakob und noch viele andere, die uns aus der Schrift bekannt sind und lebten; selbst Moses sah den Rücken Jehovas und behielt das Leben, und wir sehen nun Dich und behalten auch das Leben.

9. Ich bin der Meinung, daß der Mensch Gott nur in Seinem unendlichen und ewigen Ursein nicht und niemals wird schauen können und behalten das Leben; denn das, was endlich ist, kann das Unendliche niemals mit einem Sinne begreifen, noch die Ewigkeit ermessen. – Habe ich als ein Altjude da recht oder nicht?“

10. Sagte Ich: „Du hast nun schon ganz recht und wahr geurteilt, obschon auch einem jeden Menschen, der nach den Geboten Gottes handelt und lebt, das ewige Leben treu und wahr verheißen ist.

11. Siehe, solange der Mensch auf dieser Erde in Zeit und Raum lebt, kann er das Ewige und Unendliche des Geistes freilich wohl niemals weder mit seinem Verstande und noch weniger mit einem äußeren Leibessinne erfassen und begreifen; aber so der Geist Gottes, der pur Liebe ist, des Menschen geläuterte Seele völlig durchdringt und also der eigentliche Mensch, welcher die Seele ist, ganz durchleuchtet und mit dem ewigen Leben belebt wird, so wird er mit Gott eins und dringt dann auch in die endlosen und ewigen Tiefen Gottes und kann sie begreifen, und das ist das Verständnis dessen, wo es heißt, daß ein vollkommener Mensch in seinem Geiste Gott schauen wird von Angesicht zu Angesicht.

12. Doch nun lassen wir das; denn es kommen bereits die schon bereiteten Fische, mit denen wir unseren Leib stärken wollen und werden!“

13. Als Ich das noch kaum ausgesprochen hatte, da brachte des Wirtes Weib und seine andern Kinder schon auf mehreren Schüsseln die recht wohlbereiteten Fische herein; dann legten die Kinder behende vor jeden Gast eine kleine irdene Schüssel, hölzerne Gabeln und beinerne Messer nach der Sitte dieses Ortes, und ein jeder von uns nahm sich einen Fisch, auch der Wirt und sein geheilter Sohn, und es wurden diese Fische denn auch bald verzehrt, und ein jeder wurde vollkommen mit warmer Speise gesättigt.

14. Als die Fische verzehrt waren, von jedem so viele, als er deren nur verzehren konnte, so blieben aber auf den großen Schüsseln dennoch mehrere übrig, und der Wirt fragte Mich, ob er diese Fische für den Morgen aufbewahren solle.

15. Ich aber sagte: „Die diese Fische bereitet haben, sollen sie völlig verzehren – denn ein jeder Arbeiter ist auch seines Lohnes wert –, und so berufe dein Weib und deine andern Kinder, und laß den Tisch abräumen, und sage ihnen, daß sie dann in der Küche das, was da übriggeblieben ist, verzehren sollen!“

16. Dies tat der Wirt, und der Tisch ward abgeräumt.

145. Kapitel. Die Wirtin und ihre Dienstboten.

1. Als das Weib und die andern Kinder das getan und auch vernommen hatten, daß sie die übriggebliebenen Fische in der Küche verzehren sollten, da wurden sie sehr froh, da sie alle ganz bedeutend hungrig waren.

2. Als sie die Fische aber zu essen anfingen, kamen auch etliche Diener und Mägde in die Küche, um darin ihr Abendbrot zu erhalten und es zu verzehren. Diese fingen denn auch sogleich an, sich hoch zu verwundern, und fragten die Wirtin, woher sie denn in dieser Gegend die Fische bekommen habe.

3. Die Wirtin aber sagte: „Es sind Fremde angekommen und haben diese Fische selbst herbeigeschafft; mehr kann ich euch nicht sagen. Da nehmet aber euer Abendbrot, und da der Fische noch zur Genüge vorhanden sind, so will ich eurer erprobten Haustreue wegen einem jeden von euch etwas von diesen Fischen hinzugeben.“

4. Das tat die Wirtin, und es bekam ein jeder von den zwanzig Hausdienern, bestehend aus Knechten und Mägden, so viel, daß sie es kaum aufzehren konnten.

5. Sie konnten sich darob denn auch nicht genug verwundern und sagten (die Hausdiener): „Es muß ein besonderer Segen Jehovas dabei obwalten; denn nur kleine Stücke von den Fischen hast du, Wirtin, uns zum Brote hinzugegeben, und wir konnten das Stück vom Fisch, das sich stets zu vergrößern schien, kaum verzehren, so gut es uns auch schmeckte!“

6. Sagte die Wirtin: „Also bleibet denn auch stets treu dem Hause in aller Zucht und Gottesfurcht, und Jehovas Segen wird in allem stets bei uns verbleiben!“

7. Auf diese ganz gute Bemerkung der Wirtin verließen die Hausdiener und Dienerinnen die Küche und begaben sich zur Ruhe; denn alle hatten an diesem Tage viel gearbeitet und waren müde geworden.

8. Darauf kam die Wirtin in unser Zimmer und erzählte uns von der wunderbaren Vermehrung der Fischstücke, die sie unter die Hausdienerschaft ihres Fleißes wegen verteilt hatte.

9. Der Wirt aber sagte: „Höre, du mein stets frommes und gottergebenes Weib: Dem, der allmächtig ist, ist nichts unmöglich, uns Menschen aber bleibt nichts übrig, als den Allmächtigen stets zu bewundern, zu loben, zu lieben und zu preisen und Seine Gebote zu halten! Gott vermag alles aus Sich, der Mensch und auch der Engel aber nichts ohne Gott.

10. Siehe, weil unser Haus stets an Gott hielt und nach Möglichkeit unter den vielen Heiden die alte Treue bewahrte im Herzen und in der Tat, so hat Er unser denn auch gedacht und ist wundersam in diesem Heilande sichtbar zu uns gekommen und hat gar mächtig erquickt unsere Seelen! So bleiben wir denn, wie wir waren, und handeln stets gerecht nach den uns wohlbekannten Geboten Gottes, und Er wird auch fürder mit Seiner Gnade, Liebe, Milde und Erbarmung bei uns verbleiben!“

11. Sagte darauf Ich: „Du bist noch ein echter Jude aus der alten Zeit Samuels und bist darum denn auch erleuchtet, wie es ein Jude sein soll; aber du hast dennoch einen kleinen Fehler, und der besteht darin, daß du gegen Fremde, die da nicht Juden sind, sehr verschlossen und nicht freundlich bist und heimlich ein Feind der Heiden, also, daß du sie alle vertilgen möchtest, so dir das irgend möglich wäre.

12. Ich weiß es wohl, daß du also bist in deinem wahren Eifer für eine Wahrheit aus Gott, und weil derlei bei den alten, wahren Juden auch stets vorkam, wo sie aufgefordert wurden, wider die Feinde des Volkes Gottes das Schwert zu ziehen. Aber das soll nun nicht mehr also sein, und es soll auch allen Heiden Mein Evangelium – darin die Gründung des Reiches Gottes auf dieser Erde zur Beseligung aller Menschen besteht – gepredigt werden. Denn es werden Zeiten kommen und sind schon da, in denen gar viele Heiden Gott näher stehen werden denn gar viele Juden, die Gott mit ihren Lippen loben und preisen, ihre Herzen aber von Ihm sehr ferne sind.

13. Siehe, nun suchen gar viele Heiden die Wahrheit, die einst die wahren Kinder Gottes besaßen von Adam an bis in diese Zeit, und so sie diese Wahrheit finden, so erkennen sie solche alsbald, nehmen sie mit dem willigsten Herzen an und werden voll lebendigsten Glaubens! Und das ist ja auch Mein Wille, spricht der Herr, daß auch die Heiden, die so lange ohne ihre Schuld in der dicksten Finsternis des dümmsten Aberglaubens schmachteten unter den Tyrannen und deren herrsch- und wohllebenssüchtigen Priestern, durch den Glauben an den einen, allein wahren Gott sollen selig werden.“

146. Kapitel. Über die Liebe gegen Andersgläubige.

1. (Der Herr:) „Siehe, als Ich vor nahe dreiunddreißig Jahren zu Bethlehem in einem Schafstalle von einer reinsten und frömmsten Jungfrau namens Maria, einer einzigen Tochter des Joachim und der alten Anna, die stets im Tempel zu des frommen Simeon Zeiten zu tun hatten, bin in diese Welt geboren worden, da waren es eben die Heiden, die es zuerst schon von weiter Ferne erkannt hatten, daß in Mir etwas Außerordentliches in diese Welt gekommen ist, brachten Mir allerlei Opfer – Gold, Weihrauch und Myrrhen –, und die mächtigsten Gewaltträger Roms in Judäa und über alle römischen Länder in Asien und auch in Afrika erwiesen Mir alle Liebe und leisteten Mir allen Vorschub, besonders bei der traurigen Gelegenheit, als der alte Herodes, dem es zu Ohren gekommen war, daß in Mir den Juden ein mächtigster König geboren worden sei, alle männlichen Kinder von der Geburt an bis ins zwölfte Lebensjahr hatte ermorden lassen wollen; denn Meine irdische Mutter und Mein Nährvater Joseph mit seinen fünf Söhnen, die ihm aus einer früheren Ehe zuteil geworden waren, mußten sich mit Mir nach Ägypten flüchten, und der römische Hauptmann Kornelius und sein Bruder Cyrenius haben Mir bei dieser Flucht viel Liebe erwiesen und sorgten für eine gute Unterkunft in einem fremden Lande.

2. Und siehe, das taten Mir die von den Juden so sehr gehaßten Heiden, während die Juden, das heißt die mächtigen, Mich aus dieser Welt schaffen wollten, aus Furcht, daß sie ihres von Rom aus gepachteten Thrones durch Mich in der Zeit Meiner Großjährigkeit könnten verlustig werden.

3. Wenn denn also, da ist es ja doch sicher auch in der vollsten Ordnung, daß nun von Mir, wie auch von einem jeden wahren Juden aus, den Heiden dieselbe Liebe bezeigt werde, die sie Mir schon von Meiner Kindheit an bezeigt haben; und Ich habe nun im Verlaufe von über zwei und einem halben Jahre bei den Heiden weit und breit bei Meinen Lehrreisen stets mehr Glauben und Liebe gefunden als bei den Juden, die Mich für einen falschen Propheten, Betrüger, Volksaufwiegler und für einen mit dem Satan im Bunde stehenden Zauberer halten und vor dem Volke Mich als so etwas seiend erklären und Mir gleichfort, je mehr die gemeinen Juden an Mich glauben, nach dem Leben streben.

4. Ich sage dir es aber auch, daß eben darum den Juden das Licht der ewigen Wahrheit genommen und den Heiden gegeben werden wird. Die Juden aber werden zerstreut werden in alle Welt und werden nimmerdar ein eigenes Land besitzen, sondern als verhaßte Sklaven unter den Königen heidnischer Völker alle Schmach und Verfolgung zu ertragen haben zum bleibenden Zeugnis ihres Unglaubens und ihrer gänzlichen Lieblosigkeit. Sie werden den verheißenen Messias wohl immer erwarten, aber vergebens; denn Der bin Ich und sonst keiner mehr in Ewigkeit.

5. Und siehe, darum mußt auch du gegen die Heiden deine alte Gesinnung völlig ändern, und sie werden dadurch deine Freunde werden und leicht in deinen wahren Glauben eingehen; denn die meisten glauben an ihre Götter ohnehin nicht mehr, sondern halten sich an die Lehren ihrer Weltweisen und sind dadurch gar sehr scharfsinnige Denker und Redner, und du wirst durch sie gar manches überkommen, das du bei ihnen schwerlich je gesucht haben würdest.

6. Menschen aber, die in den Weltdingen klug und scharfsinnig sind, die werden es auch bald und leicht in den Dingen des Geistes und seiner Weisheits- und Lebenstiefen; es kommt nur darauf an, wie man sie behandelt.

7. Wer da bei ihnen gleich mit dem Schwert und mit den Knitteln des alten Hasses dreinzuhauen anfängt, der wird bei ihnen auch sicher schlechte Geschäfte machen; wer aber zu ihnen kommt mit aller Sanftmut und Liebe, den werden sie bald auf ihren Händen tragen und ihm auch alle Gegenliebe erweisen.

8. Siehe, das ist demnach dein Fehler bis jetzt gewesen, den du in der Folge abzulegen hast, so du Mir gleich ein vollkommener Jude und vollendeter Mensch werden willst!

9. Läßt denn Gott Seine Sonne nicht über die Heiden so gut wie über die Juden leuchten, was du doch alle Tage gar wohl bemerkt haben wirst? Macht aber da Gott, der Herr über alle Dinge in der Welt und in den Himmeln keinen Unterschied, so soll auch ein wahrer Jude darin Gott, der sein ewiger Vater ist, völlig ähnlich zu werden trachten.

10. Du brauchst ihnen darum aber nicht bei einem etwaigen Bau eines Götzentempels behilflich zu sein – denn das wäre keine wahre Nächstenliebe und hätte vor Mir auch keinen Wert –; aber die Heiden mit aller Freundlichkeit von allen ihren alten Irrtümern befreien und ihnen geben das alte Wahrheitslicht, das hat vor Mir einen übergroßen Wert.

11. Imgleichen auch, so da kommt ein armer Heide vor deine Tür und fleht dich an um ein Almosen und du enthältst es ihm darum vor, weil er ein Heide ist, so hast du dadurch vor Mir nichts Verdienstliches fürs ewige Leben getan; so du dich aber auch des armen, hungrigen und durstigen Heiden erbarmst und gibst ihm, dessen er bedarf, so hast du vor Mir ein Mir sehr wohlgefälliges Werk der wahren Nächstenliebe getan, und Ich werde es dir vergelten hier schon hundertfach und dereinst jenseits unendlichfältig. Denn die wahre Nächstenliebe im Herzen eines Menschen – ob Jude oder Heide ist gleich – ist das einzige, wahrhaft geistige Lebenselement, durch das alle Sinnenwelt und auch alle Himmel in der Bestandsordnung erhalten werden. So ein Mensch die wahre Nächstenliebe hat und übt, so lebt er dadurch auch in der rechten Ordnung Gottes und gründet in sich das ewige Leben seiner Seele.

12. Habe du von nun an denn auch die wahre Nächstenliebe gegen Heiden so gut wie gegen Juden, und du wirst erweckt werden durch Meines Geistes Kraft zum ewigen Leben und wirst eindringen in Meine Gottheitstiefen und wirst dadurch denn in Mir auch wahrhaft lieben deinen Gott über alles, – und das ist alles, was Ich von den Menschen zur Gewinnung des ewigen Lebens verlange. Wer da solche Liebe hat, der hat vor Mir keine Sünde und braucht nicht der Juden lange und leere und vor Mir wertloseste Gebete, keine Fasten und keine Bußwerke in Sack und Asche zu wirken. – Hast du das wohl verstanden?“

147. Kapitel. Von der Zulassung der Mißstände und des Verfalls unter den Menschen.

1. Sagte der Wirt: „O Herr und Meister, ich habe Dich völlig verstanden und bin nun vollends im klaren, mit wem ich es nun in Dir zu tun habe! Mein durch Deine Gnade und Macht geheilter Sohn hat Dich gleich nach der wunderbaren Heilung vollkommenst wahr beurteilt und Dich als Den erkannt, der Du über jeden Zweifel hinaus auch bist.

2. Meinen alten Fehler werde ich denn von nun an auch gänzlich ablegen und mein Verhalten gegen Juden und Heiden genau nach Deinem heiligst wahren Rate einrichten.

3. Es ist für unsereinen nur das einzige schwer zu begreifen, warum denn auf dieser Erde das ganz Gute und Wahre stets von dem Bösen und Falschen oft völlig unterdrückt und unterjocht werden muß und erst dann, aber stets spärlich, wieder zum Vorschein kommt, wenn das Böse und Falsche sich notgedrungen selbst das spitze Schwert aus Verzweiflung an die Brust zu setzen beginnt.

4. Wievielmal tausendmal Tausende von Menschen schmachten in der größten Not, Finsternis und mehrfacher Verzweiflung, können sich nicht helfen und jammern ihr ganzes Leben hindurch! Wir wenigen in der Urwahrheit noch stehenden Menschen können sie nur tiefst bemitleiden, aber ihnen auch selbst bei dem besten Willen nicht helfen. Ja, einen Hungrigen können wir mit unserem kleinen Überfluß wohl sättigen, einen Durstigen tränken und einen Nackten bekleiden, ebenso im Notfall einem Trauernden einen magern Trost geben, – da ist es mit aller unserer Hilfe auch schon zu Ende!

5. Du, o Herr und Meister, dem sicher aller Menschen Not auf dieser Erde nur zu klar bekannt ist, könntest allein aller geistigen und auch leiblichen Not aller Menschen ebenso schnell abhelfen, wie Du meinem Sohne von all seinem Leiden abgeholfen hast; aber das eben geschieht von Dir aus – wie uns die Schrift selbst lehrt – nur höchst selten.

6. O Herr und Meister, warum muß denn das also sein auf dieser Erde? Sind denn im Ernste die meisten Menschen von Dir bestimmt zum Falle und nur ganz wenige zur Auferstehung?“

7. Sagte Ich: „Das sei ferne, – auch nicht ein Mensch ist von Mir aus bestimmt zum Falle; aber da ein jeder Mensch erst durch seinen von Mir ihm gegebenen völlig freien Willen ein wahrer Mensch ist und sich selbst in dem ihm von Mir aus allzeit treu geoffenbarten Guten und Wahren zu üben, zu prüfen und zu bestimmen hat, so geschieht es, daß die Menschen sich von den Anreizungen der Welt, in der das Reich des Satans verborgen waltet, nur zu bald gefangennehmen lassen, Mich nach und nach trotz aller Meiner fortwährenden Mahnungen vergessen, Meine Gebote in den Wind schlagen und sie am Ende mit Füßen treten, von der Nächstenliebe in alle Selbstsucht übergehen, in aller guten Tätigkeit träge werden und in solcher Trägheit nur danach zu sinnen anfangen, wie sie es anstellen sollen, daß alle andern Menschen für sie arbeiten und ihnen blindlings gehorchen.

8. In solchem Sinnen verfallen sie bald auf allerlei Trugkünste, üben solche vor ihren neugierigen Mitmenschen aus und offerieren sich ihnen nur zu bald durch allerlei falsche Zauberwunder und durch mystische Worte als von der Gottheit begeisterte Propheten.

9. Die andern Menschen fangen dann an, solchen Müßiggängern zu glauben, sie für eine Art höherer Wesen zu halten, und fühlen sich glücklich, sich ihnen öfter nahen zu können und ihnen allerlei Opfer darzubringen, und bitten die Betrüger am Ende sogar, daß diese sie in ihren Schutz nehmen möchten.

10. Und siehe, unter solchen Umständen haben die Betrüger ihren Zweck auch schon erreicht; sie werden durch ihr Nichtstun und durch ihre Trugkünste mächtiger und mächtiger, verkehren Meine Offenbarungen zu ihrem Vorteil, werden Herren ihrer geblendeten Mitmenschen und geben ihnen Gesetze, nach denen die Mitmenschen am Ende nur für sie zu arbeiten und im Notfall auch all ihr Gut, Blut und Leben für ihre Tyrannen einzusetzen und auch dahinzugeben haben.

11. Bei solchen Anfängen aber wird das Volk von Mir stets durch wahrhaft von Mir im Geiste geweckte Propheten gemahnt und gewarnt, wie das zu den Zeiten Samuels geschah, als das Judenvolk auch einen König haben wollte, also, wie ihn die es umgebenden heidnischen Völker hatten.“

148. Kapitel. Die Ursachen der Krankheit des Wirtssohnes.

1. (Der Herr:) „Lies den Samuel und das Buch der Richter, und du wirst es finden, wie sehr Ich das Judenvolk auf das augenscheinlichste und eindringlichste vor einem Könige gewarnt habe! Was haben aber am Ende alle Meine vielen Warnungen gefruchtet? Ich sage es dir: Gar nichts! Das Volk wollte einmal einen König, und es ward ihm denn auch einer gegeben als eine gerechte Strafe für seinen unverbesserlichen Starrsinn.

2. Könntest du Mir da auch den Vorwurf machen, als hätte Ich dem Volke nicht helfen wollen und habe es lieber zum Falle kommen lassen? Das wirst du nun wohl einsehen, daß das von Mir aus niemals der Fall war und sein konnte. Dem selbst Wollenden geschieht kein Unrecht, und wer auf Meine vielen Mahnungen nicht achtet und nur den Gelüsten der Welt und seines Fleisches frönt, da kann Ich wahrlich nicht dafür, so er sich und auch seine Nebenmenschen ins Verderben stürzt, so diese seinem Beispiel folgen.

3. Bin Ich nun nicht Selbst persönlich in dieser Welt, lehre die blinden Menschen und wirke Zeichen, die außer Mir niemandem möglich sind? Gehe aber hin nach Jerusalem und in viele andere Städte, sowohl in Judäa als auch in Galiläa, und frage die Großjuden, was sie von Mir halten!

4. Siehe, fangen und töten wollen sie Mich, weil Ich ihnen ihre vielen und allergröbsten und größten Sünden vorhalte! Sie wollen ihren Weltsinn nicht fahren lassen und ihre Weltehre und unbegrenztes Wohlleben.

5. Sage, bin Ich da schuld, daß diese Großjuden unverbesserlich sind? Du meinst freilich, daß Ich sie alle in einem Augenblick verderben und vernichten könnte. Das könnte Ich wohl; aber auch die Abtrünnigen sind Meine Kinder, und Meine Liebe hat Geduld mit ihnen und wartet gleichfort, ob sich von ihnen am Ende doch noch einer und der andere zu Mir zurückwende.

6. So wirst du nun wohl einsehen, daß Ich, als die höchste Liebe und Geduld, solches nicht tue, auf daß sich am Ende, wenn das große Strafgericht über ihn kommen wird, niemand damit entschuldigen kann, als hätte Ich ihm zu wenig Liebe und Geduld erwiesen.

7. Ich sage es dir: So Jerusalem gleichfort in seinem Argen verharrt und darin, statt abzunehmen, nur zunimmt, so werden von nun an keine vollen fünfzig Jahre vergehen, und es wird ihm und dem ganzen Lande noch um vieles ärger ergehen, als es einst Sodom und Gomorra ergangen ist.“

8. Sagte der Wirt: „O Herr und Meister, nun sehe ich es ganz klar ein, daß Du allein höchst weise bist und in allem recht hast; die Menschen sind allzeit selbst schuld an allen Übeln, von denen sie körperlich und seelisch heimgesucht werden.

9. Doch wer war denn daran schuld, daß dieser mein Sohn, der stets von der frühesten Jugend an mein allergeratenster und frömmster war, blind und lahm geworden ist?“

10. Sagte Ich: „Siehe, Freund, da wirkten drei Hauptumstände zusammen! Der erste Umstand war deine zu große Vorliebe für ihn. So er nur ein wenig von irgendeinem kleinen Kopfübel bedroht war, so mußten gleich alle die bekannten Ärzte zu ihm kommen, um ihn zu heilen. Diese haben ihm durch ihre stärksten Mittel einen ziemlich heftigen Kopfkatarrh in die Augen getrieben, und der Sohn ward blind.

11. Zweiter Umstand: Als der Sohn blind geworden war, da wollten die Ärzte ihn wieder sehend machen, gebrauchten innerlich und äußerlich starke, aber ganz verkehrte Mittel, und dein Sohn ward dadurch denn auch bald am ganzen Leibe lahm.

12. Dritter Umstand: Ich wußte wohl auch darum und ließ es zu, daß dir solches begegne, und zwar aus dem folgenden Grunde: Zum ersten hast du dann auch deinen andern Kindern eine größere Liebe bezeigt und hast sie alle besser zu erziehen angefangen. Zum zweiten hast du angefangen einzusehen, daß ein rechter Jude auch bei den leiblichen Übeln stets mehr auf Gott denn auf die zumeist blinden und unwissenden Weltärzte sein Vertrauen setzen solle; denn wo kein Arzt mehr helfen kann, da kann noch Gott allein gar wohl helfen. Und zum dritten ließ Ich das auch darum zu, weil Ich wohl wußte, daß Ich zu dir kommen werde, um dir in der Heilung deines Sohnes ein Zeichen zu geben, daß Ich der Herr bin und Mir nichts unmöglich ist.

13. Aus dem wirst du nun wohl einsehen, was da alles schuld war, daß dein Sohn auf eine Zeitlang blind und lahm geworden ist.

14. Es gibt zwar wohl noch einen dir für jetzt noch völlig unbegreiflichen, geheimen, innern, geistigen Grund, der dir aber erst im andern Leben klar werden wird. Das magst du aber nun aus Meinem Munde für dich und deinen Sohn vernehmen, daß weder du selbst, noch dieser dein Sohn der Seele nach von dieser Erde, sondern von oben her, das heißt von einer andern im endlos weiten Himmelsraume, abstammt. Denn alles, was sich dir am weiten und tiefen Himmel als ein bleibendes Gestirn zeigt, ist Weltkörper über Weltkörper, und keiner ist ohne euch ähnliche vernünftige Menschenwesen; doch Meine Kinder trägt nur diese Erde.

15. Doch frage Mich darüber um nichts Weiteres mehr. So du im Geiste vollendet sein wirst, wird sich deine innere Sehe auch in diesem zu einer größeren Klarheit erheben.“

149. Kapitel. Die zwei Fremden aus Ninive.

1. Als Ich solches zum stets mehr staunenden Wirte gesagt hatte, da wollte er noch etwas reden; aber es kamen soeben zwei Fremde an die Tür der Herberge, pochten an dieselbe und verlangten Einlaß.

2. Der Wirt fragte Mich alsogleich, was er da tun solle.

3. Sagte Ich: „Frage dein Herz nach dem Grundsatze der wahren Nächstenliebe, und es wird dir alsbald sagen, was du zu tun hast!“

4. Der Wirt aber gedachte gleich dessen, was Ich ihm in einer längeren Rede gesagt hatte, und was sein alter Fehler war, stand sogleich vom Tische auf und ließ die beiden Fremden in die Herberge.

5. Als die beiden zu uns ins Zimmer traten, da befragte sie der Wirt, woher sie gekommen seien, und was sie wünschten.

6. Der eine der beiden, der zur Not etwas Hebräisch reden konnte, sagte: „O Freund, wir kommen von gar weit her! So es dir bekannt ist, wo dereinst das übergroße und mächtige Ninive stand, und noch zwei gute Tagereisen hinter der benannten Stadt sind wir elend über elend zu Hause.

7. Wir waren unserem Tyrannen von einem Könige einige Silberstücke an der uns frechstermaßen aufgebürdeten Steuer schuldig, und in der uns gewährten Frist von nur sieben Tagen konnten wir diese Summe nirgends aufbringen. Wir baten um Gnade und Geduld; aber alles vergebens. Man gab uns zur Antwort: Wird nur einem eine Gnade erteilt, so wird zur Steuerzahlungszeit bald alles Volk, um Gnade flehend, vor den Thron des Königs kommen. Daher keine Gnade! Und man griff gleich nach allem, was wir besaßen, und schonte unsere Weiber und Kinder nicht, sondern ergriff sie und führte sie in die Gefangenschaft. Auf unser vieles Flehen gab man uns endlich eine Bettelfrist von drei Monden, in welcher Zeit wir uns die verlangten Silberstücke zu erwerben und sie an die Kasse des Königs zu überbringen hätten; könnten wir das nicht, so würden unsere Weiber und Kinder an indische Sklavenhändler verkauft, und wir blieben des Landes verwiesen.

8. Siehe, du glücklicher Untertan der weisen Herrscher Roms, so geht es uns nun unter unserem Tyrannen, der außer sich und seinen vielen Hofleuten niemand für einen Menschen betrachtet; und wir haben darum diese weite Wanderung unternommen, um bei euch sicher besseren Mitmenschen uns unsere Silberstücke zu erbitten, damit in unser Land getrost wieder heimzukehren und unsere Weiber und Kinder aus der harten Gefangenschaft zu befreien. Mit dem weißt du, glücklicher Wirt, nun aber auch schon alles, woher wir sind, und was wir wünschen und suchen.“

9. Sagte der Wirt: „Wenn ihr sonst kein Anliegen habt, so kann euch da bald aus eurer Not geholfen werden! Aber nun fragt es sich noch weiter, und das besteht darin, ob ihr hungrig und durstig seid!“

10. Sagte der eine: „Beides zugleich; denn wir kommen heute schon aus der Gegend des Euphrat her und haben auf dem Wege weder etwas zu essen, noch etwas zu trinken bekommen. Unsere Wasserflaschen, die wir am frühesten Morgen mit Euphratwasser gefüllt haben, haben wir bis gen Mittag hin geleert und bisher kein Wasser mehr irgend erspähen können.“

11. Der Wirt bedauerte die beiden Fremden sehr, erhob sich schnell und brachte ihnen Salz, Brot und Wein, hieß die Fremden sich sogleich an einen Tisch setzen und sich stärken mit Brot und Wein.

12. Mit den dankbarsten Blicken nach oben gerichtet, griffen die beiden sogleich nach dem Brote und also auch nach dem Weine und labten und stärkten sich.

13. Der Wirt aber fragte Mich, zu was für einer Gotteslehre sich etwa die beiden bekennten.

14. Und Ich sagte zu ihm: „Freund, für diese beiden ist für diesen Moment die Zeit noch nicht da, daß Ich mit ihnen zu verhandeln anfinge! Daher verhandle nun nur noch du allein; Ich werde dann schon auch hinzukommen!“

150. Kapitel. Die religiösen Zustände in der Heimat der zwei Fremden.

1. Darauf fragte der Wirt die beiden, als diese sich schon gesättigt hatten, was für Gottheiten in ihrem Lande verehrt und angebetet würden.

2. Sagte der eine: „O lieber Freund, bei uns gibt es gar keine irgend bestimmte Gottheit; denn unsere Priester sind untereinander in steter Fehde stehend, und es hat beinahe schon ein jeder für sich seinen eigenen Gott, läßt ihn Wunder wirken und schreit nur von seines Gottes Macht und Herrlichkeit. Der König aber kümmert sich wenig darum; denn er hält nur Gold, Silber und Edelsteine für seine Götter, – alle andern Götter gehen ihn nichts an!

3. Wir beide aber gehören noch dem Judenstamme an, der seit der gewissen Gefangenschaft unter dem Könige Nebukadnezar sich hie und da in unserem Lande angesiedelt hat, und so sind wir geheim noch Mosaiten, aber freilich ohne Schrift, ohne Bundeslade und ohne Tempel. Der Himmel mit seinen Sternen ist uns alles.

4. Wir glauben an den Gott, den Moses unseren Vätern zeigte, und halten noch den Sabbat und die sonstigen Gebote; aber der alte Jehova scheint unser nicht gar zu besonders mehr zu gedenken.“

5. Sagte der Wirt: „Auch ich bin ein Jude und kann euch versichern, daß der alte Jehova sehr euer gedachte, da Er euch in eurer Großnot eben hierher geführt hat. Morgen wird euch diese Sache schier vollends klar werden; für heute aber möget ihr euch ausruhen und euch noch stärken mit Brot und Wein!“

6. (Anmerkung) Als der Wirt die zwei Fremden beruhigt hatte, indem er ihnen die Versicherung gab – nebst noch mehr Brot und Wein zu ihrer Stärkung –, daß sie am kommenden Morgen in allem zufriedengestellt würden, kam er wieder an unseren Tisch zurück und konnte seine Verwunderung über das, was er von den beiden Fremden über die Priester und den König ihres Landes vernommen hatte, nicht genug ausdrücken.

7. Ich aber sagte zu ihm: „Laß das gut sein, – denn auch unter den Griechen, Römern und Juden geht es in dieser Zeit nicht besser; auch ihnen dienen ihre Götter zu nichts anderem, als durch sie mit Hilfe von allerlei Zaubereien soviel als möglich zu blenden und das Volk nach allen seinen Kräften opferwillig zu machen. Sie haben zwar kein IUS GLADII und kein IUS POTIORIS ET FORTIORIS, aber die gegenwärtigen Beherrscher der Völker sehen es gern, so die Priester das Volk recht blind und abergläubisch machen, damit sie, die Könige nämlich, das Volk leichter zum Gehorsam zwingen können und nicht dazu eine große Anzahl der kostspieligen Krieger benötigen.

8. Um die eigentliche Wesenheit Gottes kümmert sich ein Völkerbeherrscher äußerst wenig oder gar nicht. Er macht dann und wann äußerlich die vorgeschriebenen Zeremonien wohl mit, um das Volk glauben zu machen, wie hoch er selbst dessen Götter verehre; bei sich selbst aber ist und bleibt er – was das Weltleben betrifft – ein Epikureer und – was seinen Glauben betrifft – entweder ein Kyniker oder Sadduzäer, die an ein Fortleben der Seele nach dem Tode nicht glauben. Und wie der Beherrscher für sich denkt, so denken auch besonders die hohen Priester.

9. Will er mit irgendeinem seiner Nachbarn einen Krieg anfangen, so wissen die hohen Priester schon, wie sie zum voraus seine Völker zu bearbeiten haben, damit diese durch die Unterpriester bearbeitet werden, daß der bevorstehende Krieg von dem Willen der Götter ausgeht und der König, als der Repräsentant seiner Völker vor den Göttern, nicht umhin kann, ihrem durch die hohen Priester kundgegebenen Willen auf das eifrigste nachzukommen.

10. Dadurch werden die Völker nach der Elle breitgeschlagen, werden willig und eifrig, die von dem König benötigte Kriegsbeisteuer zu bezahlen, und machen sich selbst eine übergroße Ehre daraus, so sie noch bei guten Kräften sind, mit den Waffen in der Hand den Krieg mitzumachen.

11. Siehe du, Mein lieber Wirt, so geht es nun nicht nur in dem Lande, von welchem unsere beiden Fremden in ihrer großen Not gekommen sind, sondern auf der ganzen Erde zu, und es wird noch eine sehr lange Zeit erforderlich sein, bis die Völker zu der Einsicht gelangen werden, daß sie seit den Zeiten Mosis und der auf ihn folgenden Richter Menschenlasttiere der Großen und Mächtigen waren, sind und noch lange sein werden.“

151. Kapitel. Von den Gerichten Gottes und ihren Wirkungen.

1. (Der Herr:) „Du denkst dir nun freilich – wie es sich schon einige in Meiner Gegenwart gedacht haben –, Ich hätte ja die Macht, solch einem Weltunfug einen für alle Zeiten wirksamsten Strich durch seine Rechnungen zu machen! Da hast du freilich wohl recht; aber da müßte fürs erste dem Menschen, der ohne Unterschied seiner Geburt und seines Standes zur Kindschaft Gottes berufen ist, der freie Wille gänzlich benommen werden, und anstatt der freien Vernunft und des Verstandes müßte die Menschenseele gleich der Seele der Tiere mit einem Instinkt versehen werden, wonach dann ein jeder Mensch nichts anderes mehr zu tun imstande wäre, als wozu ihn sein Instinkt antriebe, – und fürs zweite müßte Ich auch die ganze Erde überaus bedeutend umändern und auf ihr bloß das Futter für derlei Instinktmenschen, wie für die andern Tiere, wachsen lassen. Dazu müßte Ich noch fürs dritte darum gar viele Pflanzen und Tiergattungen völlig eingehen lassen; denn wozu wären sie, so sie eben darum notwendig dasein müssen, damit sich aus ihrer nahezu endlos langen Stufenreihe die völlig freie Menschenseele zu entwickeln hätte?

2. Du siehst daraus, indem du noch ein tüchtiger Mosaist bist, daß es auf dieser Erde nun nicht anders zugehen kann; und ginge es besser zu, als es eben jetzt geht, so hätte Ich noch lange nicht nötig gehabt, Selbst als ein Mensch auf diese Erde zu kommen, um wenigstens bei denjenigen Menschen, bei denen noch ein besserer Sinn aus der früheren Zeit der Propheten übriggeblieben ist, den alten Glauben lebendig zu machen und auch die andern Menschen durch sie zu überweisen (überzeugen), daß die Weissagungen der Propheten nicht also wie die falschen Götzenlehrer ihre Schriften und Weissagungen aus der Luft gegriffen haben.

3. Das ganze Menschengeschlecht auf dieser Erde aber wird noch mehr denn ein paar tausend Jahre vonnöten haben, um in ein reineres Licht überzugehen.

4. Du weißt, daß nach der noachischen Flut die wenigen übriggebliebenen Menschen auf ziemlich lange hin einen besseren Weg des Lichtes gewandelt sind; aber die Welt und ihre Materie, in welcher der eigentliche Satan steckt, hat sie bald wieder an sich gezogen, und schon unter Abrahams Zeiten hat die Gottlosigkeit der Menschen einen ganz bedeutenden Fortschritt gemacht. Zähle alle die Gerichte auf, durch welche Ich derlei Völker auf das empfindlichste und schärfste heimgesucht habe!

5. Wie lange dauerte aber die Wirkung eines solchen Gerichts? Im allgemeinen höchstens drei bis vier Menschenleben hindurch, und es ging darauf gleich wieder zu wie früher und noch um vieles ärger! Ein Sodom und Gomorra, ein Babylon und ein Ninive wären jetzt nahezu als ein Paradies gegen Jerusalem, gegen viele andere Städte des einstigen Gelobten Landes und auch gegen viele Städte der Heiden anzusehen.

6. Es wird auch über alle diese Städte in jüngster Zeit ein Gericht ums andere kommen; aber die Wirkung desselben wird den vorangegangenen Gerichten ganz gleichkommen. Auf eine Zeitlang werden sich viele Menschen bessern und bekehren und Buße tun; sowie sie sich aber dadurch werden in einen diesirdisch besten Zustand versetzt fühlen, so wird sich bald wieder bei ihnen der Müßiggang einstellen, und die Pfiffigeren werden sich von den weniger Pfiffigen wieder um allerlei Scheinlohn bedienen zu lassen anfangen.

7. Und sind die Menschen einmal auf diesem Punkte angelangt, so fängt unter ihnen auch die Verfinsterung in ihren Gemütern wieder an; die Sonne des Lebens geht unter, und die volle Nacht geht auf der entgegengesetzten Seite siegreich auf und einher, und es dauert dann lange wieder, bis ein neuer Tag zu werden anfängt.

8. Und so magst du, Mein lieber Wirt und Freund, für dich und dein ganzes Haus dich mit dem begnügen, was Ich dir jetzt über den gegenwärtigen Stand der Menschen gesagt habe.

9. Bei guter Gelegenheit kannst du das auch deinen bewährten Freunden mitteilen und sie ermahnen zur Geduld und zur Ausharrung in Meinem Namen, und sie auch versichern Meiner Liebe und Gnade, und daß es bald lichter und besser aussehen wird, sowohl unter vielen Juden als auch unter den Heiden.“

152. Kapitel. Die Wirkung der Verbreitung des Evangeliums. Von der Wiederkunft Jesu

1. Mit dieser Meiner Erklärung war der Wirt vollkommen zufrieden und einverstanden.

2. Doch einige Meiner Jünger, besonders die bei Mir anwesenden etlichen Jünger des Johannes, sagten: „Herr, wenn das immer so zugehen wird, wie es seit Noahs Zeiten bis auf uns zugegangen ist, dann ist diese Erde ja vielmehr eine Pflanzschule für die Hölle als für den Himmel! Denn was wird es da nützen, den Völkern das Evangelium zu predigen, um sie zur wahren Buße oder Umkehr von ihrer alten Finsternis in Dein Lebenslicht zu bekehren, so der Satan gleich darauf wieder sein altes Spiel fortsetzen wird, woran nicht zu zweifeln ist?

3. Denn neben uns als Deinen wahren Jüngern werden sich nur zu bald eine große Menge falscher Lehrer und Propheten erheben und aus Dir machen, was sie wollen, und die Menschen werden sich, wie zu allen Zeiten, von ihnen durch allerlei Trugkünste und Zauberwunder derart überlisten lassen, daß neben und unter ihnen wir, Deine wahren Jünger, nicht des Lebens sicher sein werden.

4. Was wird Deine gegenwärtige Darniederkunft im allgemeinen den Menschen nützen? Wenige werden wohl unter Furcht und Zittern auf Deinen Namen halten und im Verborgenen nach Deiner Lehre auch leben und handeln, – aber wehe ihnen in dieser Welt, wenn sie als solche von den andern werden erkannt werden! Da wird die Verfolgung nahe so lange kein Ende nehmen, als bis die kleine Zahl Deiner rechten Bekenner von dem Boden dieser Erde hinweggefegt sein wird!

5. Haben die Israeliten sich in Deiner Gegenwart ein goldenes Kalb machen mögen und haben es verehrt und gepriesen, – um wieviel mehr die gegenwärtig ganz verstockten Menschen und Sünder jeder Art und Gattung! Herr, haben wir recht oder nicht?“

6. Sagte Ich: „Einesteils ja, – aber andernteils nicht; denn von nun an werde Ich Meine wahren Bekenner bis ans Ende der Zeiten schon derart zu beschützen und zu erhalten verstehen, daß ihnen die Macht des Satans wenig oder nichts wird anhaben können.

7. Sehet aber ihr zu, daß ihr nach Mir untereinander nicht uneins werdet, da Ich auch euch den freien Willen und die freie Erkenntnis belassen muß! Werdet ihr aber uneins, und wird der eine dies und der andere jenes als vorzüglich anpreisen, so werdet ihr selbst den ersten Grundstein zum falschen Prophetentum legen und mannigfache Spaltungen in Meiner euch gepredigten Lehre verursachen.“

8. Sagten wieder die Jünger: „Herr, das wird von uns aus nimmer geschehen, indem wir Zeugen von Deiner Lehre und Deinen Taten sind!“

9. Sagte Ich: „Das seid ihr zwar wohl, aber es wird dennoch von nun an kein Jahr vergehen, und ihr werdet euch über Mich ärgern, Mich verleugnen und verraten! Wahrlich sage Ich euch weiter: So Ich als euer Hirte in Kürze geschlagen werde, da werdet ihr als Meine Schafe euch zerstreuen. Ich werde euch nach Meiner Auferstehung wohl wieder sammeln und euch, mit allem versehen, in die Welt hinaussenden, um allen Menschen Mein Evangelium von der Ankunft des Reiches Gottes auf dieser Erde zu predigen, und ihr werdet viele Anhänger bekommen, – aber aus diesen Anhängern werden sich bald Nachfolger erheben und in eure Fußstapfen begeben und werden lehren, wie ihr auch, in Meinem Namen.

10. Die Berufenen werden nichts verderben, aber desto mehr viele Unberufene neben den Berufenen, und da wird sich bald Zank und Hader unter ihnen erheben, und ein jeder wird vorgeben, daß er die volle und reine Wahrheit lehre, und Meine Lehre wird bald gleichen einem Aase, das die Adler schon von ferne riechen, zum selben hinfliegen und es zur Sättigung ihres Leibes bis auf die Knochen aufzehren.

11. Das Gerippe wird dann freilich noch bleiben, aber nur wenige, durch Meinen Geist Weise, werden in sich erkennen, wie das Fleisch, mit dem einst die Knochen bekleidet waren, der Wahrheit nach ausgesehen hat. Der größte Teil aber wird an dem Gerippe noch so lange nagen, bis er dabei verhungern wird.

12. Da wird es dann freilich auf dem Erdboden viel Zankens und Zähneknirschens geben, und die Menschen, die so lange in der Finsternis waren, werden den schmutzigen Irrlichtern in ihrer Nacht nachrennen, in der Meinung, ein rechtes Licht zu überkommen; allein das vielfache Erlöschen solcher Irrlichter wird sie nach und nach in sich selbst zu der Überzeugung führen, daß sie die Betrogenen sind.

13. Und sehet, dann werde Ich wiederkommen wie ein hellster Blitz, der vom Aufgange bis zum Niedergange leuchtet und alles erhellt, was in, auf und über der Erde ist; und dann wird die Zeit kommen, in der die falschen Lehrer und Propheten mit den von dem Blitze erleuchteten Menschen nichts mehr ausrichten werden!“

153. Kapitel. Die Frage der Auferweckung der Gläubigen am Jüngsten Tage.

1. Sagte darauf Simon Juda, auch Petrus genannt: „Herr! Du hast zu uns zu öfteren Malen gesagt, daß nur jener Mensch, der an Dich lebendig glaubt und nach Deiner Lehre lebt und handelt, das ewige Leben überkommen wird, und Du ihn auferwecken wirst am Jüngsten Tage! Siehe, Herr, das sind aus Deinem Munde zwei Verheißungen, über die ich selbst trotz Deiner mannigfachen Erklärungen noch nicht völlig klar werden kann.

2. Was wird es denn mit den zahllos vielen Menschen für ein Ende nehmen, die von Dir noch lange nichts hören und vernehmen werden? Sind diese nun bloß darum auf der Erde, damit sie durch ihre Leiber den weiten Boden ebendieser Erde für ein allfällig noch besseres Menschengeschlecht düngen?

3. Denn bei diesen Menschen kann selbstverständlich keine Auferweckung durch Dich an irgendeinem Jüngsten Tage statthaben, indem sie – ohne ihre Schuld – an Dich unmöglich glauben und nach Deiner Lehre leben können; und dann ist ein Jüngster Tag, an dem Du alle Lebendigen und Toten erwecken willst, immer etwas sehr Hartes und Rätselhaftes in Deiner Lehre, trotz der so manchen Erläuterungen, die Du schon teilweise darüber gegeben hast. Denn bald hat er das Gesicht eines irgendwann einmal kommenden allgemeinen Tages, bald wieder das Gesicht eines speziellen für jeden ins große Jenseits übertretenden Menschen.

4. Sei ihm aber, wie ihm wolle, so begreife ich doch nicht, wozu noch eine abermalige Auferweckung für die ohnehin Lebendigen in Deinem Namen notwendig ist.

5. Für die eigentlichen Toten dünkte mir eine Auferweckung als notwendig; aber wann und wofür sollen sie nach der Auferweckung noch mehr tot werden, als sie vor derselben waren? Oder soll ihnen erst nach solch einer Auferweckung Dein Evangelium gepredigt werden?

6. Siehe, o Herr, darüber gib Du uns endlich eine vollgültige Erklärung, auf daß wir nicht immer heimlich der Meinung sein müssen, Du habest unter tausend Menschen nur einen fürs ewige Leben und die Neunhundertneunundneunzig für den ewigen Tod erschaffen!“

7. Und Ich sagte darauf: „Höre, du Mein Simon Juda! Ich meine, daß du in diesem Punkte deines fortwährenden Zweifelns selbst im Vollbesitze Meines Geistes nie klar werden wirst! Habe Ich euch doch schon einige Male gesagt, daß Ich euch noch gar manches und gar vieles zu sagen hätte, – aber ihr könntet es jetzt noch nicht ertragen, das heißt mit eurem Verstande begreifen und verstehen; darum werde Ich euch Meinen Geist senden und über euch ausgießen, der wird euch erst in alle Wahrheit und Weisheit leiten!

8. Ich darf jetzt vor euch nur ein bißchen mit Meiner Lehre nach oben ausgreifen, und ihr saget: ,Nun hast Du schon wieder Deinen Mund in Gleichnissen und Bildern aufgetan!‘, daß ihr sie nicht zu verstehen vermöget, und nennet darum Meine Lehre hart. ,Wer kann sie fassen und begreifen?‘

9. Wißt ihr denn nicht, daß ihr nun in Beziehung auf Meine Lehre gleich den kleinen, unmündigen Kindern seid, die man mit Milch speist, weil sie noch keine harte und kräftige Speise zu sich zu nehmen und zu verdauen imstande sind?

10. So ihr nach Mir ausgehen werdet, zu verbreiten unter den Menschen Mein Evangelium, so werdet ihr dasselbe tun, was Ich nun tue mit euch und mit andern Menschen, mit denen wir zusammenkommen.

11. Oder wie gefiele es euch denn, so in einer Knabenschule irgendein hochweiser Schriftgelehrter aufträte und anfinge, Vorträge über die verborgensten Stellen der Propheten vor seiner jungen und schwachen Zuhörerschaft zu halten, – was natürlich keiner seiner Zuhörer verstehen könnte? Müßte der hochweise Schriftgelehrte es sich am Ende nicht gefallen lassen, daß ihm seine Zuhörer zurufen würden und sagen: ,Hochgelehrter und weiser Freund, lehre uns doch zum voraus lieber lesen, zur Not schreiben und rechnen; dann erst siehe du, ob wir von deiner hohen Weisheit etwas begreifen können oder nicht!‘?

12. Und sehet, eine solche Zurechtweisung müßte Ich Mir von euch selbst gefallen lassen, so Ich im rein himmlischen Lichte euch Mein Evangelium vortrüge! Denn verstehet ihr schon Dinge dieser Welt nicht, die ihr im Notfalle doch mit den Händen greifen könnet, wie würdet ihr erst dann etwas begreifen, so Ich über vollkommen jenseitige und himmlische Dinge mit euch sprechen würde?“

154. Kapitel. Jesus begründet Seine Gnade.

1. (Der Herr:) „Das aber, worüber du, Mein Simon Juda, Mich soeben gefragt hast, ist eben zuallermeist vom Jenseits herübergenommen, und du magst es trotz Meiner mannigfachen Erläuterungen nicht völlig auf den Grund verstehen und beschuldigst Mich heimlich dadurch einer Art Ungerechtigkeit und tyrannenmäßiger Grausamkeit, was eben nicht gar fein von dir ist, und das darum um so weniger, weil du nun wohl schon weißt, wer Ich bin, und daß Ich sicher nur aus Liebe zu euch Menschen und nicht aus Zorn und Rache euer irdisches Fleisch angenommen habe, um Mich euch Selbst persönlich in aller Meiner Tiefe und Größe offenbaren zu können, ohne Mich des Mundes eines oder des andern Propheten bedienen zu müssen, um Meinen Willen euch Menschen kundzutun.

2. Meinst du denn nicht, daß Ich noch um vieles besser die Anzahl jener Menschen auf Erden kenne, die von Mir noch nie etwas haben erfahren können, jetzt nicht erfahren und noch lange nichts erfahren werden? Wie könnte Ich denn sie darum richten und verdammen, so sie ohne ihre Schuld an Mich nicht glauben können, da Ich doch, selbst unter den vielen Juden, die Mich gehört und wirken gesehen haben, noch niemanden gerichtet und verdammt habe, – außer einige wenige dem Fleische nach, die mit frechster Hast und Gier uns ergreifen und töten wollten? Wie sollte Ich dann die Unwissenden und Unschuldigen richten und verdammen?!

3. Es besteht aber kein Volk auf der ganzen Erde, als von Adam abstammend, das nicht aus der Urzeit her noch eine Art Überrest von der den Urvätern geoffenbarten Lehre über den einen und wahren Gott besäße. Daß diesen einen und wahren Gott späterhin die Priester und die Weltherrscher sehr verdeckt haben aus lauter weltlichem Eigennutz und an Seine Stelle dann allerlei Götzen gesetzt haben, an die das Volk glaubte und ihnen auch opferte, ist bekannt.

4. Und siehe: Wenn das Volk gewissenhaft nach diesen allerlei Lehren lebt und handelt, so hat es keine oder wenig Sünde vor Mir! Es lebt wohl in der Finsternis von allerlei Irrtümern, aber so ihre Seelen nach jenseits gelangen werden und alles alldort von Mir erleuchtet finden, so wird es ihnen ebenso ergehen wie einem allhier, der in der Nacht einen Weg zu gehen hatte und auf dem Wege auf allerlei Gegenstände geriet, die er bald für Menschen, für Tiere und bald wieder für etwas anderes hielt, nur für das nicht, was sie eigentlich waren und noch sind.

5. Lassen wir aber diesen nächtlichen Wanderer am hellen Tage denselben Weg machen, und er wird seine in der Nacht wunderlichen Erscheinungen sicher nur als das ansehen, was sie wirklich sind, und unmöglich für etwas anderes und wird sich am Ende selbst auslachen, wie er so dumm hat sein können, irgendeinen Baumstrunk für einen allfälligen Straßenräuber und einen auf dem Wege liegenden Stein für eine Hyäne zu halten!

6. Aus dem wirst du aber leicht entnehmen, daß dergleichen Seelen im großen Jenseits sich in Meinem Lichte des Lebens um gar vieles eher und leichter zurechtfinden werden als diejenigen Seelen, die von Mir treue Kunde haben und leicht sehen und begreifen können, daß Ich das Licht, das Leben und die Wahrheit bin, – aber ihr Weltsinn und ihr böser Wille läßt ihnen das nicht zu.

7. Lassen wir diese nach jenseits kommen, und sie werden dort das ihnen schon hier so verächtliche Licht des Lebens und der Wahrheit noch mehr fliehen und verachten denn hier!

8. Habe Ich dann unrecht, so Ich sage: ,Ich werde auch diese geistig Toten, so sie aus dem Fleische dieser Welt treten werden, auferwecken und sie richten und sie ihren Lohn für ihre Taten finden lassen!‘?

9. Ich werde sie sicher nicht persönlich richten; aber die ewige Wahrheit, die auch in ihnen ist, die sie aber über die Maßen anfeinden, wird sie richten und vor Meinem Angesichte in die Flucht treiben. Wird dafür Mir eine Schuld beizumessen sein?

10. Sagen nicht schon die weiseren Gesetze der Römer: ,VOLENTI NON FIT INIURIA!‘? Oder sollte Ich etwa aus einer Art Liebe zu solchen Meinen Widersachern Mein ewiges Lebens- und Wahrheitslicht von Mir tun und das Kleid der Lüge und des Betruges anziehen? Das wird hoffentlich von euch doch etwa niemand wünschen? Aber selbst für derlei durch sich selbst verworfene Seelen habe Ich euch zwei tröstende Dinge gesagt, einmal in dem Gleichnis vom verlorenen Sohn und dann in dem, als Ich bei einer ähnlichen fraglichen Gelegenheit zu euch gesagt habe, daß es in Meines Vaters Hause sehr viele Wohnungen, – um Mich aber hier deutlicher auszudrücken – sehr viele Lehr- und Korrektionsanstalten gibt, in denen selbst die auf dieser Welt verworfensten Menschenteufel bekehrt und gebessert werden können.

11. Ich meine, aus dem wirst du, Simon Juda, wohl so ziemlich klar sehen können, wie das zu verstehen ist, worüber Ich mit euch schon so oft gesprochen habe.“

155. Kapitel. Der Begriff der Ewigkeit.

1. (Der Herr:) „Daß Ich aber mit euch noch nie von einem allgemeinen Erweckungs- und Gerichtstage gesprochen habe, dessen werdet ihr euch alle wohl zu erinnern wissen, – wohl aber von einem speziellen jüngsten Tage für einen jeden Menschen, und das in dem Augenblick, in dem seine Seele die fleischlich-irdische Probehülle verlassen wird. Aber freilich wird diese Erweckung nicht jedem zum sofortigen ewigen Leben verhelfen, sondern auch umgekehrt zum ewigen Tode, wobei aber wohl zu bemerken ist, daß ihr das Wort ,ewig‘ nicht als eine endlos fortdauernde Zeit betrachtet, so wie auch die Unendlichkeit Meines Schöpfungsraumes sich nicht ausschließlich auf diesen Raum bezieht, der freilich wohl nirgends einen Anfang und ein Ende hat gleichwie Gott Selbst, von dem dieser Raum ausgeht und allenthalben erfüllt ist mit den Werken Seiner Liebe, Weisheit und der Macht Seines Willens nach allen Richtungen hin.

2. Die Ewigkeit entspricht wohl der Zeitendauer in den materiellen Welten; aber jenseits im Geiste ist sie das, was hier die Zeit ist. Aber es ist damit durchaus nicht gesagt, daß in ihr keine Veränderung statthaben sollte, sondern nur das ist damit angezeigt, daß die Wahrheit und das Leben ewig und unveränderlich gleich ist, und das Falsche und Unwahre bleibt denn als Gegensatz zu dem ewigen Wahrheitslichte und Leben demnach auch ewig, ohne daß ein Wesen dadurch auch gezwungen wäre, ewig in diesem Widersatze zu verbleiben. Denn ihr wißt, daß Gott als die ewige Liebe, Weisheit, Macht und Kraft auch ewig nie müßig sein kann und sein wird, sondern daß Er aus Sich ewig fort Schöpfungen hervorrufen und somit Seine Gedanken verkörpern und sie aus Seiner Liebe und Weisheit zur einstigen Selbständigkeit leiten wird, wozu in der Ewigkeit Zeit genug und im endlosen Raum Platz genug vorhanden ist.

3. Und solange irgendeine Schöpfung bestehen wird, wird zur göttlich reinsten Geistheit sich auch ein materieller schöpferischer Gegenstand vorfinden, der gewisserart der reinen Gottheit gegenüber den finsteren Lebensprobe- Gegenstand bildet, womit aber nicht gesagt ist, daß dieser finstere Gegenstand für die ganze Ewigkeit hin finster und böse verbleiben solle, so wenig, als diese ganze Erde und der für euch sichtbare Himmel mit seinen Sternen ewig also verbleiben werden, wie ihr das alles jetzt seht, sondern er wird vergehen und mit den Zeiten der Zeiten gänzlich aufgelöst werden, und an seine Stelle wird eine neue Schöpfung treten. Darum sage Ich zu euch schon jetzt: Sehet, Ich mache alles neu, und ihr alle werdet noch Meine neuen Schöpfungsgehilfen sein!

4. Ihr seid zwar hier nun sowohl zeitlich als räumlich begrenzt; aber dennoch fasset ihr Ewiges und Unendliches in euch, was ihr freilich jetzt noch nicht ganz begreift, aber einmal vollends begreifen werdet, wie dergleichen auch ein noch so kleines Sandkörnchen in sich faßt. Denn versuche einer von euch, der des Rechnens kundig ist, ein Sandkörnchen zu teilen, und er sage Mir dann, wann er mit der Teilung fertig wird! Ich meine, daß einem jeden noch so Rechnungskundigen solch eine Arbeit etwas zu langweilig werden dürfte, weil er mit ihr ewig nie zu Ende käme. Wie aber selbst in dem kleinsten Ding die Unendlichkeit vorhanden ist, so auch die Ewigkeit.

5. So Ich denn von der Ewigkeit und Unendlichkeit rede, so müßt ihr das auch in dem rechten Sinne verstehen, – nicht aber, wie es euch euer kurzsichtiger Weltverstand eingibt.

6. Sehet, hiermit habe Ich euch nun eine männliche und festere Kost gegeben, weil Ich wohl sehe, daß einige von euch schon mehr oder weniger die Fähigkeit besitzen, solch eine Kost zu verdauen!

7. Wenn ihr aber in Meinem Namen in die Welt hinausgehen und den Völkern Mein Evangelium predigen werdet, so werdet ihr es auch in einer Milchspeise den Kindern vorzusetzen haben. Denn so ihr mit solchen Lehren den Anfang machen würdet, da würden euch die Menschen als Irrsinnige ansehen und euch gar nicht anhören, was ihr lehren und sprechen würdet, darum ihr euch aber auch gar nicht zu kümmern habt; denn es wird euch allzeit in den Mund gelegt werden, wie und was ihr zu reden habt. Alles andere wird dann schon Mein Geist bei allen tun, die durch euch Meinen Geist überkommen und in ihm wiedergeboren werden. Und darin wird denn auch das Wahrzeichen bestehen, daß Meine Worte nicht aus dem Munde eines Menschen, sondern aus dem Munde Gottes zu euch gekommen sind. Und nun, Mein Simon Juda, bist du jetzt erleuchteter denn zuvor?“

156. Kapitel. Über das letzte Gericht.

1. Sagte Simon Juda: „Herr und Meister, diesmal habe ich alles das, was Du nun erklärt hast, mit größter Klarheit begriffen, besser als je irgendwann zuvor; aber das muß ich auch hinzugestehen, daß mich Deine zu große Weisheit beinahe erdrückt hätte. Dir ist es wohl ein leichtes, über derlei unendlich große Dinge noch leichter zu reden als ein Hausherr über sein Hausgerät, aber unser irdischer Verstand, der empfindet dabei die ganze Last Deiner endlosen Allwissenheit und seiner allernichtigsten Unwissenheit.

2. O Herr! Du wirst eine große Masse Deines ewigen Lichtgeistes über uns ausgießen müssen, bis wir nur das verstehen werden, was Du bis jetzt uns alles geoffenbart hast! Ich danke Dir für Deine so große Gnade, die Du uns nun erweisest; aber das sehe ich doch ein, daß wir nicht imstande sein werden, alle die großen Geheimnisse, die Du uns schon aus der Naturwelt, und daneben jene noch größeren aus dem Geisterreiche, geoffenbart hast, auch unseren Jüngern wiederzugeben.“

3. Sagte Ich: „Ist vorderhand auch gar nicht notwendig, sondern das wird schon Mein Geist bei vielen tun, die Ich dazu berufen werde. Für die Kinder der Jetztzeit aber ist es genug, daß die Menschen an Mich glauben, daß Ich diesem Meinem Fleische nach von Gott, dem Vater, ausgegangen bin, und daß ein jeder Mensch durch solch einen Glauben zur wahren Erkenntnis Gottes, zur wahren Liebe zu Ihm und zum Nächsten und dadurch auch zum ewigen Leben übergehen wird.

4. Und so werdet ihr in dem die Posaune sein, welche alle hören werden, auch die, die in den Gräbern sind, und die das Meer ihrer endlos vielen Torheiten und Sünden wegen gefangenhält, und sie werden aus den Gräbern hervorgehen, und auch die, die das Meer gefangengehalten, werden frei werden und angetan werden mit dem Kleide des Lebens.

5. Denn wer da erweckt wird durch die Posaune, der wird nicht erweckt zum Tode, sondern zum Leben; wer aber den Schall der Posaune nicht wird hören wollen, der wird auch nicht erweckt werden, sondern verbleiben in der Nacht seines Grabes und in der Gefangenschaft des Meeres bis zur Zeit, in der diese ganze Erde aufgelöst wird durchs Feuer. Denn wie zu der Zeit Noahs werden sie freien und sich freien lassen und sich gar nicht kümmern um die Stimme Meiner Erweckten; diese werde Ich aber dann gleich in einem Augenblick von dieser Erde entrücken und jene mit allen ihren Lieblingen dem alles zerstörenden Feuer preisgeben, zu dessen Entstehung die dermaligen unbußfertigen Weltmenschen selbst das allermeiste beitragen werden.

6. Und sehet, das wird ein letztes Gericht auf dieser Erde sein, zu dem kleine Anfänge bald nach euch werden gemacht werden! Zudem aber müsset ihr freilich nicht denken, daß solch ein Feuer alsogleich an allen Orten und Punkten der Erde zugleich hervorbrechen wird, sondern gleich nur so nach und nach, auf daß den Menschen noch immer zur Besserung Zeit und Raum gegeben wird.

7. Es entsteht in euch freilich geheim wieder die Frage, was es darauf mit solchen unbändigen Seelen für eine Bewandtnis haben werde. Da denket aber nur daran, was Ich euch soeben gesagt habe, daß es in Meines Vaters Hause viele Wohnungen und Korrektionsanstalten gibt, und ihr werdet daraus leicht innewerden, was da fürderhin mit solchen Seelen geschehen wird!

8. Jedoch, was Ich euch nun gesagt habe, das behaltet bei euch; denn die Menschen, wie sie jetzt sind, können solches nicht fassen und begreifen! Darum haben die Juden, als sie zu den Zeiten der Könige stets finsterer und halsstarriger geworden sind, die letzten drei euch schon bekanntgegebenen Bücher nimmer verstehen mögen und haben sie als apokryph (unecht) beseitigt.

9. Die euch bekannten Essäer haben sich derselben aber noch zur rechten Zeit zu bemächtigen gewußt und sich daraus auch viele irdische Vorteile bereitet, was freilich in Meinem Willen ebensowenig gelegen war, als es je in Meinem Willen hat gelegen sein können, daß die Menschen mit Hilfe aller der Fähigkeiten, die Ich ihnen gegeben habe, sich in alle Wucht der Sünden begeben und Meiner gänzlich vergessen sollten. Aber dessenungeachtet haben sich die Menschen mit allerlei guten und schlechten Erfahrungen bereichert und sind dann zu verschiedenen Zeiten dennoch wieder zu Mir zurückgekehrt und haben sich dadurch Wege zur Besserung und zum Lichte bereitet. Und so wird auch durch die Essäer noch ein rechtes Licht unter viele Menschen kommen.“

157. Kapitel. Jesus gibt Johannnes und Matthäus Winke für ihre Aufzeichnungen.

1. Sagte darauf Mein Johannes: „Soll ich mir von dem, worüber Du uns heute also gnädig belehrt hast, in meine Pergamentblätter etwas notieren oder nicht? Es könnte solches wenigstens für die Nachwelt von Nutzen sein!“

2. Sagte Ich: „Lasse das gut sein; denn in jener Zeit, so es notwendig sein wird, werde Ich solche Dinge schon durch den Mund neuerweckter Knechte, Seher und Propheten den Menschen, die eines guten Willens sind, offenbaren lassen, in dieser Zeit aber werden die von Mir Erweckten und in Meinem Geiste Wiedergeborenen schon ohnehin in alle ihnen notwendige Wahrheit und Weisheit geleitet werden.

3. Du wirst aber über das Wichtigste Meines Lehramtes auf dieser Erde in dem von dir geschriebenen und bleibenden Evangelium noch hinzu über die außerordentlichen Lehren und Taten anführen, daß du von ihnen nichts anderes sagst, als daß Ich noch gar vieles gelehrt und getan habe, was nicht in diesem Buche geschrieben steht; und würde man solches auch in Büchern aufschreiben, so würde sie die Welt, das heißt die Menschen, nicht fassen (Joh.20,30; 21,25). Und das ist genug.

4. Daß Ich Mich aber übrigens demjenigen, der an Mich glaubt, Mich liebt und Meine Gebote eben der Liebe hält, Selbst offenbaren werde – was du schon vor längerer Zeit niedergeschrieben hast –, das genüge einem jeden, der in Meinem Namen getauft und gestärkt wird durch Meinen Geist aus den Himmeln!“

5. Als Ich solchen Bescheid dem Johannes gegeben hatte, war er damit vollkommen zufrieden; aber der auch anwesende Evangelist und Schreiber Matthäus sagte: „Herr, ich habe ja auch mit allem Fleiß über Deine Lehren und Taten eine Menge Notate gesammelt, und Du sagst nicht, daß sie auch bleiben werden!“

6. Sagte Ich: „Auch deine Notate werden bleiben! Jedoch die, die du mit deiner eigenen Hand gezeichnet hast, werden zwar irgendwo als Schrift auch verbleiben, aber den Menschen, wo sie verbleiben, werden sie wenig nützen; ein anderer aber, der in deinem Namen schreiben wird, wird dich ersetzen, und seine Schrift wird bleiben. Und somit kannst auch du zufrieden und beruhigt sein.

7. Weil es nun aber schon spät in der Nacht geworden ist, so wollen wir uns einiger Ruhe überlassen, und der morgige Tag wird das Seinige schon wieder mit sich bringen!“

8. Der Wirt erhob sich voll der tiefsten Achtung vor Mir und wollte uns alle in ein Schlafgemach führen.

9. Ich aber sagte: „Das tue du den zwei Pilgern; wir aber bleiben die Nacht hindurch wie jetzt an diesem Tische.“

10. Der Wirt stellte sich damit zufrieden und brachte die beiden Fremden, die sich über Meine von ihnen unverstandenen Reden dennoch nicht genug verwundern konnten, in ihr Schlafgemach, und sie freuten sich schon auf den kommenden Tag, Mich und Meine Gesellschaft näher kennenzulernen, und dankten in ihrem Schlafgemach dem Wirte für seine Gastfreundschaft.

11. Wir ruhten darauf wie gewöhnlich bis zum Aufgange der Sonne, zu welcher Zeit wir uns dann sämtlich vom Tische erhoben und ins Freie gingen.

12. Einige hundert Schritte außerhalb der Stadt befand sich eine ziemliche Anhöhe, etwa bei hundert Fuß hoch über das ohnehin hohe Landesniveau, und von dieser Höhe hatte man einen gar herrlichen und weitgedehnten Blick über die großen Ebenen des Euphrat, und gegen Westen hin übersah man einen bedeutenden Teil des Jordantales bis zum Toten Meere hin, einen Teil von Jerusalem, Bethlehem und noch eine Menge Ortschaften bis an den Libanon hin.

13. Der Wirt fehlte nicht, uns auf diese Anhöhe zu begleiten, und fing uns da zu erklären an, was man gegen Osten alles sieht, gegen Mittag, gegen Westen und gegen Norden; denn er war in der Hinsicht recht sehr ortskundig, und Meine Jünger unterhielten sich mit ihm.

158. Kapitel. Das Historische der Basaltstadt und ihrer Umgebung.

1. Als er aber am Ende auch behaupten wollte, daß die Anhöhe, auf der wir uns befanden, eben der Berg Nebo sei, auf dem Moses verwandelt wurde, da sagte Ich zu ihm: „Da, Mein lieber Freund, gehst du mit deiner Ortskenntnis etwas zu weit; denn die Gegend des Berges Nebo, von welchem aus man auch die duftige Gegend von Jericho ganz übersehen kann, liegt noch eine kleine Tagereise gegen Süden zu entfernt. Da du aber schon so ortskundig bist, so sage Mir auch, wer der Erbauer dieser von dir bewohnten schwarzen Basaltstadt ist! Kennst du seinen Namen?“

2. Sagte der Wirt: „Herr und Meister, in der Chronik bin ich schlecht bewandert; aber so ich mich nicht irre, so dürften diese Stadt wohl die Gaditer erbaut haben! Denn von da an weiter nördlich hin soll das Land dem Stamme Gad zugehört haben, und weiter südlich mit einem Teil des glücklichen Arabien bis an den Strom Euphrat hinauf soll alles dem Stamme Ruben gehört haben. Die Grenzmarken dieser beiden Länder jedoch sollen in der bösen Zeit der Könige sehr verrückt worden sein, und man weiß jetzt nicht mehr genau, wie weit der Stamm Ruben das Land innehatte und wie weit der Stamm Gad. Wir halten diese unsere Stadt noch für ein Werk dieses Stammes.“

3. Sagte Ich: „Mein lieber Freund, da hast du dich nahezu um tausend Jahre geirrt, denn der Erbauer dieser und noch mehrerer anderer Städte war Edon, der noch vor der Zeit Abrahams lebte und diese Ländereien samt einem bedeutenden Teil des glücklichen Arabien bis an den Euphrat hinab und bis weit über Damaskus mit einem großen Teil des heutigen Syrien innehatte, und somit ist diese Stadt, samt mehreren andern Städten von Edon und seinen Nachkommen erbaut und ist eben um nicht gar zu viele Jahre jünger als Babylon.

4. Siehe, Mein Lieber, wir stehen nun auf dem Hügel, auf dem Abraham und Edon standen und Gott im Glauben ihres Herzens ein Opfer darbrachten und die Grenzen ihrer Ländereien abmachten. Alles nach Westen hin gehörte, soweit das Auge reicht, dem Abraham und das Land nach Osten hin bis an den Euphrat gehörte Edon und seinen Nachkommen, die sich später mit den Nachkommen Abrahams zum größten Teil vereinigt haben. Und siehe, so weißt du nun, wer der Erbauer dieser schwarzen Städte war, die so fest erbaut sind, daß man ihnen von jetzt an in mehr denn tausend Jahren den alles zerstörenden Zahn der Zeiten eben nicht besonders stark ankennen (ansehen) wird.

5. Aber ihre Bevölkerung wird mit der Zeit sehr vermindert werden und sehr verarmt sein; denn jetzt ist dieses Land noch fruchtbar, aber dann wird es zu einer Wüste werden, und ärmliche Hirtenvölker werden nur in der nassen Winterszeit für ihre mageren Herden ein spärliches Futter antreffen und nicht heiklig (wählerisch) sein, bald die eine, bald die andere dieser vielen Städte eine Zeitlang zu bewohnen.

6. Und doch soll diese jetzt schon sehr wüste Gegend bis an den Euphrat hinab wieder grünen und den Menschen, die eines guten Willens sein werden in Meinem Namen, eine gesegnete Wohnstätte abgeben!“

7. Sagte darauf der Wirt: „Ja, Herr und Meister! Eine gleiche Weissagung habe ich auch im Propheten Jesajas gelesen! Aber wann wird diese Zeit kommen? Davon steht im Propheten nichts! Weißt Du, o Herr und Meister, mir eine bestimmtere Zeit anzugeben?“

8. Sagte Ich: „Jahr, Tag und Stunde wohl nicht – denn das hängt von dem Wandel der Menschen ab, wann sie sich wieder von ihren Weltkönigen lostrennen werden und sich unter Meine Herrschaft wie zu den Zeiten Mosis und der Richter begeben –; das sage Ich dir aber dennoch als etwas Bestimmtes, daß bis dahin nicht viel über zweitausend Erdjahre vergehen werden.

9. Doch in dem jetzt noch sehr wüsten Erdteil, den ihr Europa nennt, und dessen Völker nun über euch herrschen, wird der glückliche Zustand eher erfolgen; denn in diesem alten Weltteil gibt es noch eine große Menge – wohlverstanden – sehr harter Steine, die sich nicht so bald und so leicht in ein fruchtbares Land werden umgestalten lassen. Die harten Steine aber entsprechen den ebenso harten Herzen der Menschen, die auch schwer zu fruchtbaren Äckern zur Aufnahme Meines Wortes werden umgewandelt werden können.

10. Ich sage dir: Eher, als ein Zehntel der Menschen dieses alten großen Erdteils sich im Vollsegen Meiner Lehre befinden wird, wird der schlechteste Teil von Europa in Meiner Lehre gesegneter sein, als in diesem alten Erdteil der kleinste und beste; denn da wird es noch viel Feuers benötigen, bis die übervielen Menschen dieses Erdteils sich wirksam in den Strahlen Meiner Lebenssonne befinden und zum ewigen Leben erwärmen werden.“

11. Sagte der Wirt: „O Herr, da sieht es für uns noch sehr traurig aus! Darum hat der große Prophet über die Zeit der Wiederkehr des glücklichen Zustandes gleichwohl nichts Bestimmtes angeben können?“

12. Sagte Ich: „Ja, ja, Mein lieber Freund, siehe, dort im sehr fernen Osten geht die Sonne viel früher auf denn in dem weit entlegenen Westen; aber darum wird gerade dort, wo die Sonne um vieles früher aufgeht, auch um vieles früher Nacht, und die bleibt dann so lange, bis die Sonne wieder aufgeht. Es ist dies ein für dich begreifliches naturmäßiges Bild nur, – hinter dem aber steckt auch das geistige.

13. In Mir ist die geistige Sonne für euch auch zuerst und am frühesten aufgegangen; aber dafür wird sie auch für euch am frühesten untergehen. Wenn sie aber wieder aufgehen wird, so wird sie zu euch nicht etwa vom Westen her aufgehen, sondern abermals von einem von hier aus sehr tief gelegenen Osten; denn bei Mir geschieht alles in einer gewissen Ordnung, und wider diese Ordnung geschieht nichts, weder materiell noch geistig.

14. Jetzt verstehst du die Sache noch nicht, aber es wird bald die Zeit kommen, in der du sie verstehen wirst.“

159. Kapitel. Vom Wesen der Sonne.

1. Sagte der Wirt: „O Herr und Meister, ich meine, ganz in das volle Verständnis dessen, was Dein Mund ausspricht, wird selbst ein weisester Engel-Seraph in Ewigkeit nicht gelangen! Aber um etwas Besonderes muß ich Dich bei dieser Gelegenheit doch fragen, weil die Sonne heute gar so rein und herrlich aufgeht, wie man sie sonst in dieser Gegend gegen Osten hin wegen der vielen Dünste, die sich in dieser unabsehbaren Ebene in einem fort entwickeln, nur sehr selten aufgehen sieht: Ist die Sonne ein Feuer für sich, dessen Flammen die Erde erleuchten, und zwar in einem so starken Grade, daß man auf der Erde niemals solch ein mächtiges Licht bereiten und irgend schauen kann?

2. Ihre außerordentliche Wärme, die sie uns auch mit dem Lichte zusendet, läßt uns vermuten, daß sie ein äußerst heftiges Feuer sein muß; aber da sie im Winter ebenso leuchtet wie jetzt und wir von der Hitze ihres sein sollenden Feuers nur sehr wenig wahrnehmen, so sind einige der Meinung, daß sie im Grunde doch kein eigentliches Feuer sein dürfte. Wir bilden aber hier eine Gemeinschaft, bestehend zumeist aus Römern, Juden, Griechen, Arabern und Ägyptern, und da gibt es verschiedene Meinungen, und doch kann man aus keiner nur im geringsten klug werden.“

3. Sagte Ich: „Da würdet ihr auch noch lange nicht klug werden, weil ihr alle seit alters her mit der dicksten Nacht des Aberglaubens umlagert seid! Wer das begreifen will, der wisse, daß der Auf- und Untergang der Sonne nur ein scheinbarer ist; denn was euch Tag und Nacht verschafft, rührt von der Umdrehung der Erde her, die kein Kreis – wie ihr es meint –, sondern eine ganz respektable große Kugel ist, und so ist der Tag und die Nacht nichts als eine Folge solch einer Umdrehung der Erdkugel, zu welcher Umdrehung die Erde eine Zeit von ungefähr 24 eurer Stunden benötigt.

4. Wie aber die Erde nicht ein Kreis, sondern eine Kugel ist, so ist es auch die Sonne, nur um tausendmal tausend Male größer als diese Erde. Daß sie euch so klein, wie ihr sie sehet, erscheint, ist die Ursache ihrer sehr großen Entfernung von dieser Erde. Wenn Ich dir auch die Zahl der Stunden angäbe, die sie von der Erde entfernt ist, so würdest du dir doch keinen rechten Begriff von der Entfernung machen können, weil du in dem Zahlengebäude nach der altarabischen Weise zu wenig bewandert bist. Denke dir aber eine Entfernung von nahezu 44 Millionen Stunden – welche Zahlgröße dir schon ein paar hier lebende Araber verdolmetschen werden –, und du wirst dir dann schon einen kleinen Begriff machen können, in welcher Entfernung die Sonne von der Erde absteht und nicht um die Erde geht, um Tag und Nacht zu bewirken, oder sich nach der Römer und Griechen Aberglauben täglich in das große Meer versenkt, um sich darin gewisserart zu baden und abzuwaschen, damit sie dann wieder in voller Lichtkraft den Erdkreis erleuchten kann.

5. Die Erde aber geht wohl um die Sonne in ungefähr 365 Tagen, und diese zweite Bewegung der Erde verschafft euch ein Jahr mit seinem Frühling, Sommer, Herbst und Winter.

6. Die Sonne ist aber an und für sich kein Feuer, sondern das, was ihr als Licht erseht, ist das Strahlen ihrer atmosphärischen Oberfläche, das durch den Umschwung der Sonne selbst wieder um ihre eigene Achse, und mehr noch durch ihre außerordentlich schnelle Bewegung um eine von ihr noch viel weiter entfernte Mittelsonne bewirkt wird. Durch solche Bewegungen der Sonne im weiten Ätherraum wird auf ihrer atmosphärischen Oberfläche eine außerordentlich große elektrische Wirkung bewerkstelligt, und ihr Lichtglanz ist daher in einem sehr erhöhten Grade dasselbe, was das Leuchten eures Blitzes ist, nur mit dem Unterschied, daß auf der Luftoberfläche der Sonne die außerordentliche Entwicklung des Blitzes eine ununterbrochene ist, während auf dieser Erde sich der Blitz nur hie und da durch größere Reibung der Luftteile in einem sehr geringen Grade entwickelt und daher allzeit nur höchst kurze Zeit leuchtet.

7. Es gibt aber auch schon Gegenden auf dieser Erde und gewisse Punkte, über denen sich der Blitzstoff in einem viel mächtigeren Grade entwickelt und dadurch diese Punkte auch mit seinem Lichte stundenlang ganz gewaltig erhellt.

8. Wer sich davon überzeugen will, der reise in jene Mittelgegenden Afrikas, wo dieses Erdteils höchste und sehr weitgedehnte Gebirge sich erheben, und er wird alldort von dergleichen elektrischen Erscheinungen hinreichend viele zu sehen bekommen. Aber es wird ihm beim Betrachten dieser Erscheinungen noch übler zumute werden, als so über diese Gegenden sich oft größere elektrische Stürme erheben und die Menschen dann vor der Unzahl der Blitze und ihrem Gekrache sich lieber in die tiefsten und finstersten Keller verschließen, als der gefährlichen, oft zahllos vielen Blitze Leuchten im Freien zu bewundern.

9. Ja, Freund, nicht alle Naturerscheinungen auf dieser selbst kleinen Erde sind geeignet, dem Menschen ein solches Vertrauen zu entlocken, daß er sie guten Mutes ohne Furcht und Zagen ertragen und beobachten könnte!

10. Geht es aber schon dann und wann auf dieser kleinen Erde in ihren Naturerscheinlichkeiten für euch Menschen ein wenig exzentrisch (merkwürdig) vor sich, um wieviel mehr auf einem so großen Weltkörper, wie es die Sonne ist.

11. Im Geiste werdet ihr das einmal alles mit der größten Freude und mit dem größten Behagen betrachten können; aber für euer Fleisch tut sich das nicht.

12. Damit habe ich dir nun gesagt, was es mit dem Leuchten der Sonne für eine Bewandtnis hat, und habe dir dadurch ein kleines Fünklein Lichtes gegeben; doch was du jetzt in der Vollkommenheit noch lange nicht begreifen wirst, das werden in tausend und etlichen hundert Jahren Meine Kinder in Europa und noch viel weiterhin an den Fingern auszurechnen imstande sein, und es wird das sehr viel zur Minderung und am Ende gar Vernichtung des alten, bärenpelzmäßigen Aberglaubens beitragen. Für euch aber genügt jetzt, daß ihr an Mich glaubt und nach Meiner Lehre lebt und handelt; alles andere wird euch zur rechten Zeit schon hinzugegeben werden.“

13. Hierauf dankte Mir der Wirt sehr für diese Meine ihn im höchsten Grade überraschende Erklärung und sagte zu Mir, daß sie sehr mit einem von ihm einmal gehabten Traumgesichte übereinstimme, in welchem Traume er durch den Geist des Propheten Elias, von dessen nächsten Verwandten auch er abstamme, ein Bild gesehen habe, das mit dem übereinstimme, was Ich, der Herr, ihm soeben jetzt gesagt habe.

14. „In diesem Traum“, sagte der Wirt weiter, „kam es mir vor, daß ich mich hoch entrückt über der Erde befand und diese nicht als einen Kreis, sondern als eine große Kugel unter meinen Füßen erblickte. Und ich fragte darauf den Geist des Elias, was dieses zu bedeuten habe.

15. Und er sagte: Das wirst du von Dem erfahren, der vor mir war und ewig sein wird!

16. Darauf ward ich wieder wach und befand mich in Joppe, wo ich geboren ward; denn hier in dieser Stadt befinde ich mich erst seit zwanzig Jahren.“

17. Als der Wirt noch solches erzählte, kam ein Bote und lud uns zum Morgenmahle, und wir verließen unseren Berg und begaben uns in das Haus unseres überaus freundlichen Wirtes.

160. Kapitel. Jesu Voraussage über die Aufnahme der Fremden bei ihrem Könige.

1. Als wir uns am Tische befanden, da kamen auch die beiden Fremden zum Vorschein und setzten sich ganz schüchtern zu ihrem einsamen kleinen Tische. Ich aber berief sie, daß sie sich nun nur an unseren Tisch setzen sollten und mit uns halten das Morgenmahl, was die beiden denn auch alsobald taten, obschon mit jener Schüchternheit, die der Armut wider ihren Willen eigen ist.

2. Doch Ich flößte ihnen bald Mut und Trost ein, worauf sie zutraulicher und gesprächiger wurden und uns viel erzählten von ihrem König und von ihren Priestern.

3. Ich aber sagte: „Für eure Priester wird bald die letzte Stunde schlagen; euer gegenwärtiger König aber wird für euch noch ein guter Mann werden, so er nach wenigen Jahren von Mir Kunde erhalten wird. So ihr aber von hier wieder in euer Land kommen und eurem König den Tribut entrichten werdet, nicht nur einfach, sondern zehnfach, so er es annehmen will, da wird er freundlich werden zu euch und wird euch fragen, wie ihr zu so viel Goldes und Silbers gekommen seid. Da erzählet ihm in aller Bescheidenheit, wie weit ihr über den Euphrat herübergekommen seid, was ihr gesehen und gehört habt, und wie ihr zu eurem Gelde gekommen seid!

4. Er wird euch dann zu sich nehmen und sich mit euch gerne besprechen über Abraham, über Moses und die andern Propheten, und besonders über Mich, indem Ich eben Derjenige bin – wennschon im Fleische und Blute –, von dem alle Propheten geweissagt haben, und Ich werde in kurzer Zeit Boten zu ihm entsenden, die ihm alles im klarsten Lichte zeigen werden, was sie von Mir gesehen und gehört haben. Und so die Boten kommen werden in jene Stadt, in der euer König residiert, werden sie zuerst zu euch kommen, und ihr werdet sie zu eurem Könige hinführen.“

5. Darauf ward das Morgenmahl bald eingenommen, und Ich sagte zu ihnen: „Nun möget ihr euch getrost erheben und auf die Heimreise machen; draußen vor dem Hause werdet ihr alles antreffen, dessen ihr zu eurer Heimreise bedürfet!“

6. Da dankten die beiden, erhoben sich vom Tische, machten bald einen Blick durch die Tür auf die Gasse, was es für sie zur Heimreise etwa allda Neues gäbe; denn da ihnen im Zimmer niemand eine Gabe in die Hand gedrückt hatte, so waren sie etwas kleingläubig, und waren daher neugierig, was sie auf der Gasse antreffen würden.

7. Als sie aber auf die Gasse kamen, fanden sie sechs Kamele, darunter waren vier mit Gold und Silber schwer beladen, und zwei waren für sie bereitet, um sie in ihre Heimat zu bringen, und auch mit so viel Gold versehen, daß sich die beiden bis in ihre Heimat ganz gut ernähren konnten.

8. Obschon aber der Weg in ihre Heimat ziemlich weit entlegen und hie und da von räuberischen Beduinen unsicher war, so kamen die beiden dennoch ohne allen Anstand ganz wohlbehalten in ihre Heimat und taten daselbst auch alsbald das, was Ich ihnen angeraten hatte, worauf der König sehr freundlich mit ihnen wurde, sie zu seinen Sachwaltern machte und ihnen ihre Weiber und Kinder, mit prächtigen Kleidern angetan, wohlbehalten zurückgab.

161. Kapitel. Die Ausbreitung der Lehre Jesu in Babylon.

1. Bei diesem Könige ist einige Jahre darauf der Apostel Matthäus mit seinem Begleiter bei seiner Reise nach Indien sehr gut aufgenommen worden und hielt sich ein ganzes Jahr bei ihm auf.

2. Als dieser aber weiter nach Indien reisen wollte mit seinem Begleiter, da gab ihm der König ein sicheres Geleit bis an die Grenzen seines Reiches, und so war dieser Apostel einer der ersten Zeugen von Mir bei diesem Könige und wollte in der Stadt, die damals noch Babylon hieß – obschon das alte Babylon ziemlich weit weg von dieser Stadt einen großen Schutthaufen bildete –, Bekehrungen machen unter den Heiden, die zumeist Balamsdiener waren.

3. Der König aber widerriet ihm solches und sagte: „Es ist genug, daß ich und mein Hofstaat wissen und einsehen, was wir zu glauben haben, und wie wir mit diesem Glauben daran sind; für das Weitere werden schon ich und mein Sohn sorgen, – denn ich möchte euch nicht der grenzenlosen Wut meiner Priester preisgeben. Wenn diese aber nach und nach werden ausgestorben sein und ich dafür sorgen werde, daß nach ihnen keine Stellvertreter mehr kommen, da wird sich mit dem Volke leichter verhandeln lassen.“

4. Mit dieser Äußerung des Königs waren die beiden Apostel zufrieden und kümmerten sich nicht mehr darum, Meine Lehre unter den Völkern dieses Königs auszubreiten.

5. Sieben Jahre später aber kam ohnehin Petrus mit seinem Sohne Markus zu diesem König, ward ebenfalls überaus gut aufgenommen und machte auch dem Könige Vorstellungen, wenigstens die Stadt mit Meiner Lehre nach und nach bekannt zu machen.

6. Der König, der den Petrus wie auch den Markus sehr lieb hatte, widerriet solches dem Petrus, indem er wohl wußte, von welchem Geiste seine Baalspriester beseelt waren, und sagte eigens zu Petrus: „Siehe, wir leben hier in einem Lande, das besonders weiter gegen Osten hin, bis an den großen Strom Ganges, von allerlei wilden und reißenden Bestien strotzt und nicht minder von allerlei giftigem Unkraut! Wo aber Gott der Herr solche Tiere und Giftpflanzen in großer Menge werden läßt, da ist sicher sowohl der Erdboden, als auch besonders die Luft, überfüllt von bösen Geistern und Teufeln, und diese rennen umher wie hungrige und brüllende Löwen, Tiger, Panther und Hyänen und suchen, ob sie wen aus der Klasse der Menschen fänden, um ihn zu verschlingen.

7. Die vorbenannten Bestien sind grimmig und sehr böse, und man kann nur mit großer Gefahr auf sie Jagd machen; aber noch tausend Male böser sind meine Baalspriester, denn von denen hat ein jeder wenigstens tausend Teufel in sich, und es kann ihnen nicht leichtlich jemand anders wirksam opponieren als nur ich mit meiner äußersten Strenge und meinen Soldaten, die aber zum größten Teil Juden, Griechen und Römer sind, indem ich als König selbst nur ein Vasall Roms bin, was euch beiden bekannt sein wird, da das römische Reich bis an den Ganges reicht, nach welchem erst das große indische Reich anfängt, dessen Grenzen von uns aus aber noch niemand kennt.“

8. Dieser Rat des Königs gefiel zwar Petrus wohl, aber er fühlte doch heimlich einen Drang, mit einigen und andern Bürgern dieser Stadt von Meiner Lehre und Meinem Reiche Unterredungen zu halten, wovon natürlich auch bald die Priester Kunde erhielten und dem Petrus auch durch ihre Boten den Antrag machten, auch sie mit solch einer beseligenden Lehre bekannt zu machen.

9. Petrus ließ sich zwar längere Zeit dazu nicht verleiten, besonders da ihn sein Sohn und Gehilfe Markus ernstlich davor warnte und auch immer sagte: „Laß du hier dem Könige für unsere Sache die Waltung, und wir werden nicht wider den Willen des Herrn walten, so wir hier den Rat des Königs befolgen!“

10. Petrus aber ging nach ein paar Jahren dennoch einmal hinaus außer die Stadt, gleichsam lustwandeln, und fand alldort mehrere Bettler und Kranke. Die Armen beteilte er und die Kranken heilte er durch die ihm innewohnende Kraft Meines Geistes.

11. Bei diesem Wunderwerke kamen auch mehrere Baalspriester hinzu, erkannten Petrus und baten ihn sehr inbrünstig, sich mit ihnen ein wenig fürbaß und landeinwärts zu begeben.

12. Und er gab ihren vielen Bitten und treuen Versicherungen dadurch und darum Gehör, weil sie ihm angaben, daß in einem sehr nahe gelegenen Orte sich eine Menge Kranker befänden, die kein Arzt zu heilen imstande sei, und so er auch diese heilen werde, so würden auch sie und alle andern Priester seine Lehre annehmen und ihre Tempel mit eigener Hand zerstören.

13. Auf diese Rede ging Petrus mit diesen Priestern und gelangte mit ihnen nach einer Stunde Weges richtig an einen Ort, in dem es eine Menge Fieberkranke und Besessene gab, die er alle heilte und auch sogar einen Toten zum Leben erweckte.

14. Die Geheilten aber fingen an, Petrus zu loben, und sagten: „Dieser muß von dem wahrhaften Gott gesandt sein, ansonst es ihm nicht möglich wäre, solches an uns bloß durch sein Wort zu bewirken, was alle unsere so vielen Götter noch niemals zu bewirken imstande waren.“

15. Das machte aber die den Petrus begleitenden Priester über alle Maßen grimmig. Sie zwangen ihn freundlich, aber nur dem Außen nach, mit ihnen noch einen kleinen Ort zu besuchen, zu dem hin man durch einen Myrten- und Rosenwald gelangen konnte. In diesem Walde ergriffen sie Petrus, zogen ihm seine Kleider aus, erschlugen ihn und hängten ihn dann bei den Füßen an einen dürren Myrtenbaum, an den sie zuunterst einen Querbaum befestigten und an diesen seine Hände mit Stricken banden, ließen ihn daselbst also hängen und zogen sich dann auf einem andern Wege in die Stadt zurück.

16. Da aber Petrus dem Könige zu lange ausblieb, so ließ er ihn allenthalben suchen, sowohl in als auch außerhalb der Stadt, und es gelang ihm erst am zweiten Tage, den Petrus in dem Myrtenwalde, tot und sehr übel zugerichtet, zu finden.

17. Dabei wurde er aber auch von den Geheilten benachrichtigt, daß die Priester der Stadt ihn in aller Freundlichkeit zu ihnen gebracht und er sie wunderbar gesund gemacht hätte und dazu auch einen Toten wieder zum Leben erweckt. Dazu käme aber noch, daß er dann mit den Priestern weiter fürbaß und landeinwärts gezogen sei.

18. Der König war darüber sehr traurig, ließ Petrus mit königlichen Ehren in der königlichen Gruft beerdigen und ließ auch den Myrtenbaum in seine Gruft bringen.

19. Aber den über zweitausend Priestern in dieser Stadt ging es darauf schlecht. Der König verschonte nicht einen einzigen und ließ sie durch seine Soldaten alle töten und dann in mehr denn vierhundert Wagen weit hinaus in eine Wüste führen, wo er sie aus den Wagen werfen ließ und sie dann daselbst den vielen wilden Bestien zum Fraße dienten.

20. Der Jünger Markus aber begann dann mit Hilfe des Königs und unserer bekannten beiden Sachwalter die Menschen beinahe der ganzen Stadt zu Meiner Lehre zu bekehren, und es dauerte lange nicht ein Jahr, da war die ganze Stadt segensvollst zu Meiner Lehre bekehrt und durch sie bald darauf nahe auch das ganze Land.

21. (Ich gebe euch hiermit, euch Meinen jüngsten Jüngern, bei dieser Gelegenheit die Wissenschaft von dem, wo und wie der erste Apostel für diese Welt geendet hat; also nicht in Rom, noch weniger in Jerusalem, sondern in der neuen Stadt Babylon, die späterhin den sarazenischen Namen Bagdad erhielt.)

22. Solches erzählte Ich aber bei unserem Wirte in der euch bekannten Stadt nicht etwa den Jüngern, sondern allein nur euch in dieser Zeit, und wir können nun wieder unsere frühere Stellung, noch am Tische des Wirtes sitzend, einnehmen.

162. Kapitel. Jesus segnet die wüste Gegend der räuberischen Hirten. Jesus in der Stadt am Nebo

1. Der Wirt bat Mich, ob Ich nicht noch etliche Tage bei ihm verweilen möchte.

2. Ich aber sagte zu ihm: „Ich werde im Geiste, so du an Mich glaubst, Mich gleichfort liebst und nach Meiner Lehre lebst und handelst, stets bei dir bleiben, aber mit Meinem Fleische werde Ich nicht lange mehr auf dieser Erde verweilen; denn Meine Zeit naht sich ihrem Ende, und Ich habe noch vieles zu tun in andern Städten und Ortschaften, und somit werde Ich Mich mit diesen Meinen Jüngern denn auch sogleich gegen Süden hin auf die Weiterreise begeben.“

3. Darauf brachte der Wirt noch frischen Wein und Brot; wir nahmen davon etwas zu uns, erhoben uns dann vom Tische und schickten uns zur Weiterreise an.

4. Als Ich den Wirt und sein ganzes Haus gesegnet hatte, dankten Mir der Wirt und das ganze Haus, und der Wirt selbst begleitete uns noch bei zwei Stunden weit fürbaß, bei welcher Gelegenheit Ich ihm noch so manches Lebensgeheimnis enthüllte, wodurch er höchst getröstet war.

5. Er kehrte dann wieder nach Hause, und wir zogen noch eine gute halbe Tagereise weiter gegen Süden, und zwar über einen sehr wüsten und öden Boden, auf dem wir nur wenige Hirten mit ihren mageren Herden antrafen, die uns zuliefen, um von uns entweder ein Almosen zu erbitten oder im schlimmeren Fall auch zu ertrotzen.

6. Meine Jünger aber, die zusammen eine ganz bedeutende Menschenzahl ausmachten, bedrohten sie und hießen sie zurückweichen, ansonst ihnen etwas Übles begegnen werde, vor welcher Drohung aber die zusammengelaufenen Hirten, bei dreißig an der Zahl, eben auch nicht die zufriedenste Miene machten und anfingen, zu schimpfen und über sie loszuziehen, was einige der arabischen Zunge kundige Jünger verstanden, und sie – selbst Mein Johannes und der Apostel Petrus – sagten zu Mir (die Jünger): „Herr, hast Du für dieses elende Gesindel keine Blitze und kein Feuer mehr? Laß doch so wie über die Sodomiten Blitze und Feuer regnen über dieses böse Raubgesindel!“

7. Und Ich sagte zu den Jüngern: „Altoran, das heißt o ihr Kinder des Donners und des Zornes! Sollte Ich diese Armen noch mehr strafen, als sie ohnehin schon gestraft sind? Tut ihnen lieber Gutes, statt daß ihr sie arg bedrohet, und sie werden euch gleich ein besseres Zeugnis und eine bessere Rede geben!“

8. Darauf ließ Ich die Hirten zu Mir kommen und sagte zu ihnen: „Sehet, ihr armen Benutzer dieser wüsten Gegend, Gold und Silber tragen wir nicht bei uns, und Ich als der Herr am allerwenigsten; und so wir euch auch mit Silber und Gold beschenkten, so würde euch das in dieser weitgedehnten Wüste wenig nützen! Ich kann euch aber etwas anderes tun, das euch nützen wird. Sehet, ihr habt samt euren Herden wenig Nährfutter und nahezu auch kein Wasser! Ich aber habe die Macht, diese eure Gegend zu segnen, und ihr werdet alsbald mitsamt euren Herden keinen Mangel zu leiden haben. So euch das recht ist, so will Ich's auch tun.“

9. Sagten alle die Hirten: „Herr und Meister, so Dir das möglich ist, daran wir nicht zweifeln, darum Du es gesagt hast, so wird uns das ums unaussprechliche lieber sein, als so Du alle diese Steinklumpen in Gold und Silber verwandeln würdest, wir aber mitten unter solchen Schätzen samt unseren Herden dem Hungertode preisgegeben wären.“

10. Auf diese Worte der Hirten hob Ich die Hände auf, dankte und segnete die Gegend, und alsbald hatte weithin die ganze Gegend des Grases und auch der Quellen in einer gerechten Menge, und die Hütten der Hirten wurden mit Brot und Salz versehen.

11. Als die Hirten das ersahen, fielen sie vor Mir nieder, priesen Mich über die Maßen und sagten, daß Ich kein Mensch, sondern ein Gott sei; denn solches zu bewirken sei weder Moses, dessen Namen sie kannten, noch seinen Nachfolgern möglich gewesen.

12. Sie brachten uns darauf Milch und Brot, und wir alle nahmen etwas davon, setzten unseren Weg unter vielen Lobpreisungen von seiten dieser Hirten wieder weiter fort und vernahmen noch weithin das laute Frohlocken dieser beglückten Hirten.

13. Und Ich sagte auf dem Wege zu Meinen Jüngern: „Urteilet nun selbst, was da besser ist: Gutes tun denen, die einem Übles tun wollen, oder Böses mit Bösem vergelten? Darum sollt ihr in der Zukunft eure Feinde lieben und sie segnen, und denen Gutes tun, die euch Übles tun wollen, so werdet ihr glühende Kohlen über ihren Häuptern sammeln und euch dadurch viele Freunde machen!

14. Tuet in allem, wie Ich es tue, und ihr werdet auf euren Wegen in Meinem Namen mit wenigen Steinen des Anstoßes zu tun haben! Aber wehe, wenn ihr denen, die drohend gegen euch auftreten, auch drohend begegnet und sie gleich mit Strafen belegen wollt! Da werdet ihr viel Ungemach auf der Erde zu erleiden haben! Liebe erzeugt allzeit wieder Liebe, – Zorn und Strafe aber wieder Zorn und Rache!“

15. Dieses schrieben sich die Jünger ins Herz und gelobten Mir, solches auch bis an ihr Lebensende zu beachten.

16. Und Ich sagte zu ihnen: „Die meisten von euch werden das wohl tun, aber Ich sehe auch einige unter euch, die trotz dieses Meines Rates bei widrigen Gelegenheiten dennoch der Drohung und Bestrafung sich bedienen werden; sie werden aber dadurch niemals eine gute Frucht zu einer vollkommenen Reife bringen.“

163. Kapitel. Jesus und die Pharisäer vor dem Stadttore.

1. Während solcher Meiner Belehrung kamen wir denn wieder einer alten, zumeist von Römern, aber auch von Griechen und Juden bewohnten Stadt in die Nähe, und da wollte – wie man zu sagen pflegt – das Glück oder Unglück, wie man es nennen will, daß wir zuerst mit mehreren Juden und darunter mit einigen Pharisäern zusammentrafen.

2. Und die Pharisäer erkannten Mich und sagten zu den Juden: „Sehet, da kommt sicher mit seinen Jüngern eben derjenige Nazaräer, der beim letzten Fest mehrere sogenannte Wunder wirkte, die er wahrscheinlich in der Schule der Essäer erlernt hat, dann im Tempel das Volk lehrte und sich für älter ausgab als Abraham und noch manches andere mehr!

3. Es ging ihm damals sehr knapp, daß er nicht völlig gesteinigt worden ist; denn wir wurden dadurch sehr aufgeregt, da wir es einsahen, daß er sich vorgenommen hatte, uns vor dem Volke als Blödsinnige hinzustellen.

4. Zugleich behauptete er überall, daß er Gottes Sohn sei, und seine Jünger und auch viel Volkes glauben ihm das. Er hält aber dabei nichts auf den Sabbat, ist ein Fresser und Vollsäufer und geht mit Zöllnern und Sündern um; uns aber, die wir an den Satzungen Mosis halten, schmäht er allenthalben und vertröstet uns bei jeder Gelegenheit mit der ewigen Verdammnis.

5. Daß wir einem solchen Menschen nicht freund sein können, ist begreiflich, zudem wir nur zu gut wissen, wo er her ist, wer seine Eltern und seine Brüder und Schwestern sind.

6. Er ist dabei aber durchaus kein Narr; denn er versteht sich sehr wohl darauf, durch seine Reden und Wunderwerke die Heiden – als Römer und Griechen – für sich zu gewinnen, um dann mit ihrer Hilfe uns zu stürzen. Aber dies sein Vorhaben wird ihm nicht gelingen! Gar zu oft darf er nicht nach Jerusalem kommen, sonst werden wir ihm seine Gottessohnschaft auf eine Weise austreiben, die ihm wahrlich nicht gefallen wird.

7. Er treibt sein Unwesen nun hier in diesen Heidenstädten sicher auch nur in dieser Absicht, um ihre Einwohner soviel als möglich gegen uns zu hetzen. Er wird aber damit schlechte Geschäfte machen, denn Jerusalem wird Jerusalem bleiben, wenn auch tausend derartige Gottessöhne, wie er einer ist, dagegen wären.“

8. Diese letzten Reden und Worte konnten auch schon Meine Jünger völlig vernehmen, da wir in der Zeit der Gesellschaft schon sehr nahe gekommen waren, und hielten sich auf über Mich, wie Ich solches doch dulden und vertragen könne.

9. Ich aber sagte zu den Jüngern: „So es euch denn schon gar so ärgert, daß diese Mir ein gar so arges Zeugnis geben, da gehet hin und verbindet einem jeden den Mund, auf daß er nicht weiterreden kann! Ich meine, das würde euch eine sonderbar schwere Arbeit werden; leichter für uns ist es aber in jedem Falle, an ihnen ganz stumm vorüberzugehen.

10. Lassen wir die Hunde bellen; denn solange sie bellen, beißen sie nicht! Werden sie uns aber anfallen beim Vorübergehen und beißen wollen, da werden wir ihnen dann wohl auch zeigen, daß unser Mund nicht ohne Zähne ist und unsere Hände nicht ohne Nägel!“

11. Solche Meine Worte beruhigten Meine Jünger zum größten Teil, aber in ihrem Innern kochte es dennoch, so daß einige nahe Lust bekamen, diesen Juden und etlichen Pharisäern auch etwas zu sagen, das ihnen eben nicht gar zu lieb gewesen wäre; sie ermannten sich aber dennoch und folgten Meinem Beispiel.

12. Wir kamen bald ganz zu ihnen und sahen gar nicht hin nach dem Platze, wo sie standen, und gingen an ihnen ganz still vorüber.

13. Diese Juden und Pharisäer aber trieb die Neugierde, zu sehen und zu beobachten, was wir etwa in dieser Stadt machen würden. Bevor wir aber das Stadttor erreichten, kamen uns zwei Pharisäer beschleunigten Schrittes, gerade am Tor in die Stadt uns den Weg vertreten wollend, entgegen.

14. Und einer, der Dismas hieß, fragte Mich ganz barsch, was Ich hier in dieser Stadt zu tun hätte, ob Ich in ihr verbleiben oder bloß durchreisen werde.

15. Und Ich sagte zu ihm: „Bist du denn ein Stadtrichter hier, dem allein es zukommt, die Reisenden zu erforschen, was sie in diese Stadt geführt hat, und sich ihre Reisebriefe vorweisen zu lassen?“

16. Da sprach dieser Pharisäer: „Ich bin kein Stadtrichter, aber ich bin nun ein Oberster der Judengemeinde hier und habe als solcher auch das Recht, die Reisenden zu befragen, zu welchem Zwecke sie in diese Stadt gekommen sind, – und dich und deine Gesellschaft schon ganz besonders, weil ich dich von Jerusalem aus kenne und nur zu wohl weiß, daß du unser Freund nicht bist und auf unsere alten Satzungen nichts hältst, weil wir das nicht annehmen können und wollen, was zu sein du vor uns und dem Volke nur schon zu oft laut vorgebracht hast.

17. Wir wissen wohl, daß du viel verstehst und weise reden kannst und imstande bist, Zeichen zu wirken, die alle Menschen ins höchste Erstaunen setzen; aber du bist dabei unser Feind und suchst uns zu verderben, die wir am alten Gesetze halten. Siehe aber zu, ob dir am Ende deine Absicht gelingen wird; denn deine von den Essäern erlernten Wunderzeichen werden bald durchschaut werden, und es wird sich dann schon zeigen, was du weiter vermögen wirst!

18. Die Heiden magst du wohl damit betören, aber uns alte Nachkommen Abrahams nicht. So du aber schon wirklich etwas Göttliches vermagst, so wirke nun vor uns ein Zeichen, und wir wollen glauben, daß du mehr vermagst denn alle Essäer und andere Zauberer der Erde, und daß du wirklich erfüllt bist mit dem Geiste Gottes!“

19. Sagte Ich: „Ich habe vor euch der großartigsten Zeichen schon in großer Menge gewirkt, die nie ein Mensch auf dieser Erde gewirkt hat, und ihr sagtet, daß Mir dazu Beelzebub als der Teufel Oberster behilflich sei. So ihr solch eines Glaubens seid und mit solch einem Glauben auch eure Vorfahren die alten Propheten beinahe alle gesteinigt und getötet haben, weil sie auch von ihnen behaupteten, daß sie den Teufel hätten und mit seiner Hilfe weissagten und Zeichen täten, – wie sollte da in euch ein Licht sein, um die Wahrheit Meiner Lehre und Meiner Taten zu erkennen?

20. Ihr habt den Beelzebub zu eurem Vater und lehret und handelt nach seiner Eingebung, was Ich nur zu wohl erkenne. Ich kam aber darum zu öfteren Malen zu euch, um euch aus seinen Fesseln zu befreien; aber euch gefällt es besser, Diener des Teufels zu verbleiben, als Diener des einen und allein wahren Gottes zu werden, den ihr nicht kennt und noch nie erkannt habt. Und so bleibet denn bei eurem Dienste; Ich aber werde verbleiben bei dem Meinen und werde in aller Bälde offenbar machen vor aller Welt Augen, wer ihr seid, und wer Ich bin. Und nun laßt uns gehen, und gehabt euch wohl im Namen dessen, dem ihr dienet!“

21. Diese Meine Worte beleidigten diese Pharisäer in einem so außerordentlich hohen Grade, daß sie Mich samt Meinen Jüngern alsogleich auf das Stadtrichteramt führen wollten.

22. Ich aber sagte zu ihnen: „Der Herr bin Ich und werde tun, was Ich will; sehet aber zu, daß ihr nicht eher denn Ich mit dem Stadtrichteramte dieser Stadt zu tun bekommen werdet!

23. Ich kam mit Meinen Jüngern ganz still zu euch und wollte niemandem von euch auch nur mit einem einzigen Worte oder einer Miene zur Last fallen, obschon Ich schon aus einer ziemlichen Ferne vernahm, welch lose Reden ihr über Mich untereinander geführt habt, und hätte somit das Recht gehabt, euch zur Rede zu stellen, wer euch hier in der Fremde berechtigt hat, über Mich Bemerkungen zu machen, die Mir und keinem Meiner Jünger gefallen konnten. Und so sage Ich euch nun noch einmal, daß Ich der Herr bin und die Macht habe, diese Stadt zu betreten und Mich daran von euch nicht hindern zu lassen; sollte euch das nicht genügen, und wollt ihr bei eurem Vorhaben verbleiben, so werde Ich demselben wirksam entgegenzutreten imstande sein!“

24. Auf diese Meine Worte sagte Dismas, dem die Sache doch etwas zu Herzen ging, zu seinem überaus hartnäckigen Gefährten: „Lassen wir diese in Gottes Namen ziehen! Wir aber kehren einfach zu unserer Gesellschaft wieder zurück; denn ich will mit derlei Menschen, die im Besitze geheimer Kräfte sind, weiter nichts zu tun haben! Handeln sie wider den Willen Gottes, so wird Gott sie schon zur rechten Zeit zu ihrer Züchtigung zu vernichten verstehen; sollten sie aber dennoch etwa irgend nach dem Willen des Allmächtigen handeln, so werden wir gegen sie nichts auszurichten imstande sein.“

25. Der Gefährte des Dismas aber wollte sich nicht daran kehren, sondern berief die andern langsam hinterdrein Gehenden, daß sie ihm zu Hilfe kommen und mit ihm Mich und Meine Jünger auf das Stadtrichteramt bringen sollten.

26. Und Ich sagte: „Bis hierher und nicht weiter mit eurem Beelzebubsgrimme gegen Mich und Meine Jünger! Ich werde euch bis zum morgigen Tage Wächter stellen, die euch bei keinem Tore in diese Stadt hineinlassen werden; und in diesen Wächtern soll auch das Zeichen, das ihr von Mir verlangtet, bestehen, und ihr werdet daraus hoffentlich erkennen, daß Ich vollkommen der Wahrheit nach ein Herr über alle Kreatur auf dieser Erde bin und auch noch ein Herr unendlich weiter hinaus, als ihr je zu denken vermöget. Ich will, und so geschehe es!“

27. In diesem Augenblick standen schon vierzehn große und grimmige Löwen vor den uns nachfolgenden Juden, und einer von ihnen packte den hartnäckigen Gefährten des Dismas und trug ihn zu seinen Gefährten zurück.

28. Dismas aber fiel vor Mir nieder und bat Mich, seiner zu verschonen, indem er für sich über Mich einer ganz andern Meinung sei, und daß er schon zu öfteren Malen, soviel als es möglich war, zu Meinen Gunsten habe Worte fallen lassen im Hohen Rate; aber es hieß das Öl ins Feuer gießen und am Ende notgedrungen mit den Hunden zu bellen. Jetzt sollten diese seine halsstarrigen Gefährten den Löwen etwas vorbellen, und diese würden sich schwerlich fürchten vor ihrem Gebell.

29. Und Ich sagte zu ihm: „Ziehe vor uns in die Stadt, und führe uns in eine rechtschaffene Herberge; dann magst du dich zum Stadtrichter Titus begeben und ihm sagen, daß Ich in jener Herberge auf ihn warte.“

30. Dismas dankte Mir, stand auf und führte uns alsogleich in eine naheliegende Herberge in dieser Stadt.

164. Kapitel. Das Weinwunder in der römischen Herberge.

1. Als wir daselbst eintraten, kam uns alsbald der Herbergsbesitzer, ein Römer dem ganzen Wesen nach, sehr höflich entgegen, hieß uns Platz nehmen und fragte uns, was wir wünschten.

2. Ich sagte zu ihm: „Es ist zwar schon der Tag in die Nähe des Untergangs der Sonne gerückt, und wir haben außer etwas Brot seit heute morgen nichts zu uns genommen, – dennoch ist es aber für ein Abendmahl noch etwas zu früh; daher magst du uns wohl vorderhand etwas Brot und Wein auf den Tisch setzen!“

3. Sagte der Wirt: „Meine lieben Freunde, Brot besitze ich wohl, so auch geräuchertes Schweine- und Schaffleisch, auch Milch habe ich noch im Vorrat, – aber Geflügel, Fische und Wein sind in dieser Stadt nur selten anzutreffen und sind sehr kostspielige Dinge auf dem Tische der Reisenden; denn von hier aus bis in das tiefe Jordantal hinab ist es erstens sehr weit, und die wenigen Fußsteige von hier bis dahin sind äußerst beschwerlich, und so sind wir außerstande, uns von den gesegneten Westländern etwas Billiges und Genußbares zu verschaffen. Unser Boden aber ist, wie ihr es auf eurem Wege selbst werdet bemerkt haben, nur sehr wenig fruchtbar aus Mangel an Erdreich und aus Mangel an Wasser. Unsere noch wasserhaltigen Stadtbrunnen sind Zisternen, und ein Quellwasser ist von hier weit entfernt. Bis man nicht in das Gebiet der Arnonquellen kommt, sieht man nicht leichtlich irgendwo ein Quellwasser, und diese sind von hier noch weit entfernt. Ich werde euch darum Brot und Milch vorsetzen.“

4. Sagte Ich zum Wirte: „Anstatt der Milch gib uns lieber Wasser aus deiner Zisterne!“

5. Und der Wirt tat das nach Meinem Wunsche und brachte einen großen steinernen Krug voll frischen Wassers aus der Zisterne und setzte uns ein paar Laibe Gerstenbrot zum Genusse auf den Tisch, indem er sagte: „Diese einzige Getreidegattung gerät hier noch ziemlich reichlich, aber der Weizen gerät hier sehr schwer. Denn sät man ihn noch so frühzeitig in der Winterzeit, so verdorrt er im bald darauf kommenden Frühjahre, schon ehe er reif wird. Darum müssen wir den Weizen für unseren besonderen Gebrauch aus Damaskus beziehen, welche Stadt von hier sehr entlegen ist, oder wir müssen uns den Weizen gar aus Babylonien verschaffen, das von hier aber noch entfernter ist als Damaskus. Aber Gerste haben wir selbst zur Genüge, und sie ist nebst der Milch und dem Fleische unser Hauptnahrungszweig. Daher müßt ihr euch schon mit dem begnügen, was ich euch aufzuwarten imstande bin!“

6. Sagte Ich: „Alles ist gut, was von Gott gesegnet ist!“

7. Sagte der Wirt: „Ich habe es wohl gleich gemerkt, daß ihr Juden seid, weil ihr nach dem bei uns guten Schweinefleisch mir ein Verlangen nicht zu erkennen gabt, – ich meine aber, so es irgendeinen rechten Gott gibt, so hat er auch das Schweinefleisch gesegnet und nicht bloß das Hühner-, Schaf-, Ziegen- und Rindfleisch! Ich aber bin ein ehrlicher Römer und halte die Gesetze Roms, die ich für ganz gut finde, obschon sie nur Menschen und keine Götter zu ihrem Verfasser haben.

8. Was nützen denn einem Menschen auch gewisse Göttergesetze, die stets in einer dunklen und unverständlichen Sprache geschrieben sind und von den Priestern nach ihrer Willkür und nach ihrem Eigennutz ausgelegt werden? Daher mögen die Götter für sich Gesetze geben, soviel sie wollen; wir durch die Erfahrung klug gewordenen Menschen werden und haben uns schon Gesetze gegeben, die wir verstehen und auch befolgen können. Unsere Hauptgötter aber sind gute und fruchtbare Jahre und jene Elementarkräfte, die sie bewirkt haben; und jetzt wünsche ich, daß euch unser Brot und unser Wasser wohl schmecke und behage!“

9. Sagte Ich: „Lieber Wirt, setze du jedem einzelnen von uns auch einen Trinkbecher vor, woran du keinen Mangel haben wirst!“

10. Darauf setzte uns der Wirt so viele irdene Trinkbecher vor, als wir unser am Tische saßen.

11. Ich aber sagte zum Wirte noch: „Nimm auch für dich noch einen Becher, und trinke mit uns!“

12. Und der Wirt tat das in der Meinung, er müsse sein Wasser zuerst trinken, auf daß er uns Mut mache, damit auch wir uns dasselbe zu trinken getrauten. Er schenkte sich seinen Becher darum auch zuerst voll ein und fing an zu trinken; aber nach dem ersten Schluck setzte er sogleich freudig ab und sagte voll Staunens: „Was ist denn aber das, meine lieben Herren Gäste? Ich habe euch ja nur Wasser gebracht, und jetzt, als ich es kostete, ist es unstreitig der beste Wein, wie ich einen solchen nur einmal auf der Insel Cypern getrunken habe.“

13. Sagte Ich zum Wirte, nachdem Ich Mir auch Meinen Becher vollschenkte: „Trinke du nur zu, gleich uns allen; denn wo du den Wein hergenommen hast, da wirst du wohl noch einen weiteren Vorrat haben!“

14. Sagte der Wirt: „O ja, meine lieben Herren Gäste, meine Zisterne ist noch über die Hälfte voll Wassers, und so die lauter solchen Wein statt Wasser enthält, so haben wir über ein Jahr des Weines zur Genüge! Aber da ist ein Wunder geschehen, und ich glaube nun zum ersten Male an Wunderdinge, obschon ich sonst von meiner Kindheit an an derlei nie geglaubt habe, trotzdem ich in meinen Jugendjahren oft genug von gewissen Priestern und Zauberern allerlei Wunder habe wirken sehen; denn mein Vater war selbst in solchen Künsten bewandert und hat mir über alles eine rechte Aufklärung gegeben, und ich faßte dadurch als ein ehrlicher, wohlerzogener Römer einen gerechten Unglauben und Widerwillen gegen alle Wundertäterei und Zauberei. Aber mit dem Wasser meiner Zisterne ist ein Wunder geschehen! Wie aber und durch wen, das kümmert mich nun nicht; mit der Zeit wird man etwa wohl daraufkommen, weil es ein gutes und kein böses Wunder ist.“

165. Kapitel. Die Besprechung des Weinwunders.

1. Während der Wirt noch so seine höchst römisch gescheiten Bemerkungen machte, kam auch schon unser Dismas mit dem Oberstadtrichter daher, führte ihn zu Mir hin und sagte zu ihm: „Dies ist der nämliche Herr, der dich zu sehen und zu sprechen wünscht!“

2. Und Ich sagte zum Wirte: „Setze noch zwei Stühle und zwei Trinkbecher hierher; denn darum bin Ich eigentlich in diese Stadt gekommen, um vor allem diesen beiden einen vollgültigen Beweis Meiner Herrlichkeit zu liefern!“

3. Der Wirt tat das alsogleich, und Ich füllte aus dem steinernen Kruge beider Becher voll und hieß sie trinken.

4. Beide setzten die Becher an und sagten: „O Wirt, wo hast denn du diesen Wein her? Das ist ja eine außerordentliche Erscheinung, daß man bei dir einmal einen Wein bekommt, und den besten Kaiserwein von der Insel Cypern auch noch dazu! Sage uns, woher hast du ihn denn bezogen?“

5. Sagte der Wirt, etwas verlegen: „Meine Herren, glaubet es oder glaubet es nicht, – aber ich rede offen die Wahrheit und sage: Aus meiner Hauszisterne! Diese Herren Gäste verlangten statt Milch Wasser, und ich holte dasselbe aus meiner Zisterne und stellte es mit eigenen Händen auf den Tisch, und niemand rührte zuvor den Krug an, als bis ich mir meinen Becher aus diesem Kruge vollgefüllt hatte; wie ich aber den Becher an meinen Mund brachte, so war dessen Inhalt kein Wasser, sondern wie ihr ihn selbst gekostet habt, der allerbeste und kostspieligste Cypernwein. Ihr wißt aber, daß ich kein Wundergläubiger bin, – aber das halte ich für ein vollkommenes Wunder!“

6. Sagte darauf der Oberstadtrichter: „Laß mich mit dir mit dem Kruge zur Zisterne gehen und gleich draußen das Wasser kosten, und es wird sich gleich zeigen, ob du eine so wunderbare Zisterne besitzest!“

7. Darauf nahm der Wirt den ohnedies schon leer gewordenen Wasserkrug und eilte mit dem Oberstadtrichter hinaus zu der Zisterne, die sich im Hofe der Herberge befand.

8. Der Oberstadtrichter schöpfte mit höchsteigener Hand das Wasser und kostete es sogleich bei der Zisterne und fand, daß es wieder der gleiche Wein war.

9. Mit Freuden brachte er den Krug mit eigener Hand in unser geräumiges Gastzimmer, setzte ihn auf den Tisch und sagte laut: „Das ist wahrlich ein offenbares Wunder, wie ein ähnliches noch nie unter den Menschen dieser Erde ist erlebt worden! Ein solches Wunder kann wohl einem Gott zu bewirken möglich sein, aber einem Menschen niemals.“

10. Dismas, der von dem Weine nun bereits einen zweiten Becher geleert hatte und dabei ganz frohen und heiteren Mutes wurde, teilte auch die Meinung des Wirtes und des Oberstadtrichters und sagte: „Was haben die andern starrsinnigen Tempelnarren nun davon, daß sie diesem wirklichen Herrn der Herrlichkeit Gottes mit ihrer finstersten, rohen Grobheit begegnet sind? Dort, vor dem Tore draußen, werden sie, von vierzehn Löwen bewacht, vor Angst und Schrecken ordentlich Blut zu schwitzen anfangen müssen, während wir hier frohen und heiteren Mutes den besten Cypernwein aus des Kaisers Weinbergen trinken, von dem ich sonst in meinem Leben nur ein einziges Mal etwas Weniges zum Verkosten bekam, hier ihn aber nun gleich becherweise trinken kann.

11. Daher sage und bekenne auch ich, daß Derjenige, der mit Seiner Willenskraft jene vierzehn Löwen vor dem Stadttore draußen in Blitzesschnelle herbeirufen konnte und nun das Zisternenwasser ebenso schnell in den besten cyprischen Kaiserwein zu verwandeln imstande war, kein gewöhnlicher Mensch ist, sondern es wohnt wahrlich die Fülle des göttlichen Geistes in Ihm! Und dieses Zeugnis, das ich jetzt ausgesprochen habe, wird mit mir denn auch zu Grabe gehen; und ich begreife nun auch alle Deine andern Wunderwerke, die Du, o Herr, in Jerusalem und auch in andern Orten gewirkt hast!

12. Aber diese da draußen vor dem Tore werden das schwerlich je begreifen; vielleicht werden ihnen die vierzehn Löwen die Nacht hindurch ihre sie beherrschenden Teufel austreiben, und sie werden dann für die göttliche Wahrheit zugänglicher sein denn heute. Du aber bist der Herr und kannst tun, was Du willst!“

166. Kapitel. Die Befreiung und Bekehrung der vor dem Stadttore von Löwen bewachten Pharisäer.

1. Auf diese Rede ward der Oberstadtrichter erst auf die Wache außerhalb des Stadttores neugierig, und er bat Mich, Ich möchte ihn hinausbegleiten, da er sich vor den Löwen sehr fürchte.

2. Ich aber sagte zu ihm: „Gehe du mit Dismas ganz getrost bis zum Stadttore hin, und es wird keines dieser Tiere dir etwas zuleide tun!“

3. Auf das faßte der Oberstadtrichter samt dem Dismas das vollste Vertrauen und ging mit ihm ganz mutvoll bis an das Stadttor!

4. Da baten ihn die von den vierzehn Löwen Bewachten, er möchte sie von dieser entsetzlichen Plage befreien.

5. Und der Oberstadtrichter sagte: „Wendet euch an den Herrn, den ihr zuvor so greulich verlästert habt; denn nur allein bei Ihm steht es, euch von dieser Plage zu befreien!“

6. Und die Juden samt den etlichen Pharisäern schrien: „So bittet ihr für uns, daß Er Sich unser erbarme, und wir wollen an Ihn glauben!“

7. Da kamen die beiden alsbald zurück und hinterbrachten Mir das.

8. Und Ich sagte: „Also vergeltet denn auch ihr niemals Böses mit Bösem, und die vor dem Stadttore sollen von ihrer Plage befreit sein!“

9. In dem Augenblick wichen die grimmigen Wächter, und die Bewachten kamen voll Glaubens zu uns und wurden auch bald mit dem Zisternenwasser gestärkt.

10. Als sich die Juden und etlichen Pharisäer an einem andern Tische, nicht ferne von uns sitzend, mit dem Zisternenwasser gestärkt hatten, da stand eben derjenige grimmigste Pharisäer auf, der zuvor mit Dismas Mir den Weg in die Stadt verwehren wollte, und sagte: „Herr und Meister! Jetzt glaube auch ich, daß Du wirklich Derjenige bist, auf den alle Juden und auch Heiden so lange vergeblich gewartet haben!

11. Wärest Du in der Art erschienen, wie Dich die meisten Propheten, von Moses angefangen, verkündet haben, so hätten wir auch nie einen Anstand genommen, Dir mit vollem Glauben entgegenzukommen; aber Du kamst in einer Weise in diese Welt, von der man am wenigsten vermuten konnte, Du seist der verheißene Messias der Juden und durch sie auch aller Menschen auf Erden.

12. Denn es kannte Deine Abstammung nahezu ein jeder Mensch von Jerusalem, indem er Deinen Vater und Deine Mutter, wie auch Deine Brüder, nur zu gut gekannt hatte; denn wie oft ergab es sich, daß Dein Vater als ein allgemein bekannter geschickter Zimmermann und Schreiner zugleich bei uns in Jerusalem zu tun hatte und Du Selbst nicht selten mit ihm und Deinen Brüdern als Zimmermann mitarbeitetest. Auf einmal bist Du, als der gleiche Zimmermann, in der Mitte mehrerer Jünger als Volkslehrer aufgetreten und hast in Jerusalem gelehrt und ein scharfes Zeugnis wider uns gegeben, – daher es Dir auch begreiflich sein wird, daß unser Haß in dem Maße gegen Dich steigen mußte, als Du bei Deinem jedesmaligen Erscheinen in Jerusalem uns bei dem Volke bloßstelltest und wider uns das Zeugnis gabst, daß wir nicht Diener Gottes, den wir nicht kenneten, sondern nur reißende Wölfe in Schafspelzen und somit Diener des Beelzebub seien und das Volk nicht zum Lichte und somit auch nicht in den Himmel lassen, und wir selbst auch nicht hinein wollten, und dergleichen uns verkleinernde Zeugnisse noch eine Menge, die wir entweder mit eigenen Ohren gehört haben oder uns von andern treulich berichtet wurden.

13. Aus dem muß ein jeder denkende Mensch es einsehen, daß wir Dir nie haben freundlich begegnen können und unser Haß gegen Dich sich um so mehr steigern mußte, weil Dein Schmähen über uns sich stets steigerte.

14. Du hast zudem noch außerordentliche Wunder gewirkt und dadurch das Volk von uns leicht vollends abwendig gemacht und unsere Einnahmen in den dritthalb (zweieinhalb) Jahren im ganzen mehr denn um zweitausend Pfunde Goldes verringert, und machtest das Volk glauben, daß Du der Sohn des einen lebendigen Gottes bist, wodurch Du dem alten Gesetze Mosis zu unserem größten Ärgernis den allergewaltigsten Stoß versetzt hast, wo es heißt: ,Ich allein bin euer Gott und euer Herr, an den ihr zu glauben, auf Ihn zu bauen und Ihm zu vertrauen habt. Außer Mir gibt es keinen Gott; darum sollt ihr auch keine andern Götter neben Mir haben!‘

15. Nun hast Du aber gesagt, daß Du Gottes Sohn seist, und daß der allein wahre Gott im Himmel Dein Vater sei, den Du allein gesehen hast und ihn kennest, sonst aber kein Mensch, – wir Diener des Tempels schon am allerwenigsten.

16. Dabei hat aber David von der Ankunft des Messias bei weitem anders gesprochen, als wie Deine Ankunft geschehen ist, indem er sagte: ,Machet die Türen breit und die Tore hoch, auf daß der König der Ehren bei euch einziehe! Wer ist aber dieser König? Es ist Jehova Zebaoth!‘

17. Nun wirst Du daraus mit natürlichem Menschenverstande wohl einsehen und begreifen, daß Du in Deiner Zimmermannsstellung in Galiläa nicht als der König der Ehren, trotz aller Deiner Schriftweisheit, angesehen werden konntest, ja nicht einmal als ein Prophet, da es doch ausdrücklich geschrieben steht, daß aus Galiläa nie ein Prophet aufsteht!

18. Herr, vergib es mir, daß ich Dir nun ganz freimütig und offenherzig den Grund dargestellt habe, warum Du bei den allermeisten und vielen Pharisäern, Hohenpriestern, Leviten und auch andern Juden, die mit dem Tempel halten, also verhaßt bist, und warum Du auch selbst durch Deine außerordentlichsten Wundertaten nicht nur keinen guten Eindruck gemacht, sondern sie dadurch nur stets mehr und mehr gegen Dich aufgereizt hast, zu denen auch ich ehedem gehörte und gleich meinen Amtsgefährten der Meinung war, daß Du Deine Wundertäterei bei den uns über alles verhaßten Essäern erlernt hast und mit ihrer Hilfe uns zugrunde richten und den Essäern ein weites Wirkungsfeld einräumen willst, – und das aus dem Grunde, weil die Römer, als unsere Herren und stets Feinde, es mit dieser Sekte halten, ihnen alle erdenklichen Privilegien und Vorteile zukommen lassen, weil sie eben diese Essäer zu allen ihren beherrschenden Zwecken bestens und wirksamst gebrauchen können.

19. Wir aber wissen, wie die Essäer ihre Wunder wirken, und haben ihnen selbst so manches heimlich abgelernt und konnten darum Deinen Wunderwerken nie hold und freundlich werden, weil wir Ähnliches auch bei ihnen wirken gesehen haben. Denn in unserer – sozusagen – blinden Wut haben wir uns gar nie die Zeit nehmen wollen, um zwischen Deinen und der Essäer Taten eine kritische Parallele zu ziehen, und ich gestehe es offen, daß mir hier zum ersten Male in dieser alten Heidenstadt ein rechtes Licht über Dich aufgegangen ist.

20. Die zwei Zeichen, die Du hier gewirkt hast, stellen Deine vor diesen gewirkten erst in ein rechtes Licht, drücken alle andern Wunderzeichen in ein völliges Nichts zurück und stellen Dich vor unsern Augen im vollen Ernste als Den dar, als welchen zu uns zu kommen Dich David angekündigt hat. Denn fürs erste – es gibt in dieser ganzen Gegend keine Löwen, da diese Tiere zumeist nur in Afrika zu Hause sind und sich höchst selten eine solche Bestie nach Arabien herüber verläuft und bald wieder zurückkehrt, so sie in der weitgedehnten Wüste keinen Fraß findet; auf Deinen Wink aber standen gleich vierzehn solcher Bestien vor uns! Dieses würde auch ganz schwerlich geschehen, wenn solche Bestien auch hierlands haufenweise zu Hause wären. Du mußt sie also, als ein Herr aller Kreatur, wirklich nur erschaffen haben!

21. Und ist Dir das möglich, so ist Dir auch leicht möglich gewesen, fürs zweite dieses Wirtes Zisternenwasser in den besten Cyperer Kaiserwein zu verwandeln, von dem ich nur einmal – bei einer Tafel unseres Königs Herodes – einen kleinen Becher voll zu kosten bekam.

22. Ob Du meinen Namen weißt, kennst oder nicht, das ist mir gleich; sicher wirst Du ihn aber auch kennen. Aber ich gebe Dir hier die Versicherung, daß ich samt allen diesen meinen Gefährten wider Dich nimmerdar irgend in einem Hohen Rate unsere Stimme erheben werde. Wir werden zwar den andern vielen nicht den Mund stopfen können, da wir uns dazu viel zu ohnmächtig fühlen; aber – wie gesagt – wir werden im Herzen stets an Dich glauben, und geschehe, was da wolle! Aber wie gesagt, gegen Dich soll nie mehr eine Stimme, von unserem Munde ausgehend, laut werden!“

167. Kapitel. Die Voraussage Jesu an Barnabas.

1. Nach dieser ziemlich langen Entschuldigungsrede des Pharisäers, der Barnabas hieß, sagte Ich: „Deine Entschuldigung und dein gegenwärtiges Bekenntnis nehme Ich für gültig an und vergebe dir alle deine Sünden; wem Ich aber die Sünden vergebe, dem sind sie wahrhaft vergeben im Himmel wie auf Erden.

2. Du wirst Mir noch einmal ein guter Arbeiter in Meinem Weinberge werden und wirst um Meines Namens willen viel auszustehen bekommen. Wenn aber dieses über dich kommen wird, das Ich dir jetzt zum voraus verkündigt habe, da wirst du dessen wohl gedenken; aber bleibe ohne Furcht, denn Ich werde dich nicht allein lassen!

3. In diesen Tagen aber leidet das Himmelreich große Gewalt; die es nicht mit Gewalt an sich reißen, werden es auch nicht einnehmen.

4. Die Zeit ist nur noch eine kurze, in der Ich unter den Menschen in dieser Welt Mich also wie jetzt befinden und wirken werde; dann werde Ich auf eine für diese Welt höchst unangenehme und traurige Weise verklärt werden und werde dann erst für alle, die an Mich glauben, ein ewiges Lebensreich gründen, darin Ich wohnen werde, und alle die Meinen werden sein, da Ich bin.

5. Glaube Mir, daß wer an Mich glaubt, nach Meiner Lehre lebt und handelt und Mich liebt über alles und seinen Nebenmenschen wie sich selbst, schon diesseits das ewige Leben überkommen und nimmerdar sterben wird, auch dann nicht, so es möglich wäre, daß er dem Leibe nach stürbe hundertmal; denn seine Seele wird mit Meinem Geiste in ihr – wie auch Ich aus eigener Macht und Kraft gleichfort leben werde, so auch dieser irdische Leib von Mir genommen wird – gleichfort leben und überselig sein und herrschen mit Mir in Ewigkeit!“

6. Mit dieser Meiner Verheißung waren alle zufrieden und glaubten darauf.

7. Da es aber schon Abend geworden war, so fragte Mich der Wirt, ob es nicht schon Zeit wäre, ein ordentliches Abendmahl zu bereiten.

8. Sagte Ich: „Das liebste Abendmahl ist Mir dieses, daß Ich alle diese aus Meinem Stamme, die verloren waren, wiedergefunden und gewonnen habe; frage aber die andern, was sie essen mögen!“

9. Barnabas aber erhob sich und sagte: „O Herr und Meister, auch für uns besteht das beste Abendmahl in dem, daß Du zu uns gekommen bist und wir Dich als Den erkannt haben, der Du bist! Übrigens haben wir des Brotes und des Weines zur Genüge. Was bedarf es da noch einer andern Leibesspeise?“

10. Ich aber sagte dennoch zum Wirte: „So gehe denn hinaus in deine Speisekammer und sieh nach, was du für uns Juden genießbar findest! Laß es wohl zubereiten, und setze es dann für uns auf den Tisch!“

11. Und der Wirt ging hinaus und fand auf einem für Speisen hingerichteten großen Tische eine gerechte Menge schon aufgemachter und wohlgereinigter Fische, worüber er, sein Weib und seine Kinder vor lauter Staunen die Hände über dem Kopfe zusammenschlugen.

12. Der Wirt kam voll Freuden alsbald wieder zu uns zurück und sagte: „Meine lieben Herren Gäste, ein drittes Wunder! Ihr wißt, wie schwer in unserer Gegend Fische zu haben sind, und sehet, mein großer Speisenzubereitungstisch in der Speisekammer ist derart voll von ganz frischen, aber schon gereinigten edelsten Fischen, daß wir alle damit über drei Tage zur Übergenüge haben; sie dürfen nur zubereitet werden – was ich bereits schon angeordnet habe –, und wir werden mit einer allerseltensten Speise gesättigt werden.“

13. Da sagte Barnabas und auch Dismas: „Bei Gott sind alle Dinge möglich, und uns nimmt es nun dessen gar nicht mehr wunder, indem wir Den unter uns haben, dem kein Ding unmöglich ist. Denn Dem es möglich war, alle die Meere, Seen und Flüsse mit allerlei Fischen und anderem Getier zu bevölkern, dem ist es auch möglich, aus Sich allenthalben so viele Fische hervorzurufen, als Er nur immer will; und wir bekennen nun, daß in diesem Menschen Jesus aus Nazareth in Galiläa die Fülle der Gottheit körperlich wohnt! Und wer da anders glaubt, der ist noch ferne von der Wahrheit.“

14. Sagte Ich: „Bleibet bei dem Glauben, und lasset euch in eurem Innern von niemand betören; denn durch solch einen Glauben an Mich werdet ihr vor Mir gerechtfertigt stehen, und Ich werde euch geben das ewige Leben und euch erwecken am Jüngsten Tage!“

15. Mit diesen Meinen Worten waren sie zufrieden.

168. Kapitel. Das Glaubensbekenntnis des Oberstadtrichters.

1. Aber nun erhob sich der Oberstadtrichter, der an unserem Tische neben Mir saß, und sagte: „Herr und Meister, Du weißt, daß ich ein Römer bin, und das ein in aller Wissenschaft wohlbewanderter, ansonst man mich nicht zum Oberstadtrichter einer der größten Gemeinden gesetzt hätte, die sich auf dem Berge Auran befindet. Weil ich mich aber eben schon von Kindheit an auf allerlei Kenntnisse und Wissenschaften habe verlegen müssen, damit ich nach strengen abgelegten Prüfungen das habe werden können, was ich nun bin, und noch immer mehr werden kann, so ist es gewisserart von selbst begreiflich, daß ich schon in meiner frühesten Jugend das völlig Leere und Nichtige unseres Göttertums zur Genüge habe kennen und verachten gelernt, und ein weiser Mann, ob Grieche oder Römer, war mir um viele tausend Male lieber als alle unsere ägyptischen, griechischen und römischen Halb- und Ganzgötter.

2. Schon der große Kaiser Augustus hat dazu sehr viel beigetragen, dieses alte Götzentum nach Möglichkeit auszurotten, und hat dafür die rechten Wissenschaften selbst hochgeehrt und wohl verstanden, sich mit wissenschaftlichen Männern aus allen Ländern an seinem Hofe in Rom zu umgeben und den bekannten Dichter Ovid, der zur selben Zeit eine Art Götterlehre unter dem Namen ,Metamorphosen‘ geschrieben hat – zu welcher Arbeit ihn heimlich gegen gute Bezahlung die Priester veranlaßt hatten-, lebenslänglich von Rom verbannt.

3. Und wie Augustus gesinnt war, so war auch sein Nachkomme gesinnt, unter dem ich geboren und erzogen wurde, und ich habe auch eben wegen meiner dem Kaiser wohlgefälligen antigöttischen Gesinnung in meiner Jugend schon eine solche namhafte Stellung, in der ich mich befinde, überkommen und zähle jetzt noch nicht einmal dreißig Jahre.

4. Aber mit dem Hinwegwerfen aller unserer Götzen habe ich auch den Glauben der Unsterblichkeit der menschlichen Seele nach dem Tode – und ich meinte mit vollem Rechte – hinweggeworfen.

5. Ich wurde darum zwar kein Epikureer dem Leben nach, aber desto mehr dem Glauben nach, der sich bei mir nicht nur durch das Lesen der Bücher vieler Weltweiser, sondern durch meine vielfache Erfahrung bis zur völligen Klarheit herausgebildet hatte.

6. Ja, ich habe auch die Werke eines Sokrates und Plato mit vieler Aufmerksamkeit gelesen; aber ihre Beweise für das Fortleben der menschlichen Seele sind mit ihnen selbst verstummt, indem sie in der ganzen bekannten Natur keinen Widerhall fanden. Wäre es anders, so müßten diese immerhin hochschätzbaren Autoren ihrer Ideen, als in einer andern Welt fortlebend, ein sicheres Kennzeichen gegeben haben, daß sie eben nicht gestorben und vergangen sind, welches Zeichen für uns suchende und denkende Menschen sicher von großer Wichtigkeit gewesen wäre; denn ich meine, eine nach dem Tode fortlebende Seele sollte sich doch auch wenigstens um das bekümmern, daß ihre in ihrem Leibe hervorgebrachten geistigen Werke bei uns noch diesseits lebenden Menschen eine wünschenswerte Wirkung hervorbrächten.

7. Allein diese großen, von aller Welt hochgeachteten Männer sind nach dem Gesetze der Weltnatur gestorben, und nach ihrem Leibestode haben sie nie auch nur ein leisestes Zeichen gegeben, daß das wahr sei, was sie gelehrt und behauptet haben! Aber desto mehr und sprechendere Beweise stellen sich jedem Menschen zu jeder Stunde des Tages dar für das Nichtfortbestehen des Lebens der Seele nach dem Tode des Leibes; denn was wir ansehen, besteht nur eine gewisse Zeit hindurch, ob etwas länger oder kürzer, das ist im Grunde eins.

8. Was einmal gestorben und vergangen ist, das ist gestorben und vergangen und kommt als ganz dasselbe niemals wieder zum Vorschein. Eine Pflanze, die gestorben, verdorrt und verwest ist, düngt wohl den Erdboden; aber sie selbst kommt als ganz dieselbe niemals wieder zum Vorschein, und der da sagte, daß die Toten stumm sind und kein Lebenszeichen mehr von sich geben, hatte recht, und auch der hatte recht, der da sagte, daß alles Verstorbene noch aus den Gräbern der Verwesung die bedeutungsvollen Worte zuruft: ,Wir waren, wir sind vergangen und werden fürder nimmer sein – außer ein diese Erde auf eine kurze Zeit düngendes und vermehrendes Atom.‘

9. Ich habe mich mit dieser der Wahrheit nach mit Händen zu greifenden Anschauung derart vertraut gemacht, daß ich nun nicht mehr die allerleiseste Furcht vor dem Tode besitze, sondern mich nur mehr nach ihm sehne; denn mein gegenwärtiges Bewußtsein sagt mir, daß hinter diesem meinem Dasein Ewigkeiten um Ewigkeiten vergangen sind, und ich habe nie ein Leid und eine Traurigkeit darum in mir empfunden, daß ich nicht ein fortwährender Augenzeuge der endlos langen Zeitläufe war.

10. Das Schicksal und die Kräfte der Natur haben mich aber dennoch in ein mir selbst bewußtes Dasein gerufen, davon ich nie die Ursache und den Zweck erfahren konnte. Wahrscheinlich haben sie sich mit mir, so wie mit andern Geschöpfen, einen momentanen Bewunderer ihres Seins und Wirkens darstellen (schaffen) wollen. Aber was habe am Ende ich und was haben sie davon? Ist der Bewunderer nicht mehr, so ist mit ihm auch alles andere nicht mehr; denn ob eine Welt oder zahllose Welten mit ihren Wundern bestehen, für den bestehen sie nicht mehr und haben auch so gut wie niemals bestanden, der entweder selbst nie da war oder fürder nimmer dasein wird.

11. Aus dem Grunde verachte ich das, was ich auf der Welt gefunden habe, zwar ganz und gar nicht; aber ich achte es auch so gut wie etwas ganz Nichtiges und Wertloses. Meinen größten Wert aber setze ich in das wirkliche, reelle, vollkommene Nichtsein; denn bin ich nicht, so denke ich auch nicht, will nichts und schaffe nichts, habe kein Bewußtsein, weder ein gutes noch ein schlechtes, und bleibe dadurch in Ewigkeit niemandes Schuldner, habe keine Gesetze zu beachten und keine Strafgerichte weder von seiten der Menschen, noch weniger von der Seite der nichtigen Götter zu befürchten.

12. Siehe, Du außerordentlicher Herr und Meister, das war schon, von frühen Jahren angefangen, mein, wie auch meiner Eltern vollwahres Glaubensbekenntnis, zu dem wir aus der überall gleichsprechenden Natur die unwidersprechbaren Gründe und Beweise überkommen haben! Wer diese Grundsätze in seinem kurzen Wirkungsleben vollkommen beachtet, der wird auch ein ehrlicher Mensch bis zu seiner letzten Stunde verbleiben; denn er weiß, daß er ein vollkommenes Nichts ist, und weiß dann auch, daß alles ihn Umgebende mit ihm das gleiche Los teilt.

13. Als ich mit solch meinen Glaubensgrundsätzen zu den Juden herüberkam, sie beten und Buße wirken sah, da mußte ich sie wahrlich bedauern, daß sie so kurzsichtig sind und allerlei ihre Gemüter entweder schwach beglückender, aber wohl dafür meist überstark verstörender Aberglaube bei ihnen wie unter den Heiden zu Hause sein müsse, dessen Schöpferin sicher, so wie bei allen Völkern der Erde, die Priesterschaft sein werde, die sich von den Menschen für ihren erfundenen Betrug wohl bedienen und ernähren läßt und sich dabei um ein anderwärtiges Heil der Menschen nicht im geringsten kümmert und sich dabei denkt: ,Hat euch einmal der Tod gefressen, dann habt ihr samt uns für ewig von allem zur Genüge!‘

14. Ich wollte mich mit dem aber dennoch nicht begnügen und verschaffte mir der Juden Bücher, las sie mit vieler Aufmerksamkeit durch und muß offen gestehen, daß sie mir zu mystisch und unverständlich vorkamen. Das Beste an ihnen war, daß in ihnen nur von einem Gott die Rede ist, der sehr gut und gerecht sei; aber an verschiedenen Androhungen der jenseits zu erwartenden ewigen Strafen hat es ebensowenig einen Mangel wie in der uralten Mythenlehre der Ägypter, Griechen und Römer. Und ich legte die Bücher zur Seite und sagte auch: Ihr seid ebenso ein Werk der schwachen Menschen dieser Erde wie unsere Götzen, Götter und die vielen Bücher über sie, an denen die große Bibliothek zu Alexandria einen übergroßen Reichtum aufzuweisen hat.

15. Großer Herr und Meister, das war bis zur Stunde mein Glaube; doch soeben jetzt in Deiner Gegenwart fühle ich zum ersten Male in mir – und zwar durch Deine Taten und wenigen Worte angeregt –, daß ich mich dennoch in einem Irrglauben befinde, und bitte Dich darum, Du wollest mir ein rechtes Licht geben, besonders über den Punkt, was Du mit Deiner Auferweckung zum ewigen Leben an einem gewissen Jüngsten Tage der vollsten Wahrheit nach gemeint hast!“

169. Kapitel. Die materialistische Kritik des Oberstadtrichters an der Entwicklung des Menschen.

1. Sagte Ich: „Derlei Gläubige, wie du einer bist, habe Ich schon viele bekehrt, denn sie sind Mir um vieles lieber als die Irr- und Abergläubigen, – und so werde Ich auch mit dir leicht und bald zurechtkommen. Doch jetzt kommen die Fische! Nach dem Abendmahl werde Ich mit dir darüber ein Weiteres sprechen.“

2. Als Ich solches zu dem Oberstadtrichter gesprochen hatte, da wurden auch schon die Fische, bestens bereitet, in mehreren größeren Steinschüsseln in das Gastzimmer gebracht, nebst allem Tischgerät, das zum leichteren Verzehren solch eines Abendmahles nötig ist. Wir nahmen alsbald jeder einen Fisch auf den Teller und verzehrten ihn auch bald, da er ganz nach Judenart bereitet war und man beim Essen mit dem Auslesen der Gräten nichts zu tun hatte.

3. Dem Oberstadtrichter schmeckte der Fisch so gut, daß er sich noch einen auf den Teller legte. Und als er auch diesen verzehrte, sagte er (der Oberstadtrichter): „Großer Herr und Meister, das Leben hat doch auch etwas Angenehmes, was der Tod selbstverständlich nicht haben kann, und das Angenehme besteht darin, daß man dann und wann das Glück hat, unter guten und weisen Freunden sich zu befinden und zweitens bei appetitvollem Magen mit einer wohlschmeckenden Speise und darauf mit einem Becher wohlschmeckendsten Weines sich zu stärken.

4. Ja, unter solchen Umständen möchte der Mensch freilich lieber ewig fortleben, als sich nach einem kurzen Dasein von einem allzeit elenden und schmerzhaften Tode erwürgen zu lassen, in welcher Hinsicht ich mit der gesamten Natur und ihren stets gleich wirkenden Kräften noch niemals einverstanden war und sein konnte.

5. Weil der Mensch schon einmal sterben muß, so könnte er ja auch auf eine angenehme und sein ganzes Wesen süß entzückende Weise sterben; aber nein, er muß für das bißchen zumeist sehr kummervolle Dasein am Ende noch auf das unbarmherzigste und schmählichste gemartert werden, bis er endlich von seiten irgendeines allwaltenden Schicksals der hohen Gnade gewürdigt wird, für alle ewigen Zeiten zu sein aufzuhören.

6. Diese Einrichtung in der sonst so wundervollen Natur ist wahrlich ein Etwas, das jedem biederdenkenden Menschen als im höchsten Grade widerwärtig, verächtlich und verwerflich erscheinen muß, sogar dem, der irgendwie noch nach einem wohlverwahrten Aberglauben in seinem Fleische an eine ewige Lebensfortdauer seiner armen Seele glaubt; es wäre ihm gewiß auch lieber, einen angenehmeren Abschied von dieser jammervollen Welt zu nehmen, als einen solchen, wie er gewöhnlich besteht!“

7. Sagte Ich: „So bist du ein scharfer Schöpfungskritiker und mit der Einrichtung aller bestehenden Lebensverhältnisse auf dieser Erde gar nicht zufrieden? Was ist dir denn nebst dem, was du schon bekrittelt hast, noch nicht recht?“

8. Sagte der Oberstadtrichter: „Aber, großer Herr und Meister, wenn ich da alles bekritteln wollte, was mir mit dem besten Rechtsgrunde in der Einrichtung dieser Welt nie möglich als recht und billig erscheinen kann, da hätte ich ein ganzes Jahr lang zu reden! Aber ich will mich als Rechtsfreund ganz kurz fassen und nur einige Hauptsachen berühren; alles andere läßt sich dann ohnehin von selbst denken.

9. Siehe einmal die elende Geburt des Menschen, der gewisserart als Krone der schöpferischen Eigenschaften der Naturkräfte besteht! Warum ist denn seine Geburt und sein Auftreten in der Welt nicht wenigstens ein derartiges wie das der Tiere und namentlich der Vögel in der Luft, die wenige Tage nach ihrem Auftreten in dieser Naturwelt schon zum vollen Gebrauch ihrer Lebenskräfte gelangen und sich derselben nahezu bis an ihr Ende zu erfreuen haben?

10. Aber nein, der Mensch muß elender als jegliches Tier in diese Welt gelangen, nackt, ohne Kräfte, unbehilflich wie irgendein auf dem Wege liegender Stein!

11. So seine Eltern nicht durch eine Art instinktmäßige Liebe gezwungen wären, den neuen Weltbürger so lange zu pflegen, bis er nur das Glück hat, so eine Art Halbmensch zu werden, so wäre es um das Dasein und Fortbestehen eines jeden in diese Welt geborenen Menschen derart geschehen, daß er nach der Geburt nicht zwei Tage lang das Leben fristen könnte.

12. Ich will aber da noch die Pflege eines neugeborenen Kindes von seiten seiner Eltern ein, zwei bis drei Jahre lang mir gefallen lassen; aber oft über zwölf, ja manchmal über zwanzig Jahre hinaus, bis das Kind durch alle Sorgfalt seiner Eltern dahin gebracht wird, sich endlich in der Welt selbst fortbringen zu können, ist wahrlich zu viel und auch zu dumm und macht der schöpferischen Eigenschaft der wirkenden Naturkräfte unmöglich eine Ehre, sondern in allem das Gegenteil.

13. Hat sie den Menschen keine bessere Entstehung zu verleihen vermocht, so hätte sie mit der Hervorbringung derselben wohl für ewige Zeiten daheimbleiben können; denn dadurch hat sie sich wenig Lob bei der gebildeten Menschheit auf der Welt erworben. Ich will aber diesen großen Unfug der schöpferischen Natur nun nicht gar zu großartig beanstanden.

14. Hat diese Natur schon einmal um jeden Preis auf dieser Erde in der Gestalt des Menschen ein denkendes und seiner selbst bewußtes Wesen haben wollen, aus dem Grunde, damit dieses Wesen seinen Schöpfer erkenne, Ihn lobe und Ihm die Ehre gäbe, so hätte sie oder dieser Schöpfer für den Menschen einen solchen Bestandspunkt festsetzen sollen, in welchem der Mensch es in seinem Denken wenigstens so weit wie ich gebracht hätte; dann hätte er in eine unzerstörbare Festigkeit eintreten sollen und in dieser also weise, stark und gesund fortbestehen, gleichwie auch die Erde in allen ihren Hauptteilen wenig verändert fortbesteht, und so der Mond, die Sonne und die andern Sterne.

15. Aber nein, der Mensch erreicht zwar etwa nach dreißig oder längstens vierzig Jahren wohl einen ähnlichen Standpunkt – wenn überhaupt seine ursprünglichen Lebenskräfte danach eingerichtet sind, was aber zu einer Seltenheit gehört, da beinahe die meisten Menschen glücklicherweise schon als Kinder wieder dahin zurückkehren, woher sie gekommen sind. Der in allem stark gewordene Mensch fängt aber bald nach seinem obersten Lebensstandpunkte mehr oder weniger zu siechen an, und hat er das Glück, etwa gar siebzig, achtzig oder neunzig Jahre alt zu werden, so ist er darum nicht zu beneiden; denn solch ein Alter ist kein Leben mehr, sondern nur eine stets kompliziertere Krankheit, die ihn nach und nach, so wie jeden andern Menschen, zum Tode und zum Nichtsein befördert.

16. Wozu das? Wie kann einer irgend schöpferischen, weisen Kraft das als gut, gerecht und zweckdienlich vorkommen, was doch jede nur einigermaßen geweckte menschliche Vernunft als unweise und unzweckmäßig verwerfen und als etwas Böses, Arges und Rechtswidriges verdammen muß?

17. Mein lieber großer Herr und Meister, das ist mein Hauptgrund, auf dem bauend ich auch jeden andern Schöpfungs- und Hervorbringungsgrund der schöpferischen Natur im gleichen Maße als verwerflich und als völlig unweise erklären muß, und ich muß noch am Ende diejenigen Menschen loben, die sich in einen allerfinstersten Aberglauben haben hineinlullen lassen; denn sie finden in demselben einen seligen Vergeltungsgrund für alle ihre auf dieser Welt ausgestandenen bitteren Leiden.

18. Aber selbst diese nach dem Leibestode zu erwartende Seligkeit ist unter derartige Zwang- und Trugschrauben gestellt, daß einem ehrlichen Menschen über die Bedingungen, wie man zu einer solchen Seligkeit gelangen kann, das Hören und Sehen vergeht, weil dabei die Möglichkeit des Nichterlangens eine überaus breite Straße bildet, die Möglichkeit des Erlangens aber auf einen so steilen, schmalen und dornigen Pfad gestellt ist, daß man am Ende schon lieber gar nicht selig werden wollte, als sich das lebenslange Emporklimmen unter allen Torturen und Foltern des Lebens gefallen zu lassen.

19. Und jetzt, Herr und Meister, habe ich ausgeredet in meiner echt römischen und stadtrichterlichen Weise, und nun wolle Du die Güte haben, mir etwas Besseres zu sagen, als ich Dir zu sagen imstande war!“

170. Kapitel. Einige Denkfragen Jesu an den Oberstadtrichter.

1. Sagte Ich: „Ja, Mein lieber Oberstadtrichter! Du hast als Weltrichter ganz wohl gesprochen, und die Sache kann einem bloß weltklugen Menschen, wie du einer bist, auch nicht anders erscheinen und vorkommen als dir! Aber dessenungeachtet bist du in der Hinsicht, was das Leben der Menschen und aller andern Kreatur betrifft, in einer ungeheuer dicken Irre.

2. Nach dem Schein zu urteilen, der aber allzeit trügt, hättest du freilich wohl recht, aber nach der inneren Lebenswahrheit durchaus nicht; denn alles, was du auf der Welt schon als lebend erblickst, ist in der Sphäre seines Lebens tausendmal unzerstörbarer als alles, was du dir als unzerstörbar denken kannst.

3. Dein Hauptgrundsatz geht auf das hinaus, daß du der Seele eines Menschen nach dem Abfalle ihres Leibes kein Fortbestehen mehr einräumst.

4. In diesem Punkte könnte Ich dich mit einer einzigen Erscheinung aus dem Gebiet des Jenseits in einen ganz entgegengesetzten Glauben versetzen; allein dazu haben wir noch Zeit, – Ich will dich vorerst auf einem andern Wege zu einer ganz andern Überzeugung bringen!

5. Ich werde dir nur ganz kurze Fragen stellen, die du leicht beantworten wirst, und eben solche deine Antworten werden dich bald zu einer andern Ansicht über die Weisheit des Schöpfers bringen, und du wirst dann selbst über deine gegenwärtigen Urteile zu lachen anfangen müssen.

6. Sage Mir, Mein lieber Freund, hast du je in deinem Leben schon einmal gesehen und erlebt, daß so ein rechter Haupttrottel von einem Menschen, der kaum reden kann und noch viel weniger schreiben, rechnen und zeichnen – daß ein solcher Mensch wohl imstande ist, einen Plan zu entwerfen, nach dem eine alle Welt ins Erstaunen setzende kaiserliche Burg unter seiner persönlichen Leitung erbaut werden könnte?

7. Du sagst in dir: ,Nein, der Baumeister muß mit allen Kenntnissen dazu wohl ausgerüstet sein, ohne welche er unmöglich eine großartige kaiserliche Burg herzustellen imstande ist!‘

8. Siehe, Freund, hieraus mußt du zu dem Schlusse kommen, daß derjenige Mensch oder Gott unmöglich dümmer sein kann wie ein solcher Trottel, dessen Ich Erwähnung machte, ob er eine kaiserliche Burg zu erbauen imstande sei!

9. Eine großartige kaiserliche Burg ist zwar auch ein staunenswürdiges Werk und macht seinem Meister sicher Ehre; meinst du aber nicht, daß die Erbauung einer ganzen Welt, wie es die Erde ist, noch sehr bedeutend mehr Weisheit und Kraft erfordert als die einer noch so majestätisch kunstvollen kaiserlichen Burg?

10. Du sprichst abermals in dir: ,Allerdings!‘ Heiße die Kraft, wie sie wolle, die eine ganze Welt wie die Erde ins Dasein gesetzt hat mit allem, was auf ihr, über ihr und in ihr ist, so muß sie im vollen Bewußtsein ihrer schöpferischen Kraft und durchgreifenden Erkenntnis bestanden haben und noch immer fortbestehen, indem ohne ihr Fortbestehen ihr Werk, so wie das eines Menschen, nur zu bald zu einer vollkommenen Ruine werden müßte.

11. Hat aber diese schöpferische Kraft im vollsten Großbesitz ihrer Weisheit ein so großartiges Werk hervorbringen können, so wird sie wohl nicht minder weise gewesen sein bei der Hervorbringung der scheinbar kleinen Werke auf einem solchen Weltkörper. Oder hast du schon einmal gesehen, daß das, was in sich vollkommen tot und nicht ist, ein Leben außer sich ins Dasein rufen kann?

12. Du sprichst: ,Nein, so etwas ist undenkbar und sogar logisch unmöglich!‘

13. Gut, sage Ich dir; meinst du wohl, daß dazu weniger erforderlich ist, um den kleinsten Wurm ins Dasein und Leben zu rufen, als eine ganze Erde, den Mond und die Sonne?

14. Ich sage es dir: So du das einfachste Würmchen ins Lebensdasein zu rufen imstande bist, da bist du auch ebensogut imstande, eine ganze Erde, den Mond und die Sonne, sowie die andern Gestirne ins Dasein zu rufen! Denn die sichtbare, körperliche Lebensmaschine eines noch so unbedeutenden Würmchens ist in ihrem organischen Bau so kunstvoll, daß du dir darüber nicht den allerleisesten Begriff machen kannst; und wäre diese äußere Lebensmaschine nicht so kunstvoll und weise eingerichtet, wie könnte man in dieselbe ein substantielles Seelchen setzen und dieses sich dann der Lebensmaschine zu seiner weiteren Entwicklung bedienen?

15. Und wenn derjenige, der das Würmchen ins Dasein ruft, nicht selbst ein vollkommenster Herr aller Kräfte und alles Lebens wäre, – wie könnte er eine solche Maschine beleben? Und so er selbst nicht nur ein Herr aller Kräfte und alles Lebens, sondern unbedingt das ewige Leben selbst wäre, – wie könnte er das Würmchen selbst beleben?“

171. Kapitel. Über das Wirken der Kräfte.

1. (Der Herr): „Hast du schon in deinem Leben je einmal eine wirkende Kraft gesehen?

2. Du sagst: ,Mitnichten! Die Kräfte sieht und fühlt man zwar immer wirken, – aber sie selbst zu sehen, ist noch niemandem geglückt. Wir sehen wohl, daß große Stürme und Orkane eine große Gewalt ausüben, – worin aber diese Kraft und Gewalt besteht, das wissen wir nicht. Es muß uns Menschen auch eine gewisse Kraft an den Boden der Erde fesseln, ansonst könnten wir uns ja auch, wo wir nur wollten, ohne Anstand frei in die Luft erheben, – was aber nicht der Fall ist, wie uns die tägliche Erfahrung lehrt. Diese Kraft wirkt in einem fort; aber noch keines Menschen Auge hat je gesehen, wie sie aussieht, und wie sie wirkt.‘

3. Gut; nun weiter frage Ich dich, ob du schon je einen Träger gesehen hast, der das Licht von der Sonne bis zu dieser Erde herabbringt! Oder hast du schon das Band gesehen, mit welchem die Weltkörper derart miteinander verbunden sind, daß sie sich gleichfort in den gleichen Distanzen um ihre größeren Weltkörper bewegen müssen? Oder hast du schon einmal jene Kräfte gesehen, welche in den Pflanzen wie in den Tieren wirken und allerlei produzieren?

4. Siehe, das sind dir alles weltfremde Dinge, lauter Fragen, die du dir an der Seite deiner Rechtsphilosophie schon lange hättest geben können, und auf die du vielleicht auch schon irgendeine viel gescheitere Antwort bekommen hättest, denn auf deine philosophisch kritischen Rechtswitzeleien!

5. Siehe, keine noch so kunstvoll konstruierte Lebensmaschine kann aus mehrfachen Gründen für eine ewige Dauer geschaffen werden; denn solche dauerhaften materiellen Lebensmaschinen erschaffen, hieße für den Schöpfer, Sich Selbst in unendlich viele Teile zerteilen, nach und nach schwächer und schwächer werden und sich des weiteren Schöpfens unfähig machen!

6. So Er aber eine Lebensmaschine nur zu dem Behufe schafft, auf daß sich ein Funke Seines Urlebens für die eigene gottähnliche Freiheit und Selbständigkeit stärke und festige, dann die Lebensmaschine ablege und sich durch die Liebe und Weisheit in ihm vollkommen einige, so geht dadurch von dem urschöpferischen Grundleben nicht nur nichts verloren, sondern der Schöpfer und das Geschöpf gewinnen dadurch Unendliches, für dich jetzt freilich Unbegreifbares.

7. Wenn du aber in deiner Seele in dem wahren Geiste Gottes wiedergeboren wirst, so wird dir das klarwerden, wie die Liebe Gottes durch die Liebe Ihrer Kinder zu Ihr in Sich stets mächtiger wird, und ebenso auch die Liebe Gottes in den Kindern.

8. Gott aber war von Ewigkeit ein reinster und vollkommenster Geist und kann daher nichts anderes wollen, als daß mit der Zeit alle Seine Geschöpfe auf den vom Schöpfer vorgesehenen Wegen wieder das werden, was Er Selbst ist, – nur mit dem Unterschied, daß sie vor ihrer gewisserart materiellen Ins-Dasein- Rufung nichts anderes waren als pure große Gedanken und Ideen des Schöpfers, die Er dann mit den Zeiten der Zeiten mit der Macht Seines Willens gewisserart wie außer Sich als für sich bestehend hinausstellte und ihnen eine Umhülsung gab, innerhalb welcher sie sich nach und nach selbst mehr und mehr beschauen und erkennen mußten und den Sinn für die Selbständigkeit und für die Freiheit in sich durch Meine sie dennoch noch immer durchdringende Kraft erkeimen lassen mußten.

9. Freund, wenn solch ein Keim nicht auch in dir bestünde – von dem du als äußerer Sinnenmensch freilich wohl nichts weißt –, so würdest du dem Schöpfer deine Vorwürfe nicht gemacht haben; denn nur der unzerstörbare Lebenssinn in dir hat dich, dir unbewußt, dazu aufgefordert, und Ich bin darum auch hauptsächlich deinetwegen in diese Gegend gekommen, um dir mit Wort und Tat zu zeigen, wie weit und tief du dich noch hinter dem Lebens- und Lichtpfeiler befindest! Und nun haben wir vorderhand gegenseitig an den Worten zur Genüge und wollen deinetwegen auch zu einigen Tatsachen übergehen.“

172. Kapitel. Der Verkehr mit den Jenseitigen. Die innere geistige Sehe.

1. (Der Herr): „Du hast behauptet, daß man mit den Menschen, die einmal verstorben sind, keine Rücksprache mehr führen könne; allein da bist du sehr irrig daran.

2. Menschen deiner Art ist das wohl nicht leicht möglich; denn sie sind von Anbeginn zu diesweltlich gebildet, haben mit allem möglichen wohl ihre natürliche Seh- und Begriffskraft geschärft, aber dadurch auch in den Hintergrund gestellt ihre innere geistige Sehe. Denn es geht ihnen mit dieser inneren geistigen Sehe ungefähr ebenso wie einem Menschen, der an seinem Hause gläserne Fensterscheiben angebracht hat. Er befindet sich aber außerhalb des Hauses und vernimmt auf einmal ein tüchtiges Geräusch im Hause. Er eilt demnach zu einem Fenster hin und will in das Innere des Hauses sehen; aber trotz aller seiner Anstrengung kann er nahezu gar nichts entdecken, denn des Tages Widerschein aus den Fensterscheiben hindert ihn daran. Wenn er denn weiter die Ursache des inneren Geräusches erfahren will, so bleibt ihm nichts anderes übrig, als das Haustor und alle Nebentüren aufzumachen und hineinzugehen, um nachzusehen, was die Ursache des Geräusches war; oder er muß eine Fensterscheibe durchstoßen, und tut es sich mit einer nicht, auch mehrere, um dann ins Haus wirkungsvoller hineinsehen zu können, was etwa das Geräusch verursacht habe.

3. Hätte sich der betreffende Hausherr im Moment des vernommenen Geräusches statt außerhalb des Hauses im Hause selbst befunden, so wäre er auch eher und leichter auf den Grund des vernommenen Geräusches gekommen; da er sich aber außerhalb befand, so konnte er in dem Augenblick nicht gegenwärtig sein, als das Geräusch geschah, sondern erst später, und das in jeder Beziehung unvollkommener, weil die Ursache samt der Wirkung sich schon verloren hatte. Er mußte dann lange alle Winkel im Innern des Hauses mühsam durchsuchen und am Ende ein zerbrochenes Geschirr finden, von dem er dann mutmaßen mußte, daß es durch irgendeine Bewegung von der Höhe hinab auf den Boden gestürzt sei, dabei zerbrach und den Lärm verursachte. Aber dennoch hat er selbst über diese Annahme keine volle Gewißheit, weil das zerbrochen gefundene Geschirr wohl auch schon früher hatte zerbrochen werden können, – daher seine Annahme dessenungeachtet keine Gewißheit, sondern nur eine Vermutung ist, und das alles bloß darum, weil er im Moment des vernommenen Geräusches sich nicht innerhalb, sondern außerhalb seines Hauses befand.

4. Und siehe, durch dieses Bild will Ich dich darauf aufmerksam machen, wie ein Mensch, der bloß äußerlich verstandesmäßig gebildet ist, von dem, was in ihm geistig vor sich geht, entweder gar nichts oder nur sehr weniges und Unbestimmtes vernehmen und begreifen kann!

5. Der Leib ist der Seele Haus und der Geist in ihr dazu von Gott aus gegeben, daß er die Seele in allem unterweise und erwecke, was da geistig ist, und sie mit demselben auch in Verkehr setze.

6. Wie kann aber der Geist das, wenn die Seele im Vollbesitze ihres freien Willens sich zuallermeist nur außerhalb des Hauses befindet und sich erquickt und erlabt am Weltlichte? Durch dieses aber wird sie derart geblendet und betäubt, daß sie dann nichts mehr sieht und wahrnimmt, was in ihrem Hause vor sich geht.

7. Mit der Zeit, so sie etwas gemahnt, will sie sich freilich in ihrem Hause umsehen und wird sehr bekümmert um dasselbe; sie findet es schon hie und da schadhaft, will es ausbessern und haltbar machen und vereinigt sich dann endlich selbst mit der Materie ihres inneren und äußeren Wohnhauses.

8. Sie sucht dann freilich den Geist in ihrem Hause, der sie durch einen dann und wann veranstalteten Lärm im Wohnhause zu sich ins Haus rufen wollte; aber oft überhörte sie solchen Lärm vor lauter Weltgetümmel. Dann und wann machte sie wohl einen flüchtigen Blick in das Innere ihres Hauses, fand aber nur weniges und Unzuverläßliches und kehrte sich dann bald wieder nach einer kleinen Untersuchung nach außen, wo es ihr besser gefiel als in den dunklen Gemächern ihres Hauses, in denen sie darum nichts Entschiedenes mehr auffinden konnte, weil ihre Sehe vom Außenlicht zu geblendet und ihr inneres Vernehmvermögen von dem lauten Weltgetümmel zu übertäubt war.

9. Da gibt es aber hie und da, den Kindern ähnlich, furchtsame Seelen, die sich vor dem Weltlicht und dem Weltgetümmel fürchten. Diese bleiben dann lieber im Hause und unterhalten sich mit dem, was sich im Hause befindet. Geschieht nun ein Lärm, so können sie gar wohl von innen nach außen durch die durch ein äußeres Licht ungeblendeten Fensterscheiben schauen und bald und leicht dahinterkommen, was den Lärm verursacht hat, und können von mancherlei, was auch im Hause geschieht, sicher richtiger und eher innewerden als diejenigen, die sich außerhalb des Hauses befinden.

10. Also ist das geistige Seh- und Hörvermögen stets innerhalb des Menschen und nie außerhalb in seinen weltlichen Sinnen. Wenn du demnach mit einer oder der andern Seele dich besprechen und sie sehen möchtest, so kann das nur in dir, nie aber außer dir bewerkstelligt werden.

11. Wärest du mehr in dir zu Hause geblieben, so hättest du schon lange dieselben Lebenserfahrungen gemacht wie gar viele andere, die dir davon wohl erzählten, deren Erzählung du aber stets für eine leichtgläubige Selbsttäuschung erklärtest, und du hast dich dadurch auch stets mehr und mehr nur außer deinem Hause aufgehalten und nur sehr selten einen flüchtigen Blick in dasselbe geworfen, wo es dich denn allzeit mehr und mehr geärgert hat, weil du infolge der Überblendung deiner inneren Sehe durch das äußere Weltverstandeslicht immer weniger und schlechter ausnehmen konntest, was sich in deinem Lebenshause vorfand, und du hast dich dadurch selbst gestraft, indem du mit deinem äußeren Weltlicht den ewigen Tod und das ewige Nichtsein als die größte Wohltat für ein einmal in ein selbstbewußtes Dasein gerufenes Wesen ansahst und noch ansiehst.

12. Siehe aber, Ich habe als ein wahrer Herr des Lebens die Gabe, dich in dein Inneres zurückzuführen und auf einige Momente deine innere Sehe zu stärken, und du wirst dich dann alsogleich überzeugen, was es mit dem Fortbestehen der Seele nach ihres Leibes Tod für eine Bewandtnis hat!

13. Sage Mir, wen aus deiner früheren Zeit du nun sehen und sprechen willst, und er wird im Augenblick kommen und dir Rede und Antwort geben, und du wirst ihn auch als den erkennen, als den du ihn bei seinen Lebzeiten gekannt hast!“

173. Kapitel. Eine Geistererscheinung.

1. Und der Oberstadtrichter sagte: „So lasse mich meinen Vater sehen und sprechen, der schon vor zwölf Jahren verstorben ist und ich um ihn auch sehr viel getrauert habe, weil er mir ein überaus lieber und biederer Vater war!“

2. Sagte Ich zum Oberstadtrichter: „Dir geschehe nach deinem Wunsche!“

3. Und siehe da, in demselben Augenblick stand der Vater des Oberstadtrichters, allen Anwesenden sichtbar, im Gastzimmer.

4. Und der Sohn erkannte ihn auch alsogleich und sagte zu ihm: „Also lebst du wirklich nach dem Tode deines Leibes fort?“

5. Sagte der Vater: „Du glaubst wohl nun, weil ich dir also zu erscheinen durch die Macht Dessen, der bei dir ist, genötigt worden bin, und du siehst mich nun, weil dir Dieser deine innere Sehe eröffnet hat; warum glaubtest denn du deiner noch lebenden Mutter und deinen drei Geschwistern nicht, die mich bald nach meinem Hintritt gesehen und gesprochen haben und ich ihnen mit kurzen Worten eröffnete, daß es mit dem Leben der Seele nach dem Tode des Leibes ganz anders aussieht, als die Menschen in diesem kurzen Erdenleben davon, so oder so, urteilen?

6. Am übelsten für diese kurze Lebenszeit sind diejenigen daran, die an ein Fortleben der Seele nach dem Abfalle des Leibes gar nicht glauben; denn sie behalten den Glauben, den sie von hier mitgenommen haben, jenseits noch lange fort und erwarten noch immer die ewige Vernichtung, die aber nimmer erfolgen kann und will.

7. Und infolge solch ihres Irrglaubens sind sie auch faul und träge, für ihr jenseitiges Weiterkommen etwas zu unternehmen, und so leben sie jenseits noch – wie ich solches schon erfahren habe – oft ein paar tausend Jahre hindurch und lassen sich von ihrem unsinnigen Glauben selbst durch die lichtesten Geister nicht abwendig machen. Siehe daher du, mein Sohn, zu, daß du nicht in einem solchen Irrglauben aus der Welt scheidest!“

8. Hierauf sagte der Oberstadtrichter: „Wahrlich, Vater, du bist es! Denn du hast nun dieselben Worte zu mir gesprochen, welche du zu der Mutter und meinen Geschwistern gesprochen hast, die ich mir denn auch aufgezeichnet habe und noch als ein Heiligtum bei mir aufbewahre, obschon ich an sie bis jetzt nur einen kleinen Glauben hatte. Ich wollte dich auch selbst sehen und sprechen; aber mir wollte dieses Glück nicht zuteil werden.“

9. Darauf sagte zu ihm der Vater: „Wie hätte denn dieses auch geschehen können? Denn wie oft ich auch zu dir kam, warst du nie zu Hause und hattest immer zu tun in der Außenwelt und ihrem Lichte, und da ist es für uns unmöglich, jemandem zu erscheinen und ihn zu belehren; denn wir sind nun in unserem Sein nicht mehr die Erscheinung, bewirkt durch eine andere Kraft, und sind demnach die Kraft selbst, die innerlich in allen Elementen wirkt, die der sinnliche Mensch wohl erschauen kann, – aber die wirkende Kraft, als das eigentliche, wahre Sein in sich selbst, kann ein äußerer, dir gleicher Weltmensch ebensowenig erschauen wie jede andere in der materiellen Welt wirkende Kraft, – er müßte denn nur in sein wahres Sein in sich zurückkehren, dadurch seine innere Sehe erschließen, und er würde dann auch des wahren Seins der wirkenden Kräfte gewahr werden, sie in ihrem wahren Sein beschauen und sich mit ihnen auch in Verkehr setzen können!“

174. Kapitel. Erlebnisse im Jenseits.

1. Hierauf fragte der Oberstadtrichter den Vater: „Wo ist denn der Ort, wo du dich aufhältst, und wie sieht er aus?“

2. Sagte der Vater: „In unserem Reiche gibt es gar keinen Ort, von dem man sagen könnte: ,Siehe hier, oder dort ist er, und so sieht er aus, und so ist er beschaffen!‘; denn bei uns ist ein jeder der Ort, den er bewohnt, für sich selbst, und das Aussehen und die Beschaffenheit des Ortes entspricht in allem und jedem der inneren Beschaffenheit des Menschen.

3. Ich bin nun nach irdischer Rechnung doch schon eine solche Zeit drüben, in der man doch etwas Besonderes sehen und erfahren kann; aber ich habe bis jetzt noch nichts gesehen, was dem irgend gleichkäme, was man in dieser Welt vom Jenseits geglaubt, gemeint und gefabelt hat. Ich suchte den Fluß Styx und seinen Schiffer Charon und fand keines von beiden. Ich hatte schon eine Weile Tartarusangst vor einer Furie oder vor den drei unerbittlichen Richtern Minos, Äakus und Rhadamantus – allein, nichts von allem dem! Ich wollte das Elysium aufsuchen, ging weit und breit wie in einer großen Sandsteppe umher, und siehe, es wollte sich auch kein Elysium finden lassen, – kurz, ich sah und fand außer mir nichts und niemanden außer mich selbst und den sehr lockeren Boden, auf dem ich mich befand.

4. Etwa nach ein paar Jahren meines Suchens – nach diesirdischer Zeitrechnung –, in welcher Zeit ich noch immer diese endlose Sandsteppe nach allen Richtungen hin durchzog, entdeckte ich in einer ziemlich bedeutenden Ferne endlich doch jemanden, der sich ganz in demselben Zustande zu befinden schien, in dem ich mich befand. Ich ging schnellen Schrittes auf diesen Jemand zu und war bald vollends bei ihm.

5. Als ich zu ihm kam, fragte ich ihn sogleich, sagend: ,Du scheinst dich eben auch in einem mir ähnlichen Zustande zu befinden! Unter den Füßen nichts als eine unendlich fortzudauern scheinende Fläche Sandes, über dem Haupte ein mehr dunkel- als lichtgraues Genebel, und man sieht sonst nichts als sich selbst und seine in den Sand eingedrückten Tritte. Es geht auch kein Wind, und von einem Wasser oder einem andern Objekte ist gar keine Rede. Bei zwei Jahre irdischer Rechnung irre ich in dieser Sandwüste umher und finde auch nichts, davon man sich sättigen und einen allfälligen Durst stillen könnte. Ich weiß, daß ich das Zeitliche verlassen habe und als eine wahrlich arme Seele in dieser Wüste umherwandere, was mir schon wirklich im höchsten Grade unangenehm ist. Ich habe mir die größte Mühe gegeben, hier in dieser sein sollenden Geister- oder Seelenwelt alles das aufzusuchen und aufzufinden, an das ich in der Welt so halbwegs geglaubt habe, aber nichts von allem - - -.

6. Du bist nun nach zwei Jahren die erste mir ähnliche Erscheinung. Weißt du mir vielleicht zu sagen, was man hier tun und anfangen soll, um denn doch endlich einmal einen Ort zu finden, in welchem so halbwegs zu bestehen wäre? Denn ich bin des Suchens in dieser weiten Sandsteppe schon müde geworden und habe wahrlich keine Lust mehr, weitere Schritte vor- und rückwärts zu machen!‘

7. Darauf sagte der mir ähnlich Scheinende und sich in gleichen Zuständen Befindende: ,Ja, mein Freund, wie dir, so geht es gar zahllos vielen in diesem Reiche, die das, was du suchst, schon viele Jahrhunderte lang suchen! Wenn du hier etwas finden willst, so mußt du es nicht so anstellen, wie auf der materiellen Welt, in der man alles nur außer sich sucht. Wer hier das tut, der findet ewig nichts! Denn hier gibt es außer ihm keinen Ort und keine Gegend mehr, und würde er diese auch auf allen Punkten des unendlichen Raumes irgend finden wollen.

8. Du mußt also mit deinen Sinnen, mit deinem Trachten und Wollen in dich selbst zurückgehen und in dir selbst zu suchen, zu denken und zu formen anfangen, dann erst wirst du einen Ort finden, der deinem Denken, Formen, Wollen und deiner Liebe entsprechen wird! Daher tue, als sähest du diese Sandsteppe nicht, wie auch nicht das Graugenebel über dir, sondern begib dich in die Phantasie deines inneren Gemütes, so wird sich vor dir bald alles anders gestalten! Ich habe mich darum von dir finden lassen, um dir solches zu verkünden.‘

9. Auf diese Worte verließ mich der Jemand plötzlich wieder und ließ mich auf meiner Sandsteppe stehen. Ich beherzigte seine Worte und fing an, in mich zu gehen und so recht lebhaft zu denken, und zeichnete mir in meiner Phantasie so gut es ging eine Gegend und einen Ort, – und siehe da, es währte gar nicht lange und ich ersah bald meine Phantasie vor mir tatsächlich ausgebreitet.

10. Sie bestand in einem Tal, das von einem Bache durchfurcht war. Links und rechts befanden sich Wiesen und auch Bäume und Sträucher, und in einiger Entfernung entdeckte ich auch einen Ort, bestehend aus niedrigen Bauernhütten, worauf es mir vorkam, daß ich diesem Orte näherkommen sollte.

11. Ich dachte mir aber: ,So ich wieder werde zu gehen anfangen, da werde ich am Ende alles wieder verlieren, was ich mir mühsam geschaffen habe! Ich werde dafür versuchen, mir in meiner nächsten Nähe nur eine solche Hütte zu formen, – diese will ich dann recht gern für immer bewohnen und behalten!‘

12. Ich dachte mir so etwas, und die Hütte stand auch bald da, umgeben mit einem Garten voller Obstbäume, womit ich vollkommen zufrieden war.

13. Ich ging denn in die Hütte, um gewisserart in mir selbst zu erfahren, was sich da weiterhin ergeben werde. Als ich in die Hütte kam, fand ich sie vollkommen leer und fing wieder an, noch tiefer in mich zu gehen und zu denken, worauf bald aller Art Gerätschaften in dieser Hütte sich mir darzustellen anfingen: Stühle, Bänke, Tische und auch ein Ruhebett, ganz so, wie ich es mir gedacht hatte.

14. Und ich dachte weiter: ,Der Tisch wäre nun da; aber es gibt auf ihm noch kein Brot und keinen Wein und sonstige Speisen!‘

15. Wie ich daran lebhaft zu denken anfing, da befand sich auch bald des Brotes und Weines zur Genüge auf dem Tisch, und ich machte bei diesem Anblick nicht viel Säumens, griff bald nach dem Brote und so auch nach dem Weine, denn ich war schon sehr hungrig und durstig, – und siehe, ich fand mich bald darauf sehr gestärkt, und mit meinem Denken und Phantasieren fing es an, viel lebhafter und kräftiger zu gehen!“

175. Kapitel. Führungen im Jenseits.

1. (Der Vater): „Ich trat darauf wieder aus meiner Hütte und fand alles noch so wie früher. Da dachte ich mir aber: ,Es wäre alles recht also; aber ich bin und bleibe dennoch allein! Wenn ich nur jenen früheren Freund mir jetzt herbeiwünschen könnte, damit ich ihm meinen Dank abstatten könnte für seinen mir gegebenen guten Rat!‘ – und sah bei diesem Wunsche nach jenem schon vorher erwähnten entfernten Orte hin, und sah, wie sich bald darauf von jenem Ort mehrere Menschen in der Richtung zu mir zu bewegen anfingen.

2. Sie kamen bald in meine Nähe, und unter ihnen erkannte ich auch bald jenen Freund, der mir in der früheren Sandwüste den guten Rat erteilt hatte, und er sagte zu mir: ,Nun erwecke du in dir recht lebendig das Gefühl der Liebe, des Mitleids, der Erbarmung und des Wohltuns, und es werden bald mehrere zu dir kommen, denen es jetzt noch so geht, wie es dir ergangen ist! Teile dann mit ihnen dein Lebensbrot und deinen Lebenswein, und sie werden bald darauf deine glücklicheren Nachbarn werden! Die aber von dir nichts annehmen werden wollen, die lasse du nach ihrem Willen wieder weiterziehen und einen Ort und ein Unterkommen suchen, und es wird ihnen fürder geradeso ergehen, wie es dir ergangen ist bei deinem Suchen! Du aber bleibe von nun an fortwährend wachsend in der Liebe, in der Erbarmung und in der lebendigen Sehnsucht, den armen Blinden nach Möglichkeit Gutes zu erweisen; dadurch wirst du selbst fort und fort reicher und dadurch auch glücklicher werden!‘

3. Darauf kehrten die mich in meiner Einsamkeit Besuchenden wieder zurück, und ich befolgte abermals meines noch unbekannten Freundes weiteren Rat. Und siehe, es kam bald darauf eine recht große Menge dürftiger Seelen zu mir, und ich fragte sie, ob sie etwas sähen und wahrnähmen.

4. Und sie antworteten: ,Bis jetzt noch nichts als unter unseren Füßen eine endlose Sandsteppe und über uns ein graues Genebel!‘

5. Ich aber ging in meine Hütte und brachte ihnen Brot und Wein.

6. Einige von ihnen ersahen alsbald das Brot und den Wein, als ich zu ihnen sagte: ,Da habt ihr Brot und Wein, und stärket euch!‘

7. Viele andere aber merkten es nicht, da sie in sich der Meinung waren, ich treibe mit ihnen etwa einen mutwilligen Scherz, und zogen wieder weiter.

8. Die aber Brot und Wein nahmen, ersahen auch alsbald meine Hütte und die ganze schöne Landschaft und blieben bei mir, und ich unterwies sie in der Weise, wie ich selbst unterwiesen worden war, und bald ward meine früher einsame Hütte mit einer Menge anderer wohleingerichteter Hütten umgeben, und ich fand und kam dadurch zu meinem ersten Orte und zu meiner ersten Gesellschaft und blieb so lange daselbst, bis ich mein Inneres durch die Liebe zu meinem Nächsten stets mehr und mehr erweitert hatte.

9. Nach solcher Erweiterung erweiterte sich auch bald die Gegend, wurde lebhafter und schöner und ich in ihr stets glücklicher und erleuchteter; und je mehr sich das innere Licht in mir ausbreitete und mir etwas vorstellte, so war es auch schon bald da.

10. In solchem Zustande fing ich auch an, meiner in der Welt zurückgelassenen Angehörigen zu gedenken und mich ihnen mitzuteilen, daß es nach dem Abfalle des Leibes ein unverwüstbares Fortleben der Seele gibt.

11. Und siehe, bald darauf kamen deine Mutter und etliche Geschwister zu mir, und ich konnte mich ihnen ebenso mitteilen, wie nun dir! Sie glaubten meinen Worten, teilten dir solches auch mit, was aber bei dir bis jetzt keinen Glauben fand, indem du zu sehr mit allem deinem Denken, Lieben und Wollen dich in die starre und tote Außenwelt begeben hast.

12. Schließlich mache ich dir noch diese Bemerkung, daß eben derjenige gute Freund, der mir in der Wüste zuerst den guten Rat erteilte, diesem Herrn, an dessen Seite du sitzest, in der Physiognomie sehr ähnlich sieht, und ich in mir bei Seinem ersten Anblick eine lichte Idee entstehen sah, daß Er der Herr von dieser und auch von unserer Welt sei. Ich rede zwar nun mit dir, – aber nicht als in einem andern Ort, sondern nur in dem, den ich bewohne, und du kannst daraus für dich den Schluß machen, daß ich es nicht notwendig habe, um mit jemandem in dieser Welt zu verkehren, meinen Ort zu verlassen, – sondern wo ich bin und rede, da ist auch der Ort mit mir.

13. Übrigens mache ich dich nun noch darauf aufmerksam, daß du auf der Außenwelt, deiner Seele nach, nun auch auf lauter Sand einherwandelst und über dir, das heißt in deinem Verstande, nichts hast als dunkelgraues Genebel.

14. Diese Erde aber, und was du auf ihr und über ihr siehst, ist auch nur ein von einem allerhöchsten Geiste aus geschaffener Ort, geradeso, wie im kleinen Maßstabe mein kleiner Ort von mir aus geschaffen ist.

15. Die Liebe des großen Geistes, Seine überaus hellen Lichtgedanken, Sein allmächtiges Wollen und Seine große Barmherzigkeit sind die Urelemente, aus denen Er solche wunderbaren Orte herstellt und sie auch erhält, solange Er will. Du siehst demnach in dieser Welt nichts anderes als einen solchen Ort, der aus dem großen Geiste in einer gewissen Ordnung ins Dasein gesetzt wurde; für deine Seele aber bleibt er nur so lange ersichtlich und ein Etwas, solange deine Seele noch mit einer Materie umhülst ist.

16. Wird dir diese Umhülsung genommen, dann bist du ohne Ort, ohne irgendeinen festen Boden und ohne ein bestimmtes Licht über dir, – außer du hast schon in dieser Welt den Weg in dein Inneres gefunden. Dann geht es jenseits freilich anders; denn da kommt alles, der Ort und was dir nötig ist, schon mit dir herüber, und du brauchst da nicht erst jenseits durch einen Freund zu erfahren, wie man jenseits bei uns zu einem Wohnorte und zu einer Gesellschaft gelangt. – Das merke dir, du mein Sohn!“

17. Hier wollte der Sohn noch weiter mit seinem Vater sprechen.

18. Dieser aber sagte noch im Scheiden (der Vater): „Um alles andere, um was du noch weiter wissen willst, wende dich im Herzen an Den, der neben dir sitzt; denn Ihm sind alle Dinge bekannt, auf dieser Welt und in der unsrigen!“

19. Auf diese Worte verschwand der Geist.

176. Kapitel. Die Frage nach der Hölle und ihren Geistern.

1. Und Ich wandte Mich nun an den Oberstadtrichter und sagte: „War das der Geist deines Vaters oder nicht?“

2. Sagte der Oberstadtrichter: „Großer Herr und Meister, er war es so gewiß und sicher, als ich gewiß und sicher sein irdischer Sohn bin, und er kann kein Phantom meiner eigenen Phantasie gewesen sein; denn ein solches Phantom hätte nicht also weise mit mir reden können, und das über Dinge, die mir bis jetzt so fremd waren wie das, was sich unterhalb unserer Erde befindet. Und ich glaube von nun an vollkommen an ein unverwüstbares Fortbestehen der Seele nach dem Abfalle des Leibes!

3. Nur eines kam mir etwas sonderbar vor, und das bestand in dem, daß mein Vater, solange er sich drüben befindet, weder mit den bösen Geistern der Heiden und noch weniger mit irgendeinem Teufel der Juden zusammengekommen ist. Es ist doch überall die Rede, daß die Argen jenseits auch fortbestehen und in einem fort nur Böses zu bewirken beabsichtigen in ihrem unauslöschbaren Grimm. Wie sieht es denn dann mit den Orten dieser bösen Geister aus? Und warum konnte mein Vater jenseits noch keinen zu Gesicht bekommen?“

4. Sagte Ich: „Kümmere du dich um das wenig oder gar nicht! Die bösen Geister, die man Teufel nennt, kehren am Ende auch in sich, aber sie finden nichts als lauter Erzböses, was eigentlich ihre Liebe ist. Aus dieser erschaffen sie sich auch Orte, die mit ihrem inneren Charakter die vollkommenste Ähnlichkeit haben, sondern sich nach und nach – nach dem Grade ihrer Bosheit – in gewisse Vereine ab und suchen jedermann zu schaden. Wenn sie gerade auf dieser Erde ähnliche Charaktere unter den Menschen verspüren, so finden sie auch bald Wege, sich denselben beinahe auf dieselbe Weise zu nähern, wie sich dir dein Vater genaht hat, nehmen dann das Fleisch zuerst in Besitz und erfüllen es mit allem, was man nur arg und böse nennen kann.

5. Am Anfang treten sie sachte auf und suchen die Seele in das Fleisch zu ziehen. Ist das geschehen, so ist die Seele für alles Rechte, Reine, Gute und Wahre auch schon so gut wie verloren. Und Ich bin eben darum in diese Welt Selbst im Fleische gekommen, um diesem alten Unfug für alle jene ein wirksamstes Ende zu setzen, die an Mich glauben und nach Meiner Lehre leben und handeln werden, – denn siehe, Ich ganz allein bin der Herr über alles in der Welt und über alles im Reiche der Geister! Glaube das, und du wirst leben!“

6. Darauf dankte der Oberstadtrichter für diese Meine Belehrung, setzte aber als ein feiner Verstandeskritiker diese Frage am Schlusse hinzu: „Aber, Herr und Meister, wie hast Du denn solch einem Unfug zusehen können, ohne ihm schon überlange her ein wirksamstes Ende zu machen?“

7. Sagte Ich: „Das, was du wünschest, ist von Mir aus auch immer geschehen, und es ging noch nie ein nur einigermaßen guter Mensch verloren; für das aber, was jetzt geschieht, war auf dieser Erde die Menschheit noch zu jung und ist gegenwärtig noch lange nicht in der rechten Reife.

8. Doch Ich habe Mich der wenigen Guten wegen dieser Welt erbarmt und will für sie Selbst jenseits ein Reich gründen, in welchem sie ewig bei Mir sein und mit Mir herrschen sollen.

9. So wie dein Vater befinden sich im großen Jenseits schon zahllos viele der besseren Juden- und Heidengeister; wenn Ich aber in Kürze in Mein ewiges Ursein zurückkehren werde, dann wird auch all diesen besseren Juden und Heiden im Jenseits der rechte Weg zum vollkommenen, ewigen Leben gezeigt werden. Allen Bösen aber wird es auch ewig freistehen, sich entweder zu bessern und die Wege des Lichtes zu betreten oder in ihrem Bösen zu verbleiben und sich von ihm quälen zu lassen für ewig hin; denn was sie selbst wollen, darin widerfährt ihnen kein Unrecht.

10. Und so wird jenseits des Guten Lohn Gutes sein, des Bösen aber Böses, und ein jeder wird nach der Ablegung seines Leibes sich befinden in seinem Jüngsten Tage, und Ich werde einen jeden auferwecken und ihm den Lohn geben aus ihm selbst, wie er war, gut oder böse.

11. Und damit hast du aber auch schon alle deine an Mich gestellten Fragen mehr als zur Genüge beantwortet, und wollte Ich dir auch noch tiefere Antworten geben, so würdest du sie dennoch nicht verstehen; denn ihr seid allzumal noch Kinder in eurer Seele und könnet eine feste, männliche Kost noch nicht vertragen. Daher müsset ihr vorerst auch mit der Milch gespeist werden; wenn ihr aber einmal durch diese Speise hinreichend gekräftigt sein werdet, dann werdet ihr auch eine kräftigere Speise aus dem Himmel zu vertragen wohl imstande sein.“

177. Kapitel. Die Götzenbilder im Hause des Wirtes.

1. Auf diese Meine Worte fingen alle – sogar auch Meine Apostel – an, Mich sehr zu loben, und sagten: „Nun, o Herr, hast Du über verborgene Dinge wieder einmal ganz klar und vernehmlich gesprochen, und wir erfuhren ein rechtes Licht über das Fortleben der Seele nach des Leibes Tode, und wie dasselbe beschaffen ist, und alles, was in dieser Art ist und besteht, kann nur durch dich, o Herr, allein ins klare Licht gestellt werden, und dafür sei Dir unser aller innerster Herzensdank laut und lebendig ausgesprochen!“

2. Und Ich sagte darauf: „Und nun denn esset und trinket noch, was da auf dem Tische ist; dann wollen wir uns zur Ruhe begeben und sehen, was der morgige Tag uns zuführen wird!“

3. Darauf aßen und tranken alle und besprachen sich über Mich viel untereinander. Ich aber aß und trank nichts mehr und ruhte gleichsam von der Tagesmühe. Gegen Mitternacht hin fingen auch die andern an schläfrig zu werden, und der Oberstadtrichter, die Pharisäer und die Juden begaben sich in ihre Wohnungen nach Hause. Ich aber blieb wie gewöhnlich mit Meinen Jüngern die Nacht hindurch am Tische sitzen.

4. Und der Oberstadtrichter sagte beim Fortgehen dem Wirte, daß er sich ja nicht von weitem unterstehen sollte, uns irgendeine Zeche abzuverlangen; denn er selbst werde dem Wirte die Zeche bezahlen für alle.

5. Der Wirt aber sagte: „Herr Oberstadtrichter! In diesem Punkte hast du mir ganz leicht zu gebieten, – denn bei dieser Zeche bin nur ich der Schuldner, und alle die Gäste sind meine Gläubiger; denn so sie mir das anrechnen wollten, was sie mir getan haben, so würde ich eine schöne Summe Geldes an sie zu bezahlen haben. Daher sei du unbesorgt, denn bei dieser Gelegenheit bin ich kein Wirt, sondern ein Mensch und, dir gleich, ein lebendigster Freund alles Guten und Wahren und Außerordentlichen. Morgen sehen wir uns wieder!“

6. Darauf trennten sie sich, und unser Wirt begab sich auch zur Ruhe, obschon er, bevor ihm der Schlaf kam, noch vieles über die Erscheinung des vergangenen Abends mit seinem Weibe und seinen Kindern gesprochen hatte.

7. Sein Weib aber sowie die Kinder waren noch ganz Heiden von echtem Schrot und Korn, und ihr Schlafgemach war, wo es nur ein Plätzchen gab, ganz voll von römischen und griechischen Statuettchen, teils aus Holz, teils aus Stein, teils aus Erz geformt.

8. Und der Wirt sagte zu ihr: „Höre du, mein sonst braves und treues Weib! Nachdem wir das Glück hatten, den wirklichen, einen und allein wahren Gott leibhaftig und persönlich kennengelernt zu haben, so werden wir morgen Hand an diese Götzen legen und sie samt und sämtlich vertilgen; denn sie haben uns nie etwas genützt und werden uns künftighin noch weniger je etwas nützen.“

9. Als der Wirt solches zu seinem Weibe gesprochen hatte, wollte sie anfangs nicht einwilligen; aber sein ältester Sohn, der ein Freigeist war, sagte ganz laut: „Vater, das hätte ich mit dir schon lange getan, – allein, der Weiber Glaube ist gar hartnäckig wie ein Stein und läßt kein vernünftiges Wort mit sich reden, obschon sie einsehen sollten, daß alle diese Götzen fürs erste nichts als tote Materie sind, und daß sie fürs zweite noch so schlecht und elend geformt sind, daß sie dem menschlichen Kunstgeiste eine barste Schande machen; denn solch eine Diana von Ephesus sieht ja doch nicht anders aus als wie ein ausgetrockneter Frosch, und aus dem Jupiter kann man machen, was man will!

10. Ich laß mir diese Figuren noch gefallen, so sie Werke wirklicher Künstler sind; aber diese Figuren, die der Mutter Schlafgemach zieren, sind zumeist Werke von griechischen Hirten, die neben ihren Viehherden dergleichen Figuren entweder aus Holz, Lehm, weichen Steinen oder aus Blei formen, sie dann von den Priestern weihen lassen und endlich große Kisten damit vollpacken und sie den gewissen Bilderkrämern um einen wahren Schandpreis zum Weiterverkauf übergeben. Diese kommen dann in unsere Gegenden, und unsere Weiber haben in ihrer dummen Pietät Geldes genug, um den Krämern so einen elenden Quark abzukaufen. Dafür muß dann aber wieder die Küche leiden, und es wird alles magerer und schlechter auf den Tisch gesetzt, und die fremden Gäste haben dann wahrlich keinen Grund, sich für eine gute und fette Bewirtung zu bedanken. Daher lieber etwas mehr Fett und Öl für die Gäste am Tisch, als zuviel solcher närrischer und lächerlicher Götter ins Schlafgemach!

11. Auf den Apollo, der in halber Lebensgröße sich in einem Winkel des Gastzimmers befindet und schon derart schwarz und verschmiert ist, daß es einem ehrlichen Menschen ekeln muß, solch eine Figur anzusehen, habe ich es schon lange scharf abgesehen gehabt, und morgen werde ich dieser elenden Figur einen Garaus machen!“

12. Sagte die Mutter, halb erschrocken über den Vorsatz ihres Sohnes: „Ja, ja, gib aber Obacht, daß dich hier nicht der Priester des Apollo ersieht und dich dann als SACRILEGUS bestraft!“

13. Sagte der Sohn: „Ich habe gar keine Furcht mehr vor ihm! Denn Der uns wunderbarermaßen mit Wein und Fischen versah und auch imstande war, denjenigen Juden und ihren Priestern, die Ihm den Weg in die Stadt herein verwehren wollten, augenblicklich vierzehn grimmige Löwen entgegenzustellen, die ich mit eigenen Augen gesehen habe, der wird wohl auch imstande sein, mich vor dem überdummen Apollopriester in Schutz zu nehmen, und das um so sicherer, weil unser Oberstadtrichter kein Freund von unseren Göttern und deren Priestern ist.

14. Dieser unser Apollopriester ist aber auch in seinem Verstandeswesen so dumm als möglich und weiß sonst nichts zu erzählen als alte, schon über tausend Male abgedroschene Götterfabeln, frißt dabei wie ein Wolf und säuft wie ein Ochs, besonders wenn er sich von irgendwoher einen Wein verschaffen kann. In diesem besteht seine apollinische Weisheit; und vor solch einem Menschen sollte ich eine Furcht und einen Respekt haben? Wahrlich, da müßte ich mich dann schämen, selbst ein Mensch und dazu auch noch ein Römer zu sein!“

15. Sagte der Wirt, ganz zufrieden mit seinem Sohn: „Sei jetzt nur ruhig; morgen wird sich schon zeigen, was sich alles wird machen lassen! Lassen wir nun alles Dem über, der heute in unserem Hause ruht! Er wird schon alles recht machen.“

16. Darauf ward es denn auch ruhig in des Wirtes Schlafgemach bis zum Morgen, an dem der Wirt einer der ersten war, der da aufwachte und sich sogleich zu uns ins Gastzimmer begab.

178. Kapitel. Auf dem Berge Nebo.

1. Und da er Mich auch schon wach fand, so fragte er (der Wirt) Mich auch gleich mit aller Liebe und Achtung, was Ich für den Morgen alles benötigen werde, und ob Ich eines wohlriechenden Wassers zum Waschen benötige.

2. Sagte Ich: „Erspare dir diese Mühe, denn so Ich Mich waschen will, kann Ich allenthalben des frischesten Wassers zur Genüge haben! Es ist aber in der Nähe dieser Stadt ein aus den Zeiten des Propheten Moses berühmter und bekannter Berg, den Ich noch vor dem Aufgange der Sonne besteigen will. In der althebräischen Sprache heißt er ,Nebo‘, ihr aber heißet ihn ,mons Mosis‘. Daher bestelle du das Morgenmahl nicht zu frühe, denn Ich will Mich daselbst bei drei Stunden aufhalten!“

3. Sagte der Wirt: „O Herr und Meister, es wird pünktlich alles nach Deinem Willen geschehen; aber gestatte es auch mir und meinem ältesten Sohn, daß wir mit Dir diesen besonders für die Juden denkwürdigen Berg besuchen dürfen, denn er ist von hier aus gar nicht weit gelegen; in einer kleinen halben Stunde Zeit erreichen wir seine volle Höhe mit Leichtigkeit.“

4. Ich gestattete dem Wirte das, und er ging und verordnete, wie sein Weib und die andern Kinder die Küche zu besorgen haben.

5. Als er zurückkam, waren auch die Jünger schon wach, und der Oberstadtrichter und die beiden Pharisäer Dismas und Barnabas standen auch schon vor der Tür der Herberge und wollten eintreten; aber Ich war auch schon bei der Tür, um mit den Meinen, dem Wirte und seinem Sohne den Berg Mosis zu besteigen.

6. Der Oberstadtrichter und die beiden benannten Pharisäer erbaten sich, Mich allerfreundlichst auf diesen zu begleiten, und wir traten denn auch alsogleich unsere Reise an und befanden uns in einer kleinen halben Stunde Zeit schon auf der Vollhöhe dieses Berges, den der Oberstadtrichter zu seinem Vergnügen mit Bänken zum Sitzen recht wohl versehen hatte. Die Bänke bestanden freilich zumeist aus Basaltblöcken; aber sie waren zu dem ganz tauglich, zu dem sie verwendet wurden. Zugleich hatte er das Plateau dieses Berges, das ziemlich geräumig war, mit Rosensträuchern und andern würzhaften Bäumchen besetzt, und es war somit sehr anmutig, sich auf dieser von unserer Stadtseite aus leicht besteigbaren Anhöhe vor dem Sonnenaufgange zu befinden und solchen dort zu erwarten.

7. Von dieser Stadtseite aus erhob sich der Berg kaum etwas über hundert Ellen, hatte aber dafür gegen das Jordantal einen sehr steilen Abfall von etwas mehr denn zweitausend Ellen und sah daher vom Jordantale aus einem ganz ansehnlichen Berge ähnlich; allein von Osten her war er nur ein Hügel, wie es dergleichen Hügel längs des Aurangebietes mehrere gibt.

8. Wir befanden uns nun auf dem Hügel oder Mosisberge und sahen über die unübersehbare Euphratebene und Wüste, welche, so weit das Auge reichte, vollkommen rein war.

9. So war auch der Süden rein, und man sah die aus der Bibel euch bekannten Berge, wie den Hor, auf dem Moses, von Aaron und dessen Sohn Eleazer unterstützt, für den Sieg der Israeliten gegen die feindlichen Amalekiter bitten mußte. Wenn er die Hände sinken ließ, so siegten die Amalekiter; hob er die Hände wieder in die Höhe, so siegten die Israeliten. Dann sah man auf den Berg Hur, auf welchem Aaron starb, und im tiefen Hintergrunde ersah man auch die Spitze des hohen Sinai und seines nächsten Nachbarn Horeb.

10. Gegen Westen aber war es sehr neblig; nur hie und da ragten die hohen Spitzen des Libanon über die Nebel empor, und von den nördlichen Bergen sah man auch nur die Spitze des Hermon, an dem der Jordan entspringt.

11. Allein in der Ebene des Jordantales war vor lauter Nebeln nichts zu entdecken, was der Oberstadtrichter sehr bedauerlich fand, worauf Ich ihm aber die Bemerkung machte, daß er sich nur ein paar Stunden gedulden solle. Die Sonne werde diesen Nebeln schon den Weg weiter bahnen und diese Jordangegend auch von den argen Dünsten freimachen. „Wir wollen aber jetzt nicht diese Gegend, sondern jene des Aufgangs betrachten.“

12. Hier sagte der Pharisäer Dismas zu Mir: „O Herr und Meister, ist dieser Berg, auf dem wir uns nun befinden, wohl derselbe, von dem aus der große Prophet Moses vor den Augen derer, die ihn begleitet haben, mit Zurücklassung seines Leibes wie eine Lichtflamme gegen die Himmel auffahrend, verschwand, worauf dann, wie die Schrift sagt, von der einen Seite der Erzengel Michael, von der andern Seite aber Satan als der Oberste der Teufel erschien und drei Tage lang um den Leib Mosis mit dem Erzengel focht und stritt und zum größten Überfluß auch noch über den Erzengel siegte und mit dem Leichname Mosis verschwand?

13. Wozu eigentlich dieses gut war, darüber schwieg und schweigt bis jetzt noch alle unsere jüdische Weisheit, und selbst die vielen und großen Propheten haben uns darüber keinen Aufschluß gegeben. Unsere Kabbalisten haben daher auch die ganze Sache für apokryph erklärt und halten sie für eine Fabel; aber manche alten Araberstämme erklären sie für wahr. – Was sagst denn Du, o Herr, dazu?“

14. Hier sagte statt Meiner der Oberstadtrichter: „Was liegt denn eigentlich daran, so der Geist Mosis dennoch unter euch lebt und gerettet ist? Der Leib ist ohnedies nur eine Hülse des menschlichen Geistes, und es liegt dann wenig daran, ob sie der Satan oder ein anderer Geist an sich gezogen hat. Ich hätte an der Stelle des Erzengels dem Satan schon früher die Freude gelassen, wenn es ihn nach dem Leichname Mosis schon gar so gehungert hatte!“

15. Sagte Ich darauf zu den Pharisäern: „Der Oberstadtrichter hat euch eine ganz gute Antwort gegeben; denn Ich, der Herr alles Lebens, habe dem Moses für sein sündiges Fleisch schon lange ein anderes verschafft, und Satan hätte keine Gewalt über des Moses Leib gehabt, so Moses in seiner früheren Zeit in seinem Fleische nie eine Sünde begangen hätte. Da er aber auch gesündigt hatte dem Fleische nach, obgleich seine Seele und sein Geist rein aus den Himmeln herstammten, so wollte Satan von dem Seinen an Moses auch Besitz ergreifen, wobei er aber nicht nur nichts gewann, sondern für seine Macht nahezu alles verlor und von jenem Zeitpunkte an keinem sterblichen Menschen auf der ganzen Erde mehr erscheinen durfte, was seinem Wirken einen überaus großen Schaden brachte; denn von jener Zeit an fielen gar viele Heiden zu der Lehre Mosis, und das große Orakel zu Dodona, als ein Hauptverführungswerk des Satans an die Menschen dieser Erde, ward zerstört und durfte dann nimmer wieder errichtet werden. Auch das viel jüngere Orakel zu Delphi fiel bald nach dem Falle einer Stadt Troja und ward darauf nimmer völlig wiederaufgerichtet. – Aber nun wollen wir uns mit derlei Dingen nicht weiter mehr befassen; denn sie haben für das Innere des Menschen keinen Wert!

16. Das Beste ist, Gott, den einen und allein wahren, erkennen und über alles lieben und seinen Nächsten wie sich selbst.

17. Jetzt wird die Sonne sogleich aufgehen, und ihr werdet da so manches ersehen, was euch befremden wird!“

179. Kapitel. Der sonderbare Sonnenaufgang.

1. Im selben Augenblick ersah man schon eine Sonne, aber ziemlich hoch über dem Horizonte stehen, die ganz der eigentlichen Sonne glich.

2. Und der Oberstadtrichter fragte Mich, sagend: „Herr und Meister, wie hat denn die Sonne diesmal so schnell den Horizont übersteigen können, daß wir davon nichts merkten, bis sie uns schon in einer ziemlichen Sehhöhe erschien? Und doch sehen wir kein Gewölk, das die Sonne hätte hindern können, uns gleich beim Aufgange ersichtlich zu werden!“

3. Sagte Ich: „Das ist aber auch keine wirkliche Sonne, sondern ein Abbild von der noch unter dem Horizonte stehenden Sonne im Spiegel einer völlig ruhig gewordenen Luftschicht; diese Sonne wird aber bald vergehen, wenn die wirkliche aufgeht.

4. Siehe, dieses Sonnenbild gleicht dem naturmäßigen Verstandeslicht der Menschen, welches auch bald vergehen wird, so in Mir auch bald für sie die wahre Sonne des Lebens aufgehen wird und zu einem kleinen Teil schon aufgegangen ist!“

5. Sagte darauf der Pharisäer Dismas: „Ich bin der Meinung, daß unsere jetzt leuchtende Sonne noch trügerischer ist denn dieses Scheinsonnenlicht im Osten, und ich will keinen schlechten Propheten machen, aber dennoch sage ich: für uns wird auch die Scheinsonne bald vergehen, und die rechte Sonne des Geistes und des Lebens wird für die Heiden aufgehen!“

6. Sagte Ich: „Ja, da magst du wohl recht haben, – wie es denn auch geschrieben steht, daß Ich Mein Licht von den Juden nehmen werde und werde es geben den Heiden.

7. Darum sage Ich dir, daß Ich denn auch aufheben werde den alten Bund und das alte Testament und gründen werde ein neues sowohl für die Juden, wie auch für alle Völker der Erde nach der Ordnung Melchisedeks, der ein König war aller Könige und ein Oberpriester aller Oberpriester, daher ihm auch alle Könige und Patriarchen der Erde den Zehnt geben mußten, selbst Abraham nicht ausgenommen.

8. Und dieser Melchisedek, von der Zeit Noahs angefangen bis über Abraham hinaus, mit dem der Bund gemacht wurde durch die ihm gemachte große Verheißung, war Ich, und nun bin Ich wieder da als Derselbe, aber nicht, um den alten Bund zu befestigen und aufrechtzuerhalten, sondern einen neuen Bund zu machen mit allen Menschen, und Ich werde dann auch bleiben für ewig ein König und Herr und ein Oberpriester in der vollsten Ordnung Melchisedeks.

9. Die alten Oberpriester mußten opfern der Tiere Blut zur Tilgung ihrer Sünden; es war aber dies nur ein Vorbild dessen, was nun bald in einer andern Weise geschehen wird. Denn die alten Oberpriester mußten auch für ihre Sünden opfern, und dann für die Sünden des Volkes, und blieben dabei aber doch in ihren Sünden, ansonst Ich Mein Volk nicht volle vierzig Jahre unter allen Drangsalen in der Wüste gelassen hätte.

10. Aaron und Moses opferten wohl alle Jahre nach der Vorschrift, aber es half das weder ihnen noch dem Volke, welches in seinen Sünden verharrte; Ich aber werde nur einmal für alle Menschen Mich Selbst opfern, und die an Mich glauben werden, die werden auch gerecht und rein werden vor Mir, und es soll an ihnen keine Sünde mehr befunden werden. Und nun wisset ihr, wie ihr mit Mir stehet!

11. Moses mußte auf diesem Berge den Tod noch sehen, fühlen und schmecken und rief denn auch in seinen letzten Zeiten auf dem Punkte, wo Ich jetzt sitze, aus: ,Herr, Du hast einen Bund mit uns gemacht wider den Tod und wider die Sünde, und siehe, ich muß hier sterben, ohne das Gelobte Land des Lebens mit meinen Füßen betreten zu dürfen!‘

12. Und eine Stimme erscholl über ihm: ,Du wirst leben, aber nicht aus dem Gesetze des alten, sondern aus der Gnade Meines neuen Bundes, den Ich mit den Völkern der Erde schließen werde!‘

13. Da ward Moses aufgelöst und ward aufgenommen, nicht durch sein Verdienst, sondern durch Meine Gnade.

14. Und auf eben diesem Punkte nun sage Ich zu euch, Juden und Heiden, daß Ich mit euch einen neuen Bund schon jetzt schließe und noch mehr schließen werde, was ihr alle in jüngster Zeit erleben werdet. Die aufgehende Sonne aber soll Mir nun vor euch das Zeugnis geben, daß Ich nun nicht Eitles aus Mir zu euch geredet habe!“

15. Im Augenblick ging die Sonne auf, und über ihr stand eine Lichtschrift: ,Ehre und Preis dem einen, allein wahren Gott in der Höhe der Höhen und in der Tiefe der Tiefen!‘, und unter der Sonne: ,Melchisedek, der wahre König der Könige und Oberpriester aller Oberpriester und der allein wahre Vater Seiner Kinder im Himmel und auf dieser Erde!‘

180. Kapitel. Die Entartung der jüdischen Lehre.

1. Als alle die Anwesenden diese höchst bedeutungsvolle Inschrift gelesen hatten, da waren sie über die Maßen überrascht und erstaunt, besonders aber die drei Römer und die etlichen Pharisäer.

2. Denn es kamen noch einige dem Dismas und Barnabas nach und sagten selbst: „Ja, ja, wunderbar anzusehen und wahr, was da geschrieben steht! Der alte Bund mit Abraham ist zu Ende und hat keine Geltung und keine Wirkung mehr; denn wir wissen es ja alle, daß die Wirkung der Lade des Bundes schon nahe vor dreißig Jahren so gut wie gänzlich aufgehört hat, – nur dem Simon und Zacharias war sie noch in ihrer gewöhnlichen Kraft bekannt. Der Stab Aarons grünte nicht mehr, und die sieben Schaubrote wurden von den Motten zu Staub zernagt. Nur die beiden steinernen Tafeln blieben noch; aber ihre Schrift wurde von Jahr zu Jahr unleserlicher, und es war daher notwendig, die ganze alte Bundeslade mit Ausnahme ihres Goldes und der beiden großen Cherubim schon vor zwanzig Jahren zu kassieren und dafür eine neue von gleichem Holze von einem der ersten und besten Schreiner anfertigen zu lassen, sie nach der Form der alten mit dem Golde zu beschlagen, die beiden Cherube auf sie wieder hinaufzustellen; und in der Mitte der Lade, aus der die Rauchsäule aufstieg oder zu Zeiten auch eine Feuersäule, mußte sie also eingerichtet werden, daß man entweder frisch angefachte Kohlen hineinlegen und dann Weihrauch und anderes wohlriechendes Harz daraufgeben kann, damit eine Rauchsäule gebildet wird, welche aber das Allerheiligste derart nach allen Seiten anfüllt, daß man darin kaum bestehen kann, und die Feuersäule muß mit dem angezündeten Naphtha bewerkstelligt werden.

3. Der damalige Hohepriester war freilich der Meinung, es werde mit der neu aufgerichteten Bundeslade ebenso gehen, wie es mit dem neu aufgebauten Tempel nach der babylonischen Gefangenschaft gegangen ist; aber er hatte sich sehr geirrt. Denn mit der neuen Bundeslade ging es gar nicht mehr, – daher sich die späteren Hohenpriester auch gar nichts mehr daraus machten, von den Römern und Griechen gegen ein erlegtes Opfer das Allerheiligste ebenso besichtigen zu lassen wie irgend etwas anderes; denn es geschah niemandem in der Nähe der neuen Bundeslade irgendein Leid.

4. Wir Pharisäer und Schriftgelehrten sind darüber denn auch lange schon im klaren, daß es mit dem alten Bunde vollends zu Ende ist; allein das Volk muß man denn doch, solange es geht, im alten Glauben erhalten, und besonders darum, weil man ihm dafür keinen besseren Glauben geben kann, und zweitens, damit dem Tempel mit seinen Dienern die Einnahmen bleiben, ohne welche weder der Tempel noch seine Diener weiter fortbestehen könnten.

5. Und darin liegt auch der Hauptgrund, aus welchem eben dieser Herr und Meister, der vor uns als der allein wahre Stifter eines ewigen, neuen Bundes nun erkannt worden ist, von den Templern gar so sehr gehaßt wird; denn die Templer sehen wohl ein, daß Seine Lehre voll göttlicher Kraft ist, aber sie wissen es auch nur zu gut, daß es mit ihnen völlig aus ist, sobald sie selbst an dieser neuen Lehre halten und ihr vollen Eingang beim Volke verschaffen.

6. Es wird ihnen aber das – was sie recht gut einsehen – für die Folge sehr wenig nützen, da es bereits viele im Volke wissen, daß die alte Bundeslade ihre Kraft verloren hat und die neue keine andere Kraft besitzt, als die ihr die Menschen durch ihre plumpe Kunst verleihen.

7. Wir aber selbst noch mit dem Tempel in Verbindung Stehenden können weder pro noch contra etwas tun, sondern wir wollen in beseligender Hoffnung abwarten, was dieser allein wahre Herr Himmels und der Erde tun wird, und wollen für die Zukunft im vollsten Glauben an Ihn und in aller Liebe zu Ihm verharren. Daß Er das Beste und Zweckmäßigste verordnen wird, dessen sind wir alle lebendigst überzeugt.“

8. Nach diesen Worten sagte der Oberstadtrichter: „Ich gehöre auch zu denen, die die neue Bundeslade im Tempel gesehen haben und dabei die Überzeugung gewannen, daß an dem Gottglauben der Juden ebensowenig gelegen ist wie an dem Götterglauben der Heiden. Diese sind wenigstens geschickter in allerlei Zauberei und können dem blinden Volke noch lange hin einen wirksamen blauen Dunst vormachen; aber mit der Rauch- und Feuersäule im Allerheiligsten im Tempel zu Jerusalem hat es seine größte Not, und die Priester des Tempels tun gut für sich, so sie dem blinden Volke noch weiszumachen trachten, daß die alte mosaische Bundeslade noch in ihrer vollen Wirksamkeit ist. Wird aber das Volk einmal erfahren, daß das schon lange nicht mehr der Fall ist, dann können die Priester zu Jerusalem eiligst das Weite suchen, sonst werden sie beim Volke nicht die besten Tage erleben.“

9. Hierauf wandte er sich an Mich und sagte: „Herr und Meister, der Du uns nun mehr denn zur Genüge handgreifliche Beweise von Deiner Göttlichkeit gegeben hast, sage mir, ob ich nun recht geredet habe oder nicht?“

10. Sagte Ich: „Vollkommen; denn kein Betrug kann sich für lange hin halten, gleichwie auch die Nacht nicht, so die Sonne einmal aufgegangen ist.

11. Daß der Tempel samt seinen Dienern und samt der ganzen Stadt Jerusalem schon in jüngster Zeit völlig für alle Zeiten der Zeiten zugrunde gehen wird, dessen kannst du vollkommen versichert sein; nicht ein Stein wird auf dem andern bleiben! Nur um das einzige können die Juden von Jerusalem bitten, daß ihre große Flucht nicht im vollsten Winter oder an einem Sabbat geschehe; denn da würde es ihnen noch viel jämmerlicher ergehen denn zu einer besseren Jahreszeit oder an einem Werktage.“

12. Als Ich dieses ausgesprochen hatte, verging die Schrift über und unter der Sonne, und die Nebel im Jordantale fingen an, sich zu verflüchtigen, weil die Sonne mit ihren Strahlen die Gegenden des Gelobten Landes zu bescheinen anfing.

13. Der Oberstadtrichter machte die Bemerkung: „Es ist schade, daß die Jerusalemer die Sonne mit der Ober- und Unterschrift nicht zu erschauen vermochten; denn das hätte sie doch ganz außerordentlich nachdenkend über eine solche Erscheinung machen müssen!“

14. Ich aber sagte: „Eben darum, daß sie solches nicht sehen sollten, ließ Ich es zu, daß alle diese Gegenden des Jordans ein dichter Nebel zuhüllen mußte; denn die an der Finsternis Freude haben, sollen von ihr auch ihren Lohn ernten!“

15. Bei dieser Gelegenheit ersah man eine flüchtige Gazelle, wie sie von einem Schakal verfolgt wurde. In kurzer Zeit hatte der Schakal die Gazelle eingeholt und sich an ihr sein Morgenmahl bereitet, und hatte, etwa fünfhundert Schritte von uns entfernt, eben nicht lange zu tun, mit seinem erjagten Morgenmahle fertig zu werden. Darauf begab er sich ganz langsam weiter gegen Süden hin, um sich irgendwo vielleicht noch ein Mittagsmahl zu erjagen.

16. Aber da flog ziemlich hoch in der Luft ein arabischer Riesenaar, der ersah aus seiner Höhe bald den schleichenden Schakal, stieß aus seiner Höhe pfeilschnell auf ihn nieder und trug ihn trotz allen Sträubens hoch in die Luft empor. Dann ließ er ihn eben auf eine Stelle fallen, die weithin sehr steinig war. Begreiflicherweise gab das dem Schakal den Tod, und der Adler sank bald herab und überzeugte sich, daß der Schakal wirklich tot war, nahm ihn abermals in seine Krallen und flog mit ihm südwärts zu einem günstigen Punkt, an dem dann der Schakal samt seiner aufgezehrten Gazelle dem Riesenaar zum Frühstück dienen mußte.

17. Nach dieser kurzen Szene sagte der Oberstadtrichter: „Herr und Meister, diese Art gegenseitiger Verzehrungsszenen unter den Tieren und die schweren Krankheiten vor dem Tode eines Menschen waren mir immer – bei der weise sein sollenden Einrichtung irgend eines oder auch mehrerer Götter – ein stets unweiser und grausamer Anblick. Du wirst zwar schon wissen, warum alles das so ist und sein muß; aber unsereiner kann sich selbst beim besten Willen doch keine klare Vorstellung davon machen!“

18. Sagte Ich: „Darüber wird dir schon noch die Klarheit kommen! Nach dem Morgenmahle wird sich schon eine Gelegenheit finden, davon zu reden; jetzt aber wollen wir auf einen Augenblick noch Moses sehen und auch den Engel, der um seinen Leichnam stritt.“

19. Als Ich dieses gesagt hatte, standen Moses und der Erzengel Michael vor Mir, verneigten sich vor Mir und lobten und priesen Meinen Namen. Darauf verschwanden sie, und wir erhoben uns und begaben uns in die Stadt, allwo schon das Morgenmahl auf uns wartete.

181. Kapitel. Die Vernichtung der Hausgötter in der Herberge.

1. Als wir in das Haus unseres Wirtes, und zwar in das Gastzimmer kamen, setzten wir uns an den Tisch und die Pharisäer und etlichen Juden an ihren Nebentisch, und sogleich wurden die Fische wohlzubereitet in gerechter Menge auf den Tisch gesetzt, und es kam Brot und Wein dazu. Wir nahmen die Fische und alles übrige und verzehrten es.

2. Nach dem Morgenmahle blieben wir aber gleichfort am Tische sitzen; denn Ich Selbst wollte nicht, daß wir untertags uns unnötigerweise zuviel im Freien sehen lassen, weil es in dieser Stadt noch recht viele Erzheiden gab, die große Stücke auf ihre Tempel und Götzen hielten.

3. Hier trat der Sohn des Wirtes zu Mir und erzählte Mir, daß seine Mutter ihr ganzes Schlafgemach mit lauter Götzenbildern angestopft habe, und daß sich auch in diesem Speisezimmer ein überaus schlecht geformter Apollo befinde, dessen Gestalt gegen das, was sie vorstellen sollte, für jedermann nur das Gegenteil bewirken müsse, und er möchte darum diesen Apollo und auch die Götzen seiner Mutter hinweggeschafft haben.

4. (Der Sohn): „Denn nachdem wir Dich, o Herr, haben kennengelernt, taugen diese Götzen nicht mehr für dieses Haus.“

5. Sagte Ich: „Du hast einen guten Sinn, Mein lieber Sohn, – aber so du da selbst Hand anlegst, kannst du damit Anstände bekommen und viele Feindschaft bei euren noch blinden Nachbarn; Ich will dich aber unterstützen, und dieser Apollo und die andern Götzen werden gleich zunichte sein. Gehe hin in den Winkel, ob du noch einen Apollo findest, und dann magst du dich ins Gemach deiner Mutter begeben, und du wirst auch keinen Götzen mehr finden!“

6. Hier stand der Junge gleich auf und ging in den Winkel hin, in dem bisher der Apollo stand, und er fand von ihm keine Spur mehr. Darauf begab er sich in das Schlafgemach seiner Mutter, und alle die vielen hundert Götzen waren auch nicht mehr da, was er voll Freuden seiner Mutter, die in der Küche zu tun hatte, alsogleich erzählte, worüber diese etwas erschrak und zum Sohne sagte:

7. (Die Mutter): „Mein lieber Sohn, es ist schon alles ganz recht; aber bedenke du unsere Nachbarn! Was werden diese zu uns sagen, so sie bei einem Besuch in unserem ganzen Hause kein Götterbild mehr finden?“

8. Sagte der Sohn: „Da laß nur mich mit ihnen reden, und ich werde es ihnen sagen, daß Derjenige Herr und Meister, der in unserem Hause so große Zeichen gewirkt hat, alle deine Götzen mit einem Gedanken vernichtet hat, und dann werden sie nichts mehr sagen können. Zugleich haben wir auch unsern gestrengen und gerechten Oberstadtrichter für uns, und da werden sich die Nachbarn wohlweislich hüten, gegen diesen ihre Mißfallensstimme zu erheben.“

9. Mit dieser Belehrung war seine Mutter denn auch zufrieden und kam darauf samt dem Sohne zu Mir ins Gastzimmer und dankte Mir dafür, daß Ich sie auf eine so wunderbare Weise von etwas erlöst habe, an das sie bei sich selbst ohnehin nie gar besonders viel gehalten (geglaubt) habe.

10. Ich aber sagte zu ihr: „Gehe du in dein Schlafgemach, und an der Stelle deiner früheren vielen Götzen wirst du etwas anderes finden, das dir lieber sein wird!“

11. Darauf ging sie abermals in ihr Schlafgemach und besichtigte es, und sie fand an der Stelle, wo sie ihre meisten Götter aufgestellt hatte, eine Kiste aus schwarzem Ebenholz angefertigt und mit Schloß und Riegel versehen. Sie machte die Kiste auf und fand sie voll römischer Silbermünzen, die einen bedeutenden Wert hatten.

12. Sie kam aber bald wieder zurück und erzählte das vor allen, besonders ihrem Mann und ihrem Sohne.

13. Und der Wirt sagte: „Das ist zu unserem wirtschaftlichen Gebrauch freilich um vieles mehr wert als alle deine früheren Götzenbilder; den größten Wert aber hat jedoch nur immer das Wort, das wir von diesem Herrn und Meister überkommen haben und vielleicht, so wir würdig sind, noch mehreres überkommen werden. Daher lassen wir jetzt deine Silbermünzen ruhen und bitten diesen Herrn und Meister, daß Er unser Herz und unser Gemüt mit solchen geistigen Gold- und Silbermünzen wohl versehen möchte, die wir bald im andern Leben gebrauchen werden!“

14. Darauf dankte das Weib und begab sich wieder in ihre Küche und zu ihren Wirtschaftsleuten, ordnete da an, was für den ganzen Tag hin zu beachten sei und zu geschehen habe.

15. Darauf aber sagte gleich der Oberstadtrichter zu Mir: „O Du übergroßer Herr und Meister von Ewigkeit! Da Du mir heute morgen auf dem Berge Nebo versprochen hast, noch zwei Fragen beantworten zu wollen, die ich Dir schon gestellt habe – und zwar die eine schon gestern abend und die zweite heute morgen auf dem Berge Nebo bei der Gelegenheit, als ein Schakal eine arme Gazelle erjagte, sie zerriß und auffraß und bald darauf selbst durch einen Riesenaar dasselbe Schicksal zu erleiden hatte –, so wolle Du die Gnade haben, mir ein näheres Licht zu geben!“

182. Kapitel. Die Ursachen der Leibeskrankheiten.

1. Sagte Ich: „Was deine gestrige Frage betrifft, nämlich das oft langwierige und schwere Kranksein vor dem Leibestode, wie auch den zumeist sehr frühen Tod der Kinder, so ist solches von Mir aus nur eine Zulassung zur Besserung der Menschen, aber darum keine irgend aus Meiner Willensallmacht hervorgehende Bestimmung.

2. Siehe, die Urmenschen, die in der gleichen, ihnen durch Meinen Geist gezeigten Ordnung und Einfachheit geblieben sind, wußten von keiner dem Leibestode vorangehenden Krankheit etwas; sie erreichten zumeist ein sehr hohes Alter, wurden nie krank und schliefen am Ende ganz ruhig ein, und ihre Seele empfand dabei keine Schmerzen und keine Todesangst.

3. Ihre Nahrung war aber auch immer eine gleiche, und nicht heute so und morgen anders. Zumeist lebten sie von Milch, Brot und guten und reifen Baumfrüchten; ein solches Gericht war ihr ganzes Leben hindurch ihre Leibesnahrung, und zur Stillung ihres Durstes diente das frische Quellwasser.

4. Aus diesem Grunde waren ihre Leibesnerven stets von denselben guten und unschädlichen Seelensubstanzen ernährt, und es konnte sich keine böse, unreine und somit schädliche Seelensubstanz in den Leib hineinschmuggeln; daher blieben diese Menschen stets gleich kräftig und gesund, sowohl geistig als auch leiblich.

5. Aber besehet jetzt in dieser Zeit und auch schon in den viel früheren Zeiten die vielen tausend allerartigen Leckerbissen, mit denen die Menschen ihre Mägen und Bäuche füllen, und es wird dir gleich klarwerden, welch eine Unzahl von allerlei ungegorenen, somit unreinen, bösen und schädlichen Substanzen bei solcher Gelegenheit oft den ganzen menschlichen Leib in Besitz nehmen und ihn nach und nach stets mehr zu martern und zu quälen anfangen! Denn solche verschiedenartigen Substanzen geraten dann in einem Menschenleibe in einen beständigen Kampf, den er nur dadurch auf eine Zeitlang zu beschwichtigen vermag, daß er zu allerlei aus der Erfahrung bekannten Kräutern und Wurzeln seine Zuflucht nimmt und mit ihrer Hilfe die Neigung der inneren Seelensubstanz zur Revolution stillt.

6. Aber solch eine Gesundheit ist nie von einer Dauer, besonders bei dem alten Menschen, – er müßte denn auf längere Zeit hin zur ganz einfachen Leibesernährung seine Zuflucht nehmen, was aber gewöhnlich nicht geschieht. Denn die meisten Menschen, so sie dem Leibe nach wieder durch eine glücklich gewählte Medizin nur erträglich gesünder werden, bekommen bald wieder Lust zu ihren alten Leckereien, werden darauf kränker, als sie ehedem waren, fangen an zu siechen und nehmen gewöhnlich ein sehr schmerzliches Ende.

7. Siehe, darum hat auch Moses den aus der harten Knechtschaft Ägyptens erlösten Israeliten den Speisezettel vorgeschrieben! Die streng nach demselben lebten, blieben gesund bis in ihr hohes Alter; aber gar viele sehnten sich nur zu bald nach ihren ägyptischen Fleischtöpfen, und die Folge war, daß sie darauf bald krank, schwach und mühselig wurden und unter allerlei Leibeskrankheiten ihr diesirdisches Leben beschließen mußten.

8. Und eine noch größere Betrübnis in dieser Hinsicht stellt sich bei den Kindern heraus.

9. Erstens haben schon die Eltern früher nach links und rechts hin gesündigt und ihren Leib dadurch mit einer großen Anzahl von bösen und schädlichen Seelensubstanzen angefüllt, und das Kind war somit von einem sündigen Vater in den Leib einer noch sündigeren Mutter hinein gezeugt. Frage: Wie soll aus einem solchen Leibe ein gesundes Kind hervorgehen?

10. Und zweitens ist die Mutter in ihrer Schwangerschaft am meisten lüstern nach allerlei Leckereien, und ihre Angehörigen wissen ihr keinen besseren Dienst zu erweisen, als nach Möglichkeit dem Verlangen des schwangeren Weibes nachzukommen.

11. Bei dieser Gelegenheit bekommt das Kind den zweiten Stoß in seiner Gesundheit. Es ist nicht genug, daß es schon völlig krank aus dem Mutterleibe kam, sondern es muß darauf gleich mit einer noch schlechteren Muttermilch genährt werden. In dem besteht dann der zweite, noch gewaltigere Stoß in die Grundfeste der Gesundheit eines Kindes.

12. Ist ein Kind aus diesen zwei Gesundheitsstößen noch so glücklich als möglich mit allerlei Arzneimitteln sozusagen mit heiler Haut davongekommen, dann kommt noch ein dritter Gesundheitsstoß. Das Kind wird natürlich größer, neckischer und für seine Umgebung liebenswürdiger. Da wird es dann bald über alle Maßen verzärtelt und mit allerlei Naschereien versehen; denn solche dummen Eltern können ihrem Zärtling nichts versagen. Was aber ist die Folge davon? Daß das Kind sich dadurch schon frühzeitig den Magen und die nötigen Verdauungswerkzeuge derart verdirbt und schwächt, daß es dann bald in allerlei Leibeskrankheiten verfällt und auch bald stirbt.

13. Manche Kinder sterben schon im Mutterleibe, eine bei weitem größere Anzahl bald nach der Geburt in zwei bis drei Jahren, die meisten aber von vier bis zwölf. Die aber dann noch in ein reiferes Alter gelangen, müssen erstens gescheite und vernünftige Eltern haben und ein keusches und diätes Leben führen, sich nicht erzürnen und ärgern. So können sie zu einer noch ganz guten und erträglichen Gesundheit gelangen und auch sechzig – siebzig – achtzig Jahre und darüber alt werden; aber dann ist ihr Alter selbst schon so gut wie eine Krankheit, die immerwährend noch als eine Folge vom Mutterleibe und zumeist aber auch von den Jugendsünden herrührt.

14. Aus dieser kurzen Darstellung ersiehst du, daß Ich durchaus nicht und nie der Urheber der menschlichen Leibeskrankheiten war, sondern die Menschen selbst, und zwar von dem Zeitpunkte an, als sie leichtsinnig und mutwillig genug Meine ihnen allzeit gegebenen Gebote und Regeln stets mehr und mehr zu verlassen anfingen und ihrem Verstande und ihrem Willen folgten, der durch die bösen Geister, die sich in der Luft, der Erde und im Wasser aufhalten, stets mehr und mehr verfinstert und verwirrt wurde.

15. Die Alten wußten recht gut, daß die Nacht im Freien nicht der Menschen Freund ist; aber dennoch führten sie ihre großen Spekulationen in der Nacht aus. Jede solcher übermäßigen Spekulationen ist aber gleich einer Dieberei und Mörderei, die – wie dir wohlbekannt – zumeist in der Nacht ausgeübt wird.

16. Die Erde ist groß genug, um noch tausendmal so viele Menschen zu ernähren, als jetzt Menschen auf der Erde leben; aber die Habsucht, der Geiz und die Spekulationssucht hat die Ländereien abgegrenzt und abgemarkt, und die am meisten Reichen, Geizigen und Mächtigen haben oft die größten und besten Ländereien zu ihrem Eigentum gemacht und jeden verfolgt, der sich da widersetzen wollte. Und so kam es, daß mancher Mensch um hunderttausendmal der besten Ländereien mehr besitzt, als er zum Unterhalt seiner selbst und seines Hauses vonnöten hätte.

17. Dafür mußten dann wieder viele Hunderttausende sich an die Meeresküsten begeben und sich ihre schlechte und ungesunde Nahrung aus dem Meere verschaffen. Dadurch ward die Schiffahrt erfunden, und die Menschen umschifften nach weit und breit die Ufer des Meeres und jagten keck den Schätzen und Reichtümern nach, welche das Meer in sich barg; und so leben heutzutage ganze große Völker am Meere und aus dem Meere, was alles bei den ersten Menschen der Erde nicht der Fall war.

18. Wenn aber also – wie die Erfahrung lehrt –, wie kann ein nur einigermaßen vernünftiger und verständiger Mensch noch von ferne hin denken, daß die in dieser Zeit über alle die Maßen aus der früheren Ordnung getretenen Völker ebenso gesund sein und bleiben sollten wie diejenigen ersten Menschen der Erde, die schon vom Mutterleibe an niemals aus dieser Ordnung getreten sind?

19. Die gegenwärtige Krankheit vor dem Leibestode der Menschen ist demnach nichts anderes als die Folge der nahe gänzlichen Verlassung der alten Ordnung, ist aber auch zugleich ein Hüter der in manchen Menschen noch gesunden Seele, auf daß diese sich dann nach und nach aus ihrem schlechten Fleische zurückzieht, sich dadurch den Fesseln der bösen Seelesubstanzen ihres Leibes entwindet und, wenn diese ihr zu arg zu wirtschaften anfangen, sich mit Hilfe ihres besseren jenseitigen Geistes noch rechtzeitig aus ihrem Leibe für immer entfernt und darauf ewig nimmer nur den allerentferntesten Wunsch hat, sich je wieder in einen Leib zu begeben, – außer, sie ist schon als völlig böse aus dem Leibe getreten und sucht dann, um sich am Fleische recht bitter rächen zu können, in das Fleisch eines auf der Erde noch lebenden Menschen zu dringen und dasselbe auf die grausamste und unbarmherzigste Weise zu quälen, was ihr schon häufig gesehen und erlebt habt an den von bösen Geistern besessenen Menschen.

20. Und mit dem, Mein Freund, habe Ich dir deine gestrige Frage sicher zur Übergenüge klar beantwortet. Wir wollen sonach die heutige Gazellenjagd und dergleichen mehr ein wenig näher in Augenschein nehmen!“

183. Kapitel. Der Kampf in der Natur.

1. (Der Herr:) „Du kannst auf der ganzen Erde hin und her gehen und du wirst der äußeren Erscheinung nach nichts als lauter Erzfeindschaft unter den Kreaturen finden.

2. Betrachte nur einmal die Sonne, die doch sicher die größte Wohltäterin für die Erde und alle Kreaturen ist; denn durch ihr Licht und ihre Wärme fängt alles an, sich neu zu beleben und wächst und wird stark. Das Pflanzenreich entsprießt wie neu dem Boden der Erde, bringt Frucht in der Ordnung seiner Art, und die Bäume werden saftig, treiben Knospen, Blätter, Blüten, und ihnen folgt die nach und nach reifende Frucht.

3. Eine zahllose Menge der mannigfachsten Art von geflügelten Insekten haben Eier gelegt, der Sonne Licht und ihre Wärme brüten sie aus und erfüllen die Luft mit zahllosen kleinen und größeren Kreaturen.

4. So geht es mit den Vögeln, mit den Fischen im Wasser und zahllos anderem Getier in diesem Element, und selbst die andern Tiere und die Menschen haben die größte Freude an der Sonne, und sie ist somit, was Ich gesagt habe, wohl sicher die größte Wohltäterin der Erde und ihrer Kreaturen, – aber auch zugleich die größte Feindin der Erde und ihrer Kreaturen.

5. Denn siehe, es geht (dauert) gar nicht lange und die Sonne hat alles auf dem Erdboden ins Leben gerufen; sie nimmt dann zu an Licht und Wärme, und das in einem solchen Grade, daß sie im Sommer alles wieder tötet, was sie im Winter und Frühjahr geschaffen hat.

6. Eure Gegend hier ist selbst ein Beispiel davon. In der zweiten Hälfte des Winters bis zur ersten Hälfte des Frühjahres grünt alles, und eure Gegend sieht wie ein Paradies aus. Was ist sie jetzt? Kaum im halben Herbst eine Steppe, in der man nur höchst selten irgend etwas Grünes noch findet. Alles ist verdorrt und ausgestorben.

7. Begib dich aber erst nach Afrika hinein, oder in die südlichsten Teile Arabiens, und du wirst viele Tagereisen weit zu machen haben, ohne irgend etwas Lebendes anzutreffen; denn die Hitze der Sonne tötet alles, was sie allenfalls in einem Winter noch zum Vorschein gebracht hatte.

8. In den sogenannten gemäßigten Erdgürteln geht es noch am löblichsten zu; aber dafür dauern dort die Winterzeiten um vieles länger denn hier, und Pflanzen und Tiere gedeihen nicht mehr in solch üppiger Fülle wie in diesen warmen Erdstrichen. Und so wirst du allenthalben auf der Erde finden, daß die Sonne einesteils die größte Wohltäterin der Erde, andernteils aber wieder ihre größte Feindin ist.

9. Selbst das Meer, das unter den hauptheißen Gürteln liegt, ist, wenn die Sonne ihre größte Kraft entwickelt, sehr wenig von Fischen und andern Meerestieren belebt; diese flüchten sich dann entweder mehr gegen Norden oder mehr gegen Süden, je nachdem die Sonne entweder mehr auf der einen oder auf der andern Hälfte ihre größte Hitzkraft entfaltet.

10. Und siehe, in welchem Verhältnis die Sonne zur Erde steht, in demselben Verhältnis befinden sich alle die Kreaturen auf Erden gegenseitig mehr oder weniger!

11. So ist dies zum Beispiel schon unter den Elementen der Fall. Ist das Wasser nach der Sonne nicht einer der größten Wohltäter auf der Erde? Wünscht sich nicht ein jeder Landmann, dessen Äcker, Wiesen und Gärten trocken werden, einen segenvollen Regen? Und so dieser kommt, jauchzt gewisserart alle Kreatur voll Freuden auf!

12. Lassen wir aber statt eines segensvollen Regens heftige Wolkenbrüche auf Wolkenbrüche kommen, und niemand auf der ganzen Erde wird deren Nützlichkeit loben; denn sie zerstören durch ihre mächtigen Fluten alles, was ihnen unterkommt, und hinterlassen dann weit gedehnt einen wüsten Boden, welchem der Menschenfleiß oft nach Jahrhunderten bei aller Anstrengung keine Nutzbarkeit mehr abgewinnen kann.

13. Ebenso sind die verschiedenen Winde überaus große Wohltäter für den Boden der Erde und für die physische Gesundheit aller Kreaturen. Arten sie aber in große Stürme und Orkane aus, da stiften sie wenig Nutzen, sondern nur Schaden, das heißt vom Gesichtspunkt eurer menschlichen Vernunft aus betrachtet, weil diese die vehementen Erscheinungen in ihrem Wirken zu einem großartigen nützlichen Zwecke hin nicht zu beurteilen imstande ist.

14. Also geht es auch unter den Pflanzen, unter denen es viele edle gibt, aber noch mehr unedle, die ihr mit dem Worte ,Unkraut‘ bezeichnet. So jemand einen reinen Acker hat zur Aussaat des Weizens und der Gerste, so werden diese zwei edlen Getreidegattungen auch rein und wohl gut gedeihen; so aber ein Feind käme und säte ihm zur Nachtzeit eine Menge Unkrautsamen auf seinen Weizen- und Gerstenacker, und das Unkraut ginge dann zwischen dem edlen Getreide auf, so wird es dasselbe bald erdrücken und ersticken.

15. Es gibt überhaupt Pflanzengattungen, die keine andere Pflanze emporkommen lassen, wenn sie sich irgendeines größeren oder kleineren Landstriches ordentlich bemächtigt haben.

16. Und ebenso hast du jetzt dasselbe auch im Reiche der Tiere vor dir. Eines dient dem andern dem Fleische nach zum Fraße und zur Nahrung, und der Mensch, als seinem Fleische nach selbst tierischer Art, ist und bleibt das größte Raubtier. Denn eine Gazelle, ein Schaf flüchten, so sie einen Wolf, Bären, Löwen, Tiger und dergleichen reißende Tiere mehr in ihre Nähe kommen sehen; der Mensch aber, so er mit allerlei durch seinen Verstand erfundenen Waffen versehen ist, ergreift die Flucht vor solchen bösen Tieren nicht, sondern macht nur gierig Jagd auf sie, um sich ihres Pelzwerks zu bemächtigen und mitunter auch ihr Fleisch in einen wohlschmeckenden Braten am Feuer umzuwandeln.“

184. Kapitel. Der Zweck des Kampfes in der Natur.

1. (Der Herr:) „Deine Frage besteht aber eigentlich darin: warum Ich solche Feindseligkeiten auf einem Weltkörper, wie diese Erde einer ist, zulasse. Und Ich sage dir darauf, daß es außer dieser Erde eine zahllose Menge von viel größeren Erdkörpern gibt, und du wirst auf ihnen entweder gar keine oder nur höchst wenige der diesirdischen Feindseligkeiten unter den Kreaturen antreffen.

2. Ja, warum denn das gerade auf dieser Erde? Und Ich sage dir: Weil eben die Menschen dieser Erde ihrer Seele und ihrem Geiste nach also gestellt sind, daß sie Kinder Gottes werden können, wodurch sie dann eben dasselbe vermögen, was Ich Selbst vermag, darum es denn auch schon zu den Alten ist gesagt worden durch den Mund der Propheten: ,Ihr seid Meine Kinder und somit Götter, wie Ich, als euer Vater, Gott bin!‘

3. Um aber eine Seele so zu stellen, so muß sie, wie man zu sagen pflegt, nach einer langen Reihe von Jahren aus einer Unzahl von Seelenpartikeln aus dem Reiche aller Kreaturen auf dieser Erde gewisserart zusammengefügt werden, und es ist dieses Zusammenfügen der oft endlos vielen Kreaturseelen eben das, was die alten Weisen, die davon wohl Kenntnis hatten, die ,Wanderung der Seelen‘ nannten.

4. Die äußeren materiellen Formen der Kreaturen verzehren sich wohl gegenseitig, dadurch aber werden viele in den Kreaturen wohnende Seelen frei, und es vereinigen sich die gleichartigen und werden in eine nächste, höhere Stufe wieder in eine materielle Form eingezeugt, und so fort bis zum Menschen.

5. Und wie es mit der Seele geht, so geht es auch mit ihrem jenseitigen Geiste, der der eigentliche Erwecker, Fortführer, Bildner und Erhalter der Seelen ist bis zur Menschenseele, die dann erst in ihre volle Freiheitssphäre tritt und sich selbst in der moralischen Hinsicht weiter fortzubilden imstande ist.

6. Wenn die Seele sich bis zu einem gewissen Grade der geistigen Vollkommenheit durch sich selbst erhoben hat, dann erst vereinigt sich ihr jenseitiger Licht- und Liebegeist mit ihr, und der ganze Mensch beginnt von da an, Gott in allem ähnlicher und ähnlicher zu werden; und wird dann der Leib von der Seele genommen, so ist sie dann schon ein vollkommen gottähnliches Wesen und kann aus sich heraus alles ins Dasein rufen und auch weise erhalten.

7. Das, was Ich dir jetzt gesagt habe, findet aber nur auf dieser Erde statt und auf keinem andern Weltkörper sonst in solch überschwenglicher Fülle wie eben auf dieser Erde, und wer Verstand hat, der verstehe es aus dem Grunde: Weil diese Erde eben Meinem Herzen entspricht, Ich Selbst aber auch nur ein Herz und nicht mehrere Herzen besitze, so kann es auch nur einen Weltkörper geben, von Mir aus gestellt, der Meinem Herzen und zwar dessen innerstem Lebenspunkte völlig entspricht.

8. Das wirst du nun freilich nicht ganz klar einsehen, und wollte Ich das deinem Verstande möglichst klarmachen, so hätten wir über tausend Jahre lang zu tun, bis du Meine innere Weisheit nur ein wenig heller zu verstehen anfingst.

9. Wenn aber du eins wirst mit Meinem Geiste in deiner Seele, so wirst du auch in einem Augenblick mehr einsehen und begreifen, als du jetzt selbst auf dem Wege des mühsamsten Forschens in tausend Jahren begreifen und einsehen würdest.

10. Und jetzt, weil Ich gerade da bin und Mir alle Dinge möglich sind, will Ich dir zeigen, was aus der heutigen, von dir gesehenen und beobachteten Jagd in seelischer Hinsicht geworden ist.“

185. Kapitel. Ein Beispiel einer Tierseelenvereinigung.

1. (Der Herr:) „Du hast noch gesehen, wie der Riesenaar sich am Ende des schon mit der Gazelle gesättigten Schakals bemächtigt hat, mit ihm in die Höhe flog und ihn dann auf einen steinigen Boden herabfallen ließ, bei welcher Gelegenheit dieses Raubtier auch seinen sicheren Tod fand, darauf aber von dem Aar wieder ergriffen und weit nach Süden hin getragen wurde, wo der Aar zwischen den Steinfelsen sein Nest und Domizil hatte. Dort mit seiner Beute angekommen, ließ er sie abermals, da sie ihm schon etwas zu schwer wurde, von einer ziemlichen Höhe hinabfallen.

2. Die Beute aber prallte gegen eine Felsenwand und fiel in eine ziemlich tiefe Talschlucht hinab. In dieser Talschlucht weideten arabische Hirten ihre spärlichen Herden und ersahen bald, wie sich der Riesenaar, als ein diesen Hirten bekannter Feind ihrer Herden, stets mehr und mehr in die Tiefe herabsenkte, um seine ihm zu tief ins Tal hinabgefallene Beute zu holen.

3. Als die Hirten solches merkten, spannten sie sogleich ihre Bogen und zielten nach dem sich stets tiefer herabsenkenden Aar, und als er nach ihrer Berechnung tief genug herunter kam, schossen sie ihre Bogen mit den scharfen Pfeilen los, – und siehe, der Aar ward von drei Hirten wohl getroffen, fiel tot in die Talschlucht und ward als eine ordentliche Siegestrophäe von den Hirten in Empfang genommen. Der arme Schakal mit seiner Gazelle aber liegt noch zwischen den niederen Felsen, in die er hinabgefallen ist, und wird erst nach einiger Zeit von andern Raubvögeln verzehrt werden.

4. Und nun sieh her! Da vor der Tür steht schon eine Menschengestalt, wie die eines Kindes, und wartet, bei einer nächsten Zeugung in den Leib einer Mutter aufgenommen zu werden. Und hinter dieser Seelenerscheinung siehst du eine Lichtgestalt; das ist schon dieser Seele jenseitiger Geist, der dafür Sorge tragen wird, daß diese – gegenwärtig noch – Naturseele bei der allernächsten Gelegenheit in einem Mutterleibe versorgt wird.

5. Und nun hast du auch das gesehen, wie aus den letzten drei, schon vollkommenen Tierstufen – freilich mit vielen tausend Vorangängen – eine Menschenseele zum Vorschein gekommen ist.

6. Es wird davon ein männliches Kind zur Welt geboren werden, aus dem, so es wohl erzogen wird, ein großer Mann werden kann. Das Gemütliche (Gemütvolle) der Gazelle wird sein Herz regieren, das Schlaue des Schakals seine Vernunft und das Kräftige des Riesenaars seinen Verstand, seinen Mut und seinen Willen. Sein Hauptcharakter wird ein kriegerischer sein, den er aber durch sein Gemüt und durch seine Klugheit mäßigen und also ein sehr brauchbarer Mensch in was immer für einem Stande werden kann. Wird er aber ein Krieger, so wird er zwar auch durch seinen Mut Glück haben, aber ebenfalls eine Beute der andern kriegerischen Waffen werden.

7. Damit du das Kind aber gleich von der Geburt an beobachten kannst, so wird dein irdischer Nachbar schon im nächsten Jahre als sein Vater auftreten können.

8. Und nun weißt du alles, und Ich habe dir nun etwas gesagt und gezeigt, was Ich bis jetzt noch keinem Menschen in der Art gesagt und gezeigt habe. – Aber nun nehmen wir wieder etwas Brot und Wein und stärken uns nach dieser ziemlich lang anhaltenden Erklärung!“

186. Kapitel. Die scheinbare Begünstigung der Heiden durch Jesus.

1. Dieser Mein Rat wurde auch sogleich befolgt. Wir nahmen alle wieder Brot und Wein zu uns, und die anwesenden Pharisäer sagten: „Nun glauben wir erst ganz, daß Du der Herr und der wahrhaftige Christus bist! Denn derlei Geheimnisse in der großen Natur können nur Dir allein und sonst keinem Menschen auf der ganzen Erde bekannt sein.“

2. Und darauf sagten Meine Jünger: „Herr und Meister! Ähnliches hast Du uns hie und da auch schon vor den Menschen gezeigt, aber uns selbst hast Du eigentlich noch nie auf solche Naturgeheimnisse tiefer aufmerksam gemacht und sie uns auch nicht also erklärt; merkwürdig bleibt es von Dir aus immer, daß Du unter den Heiden viel offener sprichst als unter uns Juden!“

3. Sagte Ich: „Seid ihr denn noch so kurzsichtig und begreifet den Grund davon nicht? Wann seid ihr von eurer Geburt an naturkundige Menschen geworden? Ihr forschtet nie über eine oder die andere Erscheinung nach, ließet sie gehen, wie sie gekommen ist, und es war euch ganz gleichgültig, ob am Ende ein Wolf ein Schaf zerreißt und auffrißt oder am Ende gar ein mutiger Widder einen Wolf niederstößt und ihm entweder den Garaus macht oder ihn jählings in die Flucht treibt.

4. Ihr seid wohl allzeit recht eifrige Befolger des Gesetzes Mosis gewesen, aber um die Gesetze in der Natur habt ihr euch selten oder nahezu gar nie gekümmert, und Ich wußte darum wohl, in was Ich euch zuerst zu unterweisen und ins rechte Licht zu führen habe; alles andere, was euch not tut, werdet ihr bei Gelegenheit bei Mir schon nach und nach in Erfahrung bringen.

5. Es ging manchem von euch anfangs schwer und bedenklich, Mich für mehr als einen Propheten zu halten. Da es euch aber nun klargeworden ist – obschon nicht allen von euch im gleichen Maße –, daß Ich der wahrhaftige Messias bin, so ist es auch für euch an die Zeit gekommen, daß ihr so manches andere aus dem Gebiete der Natur der Erde auch näher erklärt und enthüllt bekommt; aber gründlich verstehen und einsehen werdet ihr alles das auch erst dann, so ihr von Meinem Geiste erfüllt sein werdet.

6. Aber dann werdet ihr es auch einsehen, daß man mit derlei Erklärungen in dieser noch stockfinsteren Zeit nicht auftreten kann, namentlich unter den Juden, die bis jetzt – besonders von dem Sinne des ersten Buches Mosis – noch keinen Dunst von einem Verständnisse haben und die Decke Mosis noch immer ihre innere Sehe verhüllt.

7. Daher werdet ihr auch genug getan haben, so ihr eure Brüder zum Glauben an Mich erwecket; alles andere, insoweit es not ist, wird dann schon Mein Geist in ihnen bewirken.

8. Die Römer aber sind naturkundige Menschen, haben viele Erfahrungen und Beobachtungen gemacht; ihnen sind daher auch derlei Erscheinungen und andere mehr aus dem Gebiete der Natur zu erklären, und sie begreifen es auch und haben mehr Licht denn ihr, und Ich sage euch noch hinzu, daß bald das Hauptlicht den starrsinnigen Juden genommen und in Überfülle den Heiden gegeben werden wird.“

9. Sagte darauf ein Jünger des Johannes: „Herr und Meister! Das ist eine Rede aus Deinem heiligen Munde, die uns Juden nicht fröhlich, sondern nur traurig stimmen kann; denn wir sind nach der Schrift denn doch das erwählte Volk Gottes, und Du bist Selbst aus uns hervorgegangen. Nun sollen uns die Heiden vorgezogen und wir gewisserart zerstreut werden unter alle Völker der Erde und kein Land und kein Haus mehr besitzen, und mit dem Nachfolger des Königs David wird es da wohl seine geweisten Wege haben!“

187. Kapitel. Die Liebe Jesu zum Judenvolke.

1. Sagte Ich: „Mein Freund, da redest und urteilst du wohl noch wie ein Blinder! Die Juden waren ja das erwählte Volk Gottes, – haben sie sich aber auch danach benommen, um das zu sein und zu verbleiben, wozu sie seit Abrahams Zeiten her berufen waren? Sie hielten wohl dem Äußern nach ganz trocken das Gesetz und priesen Gott mit ihren Lippen, aber ihre Herzen blieben verstockt und ferne von Gott.

2. Sie sind durch den Mund vieler Propheten und anderer weiser Lehrer zahllose Male ermahnt worden, wie sie sich gegen Gott verhalten sollen; haben sie aber diese Mahnungen nur im geringsten erfüllt?

3. Sie waren unter sich in einem beständigen Streit und führten Krieg um den Besitz irdischer Güter. Einmal bestrafte Ich sie hierfür mit der babylonischen Gefangenschaft, und zwar durch das Schwert des allerheidnischsten Königs Nebukadnezar, und beließ sie daselbst, damit sie sich bessern sollten, durch vierzig volle Jahre in aller Schmach und Not, ließ sie aber dennoch nicht ohne Propheten und Lehrer.

4. Als sie sich wieder zu bessern anfingen, da ließ Ich es wieder geschehen, daß sie in ihr Land zurückziehen durften und wieder aufbauen die Stadt Jerusalem und den Tempel, und sie wurden wieder ein angesehenes Volk.

5. Allein, wie es ihnen wieder gutzugehen angefangen hatte, vergaßen sie nach und nach wieder Meiner, hörten auf die Propheten und Lehrer nicht, sondern verfolgten sie und steinigten mehrere von ihnen.

6. Als Ich sah, daß das Judenvolk wieder Meiner Mahnungen nicht mehr zu achten begann, da erweckte Ich die Römer; und sie kamen mit einem mächtigen Kriegsheer und eroberten nicht nur das Gelobte Land, sondern noch weit mehr von Asien dazu und stellten harte Pachtkönige über die Juden und auch andere Völker, beließen ihnen aber dennoch ihre Schriften und ihren Gottesdienst.

7. Nun kam Ich endlich Selbst, kam zu öfteren Malen nach Jerusalem, lehrte im Tempel und wollte das Volk als Vater, gleich wie eine Henne ihre Küchlein, unter die Flügel Meiner Liebe, Macht und Weisheit in Schutz nehmen. Allein, was haben Mein Erscheinen, Meine Lehre und Meine Taten bewirkt bis jetzt? Nichts anderes, als daß man Mich von Tag zu Tag mehr haßt, nach allen Richtungen hin verfolgt und Mich vollen Ernstes dem Leibe nach zu töten sucht, – was denn auch den Juden in kurzer Zeit gelingen soll, damit das durch die Schrift ihnen angedrohte Gericht an ihnen in Erfüllung gehe.

8. Der alte Bund wird zu sein aufhören, wie das auch schon der Prophet Daniel geweissagt hat, und es wird ein neuer Bund errichtet werden, unter dem auch alle Heiden zu Erben und Besitzern des Reiches Gottes werden. Denn die Römer haben schon einmal das Gelobte Land erobert, aber darin nichts zerstört; kurze Zeit nach Mir werden es wieder die Römer erobern und aber auch derart zerstören, daß von den vielen Städten – Jerusalem nicht ausgenommen – nicht ein Stein auf dem andern verbleiben wird, und man wird kurze Zeit darauf nicht einmal mehr zu bestimmen imstande sein, auf welchem Punkte die eine oder die andere Stadt gestanden ist.

9. Wenn Ich denn nun hier gesagt habe, daß das Licht den Juden genommen und den Heiden gegeben wird, – tat Ich da unrecht? Oder gehe du hin und bekehre Mir alle Juden, daß sie an Mich glauben, und Ich will mit dem letzten Gerichte für sie innehalten, den alten Bund erneuern und ihn auch fürderhin bis ans Ende der Zeiten erhalten.

10. Siehe aber zu, wie es dir bei solch einem Unternehmen ergehen wird! Ich sage dir: noch um vieles ärger, als es ergangen ist deinem Lehrer Johannes, der in der Wüste die Werke der Buße predigte zur Vergebung der Sünden, aber bald darauf von Herodes ins Gefängnis geworfen wurde, der ihn hernach auf Verlangen des ehebrecherischen Weibes Herodias enthaupten ließ.

11. Meinst du wohl, daß es dir besser ergehen möchte, so du nun in Meinem Namen die hohen und stolzen Juden von ihren Sünden zu bekehren und ihnen ihre zahllos vielen Laster vorzuhalten anfingst?

12. Wenn du dieses mit nur einigen Funken Lichtes in deinem Verstande betrachtest, so wirst du doch einsehen, daß dieses Volkes Sündenmaß voll geworden ist, gleichwie das Sündenmaß der Hanochiten zu den Zeiten Noahs voll geworden ist, worauf dann die Flut kam und alle Feinde Gottes verschlang.

13. Oder sind die Juden zu Jerusalem nun etwa Freunde Gottes, so sie keinen andern Sinn haben, als eben in Mir Gott, ihren Herrn und Vater, zu fangen und zu töten? Sollte man solch ein Volk noch weiter bestehen lassen?

14. Siehe, das geht nicht der vielen andern Auserwählten willen, darum Ich denn auch die Zeit bis zum Untergange Jerusalems und seines Volkes sehr abkürzen will und kommen lassen das Gericht!“

188. Kapitel. Von falschen Christussen, falschen Propheten und falschen Wundern. Verhaltungswinke für die Jünger.

1. (Der Herr:) „Ja, es werden viele Juden auch an Mich glauben, und es glauben schon viele; aber es wird gar nicht lange dauern, so werden sich unter ihnen eine Menge erheben, und ein jeder wird von Mir ein anderes Evangelium schreiben und predigen, wie das schon gar jetzt an vielen Orten der Fall ist, wodurch dann viele falsche Christusse entstehen werden. Denn diese falschen Ausbreiter Meiner Lehre werden zu ihren Jüngern sagen: ,Sehet, das ist der wahre Christus, – was ich wohl wissen muß, da ich Sein Augenzeuge war!‘ Und ein anderer wird von seinem Christus dasselbe behaupten.

2. Und so werden diese falschen Propheten bald auch unter den Heiden eine große Verwirrung anrichten, weil sie fürs erste als Juden leichter Glauben finden werden als irgend von Mir erweckte Heiden, und werden unter dem Titel ,in Meinem Namen‘ auch falsche Wunder und Zeichen tun und dadurch denn auch viele Menschen verführen und sie für ihre falschen Christusse eingenommen machen.

3. Ich sage euch das darum nun, daß ihr es dann wissen könnet, so ihr selbst noch auf solche falschen Propheten stoßen werdet, und ihnen dann nicht glaubet, was sie lehren, sondern in Meinem Namen wider sie zeuget und das Volk vor ihnen warnet, die falschen Propheten selbst aber strafet und sie von der Ausbreitung Meiner Lehre abhaltet.

4. So ihr in diesem Geschäfte lau sein werdet, da werdet ihr gleichen einem Salze, das faul und unnütz geworden ist. Ist aber das Salz faul und unnütz geworden, womit soll man dann die Speisen würzen? Darum lehret die Völker vor allem, daß sie sich vor den falschen Propheten hüten sollen und nicht glauben ihren Worten noch ihren Zeichen!

5. Ihr selbst aber werdet nicht uneins, weder im Wort noch in der Tat, – sondern gebet alles also den Menschen wieder in voller, sich in nichts widersprechender Wahrheit, – wie ihr es von Mir überkommen und bei Mir gesehen habt! Denn so ihr untereinander uneins werdet und der eine dieses und ein anderer etwas anderes reden wird, so werdet ihr dadurch selbst den unheilvollen Samen der Zwietracht in Meine Lehre legen und euch dafür bei Mir wenig Lobes und Lohnes zu erfreuen haben. Am meisten aber wird man euch als Meine echten Jünger dadurch erkennen, daß ihr euch untereinander liebet, wie auch Ich euch stets geliebt habe, und niemals in einen Zank und Hader verfallet, wie das bei den falschen Propheten nur zu bald der Fall sein wird, bei denen ein von ihnen gepredigter Christus den andern unter allerlei Fluch und Verdammnis verfolgen wird, wodurch Meine euch gegebene Lehre ebenso wird zerbrochen werden müssen wie in kurzer Zeit Jerusalem und andere Städte, da kein Stein auf dem andern ganz gelassen wird.

6. Ich werde aber Meine Lehre schon auch ganz rein bis an das Ende der Zeiten zu erhalten verstehen. Aber wehe mit der Zeit allen Widerchristen! Sie sollen nicht viel länger ihr Unwesen treiben, als die Juden seit Mosis Zeiten bis auf Mich herab ihr Unwesen mit Mir getrieben haben, und Ich werde sie mit einem Weltgericht heimsuchen, das noch ärger sein wird denn das zur Zeit Noahs, Sodoms und Gomorras und vieler anderer Städte und Völker mehr bis auf diese Zeit.

7. Bei den Meinigen aber werde Ich gleichfort verbleiben bis ans Ende der Zeiten und werde unterschiedlich zu ihnen kommen, bald hier und bald dort; und werde Selbst ihr Lehrer sein in allen Dingen, – denn Ich werde dann auch kommen wie ein Blitz, der vom Aufgange bis zum Untergange leuchtet und alles erhellt, was auf der Erde finster und dunkel war.

8. Und siehe, das große Licht dieses Blitzes wird sie, die Widersacher nämlich, also zerstören, wie das Licht des Blitzes die Krebse tötet, so es sie irgend überscheint! Es besteht darin eine Entsprechung mit solchen Menschen, die den Fortschritt in Meinem Lichte scheuen und sich gleichfort gleich den Israeliten nach den vollen Fleischtöpfen des finstern Ägyptens zurücksehnen. Und so hat der Krebs, der vorzüglich in Ägypten daheim ist, denn auch diese Eigenschaft, daß er gewöhnlich im finstern Schlamme seine Nahrung sucht; und so er noch von Zeit zu Zeit ans Licht hervorkriecht, da macht er alsbald wieder eine rückgängige Bewegung und sucht wieder seinen finstern Schlamm auf.

9. Und sage Mir: Gleichen die heutigen Juden im Gelobten Lande nicht noch vollkommen jenen durch Moses aus Ägypten befreiten Israeliten, die sich in der Wüste, statt sich vorwärtszubewegen, um ins Gelobte Land zu gelangen, nur nach den ägyptischen Fleischtöpfen zurücksehnten und darum Moses schmähten, daß er sie aus Ägypten geführt hatte, wo es ihnen so gut ergangen sei? Sind derlei Menschen nicht zu vergleichen den häßlichen Schlammtieren, die das Licht des Blitzes nicht ertragen können und sich ihres Fraßes wegen stets nach rückwärts statt nach vorwärts bewegen?

10. Und Ich habe daher auch zu ihrem endlichen Gerichte das vorgesehen und bestimmt, daß sie am Ende alle umkommen sollen durch das Feuer und Licht Meines Blitzes.

11. Und so wird das in Erfüllung gehen, was Ich euch schon einmal bei einer Gelegenheit gesagt habe, daß Ich am Ende die Erde von ihrem Unrate durchs Feuer werde reinigen lassen.

12. Damit meine Ich dir mehr als zur Übergenüge den Grund gezeigt zu haben, warum das Licht den Juden genommen und den Heiden gegeben wird.

13. Es werden zwar die Juden für sich unter den Heiden noch fortbestehen unter allen Völkern der Erde und werden noch auf einen Messias hoffen, der aber nicht mehr kommen wird, und sie werden darum fortwährend gleichen den Tieren, wie da sind die Hunde und die Schweine; denn ein Hund kehrt immer zu dem zurück, was er gespien hat, und ein Schwein zu der Sumpflake, in der es sich gebadet und beschmutzt hat.

14. Und die dreifache Decke vor dem Antlitze Mosis wird vor ihren Augen hängenbleiben, indem sie das helle Licht der Himmel nicht ertragen und darum den inneren Sinn der Schriften Mosis und der Propheten nie erfassen und begreifen werden.

15. Bist du mit dieser Meiner wohlgegründeten Erklärung nun wohl zufrieden?“

16. Sagte der Jünger des Johannes: „O Herr und Meister, ich muß wohl damit zufrieden sein, da ich es jetzt wohl nur zu klar einsehe, daß es gerade also ist und auch in der Folge sein wird, wie Du das hier nun in aller Klarheit uns allen geoffenbart hast.

17. Oh, wer kann dafür, daß die Menschen ihren freien Willen so sehr mißbrauchen und sich lieber am Gängelband der Teufel herumführen und verführen lassen, als zu folgen Deinem Rate, der sie in alle Freiheit erheben möchte und ihnen geben das ewige Leben in Deinem Reiche!

18. Allein ich hoffe, daß Dir, o Herr und Meister, noch gar viele Mittel übrigbleiben werden, um mit den Zeiten der Zeiten auch aus den Krebsen Menschen hervorzurufen, die Dich erkennen werden; denn darum hast Du sie denn doch nicht auf diese Welt kommen lassen, auf daß sie für ewig hin auch ihren Seelen nach also Krebse verbleiben sollen?“

19. Sagte Ich: „Was für die langen Zeiten der Zukunft vorbehalten ist, das liegt im Rate Meiner Liebe und Weisheit verborgen; die Zeiten aber werden noch lange dauern, bis die letzte der Sonnen verglühen wird. Die Menschen werden sehen viele Sterne am Himmel verlöschen und wieder andere an ihre Stelle treten, – aber die eigentlichen Krebse werden noch nicht viel von ihrer häßlichen Gestalt dabei verloren haben. Doch bei Mir sind tausend Erdenjahre wie ein Augenblick; was die eine lange dauernde Zeit nicht zu bewirken vermag, das vermag vielleicht eine nächste oder tausendste Zeitperiode.

20. Wer da will, daß ihm geholfen werde, dem soll auch in Kürze geholfen werden; wer aber in seinem Starrsinne beharren will, der verharre, solange es ihm beliebt, – und will er darin ewig verharren, so steht es ihm auch frei! Denn auch das innere Materielle der Erde, wie auch das der endlos vielen andern Weltkörper, braucht seine Erhaltungsnahrung, und es wird gar entsetzlich lange hergehen (dauern), bis ein inneres Erdatom wieder bis auf die Oberfläche der Erde heraufgelangen wird.

21. Dieses wirst du zwar nicht verstehen, was Ich damit sagen will: Der verlorene Sohn ist wohl schon auf der Umkehr, aber es wird noch nahe endlos lange Zeiten vonnöten haben, bis er vollends in das alte Vaterhaus zurückgelangen wird.

22. Im kleinen Maßstabe gleicht freilich jeder Sünder einem verlorenen Sohn, über dessen wahre Rückkehr größere Freude sein wird als über neunundneunzig Gerechte, die der Buße nicht bedürfen.

23. Aber das Wort, das Ich zu euch rede, gilt nicht allein nur für diese Erde, sondern entsprechenderweise für die ganze Unendlichkeit; denn Meine Worte sind nicht Menschenworte, sondern Gottesworte, werden auch von den zahllosen Myriaden von Engeln vernommen und von einem Ende Meiner endlos vielen Schöpfungen zum andern als wirksam getragen.

24. Dieses verstehest du auch nicht; wenn du aber im Geiste wiedergeboren sein wirst, so wirst du auch in die endlose Tiefe Meiner Erbarmungen schauen können. Vorderhand aber begnüge dich mit dem, was du vernommen hast; denn Ähnliches, wie Ich jetzt zu euch geredet habe, werde Ich in dieser Welt nicht vieles mehr reden! Darum behaltet das bei und in euch bis zur Zeit eurer inneren Erleuchtung, nach der auch ihr mit den Verständigen und Erleuchteten werdet reden können von allem, was ihr von Mir vernommen habt; aber vor den Unverständigen haltet das inne, und werfet den Schweinen Meine Perlen nicht zum Fraße vor!“

25. Dieses behielten die Jünger bei sich, hielten sich bei der Ausbreitung Meiner Lehre auch daran und haben auch besonders den Juden wenig anderes von Mir geoffenbart als besonders Mein Leiden und Sterben und Meine Auferstehung, und daß Ich demnach wahrhaftig der Messias war. Aber selbst über diese letzten Begebenheiten waren sie nicht völlig einig miteinander, – was schon aus dem hervorgeht, daß auf die Nachricht der Weiber über Meine Auferstehung – besonders die der Magdalena – einige der Jünger glaubten, andere wieder nicht und hielten die Aussage der Weiber für ein Märchen, bis Ich ihnen Selbst persönlich erschien und noch da Meine Not hatte, sie völlig zu überzeugen, daß Ich auferstanden sei. Ich habe zwar den Jüngern eben bei dieser Gelegenheit gesagt, daß sie sich vor allem vor dem Uneinswerden hüten sollen; aber es ging bei ihnen und unter ihnen ebenso zu wie auch bei andern Menschen: Ihr Geist war willig, aber ihr Fleisch schwach.

189. Kapitel. Die Schwierigkeit des Lehramtes.

1. Als wir so noch am Tische beisammensaßen und Brot und Wein zu uns nahmen, da sagte Barnabas, der ein Pharisäer war, wie ihr wißt: „Herr und Meister, so Du auch mich für würdig halten würdest, Deine Lehre unter den Menschen auszubreiten, so würde ich nicht ein Wort von Deiner Lehre hinwegnehmen und auch nicht eines dazusetzen!“

2. Sagte Ich: „Du bist zwar ein Jude und hast es durch dein bedeutendes Vermögen dahin gebracht, daß du ein Pharisäer geworden bist, indem du nachweisen konntest, daß du aus dem Stamme Levi bist; du bist aber unter den Griechen erzogen worden und hast dir dadurch auch viel griechischen Starrsinn angeeignet und wirst dich auf die Länge der Zeit mit einem andern Meiner Jünger eben nicht am besten vertragen mögen. Ich werde euch allen aber etwas sagen, und so höret Mich denn an!

3. Ein wahrer Weiterverbreiter Meiner Lehre muß sein wie ein äußerst erfahrener, gefügiger und überaus geschickter Arzt.

4. Ein Arzt aber kommt zum Beispiel in einen Ort, dahin er gerufen wird zu vielen Kranken, die da behaftet sind mit Gicht und allerlei Fiebern. Nun denkt sich der Arzt: ,Derlei Kranke habe ich schon viele behandelt und ihnen mit diesen oder jenen Arzneien geholfen, und diese Kranken hier leiden an denselben Krankheiten; ich werde ihnen daher dieselben Arzneien geben, und sie werden gesund werden!‘ Und der Arzt tut das – und sehet, die Kranken werden, statt besser, immer schlimmer auf seine Arzneien, verlieren das Vertrauen zu ihm und suchen sich einen andern Arzt! Der Arzt wird darüber ärgerlich und sagt bei sich: ,Diese meine Arzneien haben schon so vielen geholfen; warum denn gerade diesen nicht?‘ und zieht ärgerlich nach Hause.

5. Und es kam bald der zweitgerufene Arzt. Er war aber klüger als der erste, erkundigte sich zuvor, wie der Kranke gelebt hatte, was für Speisen er zu sich genommen, und von welchen Krankheiten er schon von Jugend auf geplagt ward. Und so erkundigte er sich noch um Verschiedenes, um das sich ein weiser Arzt zu erkundigen hat, und richtete demnach auch seine Arzneien ein: für einen Kranken das, für einen andern wieder ganz etwas anderes. Und sehet, der Arzt, der sich diese Mühe nahm, heilte bald im ganzen Orte die Kranken, da er es verstand, seine Arzneien nach den verschiedenen Naturen und Eigenschaften seiner Kranken einzurichten (zu wählen).

6. Und wie ein Arzt nur auf diese Weise – so es nicht gar zu spät an der Zeit ist – glückliche Heilungen an den Kranken bewerkstelligen kann, ebenalso auch ein wahrer Seelenarzt bei den vielen seelenkranken Menschen auf dieser Welt, von denen eine Seele leichtgläubig, eine andere hartgläubig, eine andere hochmütig, eine andere geizig, selbstsüchtig und dergleichen noch vieles mehr ist. Kommt nun der Seelenarzt zu solchen Seelen und fängt alsogleich an, ganz steinstarr seine von Mir überkommene Lehre solchen verschiedenartigen Seelen vorzupredigen, so wird er damit wenig Nutzen stiften.

7. Wer da nicht versteht, mit den Weinenden zu weinen, mit den Lachenden zu lachen, mit den Heiteren selbst heiter und mit den Ernsten selbst ernst zu sein, der ist noch nicht geschickt zur Ausbreitung Meines Reiches auf Erden und gleicht in dieser Hinsicht einem Landmanne, der beim Aufackern eines Feldes wohl seine Hände an den Pflug legt, aber seine Blicke immer hinter sich richtet, um zu sehen, wie sich die Furchen legen; dabei vergißt er aber den Pflug, der seitwärts ging wegen Mangels rechter Aufmerksamkeit des Pflügers, und diesem bleibt dann nichts übrig, als den Pflug zurückzuziehen bis an die Stelle, wo er noch geradeaus ging, um daselbst wieder von neuem anzufangen zu pflügen.

8. Und so ist es mit den Lehrern, die alle Menschen – welchen Charakters und von welchen Natureigenschaften sie auch immer sein mögen – auf ganz eine und dieselbe Art in was immer unterrichten wollen. Einige von diesen Menschen werden etwas von diesem Unterrichte fassen, weil der Unterricht gerade für ihre Fähigkeiten getaugt hatte; die andern aber werden, unwissend und ungeschickter als sie vorher waren, den Lehrer verlassen.

9. Und so ist denn auch hier bei der Ausbreitung Meiner Lehre wohl darauf zu sehen, von welcher Beschaffenheit diejenigen sind, denen ihr Meine Lehre vorprediget, ansonst ihr wenig Nutzen stiften werdet.

10. Der Leichtgläubige wird bald alles glauben, – besonders, wenn ihr die Lehre noch mit irgendeinem Wunderzeichen bekräftigt; aber dabei denket euch das: Wer gar zu leicht etwas Neues annimmt, der läßt es auch ebenso leicht wieder fahren, als wie leicht er es angenommen hat, besonders so ihn eine Versuchung dazu nötigt. Mit einem Hartgläubigen werdet ihr zwar viel mehr Arbeit haben, – aber habt ihr ihn einmal gewonnen, so wird er auch bei dem verbleiben, was er angenommen hat. Darum müßt ihr euch bei ihm auch mehr Mühe nehmen als bei den Leichtgläubigen. Diesen aber trauet nicht, weil sie so gern und ohne viel Mühe eure Lehre angenommen haben. Denn so ihr wieder zu ihnen kommen werdet, werden sich vielleicht kaum die Hälfte noch bei eurer Lehre halten (befinden), die andere Hälfte aber zu ihrem alten, faulen Glauben zurückkehren oder irgendeinem andern falschen Propheten anhangen.

11. Darum seid zwar vollkommen einig in dem, was Meine Lehre betrifft, – aber was den Vortrag betrifft, so sehet euch die Menschen zuvor an, welches Geistes Kinder sie sind, und fanget danach erst an, ihnen Mein Evangelium zu predigen, und ihr werdet da allenthalben gute Wirkungen hervorbringen!

12. Gedenket dabei auch des alten römischen Sprichwortes, nach welchem aus einem höchst plumpen und faulen Holzklotze keine Gottheit geformt werden kann, und daß die sanfte und furchtsame Taube noch niemals einen Aar aus ihren Eiern gehecket hat! Daher seid denn auch – was Ich euch schon öfter gesagt habe – klug wie die Schlangen, dabei aber dennoch voll Sanftmut gleich den Tauben!

13. Das Lehramt ist eines der schwersten Ämter; aber wohl dem, der ein solches Amt tüchtig zu verwalten versteht!“

14. Hierauf sagte Barnabas: „O Herr und Meister, Du hast nun nur zu offen die reinste Wahrheit gesprochen; denn auch ich war zuvor ein Lehrer und habe es erfahren, wie schwer mit den verschiedenartigen Menschen umzugehen ist. Daher werde ich auch diesen Deinen Rat über alles wohl beherzigen und ihn zur Tat werden lassen.“

15. Sagte Ich: „Das wirst du wohl; aber du wirst auch einer der ersten sein, der bei einer Gelegenheit mit einem eben von Mir erwählten Jünger hart übereinanderkommen wird, und ihr werdet euch trennen auf eine längere Zeit hin. Ich sage dir nicht, wann, bei welcher Gelegenheit und mit welchem Jünger; wenn es aber geschehen wird, so wirst du dich dessen erinnern, was Ich dir soeben gesagt habe.“

16. Sagte darauf Barnabas: „Herr und Meister, da Du solches schon zum voraus weißt, so sollte es Dir ja auch möglich sein, solch einem unliebsamen Vorkommnis schon im voraus die rechten Hindernisse in den Weg zu stellen!“

17. Sagte Ich: „Die allerfreiesten Menschen auf der ganzen Erde seid ihr, Meine Jünger, nun, und eben euch will Ich durchaus auch nicht die leiseste Fessel, von seiten Meiner Allmacht ausgehend, anlegen; denn so Ich euch in die Welt sende, daß ihr die andern Menschen von den Fesseln der harten Knechtschaft unter dem Gesetze befreien sollet in Meinem Namen, – wie sollte Ich euch dann als gefesselte Knechte hinaussenden? So Ich das täte, da würde es mit der Freimachung und Erlösung bei den Menschen sehr schlimm aussehen; denn in dem Falle würde ihnen ein neues, schwereres Joch auferlegt werden, denn da war das alte, und Meine Herniederkunft wäre kein nütze.

18. Ich erwecke euch aber zu Aposteln und Propheten des neuen und nicht mehr alten Bundes und mache euch dadurch zu den ersten Erlösten auf dieser Erde, auf daß durch euch diese Meine Erlösung auf alle Menschen übergehe in rechter Art und Weise und in der vollkommensten Ordnung Meiner ewigen Liebe, Weisheit und Macht. – Hast du, Barnabas, solches verstanden?“

19. Barnabas sagte, daß er dieses wohl verstanden habe, und alle sagten das gleiche.

20. Und Ich sagte zu ihnen: „So bleibet denn in Mir, so werde Ich bei euch verbleiben bis ans Ende der Zeiten und werde einen jeden von euch erwecken an seinem jüngsten Tage in Meinem Reiche!“

190. Kapitel. Der Apollopriester erkundigt sich nach Jesus.

1. Als Ich dieses ausgesprochen hatte, ließ sich der Apollopriester mit noch zwei andern heidnischen Priestern durch einen Boten beim Wirte anmelden, daß er kommen werde, um zu sehen, wie der unter seinem Dache sich befinden sollende Gott der Juden aussähe.

2. Wir sagten dem Boten, daß hier eine öffentliche Herberge sei und es einem jeden freistehe, einzutreten.

3. Es war aber die Nachricht zu diesem Apollopriester und seinen noch zwei ihm untergebenen Priestern durch das Gesinde des Wirtes gekommen, daß ein Gott der Juden sich bei dem Wirte befinde und viele nie dagewesene und unerhörte Wunder wirke.

4. Der Bote ging eilig hinaus und benachrichtigte die drei Heidenpriester mit dem, daß sie frei eintreten könnten, so sie wollten.

5. Die Priester machten darauf nicht viel Säumens und traten bald zu uns in das Gastzimmer.

6. Und der Apollopriester wandte sich sogleich an den Oberstadtrichter und sagte: „Durch meinen Gott Apollo erleuchteter Oberstadtrichter, sage mir an, welcher unter diesen vielen Juden, die am Tische sitzen, der wunderwirkende Gott der Juden ist, auf daß auch ich mich vor ihm verbeuge und ihm die Ehre bezeige; denn wir Priester der Götter Ägyptens, Griechenlands und Roms verstehen auch die Götter anderer Völker zu ehren, in dem Maße, als sie es verdienen!“

7. Der Oberstadtrichter sah Mich gewisserart fragend an, ob er diesem eingebildeten Oberpriester des Apollo eine Antwort geben solle oder nicht.

8. Ich aber winkte ihm, daß er ihm zuvor einen vollen Becher Weines kredenzen solle und sagen, es sei das Wasser aus der Zisterne des Wirtes.

9. Und der Oberstadtrichter verstand diesen Meinen Wink und sagte zu dem eigentümlich blöde aussehenden Apollopriester: „Da, neben uns befindet sich noch ein kleiner, leerer Tisch; setzet euch nieder! Und da sind zugleich drei Becher, gefüllt mit dem Zisternenwasser des Wirtes, und löschet euch zuvor den Durst mit diesem besten Wasser in unserer ganzen Stadt!“

10. Sogleich wurden den dreien drei volle Becher vorgesetzt, und der Apollopriester, der zwar kein besonderer Freund des Wassers war, verkostete es dennoch und fand, daß es nicht Wasser, sondern der beste Cypernwein wäre, der nur an den Tafeln der Kaiser getrunken wird. Er trank seinen Becher auch bald bis auf den letzten Tropfen aus, und seinem Beispiel folgten auch seine zwei Unterpriester.

11. Als der Apollopriester den Becher geleert hatte, sagte er voll Staunens: „Was, das soll des Wirtes Zisternenwasser sein? Das ist ja einer der besten Weine von der Insel Cypern! Wo hat noch je eine Zisterne solch ein Wasser gehabt? Das ist nicht möglich, ihr haltet mich zum besten!“

12. Sagte der Oberstadtrichter: „So laß dich vom Wirte selbst zu der Zisterne hinausgeleiten, und schöpfe selbst und trinke; dann komme wieder und sage, ob man dich zum besten gehalten hat! Für so unsinnig und blöde aber wirst du den Wirt ja doch nicht halten, daß er sich aus Cypern um ein übergroßes Geld mehrere hundert Schläuche des besten Weines habe bringen lassen und ihn dann aus den Schläuchen in die Zisterne gegossen habe!“

13. Hierauf erhob sich der Apollopriester alsogleich, und der Wirt geleitete ihn mit seinen zwei Unterpriestern hinaus an die Zisterne, gab dem Oberpriester den Schöpfeimer in die Hand und sagte: „Schöpfe dir nun selbst das Wasser, und verkoste es dann!“

14. Der Apollopriester tat das sogleich und fand, daß es nicht Wasser, sondern der beste Wein war. Desgleichen taten auch seine zwei Unterpriester und fanden dasselbe und rieten dem Wirte, daß er solch ein köstliches Wasser nicht also in der Zisterne belassen, sondern damit viele Schläuche füllen und es aufbewahren solle für vornehme Gäste, die es ihm gern teuer bezahlen würden.

15. Sagte der Wirt: „Dazu habe ich von Dem, der das Wasser in meiner Zisterne in den köstlichsten Wein verwandelte, kein Gebot und keine Befugnis überkommen, und so soll es auch also bleiben, wie es ist!“

16. Darauf konnten ihm die Priester nichts einwenden und begaben sich mit dem Wirte wieder zu uns ins Gastzimmer.

17. Als sie wieder ihre früheren Plätze einnahmen, da sagte der Apollopriester mit einem gewissen Pathos zum Oberstadtrichter: „Herr, so etwas ist von allen unsern Göttern, von Jupiter angefangen bis auf die geringste Quellennymphe herab, noch nie erhört worden, und wir haben mit vielen Hunderten der ersten Magier schon zu tun gehabt, und sie vermochten manches Wunderbare zu bewirken, – aber Wasser in Wein zu verwandeln, ist noch keinem in den Sinn gekommen! Ich bitte dich darum, mir nun anzuzeigen, welchem in dieser ziemlich zahlreichen Gesellschaft ich meine tiefste Hochachtung und Ehrfurcht zu bezeigen habe!“

18. Hierauf sagte der Oberstadtrichter mit Meiner Erlaubnis: „Der an meiner rechten Hand sitzet, ist der Herr aller Herrlichkeit, der Meister aller Meister und der Gott aller Götter!“

19. Als der Apollopriester solches vernommen hatte, da sagte er: „Da wäre er ja das sogar allen Göttern unerforschliche Fatum, von dem sie selbst, so wie die Sonne, der Mond und alle Sterne und der ganze Erdkreis mit allem, was er faßt und trägt, abhängen, und es steht, glaube ich, auch in einem alten ägyptischen Buche geschrieben, daß diese unerforschliche Gottheit – das Fatum nämlich – sich einst den Göttern und auch den Menschen dieser Erde näher offenbaren werde.

20. Ich habe heute beim Aufgange der Sonne, wie gewöhnlich, dem Gott Apollo meine Morgenbegrüßung für alle Menschen dargebracht, war aber dabei im höchsten Grade überrascht, als ich zwei Sonnen hintereinander aufgehen sah. Aber noch mehr überrascht war ich, als ich über und unter der zweiten Sonne ganz deutlich geschriebene Worte entdeckte, die ich aber dennoch nicht lesen konnte, weil sie mit hebräischen Buchstaben geschrieben waren, und somit noch weniger verstehen ihren Sinn.

21. Aber das dachte ich mir wohl, daß so etwas eine ganz außerordentliche Bedeutung haben müsse. Und als ich mich später hin und her erkundigte, ob außer mir noch jemand diesen sonderbaren Sonnenaufgang beobachtet hätte, da kam ich dabei auch zu den Leuten dieser Herberge, und diese wußten es mir zu sagen, daß gestern gen Abend hin wahrhaftig der Gott der Juden im Geleite mehrerer Diener hier eingekehrt sei und noch hier verweile. So Du, o Herr, Meister und Gott, eben der nämliche bist, so vergib es mir, daß auch ich – obschon ein Heidenpriester – Dir hier meine vollste Hochachtung und Ehrerbietung bezeige, und ich bitte Dich um Deine göttliche Erlaubnis, Dir in unserer Stadt auf dem erhabensten Punkte einen Tempel errichten zu dürfen, um Dich darin zu allen Zeiten allerhöchst zu verehren!“

191. Kapitel. Wahre Gottesverehrung und Götzendienst.

1. Sagte Ich: „Das lasse du bleiben; denn Mein Tempel ist allwegs (überall), besonders aber im Herzen der Menschen, die an Mich glauben, Mich über alles lieben und Meine Gebote halten!

2. Beschaue dir die ganze Erde mit allem, was sie trägt und faßt, und also auch das Firmament! Siehe, das ist auch alles Mein Tempel, den Ich Selbst erbaut habe; darum benötige Ich keines Tempels, verfertigt von Menschenhänden. Wenn du aber an Mich glaubst, daß Ich der Herr bin, so wende dich ab von deinen Götzen und deinen Tempeln, die von Menschenhänden gemacht sind! So aber schon jene Menschen, die die Götter mit ihren Händen verfertigt und ihnen dann Tempel erbaut haben, in denen sie Opfer darbrachten und den Menschen, die auch Opfer darbrachten, allerlei Vorteile versprachen, nicht so viel Macht besaßen, auch nur ein allerschlechtestes Moospflänzchen aus der Erde erwachsen zu lassen, – was sollen denn dann ihre Götter und Tempel, die sie verfertigt haben, für eine Macht besitzen?

3. Die Priester wohl besitzen eine schlechte Macht, nämlich die des Betruges und jene zur Erzeugung des finstersten Aberglaubens in den Gemütern der Menschen, welche Macht herrührt vom Obersten der Teufel, der auf seinen geheimen Wegen die Herzen aller Menschen zu verfinstern versteht, um mit ihnen dann zu bereichern und zu vergrößern sein Reich.

4. Aber wehe denen, die es wohl wissen, daß an dem, was sie die Menschen lehren, nichts ist, aber die Menschen doch in die Finsternis leiten, damit diese im Schweiße ihres Angesichts für sie arbeiten und ihnen durch die abverlangten Opfer ein überaus gutes diesweltliches, mühe- und sorgenloses Leben verschaffen!

5. Ich sage euch aber, daß Ich Mich der armen, verführten Menschen wohl erbarmen werde, aber der Verführer nimmerdar; denn sie wissen, was sie tun, – die andern aber wissen es nicht.

6. Du selbst hast noch nie im Ernste an einen deiner Götter geglaubt, hast aber dennoch die andern Menschen gezwungen, an das zu glauben, was du schon seit langem für eine pure Fabel der Alten gehalten hast.

7. Wenn du dich vor dem Untergange retten willst, so kehre du allen deinen Göttern den Rücken, belehre deine von dir betrogenen Menschen über den einen, wahren Gott der Juden, so kannst auch du dereinst teilhaben an Meinem Reiche, das nicht von dieser Welt ist, sondern von der jenseitigen geistigen, von der du in dir keine Kunde besitzest!“

8. Sagte hierauf der Apollopriester: „O Herr, Meister und Gott, das wird für uns eine schwere Arbeit werden! Denn die Menschen sind noch zu sehr von dem alten Wahn durchdrungen, daß es mit unsern Göttern eine volle Realität habe; und werden wir dagegenzulehren anfangen, so werden wir uns in die Gefahr begeben, von dem Volke verfolgt und mißhandelt zu werden.“

9. Sagte Ich: „So ihr selbst an Mich glaubet, so wird euch dieser Glaube die Kraft erteilen, daß ihr auch das Unmögliche leicht werdet möglich machen können!“

10. Sagte der Apollopriester: „Wir haben jetzt gesehen, daß Deinem Willen nichts unmöglich ist; so du willst, kannst du unsere Göttertempel in einem Augenblick zunichte machen. Wir sind dann beim Volke außer Verantwortung und können dann um so leichter von Dir zum Volke zu reden anfangen. Denn an Zeugen über das, was Du bist, fehlt es hier nicht; unser Oberstadtrichter ist einmal schon ein vollgültigster Zeuge, dann der Wirt und sein Hausgesinde und auch jene Juden dort.“

11. Sagte Ich: „Das ginge zwar wohl, – aber es ist besser, daß ihr das Volk vorher bei guten Gelegenheiten von Mir belehret und das Volk dann selbst Hände an die Tempel und ihre sie umgebenden Haine legt, die an und für sich schon mehr ein dürres Gestrüpp denn ansehnliche Haine sind.“

12. Sagte darauf der Apollopriester: „Meister, Herr und Gott!“

13. Nach diesem Ausrufe sagte Ich zu ihm: „So du mit Mir sprichst, so nenne Mich bloß Herr und Meister; Gott aber nenne Mich erst dann, so du in dir selbst innewirst, was die Gottheit ist. Und nun kannst du weiterreden!“

14. Und der Apollopriester redete, sagend: „Wie sind aber alle diese Götter entstanden? Ich will von den kleinen, Neben- und Halbgöttern nichts reden, wie auch von den weiblichen Gottheiten nichts; aber hinter den männlichen Hauptgottheiten, die schon die unseres Gedenkens ältesten Ägypter verehrt haben, muß denn doch etwas gelegen sein, – denn gar so aus nichts können diese Götter nicht in das Verständnis der Menschen gekommen sein! Dir, o Herr und Meister, wird das gewiß vom tiefsten Grunde aus bekannt sein!“

192. Kapitel. Die Entstehung des Götzentums.

1. Sagte Ich: „Die Ureinwohner Ägyptens, als Nachkömmlinge Noahs, haben auch die Erkenntnis des einen, allein wahren Gottes in dieses Land gebracht und haben den allein wahren Gott über siebenhundert Jahre lang verehrt, und es besteht noch ein aus einem großen Granitfelsen gemeißelter Tempel, den vier aufeinanderfolgende Haupthirten zur Verehrung des allein wahren Gottes errichtet haben.

2. Im tiefsten Hintergrunde dieses Tempels hat man eine bedeutungsvolle Inschrift in die Steinwand gemeißelt, und zwar mit den wenigen Worten Ja bu sim bil, – was soviel heißt als: Ich war, bin, und werde sein!

3. Und so nach diesem Begriffe von der Gottheit verehrten die Ureinwohner, gleichwie Abraham in diesem Lande, den einen und nur ganz allein wahren Gott, und der Geist Gottes war mit ihnen und lehrte sie große Dinge.

4. Aber später fingen diese vom Gottesgeiste belehrten Ureinwohner an, über das Wesen der Gottheit tiefer nachzudenken, und das um so tiefer, je mehr sie mit den Kräften der Natur sich vertraut machten.

5. Eine jede solche von ihnen erkannte Kraft wurde als eine eigentümliche Eigenschaft der einen Urkraft in der Gottheit dargestellt. Um das Volk über das leichter zu belehren, fing man an, diese aus der einen Gottheit ausfließenden Kräfte mittels entsprechender Bilder dem Volke anschaulicher zu machen, und sagte zum Volke darum auch, daß eine jede solche Kraft, als von dem einen und allein wahren Gott ausgehend, ebenfalls heilig und der göttlichen Verehrung würdig sei.

6. Man stellte Lehrer auf und errichtete auch Schulen, und es ward dann in den Schulen anfänglich zwar wohl von der Haupturgottheit gelehrt, aber hauptsächlich ging dann die Lehre auf die göttlichen Sonderkraftausflüsse über, und es wurden dann bald darauf für jede Kraft wieder eigene Lehrer und Schulen errichtet, die ein jeder Schüler vorerst durchzustudieren hatte, bis er erst nach abgelegten Prüfungen in die Hauptschule aufgenommen wurde.

7. Mit der Zeit wurden diese Lehrer Priester der einzelnen göttlichen Kräfte oder Eigenschaften, und ein jeder solcher Priester wußte dem am besten vorzustehen, was er zu lehren hatte.

8. Als aber das Volk mit der Zeit sehr anwuchs, da wurden die anfangs nur wenigen Schulen zu wenig. Man erbaute dann mehrere Schulen und Tempel und versah die Tempel mit den entsprechenden Gotteskraftbildern und entdeckte auch fort und fort mehrere einzelne Kraftausflüsse aus der einen Gottheit, errichtete ebenfalls wieder kleinere Schulen und versah die Tempel mit neuen, entsprechenden Gottheiten als entsprechenden Bildern aus der einen, allein wahren Gottheit und stellte am Ende für die Lehrer und Priester bequeme Lehren auf, danach es genüge, nur eine solche Kraft, die irgend in einem Tempel vorgestellt war, als göttlich anzuerkennen und zu verehren; denn dadurch erkenne und verehre man auch die Urhauptgottheit nach allen ihren Einzelkraft- und – wirkungsausflüssen.

9. Dadurch aber blieb die eigentliche Haupterkenntnis der einen und allein wahren Gottheit nur noch unter den stets träger und herrschsüchtiger werdenden Priestern. Das Volk aber wurde je nach seiner Arbeit nur zur Anerkennung und Verehrung der vielen Einzelkraftausflüsse der einen Gottheit angehalten, und nur wenigen wurde es mehr gestattet, sich in den hohen Schulen in die tieferen Geheimnisse einweihen zu lassen.

10. Es kamen denn auch Fremde von allen Seiten nach Ägypten und begehrten, in die Weisheit der Ägypter eingeweiht zu werden. Allein die Ägypter, das heißt die Priester, führten sie wohl von Tempel zu Tempel und von Schule zu Schule, belehrten sie aber nur über die mit der einen Hauptgottheit in Entsprechung stehenden Bilder in den Tempeln. Die Fremden nahmen mit einiger Lehre auch die vielen Bilder, die sie um Geld haben konnten, in ihre Heimatländer und erbauten ihnen auch Tempel und Schulen, die sie mit Lehrern und Priestern versahen.

11. Und siehe, so entstand dann das Götzentum und die Bilderverehrung, und die Menschen wurden in den Glauben geführt, alles getan zu haben, wenn sie nur ein oder auch mehrere solche Bilder, die ihnen in ihren Tempeln vorgestellt wurden, wahrhaft verehrten und ihnen nach ihren Kräften fleißig Opfer darbrächten!

12. Die eine und allein wahre Gottheit hat man unter einer gewissen Furcht und Scheu als das unerbittliche Schicksal verehrt, und die Griechen haben diesem Fatum sogar einen Tempel errichtet, und zwar unter der Benennung: ,Dem allein allen Menschen gänzlich unbekannten Gott geweiht‘. In diesem Tempel war denn auch gar kein Bild aufgerichtet, sondern nur ein Kreis, der mit dem ,Schleier der Isis‘ bedeckt war, hinter den niemand blicken konnte und durfte.

13. Und da hast du nun in diesen Meinen wenigen Worten eine vollkommene Erklärung, was hinter den vielen heidnischen Götzenbildern steckt.“

193. Kapitel. Die Entstehung der Apolloverehrung.

1. (Der Herr:) „Du nennst dich Apollopriester und weißt nicht einmal, welch eine Einzelkraft bei den Urägyptern, als von Gott ausfließend, durch Apollo dargestellt wurde.

2. Siehe, schon bei den ersten Bewohnern dieses Landes ward das Bedürfnis nach einer bestimmteren Zeiteinteilung stets fühlbarer; denn sie sahen wohl, daß die Zeit Tag und Nacht gleich fortfließe und sich selbst durch die Dauer des Tages und der Nacht abteile!

3. Der Tag für sich teilte sich zwar auch ab, dadurch, daß die Sonne im halben Tage ihre größte Höhe erreicht; aber mit der Nacht ging es ihnen schwerer. Gewisse Gestirne dienten ihnen wohl zu einem Anhaltspunkte; aber sie merkten nur zu bald, daß die Sterne nicht gleich auf- und untergehen. Und so war es mit der Zeiteinteilung in der Nacht schwerer als mit der am Tage.

4. Zuerst errichtete man hohe Säulen auf ziemlich großen Ebenen und beobachtete den Gang ihres Schattens, bezeichnete mit Steinen den Aufgang und den Untergang, und von diesen zwei Punkten machte man dann auf der Linie des Schattens kleinere Abteilungen, und zwar nach der Zeitdauer, die ein Mensch mit gemäßigten Schritten zur Begehung einer gewissen Strecke benötigte.

5. Eine solche Strecke wurde dann ein ,Feldweg‘ genannt und machte so ziemlich den vierten Teil einer gegenwärtigen Stunde aus. Die Zeit der Feldwege bezeichnete man mit kleinen Steinen, die Zeit von vier Feldwegen mit größeren Steinen; die Hauptsäule in der Mitte bildete den Mittag, von der aus natürlich nach dem Stande der Sonne leichtbegreiflichermaßen auch mehrere Reihen von solchen Steinen wegen der Zeitmessung gelegt wurden.

6. Man nannte diese Zeitmesser auf den Feldern ,Sa-pollo‘, das heißt, fürs Feld, und man wählte diesen Ausdruck deswegen, um für die Hirten und andern Feldarbeiter die Zeit zu bestimmen.

7. Man zierte aber solch eine Säule bald auch mit einem Bilde, das in einer Hand die Sonne, aus glühendem Erz verfertigt, hielt, welche von seiten des Feldzeitmaßhüters mit einem Hammer auf einem langen Stabe angeschlagen werden mußte, und zwar mit so viel Schlägen, als der Schatten vom Aufgange her Stunden abgegangen war.

8. Daraus erkannten die Hirten und die Feldarbeiter, um welche Zeit es war, und was sie in derselben zu tun hatten.

9. Daß man später das Feldbild in noch mannigfacherer Gestalt auf die Säule setzte, um dadurch für die Menschen den Flug der Zeit noch mehr zu versinnlichen, versteht sich von selbst.

10. Mit der Zeit war man mit diesem Feldzeitmaßinstrument, mit dem man aber doch in der Nacht keine Zeit messen konnte, nicht mehr zufrieden, widmete den Gestirnen eine stets intensivere Aufmerksamkeit und erfand die euch bekannten zwölf Sternbilder und gab ihnen Namen nach den in Ägypten von Monat zu Monat eintretenden, ganz natürlichen Erscheinungen – worunter auch vier menschliche Namen vorkamen: der Wassermann, die Zwillinge, der Schütze und die Jungfrau – und nannte die Sternbilder zusammen den Tierkreis.

11. Je mehr man diesen Gestirnen Aufmerksamkeit schenkte, desto genauer fing man auch an, die Zeit der Nacht einzuteilen, und errichtete in der Stadt Diadeira (Diathira) einen großartigen, aus künstlich behauenen Steinen zusammengefügten Tierkreis, der noch heutzutage besteht und von allen Sternkundigen als ein großes Kunstwerk bewundert wird.

12. Aus dieser Meiner kurzen Erklärung wirst du nun ganz leicht einsehen und erkennen, wie dein Gott Apollo ursprünglich entstanden ist, und warum ihn später die Menschen zum Gott der Sonne und auch zum Gott mehrerer anderer Künste und Wissenschaften machten, und so wirst du auch einsehen, daß es in der Wirklichkeit nie einen Gott Apollo gegeben hat; aber weil die Zeit von den Alten auch als ein Hauptausfluß einer göttlichen Kraft anerkannt wurde, so ward auch das Bild unter die zwölf Hauptgötter verlegt, welche zwölf Hauptgötter an und für sich nichts anderes waren als die von den Menschen erkannten zwölf Hauptausflüsse der einen urgöttlichen Kraft.

13. Aus dem kannst du nun schon schließen, wie hernach die vielen andern Götter und Götzen entstanden sind, und du wirst nun auch wissen, wie du deine blinden Heiden zu belehren hast, daß sie zu Mir, dem einen und allein wahren Urgottwesen und Sein alles Seins und Leben alles Lebens wieder zurückkehren mögen.“

194. Kapitel. Jesu Mahnung zur Liebe und Geduld in der Mission für Seine Lehre.

1. Hierauf sagte der Apollopriester: „O Herr und Meister, wie unbeschreibbar blind und töricht wir Heiden bis jetzt noch waren! Es liegt die Sache nun so klar vor mir, als so ich selbst in der Urzeit der Ägypter gelebt und mit gehandelt und gewirkt hätte; aber es ist mir die Sache auch klar, daß es einer großen Mühe und Arbeit benötigen wird, um die vielen Heiden in die Sphäre des Lichtes der Wahrheit zu erheben.

2. In meinem kleinen Kreis werde ich mir wohl alle mögliche Mühe nehmen und hoffe, mein Völklein bald in Ordnung zu haben; aber der Heiden Länder und Völker sind weit auf der Erde verstreut; da wird es denn auch einer viel längeren Zeit und gar vieler mutiger Lehrer vonnöten haben, bis sie mit dem Niederreißen der vielen Götzentempel fertig werden.

3. Aber auf Deine Mithilfe vertrauend, wird sich nach längeren Zeitläufen die Sache etwa wohl geben; denn das Beste bei unserer heidnischen Götterlehre ist, daß sie von seiten der Regierung den Menschen nicht mit Zwang auferlegt ist, und es steht einem jeden echten Römer frei, zu glauben, was er will, oder auch nicht zu glauben, sondern nach der Lehre der Weltweisen, deren die Griechen und Römer viele aufzuweisen haben, zu leben und zu handeln.

4. Es genügt der Regierung, daß man ein treuer Staatsbürger ist und sich ihre klugen Staatsgesetze wohl gefallen läßt; aber um den Glauben an diesen oder einen andern Gott kümmert sich die Regierung wenig oder gar nicht und läßt einem jeden den freien Willen.

5. Ob ich ein Kyniker, ein Pythagoreer, ein Platoniker, ein Aristotelianer oder ein Epikureer bin und so handle, so steht mir das alles frei, wie auch die Lehre des Moses bei uns Römern noch nie zu den vom Staate aus verpönten Lehren gehört hat; und so meine ich, daß Deine Lehre, o Herr und Meister, bei den vielen besseren Heiden eher Eingang finden wird, als bei so manchen Juden, die ihre eigene Lehre selbst nicht verstehen, von den wirkenden Kräften der Natur auch keine Kenntnis besitzen und das, was sie darin besitzen, von den Heiden entlehnt haben.

6. Und so meine ich, daß den Naturkundigen Dein Evangelium zu predigen um vieles fruchtbarer sein wird als jenen Menschen, die bis jetzt noch nicht wissen, warum das Wasser von der Höhe stets der tiefsten Gegend am Meere zufließt, und warum ein Stein von der Höhe in die Tiefe hinabfällt und nicht umgekehrt. Das wissen aber wir Römer, wennschon nicht urgründlich, aber in der Hauptsache doch! Ich danke Dir, o Herr und Meister, für Deine so weise Belehrung!“

7. Sagte hierauf der Oberstadtrichter: „O Herr und Meister, ich habe bei dieser Gelegenheit auch ungeheuer viel gewonnen und werde für die rechte Bekehrung der Heiden auch wissen, was ich zu tun habe!“

8. Und Ich sagte zu ihm: „Was ihr aber tut in Meinem Namen, das tuet in aller Liebe und Geduld; denn mit dem Schwerte in der Hand sollet ihr den Menschen Mein Evangelium nicht predigen! Ich meine aber, daß es gar vielen Menschen überaus willkommen sein wird, von ihrer langen, tiefen Finsternis in das hellste Licht des Lebens versetzt zu werden.

9. Nehmet euch an Mir ein Beispiel, daß auch Ich hier unter euch voll Liebe und Geduld bin und niemandem auch nur ein hartes Wort gegeben habe und niemanden zum Glauben an Mich zwang, außer durch die wenigen Liebewunderzeichen, die Ich vor euch gewirkt habe. Derlei Zeichen aber werdet ihr auch selbst in Meinem Namen tun können; aber so ihr das werdet tun können, da seid so sparsam als möglich damit!

10. Die alten griechischen, ägyptischen und römischen Weisen haben gar keine Zeichen gewirkt und haben dennoch eine Menge Anhänger bekommen; und so ist es besser für jedermann, so er Meine Lehre annimmt nach der Kraft der Wahrheit, die in ihr überschwenglich reich vorhanden ist, als so er die Lehre erst dann annimmt, so er zuvor durch mehrere Wunderzeichen genötigt worden ist. Denn Ich sage es euch: Der Buchstabe, wie auch jedes andere Zeichen, belebt den Geist des Menschen nicht, sondern nur der Geist der Wahrheit im Worte macht alles lebendig!

11. Ich könnte vor euren Augen noch eine Menge der seltensten Zeichen wirken; aber es ist besser für euch, so ihr beim Worte bleibet, das Ich zu euch geredet habe.

12. Meine ganze Lehre aber besteht ganz kurz in dem: Erkennet und liebet in Mir den Geist des einen und allein wahren Gottes über alles, – ihr als Brüder untereinander aber liebet euch also in Meinem Namen, wie da jeder liebt sich selbst! Eines weiteren bedürfet ihr nicht; denn aus dem werdet ihr durch Meinen Geist ohnehin in alle Wahrheit und Weisheit aus Mir erhoben werden.

13. Ich werde zwar diesem Meinem Leibe nach bald diese Welt verlassen, aber in der Kraft Meines Geistes dennoch bei euch verbleiben bis ans Ende der Zeiten der Welt; und um was ihr den Vater, das ist die ewige Liebe in Mir, in Meinem Namen bitten werdet, das wird euch auch gegeben werden.

14. Doch um diesirdische Dinge sollt ihr euch nicht viel Kummer und Sorge machen; denn Ich weiß, wessen ihr eurem Leibe nach bedürfet.

15. Suchet daher vor allem Mein Reich in der Liebe zu Mir und zu euch selbst untereinander; alles andere wird euch frei hinzugegeben werden!“

195. Kapitel. Die Allgegenwart und Allmacht Jesu. Vom Wesen der Seele und vom Vorgang des Sehens.

1. Hier dankten Mir alle voll Inbrunst für diese Belehrung.

2. Und der Oberstadtrichter sagte: „Jetzt erst erkenne ich ganz und vollkommen, daß Du wahrhaft der Herr und Schöpfer aller materiellen und geistigen Welt bist! Ich hätte Dich wohl noch fragen mögen, wie es Dir möglich ist, auch in der Ferne durch die Macht Deines Willens zu wirken, während Du persönlich nun doch nur unter uns gegenwärtig bist.“

3. Sagte Ich: „Dieser Mein Leib, der so wie der eurige aus Fleisch und Blut besteht und eigentlich dasjenige an Mir ist, was man den Sohn Gottes nennt, ist freilich bei euch nun hier und zu gleicher Zeit nirgend anderswo; aber die von Mir ausgehende Kraft des Gottesgeistes erfüllt die ganze Unendlichkeit und wirkt nach dem Grundwillen in Mir, und zwar in dem Augenblick, wo von Mir das ,Werde‘ ausgesprochen wird, was Ich freilich nicht laut auszusprechen vonnöten habe, sondern nur in Meinem Innersten. Und so ist alles, was du siehst, im Grunde des Grundes nichts anderes als Mein fester und unwandelbarer Wille.

4. Diese Eigenschaft, von der dir schon der Geist deines Vaters eine ganz ordentliche (verläßliche) Kunde gegeben hat, haben auch alle reineren Geister – und ganz besonders Meine Engel, die Mir stets zu dienen in der vollsten Bereitschaft stehen – in einem vollkommeneren Grade als die minderen und noch unvollkommeneren Geister.

5. Dieses kannst du nun freilich noch nicht vollkommen verstehen und einsehen, weil die Welt deine Seele noch gefangenhält; wenn aber deine Seele frei wird durch Meinen Geist in ihr, so wird diese dir nun sichtbare Welt für dich vergehen, das heißt, du wirst sie allzeit noch schauen können, so du das wollen wirst, aber ihre für dich jetzt allenthalben harte Materie und die in ihr wohnenden Kräfte werden dir nach keiner Seite hin irgend den geringsten Widerstand mehr bieten können. Du aber wirst dir aus deinem Innern selbst eine Welt erschaffen können, die für dich, solange dein Wille sie wird halten wollen, eine ebenso vollkommene Wohnunterlage bilden wird, wie da nun diese Meine Erde für deinen Leib eine Wohn- und Tätigkeitsunterlage bildet.

6. Ein kleines Bild kann ich dir zeigen, wenn du dessen nach rechter Weise achtest, so wird dir das begreiflicher, was ich dir soeben gesagt habe. Du hast zum Beispiel in der Nacht einen so recht lebhaften Traum. Du bist in diesem Traume bei vollkommenem Bewußtsein und wirst dabei stets vollkommen inne, daß nur du es bist, der da träumt, und kein anderer an deiner Statt. Du hattest aber noch nie einen Traum, in welchem du keine Gegend, in der du dich befunden hast, gesehen hättest, wie auch Menschen, mit denen du oft Zwiesprache führtest, und das stets nach deiner Erkenntnis und Denkungsweise.

7. Wo ist denn diese Gegend, in der du dich im Traume befunden hast, und wo und wer waren denn die Menschen, mit denen du gesprochen hast oder sonst etwas zu tun hattest? Siehe, nirgends anders – als in dir selbst!

8. Wenn sich deine Seele im Leibesschlafe auf eine kurze Zeit zum größten Teil von den Leibesbanden frei fühlt, so kann sie nicht umhin, das in ihr Zugrundeliegende in der Form, wie es in ihr liegt, auch wie außer sich zu erblicken; und sei es dann, was es wolle, so sieht es die Seele in der vollen Wirklichkeit vor sich und ist dann ebenso in ihrer Gegend zu Hause wie im wachen Zustande auf dieser Erde.

9. Daß sie aber auch mit Menschen im Traume zusammenkommen kann, und zwar teilweise mit noch lebenden und teilweise mit solchen, die schon verstorben sind, hat darin seinen Grund, weil eines jeden Menschen Seele gewisserart im kleinsten Maßstabe alle Menschen, die je auf der Erde gelebt haben, jetzt leben und noch leben werden, und so auch die ganze Geisterwelt abbildlich in sich faßt, gleich also wie ein Spiegel die äußeren Bilder in sich aufnimmt, ohne daß diese Bilder irgend Wirklichkeiten sind. Freilich ist der Spiegel nur ein sehr matter Vergleich, weil er an und für sich tot ist und daher nur die toten Formen der ihm gegenüberstehenden Dinge repräsentieren kann.

10. Die Seele ist aber ein lebendiger Spiegel; daher kann sie die in ihr haftenden Bilder beleben und mit ihnen also umgehen und handeln, als wären sie reelle Wirklichkeit, und hat dabei den unberechenbaren Vorteil, daß sie sich durch diese in ihr belebten Bilder auch mit der leichtesten Mühe mit den wirklichen Bildern in Verkehr setzen kann.

11. Solange die Seele zwar in dieser Welt noch lebt, bleibt in ihr dieses Vermögen noch unvollkommen, und sie weiß am Ende selbst nicht, was sie damit machen soll; wenn sie aber einmal von dieser Welt gänzlich befreit ist, so wird sie dessen schon in einem immer höheren Grade innewerden, was sie mit diesem Vermögen zu tun hat.

12. Sie gleicht nun in der Hinsicht einem jungen Erben, der von seinem Vater viele Güter übernommen hat und im Anfange auch nicht weiß, erstens, wie die Güter aussehen, und zweitens, wozu er sie verwenden soll. Aber mit der Zeit wird er alle seine Güter kennenlernen und auch zur Erkenntnis gelangen, wozu sie zu verwenden sind, und was er zu tun hat, um sie alle sich zunutze zu machen.

13. Und eben also wird es einer jeden nur einigermaßen vollkommeneren Seele ergehen, daß sie nach und nach stets mehr und mehr innewird, was in ihr zugrunde liegt, und wie sie das in ihr zugrunde Liegende zu verwenden hat.

14. Du siehst aber mit deinen fleischlichen Augen die Gegenden und die Menschen dieser Erde, sowie auch alle andern toten und lebendigen Objekte, als wären sie wirklich außer dir; allein Ich sage es dir, daß alles das, was du siehst, du nur in dir selbst siehst. Deine Seele hat nur mit den Abbildern der äußeren Wirklichkeiten, die außer ihr sind, zu tun und nicht mit den Wirklichkeiten selbst. Erst dein Tastsinn hat mit den Wirklichkeiten zu tun.

15. Du siehst in der Entfernung ein Gebirge; du siehst aber nicht das Gebirge selbst, sondern nur desselben Abbild durch dein fleischliches Auge, welches also eingerichtet ist, daß es die großen Wirklichkeitsbilder – oder Dinge, so du es lieber willst – in einem sehr verjüngten (verkleinerten) Maßstabe in sich aufnehmen und sie durch eine außerordentlich kunstvolle Leibeseinrichtung sogleich der Seele zur Beschauung vorstellen kann.

16. Der Leib selbst sieht nichts, und würde der Leib etwas für sich sehen können, so benötigte sein Auge nicht einer so kunstvollen Einrichtung. Diese ist also nur der Seele wegen und nicht des Leibes selbst wegen da. Denn würdest du die Wirklichkeiten, wie sie aus Mir Selbst herausgestellt sind, in ihrer wahren Größe beschauen können, so würdest du mit einem kaum faustgroßen Steine in tausend Jahren nicht fertig werden; denn du würdest auf seiner Oberfläche allein schon so außerordentliche Wunderseltenheiten erschauen, von denen du dich in vielen Jahren nicht trennen könntest.

17. In der Folge der Zeiten werden die Menschen eine Art Augenwaffen entdecken, durch die sie selbst die kleinsten Dinge in einem sehr vergrößerten Maße erblicken werden und sich darob über Meine Macht und Weisheit nicht genug werden verwundern können; sie werden es aber dennoch nie dahin bringen, einen noch so kleinen Gegenstand in jener wirklichen Größe zu erschauen, in der er von Mir ins Dasein gesetzt ist.

18. Die kleinsten Tierchen, die dein Auge kaum erblickt, werden sie zwar durch derlei Waffen in einer solchen riesigen Größe erschauen können, wie du mit deinem Auge nun ein an und für sich wirklich großes Tier erschauen kannst; aber würden sie auch selbst das kleinste Tierchen in der riesigen Größe eines Elefanten erblicken, so wäre solch eine Vergrößerung doch noch nahezu ein völliges Nichts gegen die wirkliche und wahre Größe eines solchen Tierchens, in der es von Mir in die Welt hinausgestellt worden ist.

19. Ich habe dir dieses darum gesagt, auf daß du leichter einsiehst, daß die Seele nichts außer sich, sondern alles nur in sich zur Beschauung bekommt, und zwar in dem Maße, wie sie es am leichtesten überschauen kann.

20. So die Seele einmal mit ihrem Geiste vereinigt sein wird, so wird sie alles, so es sie freuen wird, in der wahren Größe beschauen können; doch sage Ich dir auch, daß selbst die vollkommensten Engel im Himmel davor eine ordentliche Scheu haben, die von Mir geschaffenen Dinge in ihrer wahren Größe zu beschauen und zu erkennen dabei Meine ewige und unendliche Überwiegenheit (Überlegenheit) in allem, was sie schauen, fühlen, denken und begreifen können. – Hast du, Mein lieber Freund, von dem dir Gesagten etwas verstanden?“

196. Kapitel. Ein Bild von der geistigen Entwicklung des Menschen.

1. Sagte der Oberstadtrichter: „Herr und Meister, mir kommt es vor, als hätte sich in mir alles auszudehnen angefangen, und ich erschaue die große Wahrheit solcher Deiner Belehrungen wie die Gegenstände dieser Erde wie in einem Morgendämmerlichte; aber da liegt noch viel Nebel in den tieferen Regionen, und ich werde denn wohl warten müssen, bis des Geistes Sonne in mir aufgehen wird. Daß in Dir eine unendliche Größe selbst in dem Kleinsten Deiner Kreaturen vorhanden sein muß, das beweist mehr als hinreichend Deine Belehrung; denn keines Menschen Phantasie und Einbildungskraft könnte sich je so hoch und so tief schwingen, um uns Menschen solche Bilder vorzustellen, die nur aus der endlosen Weisheit und Machtfülle des einen und allein wahren Schöpfers aller Dinge ihren Ursprung nehmen können.“

2. Hierauf sagten alle Anwesenden: „Herr und Meister, wir fühlen uns wie ganz vernichtet vor Deiner Größe, die Du uns durch Deine Worte nur so ein wenig und für Dich wohl mit der größten Leichtigkeit gezeigt hast! Was wird aus uns erst werden, so wir Dich in der Folge stets vollkommener werden kennenlernen?!“

3. Sagte Ich: „Es wird aus euch das, was aus einem Senfkörnlein wird, das ein ganz kleiner Same ist, so es ins befruchtende und belebende Erdreich gelegt wird. Es wird bald darauf erwachsen zur Größe eines förmlichen Baumes, unter dessen Zweigen sogar die Vögel des Himmels ihre Wohnung nehmen werden. Und dieses Senfkörnlein wird sich dann in seiner Frucht nach und nach auch bis ins Unendliche zu vermehren imstande sein, eine Eigenschaft, die nicht nur dem Senfkörnlein, sondern auch allen andern Samenkörnern innewohnt.

4. Ihr seid zwar jetzt auch noch ganz einfache Samenkörner. Meine an euch gerichtete Lehre ist das wohlgedüngte Erdreich, in das Ich euch Selbst säe, und so ihr die Lebenskraft aus dieser Lehre begierig in euch aufnehmet, so werdet ihr auch in Meinem Reiche eine endlos reichhaltige Frucht bringen; denn kein Auge hat es je gesehen, kein Ohr gehört und kein Sinn empfunden, was die in Meinem Reiche zu erwarten haben, die an Mich glauben, Mich lieben und Meine leichten Gebote halten.

5. Doch nun ist es auch schon um die Mitte des Tages geworden, und unsere Leiber bedürfen auch einer Stärkung. Daher siehe du, Mein lieber Wirt, daß wir des Weines und Brotes und auch der Fische in rechter Menge zum Genusse bekommen; denn nach dem Mittagsmahle werde Ich mit Meinen Jüngern euch wieder verlassen und Mich weiterhin begeben!“

6. Auf diese Meine Worte war alles, was Ich verlangte, bald da, und wir hielten wohlgemut unser gutes Mittagsmahl.

7. Nach dem Mittagsmahle, das etwa eine Stunde andauerte, baten Mich der Wirt und der Oberstadtrichter, sowie auch die drei Apollopriester, die zwei Pharisäer und andern etlichen Juden, die hier anwesend waren, daß Ich noch bis zum nächsten Morgen unter ihnen verweilen möchte.

8. Ich aber fragte Meine Jünger und sagte: „So ihr wollet, da können wir schon bis zum Morgen hier verweilen!“

9. Sagten die Jünger: „O Herr, Du weißt es ja ohnehin, daß uns alles recht ist, was Dir recht ist, und so bleiben wir nach dem Wunsche dieser Deiner neuen lieben Freunde hier; denn es ist schon ohnehin mehr denn eine Stunde nach dem Mittage, und wir dürften etwa kaum von da weiter gegen Süden einen Ort mehr erreichen.“

10. Sagte darauf der Oberstadtrichter: „O Herr und Meister, in dieser Hinsicht haben Deine Jünger wahr gesprochen; denn von hier bis zur nächsten Stadt, die von hier stark südöstlich liegt an den Quellen des Arnonbaches, ist mehr denn eine gute Tagereise, und zwischen hier und dort bestehen hie und da nur einzelne, äußerst dürftige Hirtenhütten.“

11. Sagte Ich: „Was die Entfernung betrifft, so wäre es Mir wohl möglich, samt Meinen Jüngern jene Stadt zu erreichen; aber da ihr in euren Herzen wünschet, Mich noch bis zum Morgen unter euch zu haben, so will Ich denn auch eurem Wunsche und Willen nachkommen, und Ich bleibe denn bis zum Morgen bei euch.

12. Es ist aber der Nachmittag ganz schön und rein; daher lasset uns diese Tageszeit im Freien zubringen, und zwar abermals auf dem Berge Nebo! Und so wollen wir uns denn auch alsbald dahin begeben!“

197. Kapitel. Vom Auf- und Absteigen der Engel.

1. Auf diese Meine Worte leerte noch ein jeder seinen Becher Wein, worauf wir uns alle wohlgemut erhoben und uns auf den vorbenannten Berg begaben, auf welchem – wie euch schon bekannt – Moses, Mein erster großer Prophet, gestorben ist.

2. In einer kleinen halben Stunde befanden wir uns schon auf dem Berge, auf dem es jetzt viel lieblicher aussah als am Morgen; denn es war nun auch der ganze Westen rein und von allem Genebel frei, und man übersah das ganze Jordantal samt einem bedeutenden Teil des Toten Meeres und die ganze Strecke des Libanongebirges nebst natürlich einer ungemein großen Menge von Städten, Flecken und Dörfern, sowie auch die alte Davidstadt Bethlehem und weiter oberhalb Jerusalem.

3. Es ward bei einer Stunde lang viel über die Geschichte des Gelobten Landes gesprochen, und wie es sicher eines der gesegnetsten Länder der ganzen Erdoberfläche sein dürfte.

4. Am Ende sagte Ich: „Ja, ihr habt recht, aber es wird in kurzer Zeit in diesem Lande ganz anders aussehen! Einige von euch und eure Kinder werden es dem Leibe nach erleben, daß dieses irdische Paradies der Juden zu einer Wüste gemacht werden wird; denn weil dieses Volk die Zeit seiner großen Heimsuchung nicht erkannt hat und auch nicht hat erkennen wollen, so wird auf die große Zeit der Gnade bald eine andere Zeit des Gerichtes kommen, und viele Juden werden vertrieben werden, hinaus in die ganze Welt, und viele werden auch in diese sechzig alten Städte zu euch herauf flüchten.

5. Die ihr finden werdet, daß sie eines guten Willens sind, die behaltet und gebet ihnen Unterkunft; die Starrsinnigen aber lasset weiterziehen! Ich werde dafür diese eure Gegend in weitem Umkreise segnen und zu einer fruchtbaren umgestalten, daß ihr große Herden werdet halten können und viel Gerste und auch Weizen bauen; auch Reben werdet ihr züchten können und daraus eine gerechte Menge guten Weines ernten.“

6. Sagte darauf der Pharisäer Barnabas: „Nach Deinem Worte, o Herr und Meister, wird der alte Prophet wohl recht haben, der da sagte: ,Die Gegend Auran wird zwar von den Heiden zertreten werden; aber wenn der Herr der Herrlichkeit sie mit Seinen Füßen betreten wird, da wird sie wieder ergrünen und zu einem fruchtbaren Lande werden.‘“

7. Sagte Ich: „Ja, ja, das soll sie, aber allgemein dennoch nicht, – denn bis dieses weite Aurangebiet gänzlich wieder zum fruchtbaren Lande wird, wird es wohl noch einer sehr langen Zeit bedürfen; doch auf einige hundert Jahre hin soll dieses Hochland an jenen Punkten in weiten Umkreisen fruchtbar sein, die Ich besucht, und wo Ich auch fruchtbare Menschenherzen angetroffen habe. Wenn aber die Herzen der Menschen werden wieder hart und trocken werden, dann wird auch diese Gegend bald dasselbe Aussehen bekommen wie die Menschenherzen.“

8. Hierauf sagte der Pharisäer Dismas: „O Herr und Meister, ich habe auch in der Schrift gelesen, daß da Du auf Erden sein werdest, so werden die Himmel offen stehen und Deine Engel werden auf und nieder schweben und Dir dienen. Wie sollen wir das verstehen?“

9. Sagte Ich: „Ich meine, daß das für euch nun um so weniger unverständlich sein dürfte, indem ihr heute morgen eben auf dieser Stelle Moses und einen Engel an seiner Seite selbst gesehen habt. Übrigens hat diese Stelle des Propheten auch einen anderen Sinn, und der eigentlich der allein vollkommen wahre ist.

10. Sehet, das Himmelreich, welches das eigentliche Reich Gottes ist, besteht für den Menschen nicht irgend in einem äußeren Schaugepränge, sondern es ist inwendig im Menschen, und die Menschen, die eben dieses Reich Gottes in sich aufgenommen haben – das Ich Selbst zu ihnen gebracht habe –, sind in ihren von Liebe zu Mir und zum Nächsten erfüllten Herzen erstens der Himmel selbst, der nun offen stehet, und zweitens die Engel selbst, die zwischen Mir und ihnen auf und nieder steigen und Mir in ihrer Liebe dienen!

11. Denn das, was ihr Himmel nennet, das ist an und für sich kein Himmel, sondern durch und durch Welt, und ist geschaffen von Mir aus für die Zeit des Freiheitsprüfungsbestandes der Menschen; wenn ihr aber eure eigene Welt samt dem Fleische werdet abgelegt haben, so wird diese äußere, euch jetzt sichtbare Welt für euch so gut wie gar nicht mehr da sein, und ihr werdet Bewohner einer ganz anderen Welt werden, die Ich für euch nicht von Mir aus oder von euch selbst aus erschaffen habe, sondern die für euch aus euch selbst erschaffen sein wird, und zwar für jeden nach der Art seiner Liebe zu Mir und zum Nächsten, wie du, Mein lieber Freund und Stadtoberrichter, gestern am Abend hier aus dem Munde deines schon vor zehn Jahren verstorbenen Vaters, den Ich dir habe erscheinen lassen, vernommen hast.“

198. Kapitel. Das Erscheinen der Engel.

1. (Der Herr:) „Auf daß ihr aber doch sehet, daß Ich Mich auch von Meinen Engeln, die in Meinem Himmel wohnen – welcher Himmel die ganze Unendlichkeit durchdringt –, kann bedienen lassen, wann Ich will, so will Ich denn euch davon eine Probe geben. Sehet, Ich will, daß nun mehrere erste Engel hier erscheinen sollen, und Ich werde aus ihrer Zahl einen berufen, daß er auf eine kurze Zeit hin Mir zu eurem Besten dienen soll, – denn Ich für Mich Selbst bedarf weder eines Engels noch eines Menschen Dienst. Und so will Ich denn, daß alsogleich eine gerechte Menge Engel uns umstehen sollen!“

2. Als Ich solches kaum ausgesprochen hatte, da waren wir schon von allen Seiten von einer ganzen Legion Engel, teils mit weißen, teils mit blauen, teils mit roten Gewändern angetan, umgeben.

3. Als besonders die etlichen vormaligen Heiden und auch die etwelchen Juden und Pharisäer der vielen Engel ansichtig wurden, da legten sie ihre Hände auf ihre Brust und getrauten sich vor lauter Ehrfurcht vor Mir und den vielen Engeln nichts zu reden.

4. Einige Engel aber traten zu ihnen und sagten: „Liebe Freunde und Brüder, warum fürchtet ihr euch denn vor uns? Sehen wir denn gar so erschrecklich aus?“

5. Sagte der Oberstadtrichter: „O liebe Freunde aus den Himmeln Gottes, das eben wohl nicht, sondern gerade das Gegenteil, so daß ich bekennen muß, noch nie von solch herrlichen Menschengestalten je geträumt zu haben! Der Herr, der unter uns weilt, ist offenbar auch euer Herr, ansonst ihr Seinem Willen nicht so plötzlich gehorcht hättet; denn ich hätte mit meinem Willen euch wohl zeit meines Lebens rufen können, und es wäre höchstwahrscheinlich auch nicht einer von euch mir erschienen. Aber eben darum ist und bleibt der Herr der Herr und ist dadurch auch Alles in Allem, und Seinem Willen sind Himmel und Erde untertan; nur die große Blindheit der Menschen kann es nicht und will es auch nicht erkennen, welch eine große Gnade der Herr ihr in dieser Zeit erwiesen hat.“

6. Hier trat ein Engel näher zum Oberstadtrichter – es war der euch schon bekannte Erzengel Raphael – und sagte zum Oberstadtrichter: „Du hast recht und wahr gesprochen, – aber was jetzt noch nicht ist, das wird mit der Zeit stets mehr und mehr werden; denn glaube es mir, daß wir – wie du uns hier siehst – und noch zahllos viele unseresgleichen mehr niemals müßig waren, und in dieser Zeit um so weniger!

7. Wir bereisen die ganze Erde und prüfen der Menschen Herzen, ob sie irgend fähig sind, des Herrn lebendig machende Gnade in sich aufzunehmen, und finden wir derlei Herzen, so stärken wir sie, und so des Herrn Wort zu ihnen gelangt, da wird es auch bald mit vieler Freude vollgläubig aufgenommen.

8. So war ich denn auch schon zuvor bei euch und habe euch nach des Herrn Willen gestärkt, und als der Herr nun Selbst zu euch kam, so habt ihr Ihn denn auch bald und leicht erkannt.

9. Wir brauchen uns bei dieser Arbeit dem Menschen nicht zu zeigen, indem wir die Macht und Kraft vom Herrn besitzen, dem Menschen so zu nützen, daß dabei des Menschen freier Wille keinen Zwang und Schaden erleidet. Nun aber habt ihr den Herrn erkannt und in eure Herzen aufgenommen, und so übt unser euch sichtbares Erscheinen auf euer ganzes Gemüt auch keinen Zwang mehr aus, und ihr könnet mit uns reden, so wie mit euch selbst untereinander.“

10. Sagte der Oberstadtrichter: „Liebster und erhabenster Freund aus den Himmeln Gottes, so ich etwa in der Folge zu irgend etwas Wichtigem im Namen des Herrn deine sichtbare Gegenwart benötigen würde, und ich riefe dich, mir zu erscheinen, würdest du da mir wohl auch erscheinen?“

11. Sagte Raphael: „So es nötig wäre im Namen des Herrn – allzeit, wenn du mich rufen würdest; aber ich würde nur dir erscheinen, und deinen Nebenmenschen erst dann, so ihnen mein Erscheinen keinen Glaubenszwang mehr verursachen möchte. Und was ich dir nun gesagt habe, auf das kannst du dich wohl verlassen, – und daß ich dir in gar mannigfachen Dingen dienen kann, davon sollst du mich noch heute und in der folgenden Nacht durch die Zulassung des Herrn so manche Probe zeigen sehen.“

12. Hierauf trat Raphael wieder zurück, und Ich fragte Selbst den Oberstadtrichter und die andern, ob sie sich nun an der Gegenwart der vielen Engel zur Genüge gesättigt hätten.

13. Und sie sagten alle: „Herr, Dein Wille geschehe; denn wir haben uns alle nun überzeugt, daß die Propheten nicht ein Häkchen groß über Dich vergeblich geweissagt haben! Jedes Wort über Dich ist bis jetzt noch sogar buchstäblich wahr in Erfüllung gegangen!“

14. Hierauf sagte Ich zuerst zum Erzengel Raphael: „Du bleibst sichtbar so lange bei uns, bis Ich dir den Wink geben werde, dich nach Meinem Willen irgendwo andershin zu begeben.“

15. Und Raphael dankte Mir für diesen Beruf (Berufung).

16. Und Ich sagte darauf zu den andern vielen Engeln: „Ihr aber begebet euch wieder dahin, wo Mein Wille und Meine Weisheit für euch eine Arbeit bestimmt hat!“

17. Darauf verschwanden plötzlich alle die andern Engel.

199. Kapitel. Über das Wirken der Engel.

1. Raphael aber blieb und bekleidete sich plötzlich mit einem dunkelgrauen Rock, und seine Füße waren versehen mit Schuhen. Sein Haupt wurde bedeckt mit einem jüdischen Hute, der wie gewöhnlich aus Seide oder Kamelhaaren in einer beliebigen, gewöhnlich aber lichteren Farbe verfertigt war. Und so konnte seine Gestalt niemandem mehr auffallen.

2. Und Ich sagte zum Oberstadtrichter: „Gehe hin, reiche ihm die Hand, grüße ihn als Freund und Bruder, und überzeuge dich, daß nun auch er Fleisch, Haut und Knochen hat!“

3. Der Oberstadtrichter tat sogleich, was Ich ihm geraten hatte, und konnte sich nicht genug verwundern, daß nun dieser Engelsgeist sich in der Wirklichkeit ganz als ein vollkommener Erdenmensch unter ihnen befinde. Er bat Raphael denn auch, sich ganz in seine Nähe zu begeben, was Raphael auch sogleich tat, indem er neben ihm auf einer Rasenbank Platz nahm.

4. Hier kam auch der Apollopriester zu Raphael hin, grüßte ihn und sagte: „Du wirst an mir zwar keine große Freude haben, da ich seit langem schon ein Götzenpriester war, – nun habe auch ich den einen und allein wahren Gott und Herrn wohl erkannt und werde in der Folge dahin arbeiten, daß das ganze Götzentum, soweit es sich in meinem Bereiche befindet, so bald als möglich zunichte wird.“

5. Sagte zu ihm Raphael: „Und ich werde dir helfen und dich mit meiner Kraft unterstützen, so es dir irgend an derselben gebrechen sollte, dessen du ganz versichert sein kannst; denn auch bei dir war ich schon zuvor, ehe du den Herrn noch erkanntest, und habe dein Herz gefügig gemacht, und ich werde später wieder mit dir sein und für dich unter deinen Heiden einen Vorarbeiter machen. Denn glaube es mir, daß wir da nicht müßig sind, wo der Herr Selbst Seine Hände ans Werk legt, und wir vollkommenen Engelsgeister sind da gewisserart gleichwie die Finger an der Hand des Herrn, – die Finger aber sind sicher jederzeit bei jedermann tätig, solange er mit seinen Händen eine Arbeit unternimmt. Verlaß dich denn auf des Herrn Verheißung, und ich werde dich nicht im Stiche lassen! Glaubst du das?“

6. Hierauf sagte der Oberstadtrichter: „Vermagst du auch alles – das versteht sich von selbst: mit der Zulassung des Herrn! –, was der Herr Selbst vermag?“

7. Sagte Raphael: „Mein lieber Freund und Bruder, das war wohl noch eine sehr menschliche Frage aus deinem Munde! Wir alle, Engel des Himmels, vermögen aus uns ebensowenig wie ihr Menschen auf Erden etwas zu bewirken; aber ich habe dir ja schon gesagt, daß wir gewisserart die Finger an Seiner Hand sind und die Auswirker Seines Willens, und wir sind eben dadurch als durch nichts beschränkte freie Wesen selbst Ausflüsse der göttlichen Kraft und vermögen daher denn auch alles zu bewerkstelligen, was diese Kraft uns offenbart und in uns will, und es ist dann das, was wir bewerkstelligen, nicht unser, sondern allein nur des Herrn Werk.

8. Wir sind zwar vollkommen selbständig und in allem ebenso vollkommen frei; da aber die größte Vollständigkeit einzig und allein nur in der Weisheit und im Willen des Herrn besteht, so versteht sich das schon von selbst, daß sowohl der Mensch als auch ganz besonders ein Engelsgeist, der im Grunde auch nur ein Mensch ist, sich eben dadurch in der stets größeren Selbständigkeit und Freiheit befindet, je mehr er sich von der Weisheit und von dem Willen des Herrn zu eigen gemacht hat. Ich kann dir damit sogar mit einem irdischen Beispiele dienen, – und so siehe:

9. Du bist hier ein hoch angesehener Oberstadtrichter und hast nicht nur über diese eine Stadt, sondern über noch vierzehn Städte deine dir vom Kaiser verliehene Gewalt, sogar über Leben und Tod der Menschen, ganz frei und ohne alle Verantwortung auszuüben; ja, wie bist du denn zu dieser bedeutenden irdischen Gewalt gekommen?

10. Siehe, ich werde es dir erklären! Du hast durch deine Rechtsstudien bei den strengen Prüfungen in Rom vollends an den Tag gelegt, daß du dir des Kaisers Willen, den du durch die Gesetze genau hast kennengelernt, derart zu eigen gemacht hast, daß du deinen eigenen Willen dem Willen des Kaisers vollkommen untergeordnet hast, wodurch du denn auch ein ganz neuer Mensch geworden bist, der du zu Anfang deiner Studien nicht warst. Und weil du dir hernach des Kaisers Gesetz, und also auch seinen Willen, lebendig eingeprägt hast, daß dein alter, scheinbar freier Wille durch den neuen Kaiserwillen in dir völlig in unauflösbare Fesseln und Ketten gelegt wurde, so hast du dabei nicht nur nichts verloren, sondern nur außerordentlich vieles gewonnen; denn mit deinem eigenen, alten Willen wärest du für immerhin ein Sklave des kaiserlichen Willens geblieben. Da du aber des Kaisers Willen zu dem deinigen gemacht hast, so bist du dadurch selbst vollkommen frei geworden und kannst nun tun, was du willst, und du unterliegst keiner Verantwortung; und sollte sich jemand deinem Willen nicht fügen wollen, so hast du vom Kaiser aus das IUS GLADII in deiner Hand und kannst die Widerspenstigen zum Gehorsam treiben durch des Kaisers Macht und Gewalt.

11. Und siehe, je mehr du dich bestreben wirst, des Kaisers Willen auf das allergenaueste zu erfüllen – wovon der Kaiser in kurzer Zeit in Kenntnis gesetzt werden kann –, ein desto höheres und im Wirkungskreise viel ausgedehnteres Amt wird dir vom Kaiser verliehen werden, in welchem Amte du noch um vieles freier wirst handeln können als jetzt; und so kannst du dich noch gleichfort höher und höher derart hinaufschwingen, daß du am Ende selbst an den Hof des Kaisers gezogen wirst und von dort aus gebietest und handelst also, als wärest du schon nahezu der Kaiser selbst. Frage dich aber nun selbst, wie du zu einer solchen Machthöhe gelangt bist, – und die Antwort wird in dir selbst unmöglich eine andere sein als die also lautende: ,Ich habe meinen alten Menschenwillen derart gänzlich verleugnet, daß von ihm nichts übriggeblieben ist als das einzige, daß ich eben durch den alten Willen mich auf das fleißigste bestrebt habe, mir des Kaisers Willen vollkommen zu eigen zu machen.‘

12. Und siehe nun, geradeso geht es uns vollkommensten Engelsgeistern! Wir haben auch unseren eigenen, allerfreiesten Willen; aber der ist dessenungeachtet unendlich beschränkter als der allerfreieste Wille des Herrn Selbst.

13. Und je mehr wir uns dann des Herrn Willen also vollkommen aneignen, als wäre er unser eigenster Wille selbst, desto mehr freie Macht, Kraft und Gewalt wird uns dadurch vollkommen zu eigen, und wir können denn auch alles das bewirken und hervorbringen, was der Herr Selbst bewirkt und hervorbringen kann.

14. Aber du wirst es nun auch selbst einsehen, daß nicht wir es sind, die das vermögen, sondern nur der Herr in uns und durch uns.

15. So jemand in deinem Bezirk jemanden beraubt und ermordet hat und wird dann gefangen und vor dich gebracht, so wirst du ihn richten und auch töten lassen, und du hast dabei recht gehandelt, weil du nach dem Willen des Kaisers gehandelt hast, und bist dabei so gut wie der Kaiser selbst EX LEGE; der Räuber und Mörder aber hat nach seinem eigenen Willen gehandelt und ist dadurch zugrunde gegangen.

16. Verstehst du nun, wie auch wir Engelsgeister die Macht und Gewalt besitzen, alles das frei und ohne alle Verantwortung zu tun, was der Herr Selbst tut?“

200. Kapitel. Eine Probe der Macht Raphaels.

1. Sagte hierauf der Oberstadtrichter: „Höre, du mein himmlisch überweiser Freund, du hast mir nun durch deine Erklärung die Sache so klar gemacht, daß mir darüber wohl mein ganzes Leben hindurch keine weitere Frage übrigbleiben kann und wird, und aus deiner Weisheit, die der Weisheit des Herrn völlig ähnlich ist, erkenne ich auch, daß dir alles möglich ist, was dem Herrn Selbst möglich ist! Daher wird mir deine Hilfe mit Zulassung des Herrn bei jeder meiner Arbeit in Seinem Namen überaus wohl zustatten kommen.“

2. Sagte hierauf Ich zum Oberstadtrichter: „Nun, du Mein lieber Freund, wie gefällt dir Mein himmlischer Diener?“

3. Sagte der Oberstadtrichter: „Herr und Meister, er spricht ganz so, als wenn Du Selbst aus ihm heraus reden möchtest, und daraus erkenne ich denn überklar, daß er ein hoher Diener Deiner endlosen göttlichen Herrlichkeit und Majestät sein muß, und ich glaube denn auch ungezweifelt, daß er alles zu bewerkstelligen imstande ist durch Deine Weisheit und Deinen Willen in ihm, was Du Selbst zu bewirken und zu bewerkstelligen imstande bist – das heißt nach meiner menschlichen Weise beurteilt –; daß aber Deine Weisheit und Dein Wille sicher noch endlos tiefer und weiter um sich greifen werden, als da selbst der lichteste Verstand aller Deiner Engelsgeister erschauen und begreifen kann, dessen bin ich in mir auch vollkommen überzeugt!“

4. Sagte Ich: „Mein lieber Freund, das hat dir dein Fleisch nicht eingegeben, sondern dein jenseitiger Geist aus Mir; daher bestrebe du dich, dir auch Meinen Willen also zu eigen zu machen, wie du dir des Kaisers Willen zu eigen gemacht hast, und du wirst dann auch bald und leicht stets vollkommener eins werden mit deinem jenseitigen Geiste aus Mir, welcher da ist Meine Liebe, Weisheit und Macht, und du wirst dann auch also wirken können, wie dieser Engelsgeist – der ,Raphael‘ heißt – zu wirken imstande ist! Was er aber alles imstande ist zu vollbringen, davon hast du jetzt freilich noch keine noch so matt schimmernde Idee; aber einige Proben werden dich darüber schon belehren.

5. Verlange du nun von ihm selbst – aber vernünftigermaßen –, was für ein Zeichen er vor euer aller Augen wirken soll, um euch allen einen Begriff zu verschaffen, was Meine Macht und Mein Wille durch ihn vermag, und er wird nicht sparen (zögern), dir und euch allen damit zu dienen!“

6. Sagte darauf der Oberstadtrichter: „O Herr und Meister, ich komme mir jetzt auf einmal in eurer Mitte so blöde und dumm vor, daß ich nun wahrlich nicht weiß, was für ein vernünftiges Zeichen ich mir von ihm erbitten solle! Da wäre es wohl besser, Du, o Herr und Meister, würdest ihm Selbst allergnädigst anzeigen, was er zur Erhellung unserer Begriffe über seine Macht bewirken möchte!“

7. Sagte Ich darauf: „O nein, mein Freund, das geht nicht an; denn dieser Mein Raphael ist ohnehin mit allem erfüllt, was Ich will und mag! Aber Ich ziehe darum Meinen besonderen Willen und Meine Macht zurück, auf daß er allein aus seinem ihm zu eigen gemachten Reichtum aus Mir wollen und wirken kann, wie er will und mag, auf daß du dadurch erst recht erkennest, was Mein Reich in allen Engeln und auch in den Menschen ganz frei wie aus sich selbständig zu bewirken imstande ist, ohne daß Ich dabei notwendig habe, alle Meine zahllosen Engelsgeister und auch die Menschen auf dieser Erde am Gängelbande Meines allmächtigen Willens zu führen; und so denn erwähle dir frei etwas, das dir gut dünkt, und sage es ihm, und er wird auch alsogleich ins Werk setzen, was du willst!“

8. Hier schwieg der Oberstadtrichter eine kleine Weile, rieb sich mit einer Hand seine Stirn und mit der andern kratzte er sich ein wenig hinter den Ohren, da er in sich noch nicht völlig einig werden konnte, mit was für einer so recht vernünftigen Petition er vor Mir und dem Raphael zum Vorschein kommen sollte. Endlich fiel ihm ein, daß Ich ihm versprochen hatte – noch im Hause des Wirtes –, daß diese an allem arme Steppengegend ergrünen und hervorbringen werde viel Gras, Getreide, Fruchtbäume und sogar den Weinstock, und er zeigte solches wörtlich dem Raphael an.

9. Und Raphael klopfte ihm freundlich auf die Achsel und sagte: „Mein lieber Freund und Bruder, damit hast du an mich ein wahrhaft allervernünftigstes Verlangen gestellt, und es soll deinem Verlangen auch alsbald Genüge geleistet werden!“

10. Sagte darauf der Oberstadtrichter, der sein Auge vom Angesichte Raphaels nicht abwenden konnte: „Nein, nein, mein lieber himmlischer Freund, es muß das ja nicht alsogleich geschehen; ich bin schon damit zufrieden, wenn es nur so nach und nach geschieht unter Mitwirkung unseres armseligen menschlichen Fleißes.“

11. Sagte darauf Raphael: „Hast du das, lieber Freund und Bruder, nie gehört, daß derjenige, der um etwas gebeten wird, doppelt und mehrfach gibt, wenn er alsogleich gibt, als so er dem, der ihn um etwas gebeten hat, das erst nach und nach nach seiner Muße und Gelegenheit zukommen läßt?“

12. Sagte der Oberstadtrichter: „Das ist freilich wohl wahr, und wir Römer haben in unserem bürgerlichen Gesetz auch einen ganz ähnlichen Ausspruch, aber er wird freilich nicht immer also ins Werk gesetzt.“

13. Sagte darauf Raphael: „Lieber Freund und Bruder, das ist wohl bei den Bürgern dieser Welt also gang und gäbe, weil euer Wille selbst und die Kraft, denselben in Vollzug zu bringen, noch mit vielen Schwächen behaftet ist; für uns Bürger der Himmel des Herrn aber ist das nicht mehr der Fall, sondern was wir wünschen und wollen, das ist auch schon im Augenblick in seiner möglichst höchsten Vollendung da. Und nun erhebe dich, und beschaue dir diese Gegend ein wenig, und sie wird dich von der Wahrheit dessen vollkommenst überzeugen, was ich nun zu dir gesagt habe!“

201. Kapitel. Die veränderte Gegend am Berge Nebo.

1. Hierauf erhob sich der Oberstadtrichter und richtete seine Blicke nach der Gegend, nach weit und breit hin und erkannte sie nicht mehr; denn er ersah eine große Menge der üppigsten, vollreifen Getreidefelder, daneben nahezu unabsehbar weit hinausreichende, mit dichtem Gras bewachsene Wiesen und um die Stadt herum große Gärten, die da von den edelsten Obstbäumen strotzten. Auch der Berg Nebo, auf dem wir uns befanden, war ganz grün geworden und ringsum bewachsen mit den herrlichsten Feigenbäumen und Weinreben. Ebenso ersah er auch etwas unterhalb der Stadt einen bedeutend großen Teich, von dem aus sich mehrere Bächlein in verschiedenen Richtungen hin ergossen.

2. Als der Oberstadtrichter samt den andern alles dessen ansichtig wurde, schlug er samt dem Wirte, den drei Apollopriestern und auch den etlichen Pharisäern und Juden die Hände über dem Kopfe zusammen und sagte: „O Herr, das ist nahe wie unendlich zuviel, und es übersteigt wahrlich alle meine Begriffe! Was werden die Menschen, die in dieser Stadt und in deren ziemlich weit ausgedehntem Bezirke wohnen, zu dieser Erscheinung sagen? Sie können sich unmöglich etwas anderes denken, als daß alles das irgendein barmherzig gewordener Gott bewirkt habe durch die Bitte irgendeines seiner Priester; aber ich werde alles dieses Volk davon schon in der kürzesten Zeit in Kenntnis setzen, wie und wodurch dieses alles so geworden ist.

3. Aber nun bitte ich Dich, o Herr, weder für mich noch für diese ganze Gegend irgend ein zweites Zeichen mehr zu wirken; denn es hat mich dieses schon neben meinem höchsten Erstaunen zugleich auch in eine außerordentliche Verlegenheit gesetzt, und es wird sich darüber schon wahrscheinlich noch heute und morgen ein Fragen von allen Seiten erheben, daß man darüber nicht genug taugliche Antworten wird zu geben imstande sein!“

4. Sagte Ich: „Es wird das freilich wohl der Fall sein; aber Ich werde auch dafür sorgen, daß es euch an den rechten Antworten nicht fehlen wird, und alles Volk dieser weitgedehnten Gegend wird froh und dankbar nach Hause ziehen und einzusammeln anfangen, was auf eines jedem Grunde erwachsen ist. Aber dessen magst du mit Hilfe deiner vielen Unterdiener wohl auch dir zu einem Gesetze machen, dem Volke ernst ans Herz zu legen, daß es davon kein Geschrei und keinen Lärm mache, weil es sich dadurch aus der weit entfernteren Gegend viele habsüchtige Neider an den Hals ziehen würde und am Ende zu den Waffen greifen müßte, um die neidischen Feinde von den gesegneten Grenzen dieses Landstriches fernzuhalten.

5. Also sollet auch ihr, Meine Jünger und ihr Juden, dort unter den Juden im Gelobten Lande kein Aufhebens davon machen; denn viele würden es euch nicht glauben, sondern euch nur verlachen und verfolgen. Und viele der andern schwachen Juden würden es euch wohl glauben, und durch euch auch an Mich; aber solch ein Glaube hätte für sie keinen festen Halt, da sie ihn erstens durch ihre eigenen Zusätze nur zu bald nach der Art alles Aberglaubens vergrößern würden, und fürs zweite würde solch eine Weiterverbreitung, weil sie zu sehr nach dem alten Aberglauben den Geruch hätte, nur einen sehr zweifelhaften Glauben bewirken, indem man mit der Zeit sagen würde, so man später in diese Gegend käme, um sich von dem Wunder zu überzeugen, – daß das auch ein rechter Fleiß und Eifer der Menschen habe bewirken können.

6. Doch späterhin möget ihr davon jenen Menschen wohl eine kluge Erwähnung machen, die schon vollkommen Meine Lehre angenommen haben und durch sie in Mein Reich eingegangen sind. Diese werden es euch glauben, aber dabei auch sagen: ,Ja, was sollte dem Allmächtigen denn unmöglich sein? Haben wir Ihn, so haben wir durch Ihn auch alles!‘

7. Darum bleibet zum voraus (zunächst) nur bei der Lehre, und nachher möget ihr erst auf Meine Zeichen übergehen, die mit der Folge der Zeiten, so wahr sie auch sind, doch immerhin wenig Glauben finden werden; denn der Verstand der Menschen wird so lange solche Dinge bekritteln, als wie lange er in ihren Urentstehungsgrund nicht eingeweiht werden kann, welche Einweihung bei gar vielen nicht diesseits, sondern erst jenseits wird vor sich gehen können.

8. Diesen Meinen Rat befolget, und ihr werdet dadurch guten und ebenen Weges vorwärtskommen, ansonst ihr mit vielen Steinen des Anstoßes zu tun bekommen dürftet! Gut ist demnach gut, aber besser ist auch ewig besser, und am besten ist das, was Ich euch sage.“

9. Hierauf gaben Mir alle das Wort, diesen Rat auf das treueste zu befolgen, und der Oberstadtrichter fragte Mich, ob er darüber auch den Kaiser benachrichtigen solle.

10. Und Ich sagte zu ihm: „Den Kaiser laß einstweilen beiseite, aber nach einem Jahre kannst du davon Meinen Freund Agrikola in Rom benachrichtigen, und er wird es zu deinem Vorteile zur rechten Zeit schon auch an den Kaiser überbringen! Für jetzt aber genügt es, deinen Bezirk allein zu unterweisen; und sollte ein Nachbar aus den nördlich von hier gelegenen Städten zu dir kommen, so wird er dir das selbst sagen, wer das bewirkt hat. Den Hauptmann Pellagius magst du davon benachrichtigen; denn er ist auch in militärischer Beziehung über diese Stadt gestellt und kennt Mich!“

202. Kapitel. Raphaels Beweis seiner Schnelligkeit.

1. Hierauf fragte Ich den Oberstadtrichter, ob er daheim bei seiner Mutter nicht irgend etwas besäße, das er gerne hier hätte.

2. Sagte der Oberstadtrichter: „Ja – wohl, Herr und Meister –, aber das ist schon zur Zeit, als ich noch in Rom war, derart verlegt worden, daß wir es trotz unseres fleißigsten Suchens nicht wieder haben auffinden können! Es ist nämlich unser alter Patrizierbrief, noch aus der Zeit des Julius Cäsar, in einer goldenen Kapsel. An diesem läge mir sehr viel, nicht so sehr meinet-, als vielmehr meiner jüngeren Geschwister wegen.“

3. Und Raphael sagte, neben ihm sitzend: „Da siehe her, hier ist dein alter Patrizierbrief! Besieh ihn wohl, ob er der rechte ist!“

4. Der Oberstadtrichter, über alle Maßen erstaunt, öffnete die Kapsel und fand in derselben zusammengerollt seinen ihm nur zu gut bekannten Patrizierbrief und fragte den Raphael: „Ja, wie war dir das möglich?“

5. Und Raphael sagte: „Siehe, unsere Eigenschaft besteht unter anderm auch darin, daß wir uns in einem Augenblick von einem Ort zum andern und von da wieder zurück bewegen können, und so war ich denn in diesem Augenblick auch in Rom und bin nun wieder da.“

6. Fragte der Oberstadtrichter abermals den Raphael: „Wenn ich die Kapsel und auch den darin liegenden Patrizierbrief nicht so wohl kennte, so würde ich glauben, daß du ihn durch deine Macht ebenso erschaffen hast, wie du diese Gegend in einem Augenblick in den blühendsten Zustand versetztest; aber so muß ich diesen Glauben ob der Echtheit dieser Kapsel und dieses Briefes völlig aufgeben.

7. Du hast mir freilich gesagt, daß ihr vollkommenen Engelsgeister auch diese Eigenschaft besitzt, euch in einem Augenblick von einem Ort bis zu einem andern und von dort wieder zurückzubewegen. Das glaube ich nun auch; aber du warst nicht einen Augenblick abwesend von hier, und so bin ich der Meinung, du hast irgendeinen andern in deiner Nähe seienden dienstbaren Engelsgeist nach Rom entsendet, der dir auch schnell genug diese Kapsel überbringen konnte.“

8. Sagte Raphael: „O nein, mein lieber Freund, ich war es wirklich selbst; denn siehe, die Zeit kann auch so wie alles andere, was den Raum betrifft, in höchst kurze Abschnitte eingeteilt werden, und zwar also, daß der Zeitraum, den du einen Augenblick nennst, in eine endlose Reihe von noch kürzeren Zeiträumen eingeteilt werden kann! Für dich und dein Auffassungsvermögen ist solch ein Zeiträumchen freilich soviel wie gar nichts, aber nicht also auch für uns vollkommene Engelsgeister; denn ich vermag mich in einem solch kürzesten Zeiträumchen zahllose Male von hier aus in die größte Entfernung hin- und zurückzubewegen, und du wirst es nie merken, daß ich in der Zeit auch nur einen Augenblick abwesend war, und die auf dem entferntesten Punkte, dahin ich mich bewegte, werden meine Gegenwart so wenig vermissen wie du! Kennst du die Schnelligkeit des Gedankens?“

9. Sagte der Oberstadtrichter: „Ja, mein lieber himmlischer Freund, einen kleinen Begriff habe ich davon, und zwar vorzüglich aus der Lehre des weisen Plato!“

10. Sagte darauf wieder Raphael: „Wie heißt der entfernteste Ort, den du gewisserart persönlich kennst?“

11. Sagte der Oberstadtrichter: „Britannien! Denn bis dahin habe ich einmal eine Reise mit meinem damals noch lebenden Vater gemacht, und zwar zu Wasser, welche Reise hin und wieder zurück nach Rom über zwei volle Jahre gedauert hat.“

12. Sagte Raphael: „In welcher Zeit aber kannst du dich mit deinen Gedanken dahin begeben?“

13. Sagte der Oberstadtrichter: „Ja, lieber Freund, in einem Augenblick bin ich dort und hier auch zugleich, und ich meine, wenn ich mich noch tausendmal so weit bewegen müßte in Gedanken, so würde ich dazu auch nicht einer längeren Zeit bedürfen.“

14. Sagte darauf Raphael: „Siehe, mein lieber Freund und Bruder, die Eigenschaft, die du in deinen Gedanken besitzest, dieselbe Eigenschaft besitzen wir vollkommenen Geister in einem freilich viel vollkommeneren Grade im Reiche Gottes in der Wirklichkeit, und du wirst dieselbe Eigenschaft als ein reiner und freier Geist im Reiche Gottes ebenfalls, gleich mir, besitzen.

15. Ja, mein lieber Freund, das Reich Gottes ist nach allen Seiten hin von einer endlosen Ausdehnung! Könnten wir vollkommenen Geister uns nicht schneller bewegen, als ihr Menschen euch bewegt auf dieser Erde, da sähe es mit der Ausrichtung des Willens des Herrn in den entferntesten Punkten Seiner Schöpfungen sehr mißlich aus, – aber da die Zeit und der Raum uns vollkommenen Geistern gar kein Hindernis bieten können, so kann auch die Ordnung des Herrn in der ganzen Unendlichkeit niemals die allergeringste Störung erleiden. – Verstehst du dieses, mein lieber Freund und Bruder?“

16. Sagte der Oberstadtrichter: „Ein wenig besser wohl denn früher; jedoch in die volle Tiefe dieses Bewegungsgeheimnisses werde ich mich wohl noch lange nicht zu versetzen imstande sein!“

203. Kapitel. Der leuchtende Stein von der Sonne.

1. Sagte darauf Raphael: „Siehe, du mein lieber Freund und Bruder, nach der Sonne hin, die jetzt schon stark im Westen steht! Wie weit meinst du wohl, daß dies Gestirn von hier entfernt ist? Ich weiß aber, daß du dieses nicht weißt, und so ich dir die Entfernung nach eurem irdischen Feldwegmaßstabe ansagte, so würdest du die Zahl nicht verstehen, weil dir das arabische Zahlengebäude nicht bekannt ist und mit euren römischen Zahlen sich eine so große Zahl nicht ausdrücken läßt. Aber das weißt du wohl, wie schnell ein abgeschossener Pfeil den Weg von 50-100 Schritten zurücklegt; er wird dazu nicht viel über vier Augenblicke benötigen, und es ist somit der Flug eines Pfeiles die dir bekannte schnellste Bewegung auf der Erde. Und siehe, ein von der Erde nach der Sonne abgeschossener Pfeil, so er so weit fortfliegen könnte und die Anziehungskraft der Erde ihn daran nicht hinderte, würde zu solch einer Reise, von hier bis zur Sonne nämlich, einer Zeit von nahezu fünfzig Jahren benötigen, bis er eben in der Sonne ankäme!

2. Daß ein Mensch mit seinen Füßen wohl mehrere Hunderte von Jahren vonnöten hätte, versteht sich von selbst. Und was meinst du denn, eine wie lange Zeit ich dazu benötigen würde, um von hier in die Sonne und wieder zurückzugelangen?“

3. Sagte der Oberstadtrichter: „Ja, mein lieber himmlischer Freund, wie ich es jetzt einsehe, so wirst du zu dieser Reise auch nicht längerer Zeit bedürfen, denn von hier nach Rom und zurück.“

4. Sagte Raphael: „Da hast du recht geantwortet, – und siehe, während ich eben nun mit dir rede, war ich auch schon in der Sonne und wieder zurück! Zum Beweise dessen brachte ich dir auch ein kleines Angedenken aus der Sonne mit.“

5. Hierauf fuhr Raphael mit seiner Hand in seines Rockes Tasche, zog einen nahezu der Sonne gleich leuchtenden Stein hervor und zeigte ihn dem Oberstadtrichter mit den Worten: „Siehe, derlei Steine gibt es auf der Erde nicht; aber auf dem großen Sonnenweltkörper, besonders in dessen Mittelgürtel, den du dereinst auch näher kennenlernen wirst, gibt es solche Steine in verschiedener Größe in übergroßer Menge!

6. Die Bewohner dieses großen Weltkörpers benutzen derlei Steine zur Beleuchtung ihrer inneren dunklen Gemächer; denn der eigentliche Sonnenkörper ist eigentlich auch nur dunkel. Das Licht der Sonne, das du siehst, entwickelt sich auf ihrer atmosphärischen Oberfläche und wirkt in seiner Vollkraft nur nach außen hin und nach dem eigentlichen festen Sonnenkörper kaum etwas stärker, als wie stark beleuchtet du die Oberfläche dieser Erde ersiehst.

7. Daher nimm du auch diesen Stein, und du wirst dir mit ihm durch zehn Jahre noch zur Nachtzeit deine Gemächer wohl erleuchten können; aber nach zehn Jahren wird sich sein Licht mehr und mehr verlieren. Willst du ihn aber zum Beleuchtungsdienste länger gebrauchen, so setze ihn am Tage immer den Sonnenstrahlen aus; er wird sich mit ihnen sättigen und dir die Nacht hindurch statt einer noch so guten Lampe den Beleuchtungsdienst leisten. Aber nach hundert Jahren, so dieser Stein von der Säure der Erdluft zu sehr durchdrungen sein wird, dann wird er zum Beleuchtungsdienste auch völlig untauglich werden.“

8. Darauf nahm der Oberstadtrichter den Stein mit vieler Ehrfurcht und Danksagung an, wickelte ihn in ein reines Tuch und steckte ihn in seines Rockes Tasche.

9. Es sahen aber das natürlich auch Meine Jünger und beneideten heimlich die Römer, sagten bei sich: „Wir sind doch schon so lange bei Ihm, – aber für uns hat Er solche Wunder nie gewirkt. Sooft Er nur irgend unter die Römer kam, da wirkte Er stets Seine größten Wundertaten, und wir konnten sie erst unter den Heiden sehen, denen Er sie auch Selbst oder durch den Engel Raphael erklären konnte! Als Ihn aber einst in der Nähe von Jerusalem der uns allen bekannte fromme Nikodemus nach dem Aussehen des Reiches Gottes fragte, da gab Er ihm zur Antwort: ,Bis du nicht im Geiste wiedergeboren wirst, kannst du die Dinge des Himmels nicht begreifen; denn du begreifst die Dinge dieser Erde nicht, die du doch siehst, wie wirst du himmlische Dinge begreifen, die du nicht siehst?‘ Warum sagte Er das nicht auch den Heiden, und warum gerade den Juden?“

10. Und so murrten die Jünger heimlich untereinander, und Ich erhob Mich da zu den Jüngern hin und sagte: „Was murret ihr da heimlich untereinander? Lasse Ich euch nicht Zeugen sein alles dessen, was Ich unter den Heiden tue, und habe Ich euch nicht erst vor ein paar Tagen den Grund gesagt, warum Ich den Heiden mehr zeigen und erklären kann denn euch?

11. Ihr seid, was die Wissenschaft in den Naturdingen anbetrifft, nicht im geringsten bewandert; die Römer aber haben darin eine Menge sehr tüchtiger Kenntnisse und können die Verhältnisse der Dinge in der Natur gar wohl unterscheiden. Das alles fehlt euch Juden, und das schon seit der Zeit der ersten Richter, die die Verhältnisse in der Natur auch kannten, und zwar aus den zwei Büchern Mosis, die ihr verworfen habt und habt euch dafür eine Kabbala geschaffen, deren Inhalt schlechter ist als der Inhalt eines jeden heidnischen Philosophen. Euch aber wehre Ich nicht, derlei höhere Erklärungen mit anzuhören und derlei Taten mit anzusehen. Wie lange werde Ich denn euch noch ertragen müssen, bis ihr verständiger werdet?“

12. Sagte Simon Juda: „O Herr und Meister, habe nur Geduld mit uns; wir sehen es schon wieder ein, daß wir vor Dir wieder einmal gesündigt haben!“

13. Sagte Ich: „Es ist schon wieder gut; aber in der Zukunft lasset derlei Gemurre unter euch!“

14. Dies schrieben sich die Jünger ins Herz und wurden darauf viel bescheidener und gelassener bei jeder Gelegenheit, und Ich kehrte von ihnen wieder zum Oberstadtrichter und Raphael zurück.

204. Kapitel. Die Tierwunder Raphaels.

1. Es war darauf über mehr natürliche Dinge die Rede und im Verlaufe solcher Unterredung bemerkte unser Wirt, daß jetzt diese Gegend in weitem Umkreis wohl den herrlichsten Graswuchs wie nicht leicht auf einem andern Punkte der Erde aufzuweisen habe, – aber die Herden der Bewohner dieser Stadt und der Umgegend seien sehr klein, und man könnte jetzt die Herden wohl ums Hundertfache vermehren, so würden sie des Futters noch in Überfülle finden.

2. Sagte darauf Ich: „Es könnten zwar wohl eure Herden ebenso wunderbar vermehrt werden wie alles andere, aber es würde das für die Menschen noch auffallender sein als alles andere; denn es würde ein jeder, der jetzt zehn Schafe auf der Weide hat, überaus große Augen machen, wenn sein Hirte statt zehn Schafe gleich tausend nach Hause brächte, die der Besitzer der Schafe auch nicht einmal unterbringen könnte, indem sein Schafstall höchstens für zwanzig Schafe Raum hat. Darum suchet euch Schafe und andere Tiere in gerechter Anzahl anzukaufen; in zwei Jahren, von jetzt an gerechnet, werden sie sich schon in einer rechten Weise vermehren! Das Getreide, wenn ihr es eingeerntet haben werdet, werdet ihr leicht aufbewahren können – denn dazu habt ihr des Raumes genug –; aber mit dem Haustierstande ginge es euch schlecht, – und so lassen wir es bei dem, was nun da ist, bewendet sein!

3. Den einen bedeutend großen Teich sehet ihr von hier aus; aber es sind in der ganzen Umgegend noch sechs, durch welche die ganze Gegend zur Genüge bewässert werden kann. In ihren Tiefen werdet ihr auch eine rechte Menge Fische finden, welche die Bewohner dieser Stadt und der Umgegend zu ihrer Notdurft nutzen können; die Fische des Teiches aber, den wir von hier aus sehen, sollen ein Eigentum des Oberstadtrichters, des Wirtes, der Apollopriester und der einigen Juden sein, und so hat jeder von euch von Mir Benannten das Recht, den vierten Teil des Teiches zu fischen, aber keiner im Übermaß, sondern nach seinem Bedarf, damit niemand durch die größere Habsucht des andern benachteiligt werde. Die Fische in dem Teiche aber sind eine ganz edle Gattung, durch die das Wasser des Teiches nie verunreinigt wird.“

4. Die vier Parteien dankten Mir darauf für dieses Geschenk und beteuerten auch, daß sie dies Gebot in der Hinsicht auf das genaueste halten würden, und der Oberstadtrichter werde auch für die gleiche Ordnung bei den andern Teichen sorgen und sie auch aufrechterhalten.

5. Als sich mehrere noch untereinander über dieses Wunder besprachen, wie es denn möglich gewesen sei, die Teiche gleich mit den Fischen zu bevölkern, da stand Raphael auf und sagte zum Oberstadtrichter und zum Wirte: „Das ist ebenso leicht möglich dem allmächtigen Willen des Herrn in uns, wie eine Wüste im Augenblick grünen zu machen; denn es ist einerlei, Tiere was immer für einer Gattung augenblicklich ins fertige Dasein zu rufen oder zahllose Gräser, Pflanzen, Getreidesorten und Fruchtbäume.

6. Denn was ein Geist aus dem Willen des Herrn in sich denkt und will, daß es da sei, das ist auch schon da; aber freilich ist das Denken eines reinen Engelsgeistes ein bei weitem anderes als das Denken eines Menschen.

7. Der Mensch kann sich nur die äußeren Formen denken und vorstellen und darüber allerlei Phantasien machen; aber was die Formen inwendig vom Kleinsten bis zum Größten enthalten, und wie sie gebaut sein müssen, um lebensfähig zu werden, das kann sich kein Mensch denken und darauf seinen Willen dahin richten, daß durch seines Willens Geist die Formen belebt und tätig werden. Das kann aber ein vollkommener Engelsgeist, und in einem geringeren Grade auch ein eben noch nicht so vollkommener.

8. Es ist darunter – um mit dir irdisch zu reden, mein lieber Oberstadtrichter – nahezu derselbe Unterschied wie zwischen einem nach allen Regeln der Kunst ausgebildeten Bildner und einem andern Menschen, der zur Not wohl auch aus einem Stück Holz ein höchst ungeschicktes Bild zu schnitzen imstande ist; aber welch ein Unterschied zwischen solch einem Bilde und dem aus der Hand eines vollendeten Künstlers!

9. Gibt es aber schon auf dieser Erde gar mannigfache Grade in der Bildung der Menschen, um wieviel mehr ist das erst im Reiche der Geister der Fall!

10. Siehe, ein Elefant ist gegenwärtig wohl das größte, aber zugleich auch das intelligenteste Tier auf der Erde und kann bei rechter Bildung von seiten der Menschen zu allerlei knechtlichen Arbeiten brauchbar werden, und es gab eine Zeit, in welcher diese Tiergattung auch diese Gegend bewohnte.

11. Da aber mit der Zeit diese Gegenden ob des vielen Unfuges der Menschen stets unfruchtbarer geworden sind, so zog sich dieses Tier weiter gegen Süden in jene Gegenden, wo es für sich den rechten Futterreichtum fand; aber diese Gegenden haben infolge der Auswanderung dieses Tieres gar viele bedeutende irdische Vorteile eingebüßt.

12. So du, mein lieber Freund und Bruder und Oberstadtrichter, es aber wünschest, so kann ich dir im Augenblick mit einem Männchen und Weibchen dienen, und für diese wirst du schon des Futters genug finden, – und siehe nun hinab in die Gegend des Teiches, und du wirst alldort schon ein Männchen und ein Weibchen erblicken!

13. Entsende später deine Knechte mit etlichen Brotlaiben dahin, und sie werden den Knechten folgen in den Stall, der dein eigen ist und für diese Tiere hinreichenden Raum hat! Mähe dann das Gras auf deinem großen Wiesenanteile ab, und laß es trocken werden und darauf in Büschen zusammenbinden; dann sollen die Knechte mit den beiden Tieren hinausgehen, und die Tiere selbst werden das Heu in deine Scheuer bringen, und so wirst du sie nach und nach noch zu verschiedenen andern Arbeiten abrichten können.“

14. Der Oberstadtrichter dankte dem Raphael für dieses wunderbare Geschenk und sagte: „Mit dem Abrichten dieser Tiere verstehen sich ein paar Knechte von mir sehr wohl, denn sie haben derlei Tiere aus Indien sogar nach Rom gebracht, und der Kaiser behielt sie eine Zeitlang für die Pflege dieser Tiere; dann kamen sie zu meinem Vater in Dienst und sind auch hier meine treuesten Diener.“

205. Kapitel. Die verwunderten Diener fangen und zähmen die Elefanten.

1. Nach diesem Gespräch ging die Sonne unter, und wir erhoben uns und begaben uns wieder in die Stadt zu unserem Wirte.

2. Wir kamen denn bald wieder in unsere Gaststube, und auch Raphael mit uns, und als wir uns zum Tische setzten, fragte Mich der Wirt, ob er für den seltenen Gast Raphael auch ein Gedeck solle richten lassen.

3. Und Ich sagte: „Allerdings; denn nun ist auch er für diese Zeit mit einem Leibe umhüllt, der aus der Luft dieser Erde entnommen ist, und bedarf ebensogut auch einer irdischen Stärkung wie Ich der Herr Selbst. Die zu sich genommene Speise wird in ihm freilich auf eine ganz andere Weise verwandelt als bei einem natürlichen Menschen; aber das tut nichts zur Sache. Er wird sonach mit uns ebensogut Speise und Trank zu sich nehmen wie wir selbst, nur um ein ziemlich bedeutendes mehr als wir, worauf du dich im voraus gefaßt zu machen hast. Nun laß aber sogleich Brot und Wein auf den Tisch setzen, und später erst die Fische und ein wohlzubereitetes gebratenes Lamm!“

4. Sagte der Wirt: „O Herr und Meister, mit einem Lamm wird es mir etwas schlecht gehen, da ich keines mehr besitze! Wohl aber habe ich bei dreißig Schafe; von denen kann ich, so sie der Hirte schon nach Hause getrieben hat, das jüngste sogleich schlachten lassen.“

5. Sagte darauf Ich: „Mache dir darob keine unnötige Sorge! In der Küche wirst du ein schon geschlachtetes und zum Braten ganz wohl hergerichtetes Lamm finden, und es soll darob von deinen dreißig Schafen keines geschlachtet werden; denn sie sind bis auf das Männlein alle trächtig und werden in ein paar Wochen deine Schafherde ums doppelte vergrößern.“

6. Hierauf besorgte der Wirt sogleich das Brot und den Wein und ging darauf in die Küche, um sich das zum Braten bereitete Lamm zu besehen. Er verwunderte sich zwar darob nicht gar so groß mehr, da er schon die andern Wunderwerke gesehen hatte und ihm daher auch dieses ganz begreiflich vorkam; aber desto mehr verwunderte sich seine Küchendienerschaft samt seinem Weibe, das sich, während wir uns auf dem Berge aufhielten, in dem an das Gasthaus stoßenden, mäßigen Küchengarten aufhielt, um für die am Abend zu bereitenden Fische wohlriechende Kräuter zu sammeln, und darob ordentlich erschrak, als vor ihren Augen der sonst mager aussehende Küchengarten plötzlich von neuem ergrünte und an allem fürs Haus Nötigen einen Überfluß darbot.

7. Das Weib konnte dem Wirte nicht genug erzählen, wie es ihr bei dieser Begebenheit ganz sonderbar zumute geworden sei; mit der Zeit aber habe sie daran gedacht, daß dies niemand anders bewirkt habe als der anwesende wunderbare Gast, den auch sie nun samt ihrem ganzen Hausgesinde für einen wahren Gott ansehen und verehren werde, und das um so mehr, weil auch die drei Apollopriester sich diesem Gott unterworfen hätten. Darauf ging es gleich an die Bereitung der Fische und das Braten des Lammes.

8. Während wir uns in unserem Speisezimmer stärkten, kamen die beiden schon oben auf dem Berge benannten treuen Diener des Oberstadtrichters zu uns, fast außer Atem, und fingen an zu erzählen, was sie alles gesehen und erlebt hatten. Am meisten wunderten sie sich über den plötzlich entstandenen großen Teich an der Stelle, auf der sich früher nur eine kleine, periodische Quelle befand.

9. Und der eine der Diener sagte zum Oberstadtrichter: „Und, o gestrengster Herr, Herr, – welch ein großes Wunder noch: In der Nähe des Teiches grasen zwei vollkommen ausgewachsene Elefanten! Diese beiden Tiere mußten wohl ob Mangels an Futter einer persischen oder gar indischen Karawane durchgegangen sein, um sich allhier zu sättigen, wo durch ein Gotteswunder die Gegend in den üppigsten Wuchs aller Pflanzen-, Gras- und Baumgattungen übergegangen ist. Die Tiere weiden gerade auf dem Wiesenteil, welcher dir gehört, und du hättest demnach ein Recht, diese zwei seltenen und kostspieligen Tiere für dich in Besitz zu nehmen. Wir beide aber verstehen uns – wie es dir bekannt ist – gar wohl darauf, uns solcher Tiere zu bemächtigen. So du willst, werden wir hingehen und sie bald mit leichter Mühe in deinem großen Stalle unterbringen; und sind sie daselbst einmal untergebracht, so wird es da schon unsere Sorge sein, daß sie uns nimmer durchgehen werden.“

10. Sagte darauf der Oberstadtrichter: „Tut das, und ich werde euch dafür schon zu belohnen verstehen!“

11. Darauf versahen sich die beiden Diener gleich im Gasthause mit mehreren Laiben Gerstenbrotes und gingen eilig voll Freude hinaus, wo die beiden Tiere grasten. Als sie in die Nähe der Tiere kamen, redeten sie dieselben nach ihrer Weise an. Die Tiere wurden aufmerksam, der Geruch des Brotes zog sie in die Nähe der Diener, und diese reichten den beiden Tieren sogleich Stücke von den Brotlaiben und zogen darauf in die Stadt, während sie auf dem Wege, der eben nicht ein langer war, von Zeit zu Zeit den beiden Tieren ein Stück Brot reichten. Und bald ersahen wir aus unserem Gastzimmer durch die offenen Fenster, wie die zwei riesigen Elefanten den zwei Dienern des Oberstadtrichters gleich zahmen Lämmern auf dem Fuße folgten, und die beiden Diener brachten sie auch so in den großen Stall unter der Verwunderung ihrer vielen Mitdiener und Knechte und so manchen Stadtbürgers. Im Stalle versahen sie die Tiere sogleich mit einer rechten Menge Futter und Wasser.

12. Und diese beiden Tiere blieben alsogleich im Stalle und ließen sich von den beiden Dienern bedienen; aber die andern Diener durften sich noch nicht in die Nähe der beiden Tiere wagen, was aber späterhin auch ermöglicht worden ist.

13. Fünf Jahre darauf machte unser Oberstadtrichter, als er vom Kaiser durch die Verwendung des Hauptmanns Pellagius und des Oberstatthalters Cyrenius eine viel höhere Stellung in der großen Stadt Damaskus erhielt, allwo er die Christen sehr in Schutz nahm und ihnen, soviel es möglich war, bedeutende Vorteile zukommen ließ, dem Kaiser mit diesen zwei Tieren, samt den zwei Dienern, ein Geschenk, worüber der Kaiser eine große Freude hatte und aus Dankbarkeit ihn auch mit der Oberherrlichkeit dieser Stadt, in der er so viel Gutes gewirkt habe, für ihn sowohl als für seine Nachkommen völlig zu eigen belehnte.

14. Das habe Ich nun nur so nebenbei erzählt.

206. Kapitel. Der Grund der Seligkeit der vollkommenen Geister.

1. Wir machten uns dann über unser Abendmahl her, das alsbald bereitet werden konnte, und waren dabei voll guter und heiterer Dinge, und Meine Jünger wußten viel zu erzählen von all den Orten und Städten, von Meinen Lehren und Taten. Auch Raphael bekam aus dem Munde Meiner Jünger ein gutes Zeugnis; denn es ward auch von seinem Tun und Wirken an Meiner Seite gar vieles gesprochen.

2. Und der Römer und Oberstadtrichter, wie auch der Wirt und dessen Sohn, die zwei Pharisäer und etlichen Juden, unterhielten sich dabei so gut, daß der Oberstadtrichter sagte: „O Herr und Meister! Wenn ich es wenigstens für meinen Teil auf dieser Erde gleichfort so haben könnte wie jetzt in Deiner Gesellschaft und in der Gesellschaft Deines himmlischen Dieners, so leistete ich gleich auf die sicher bei weitem noch größeren Seligkeiten Deiner Himmel Verzicht; denn ich halte nun das für den höchsten Himmel, in Deiner allernächsten Nähe mich zu befinden und mit Dir Zwiesprache führen zu können.

3. Wenn man Dich Selbst hat, da braucht man die Dinge der Natur gar nicht weiter näher kennenzulernen; denn man weiß es ja ohnehin, daß sie alle vom Kleinsten bis zum Größten, vom Ersten bis zum Letzten und vom Alpha bis zum Omega nur Deine festgehaltenen Gedanken und Ideen sind, belebt durch Deinen Willen und durch Deinen Geist.“

4. Sagte Ich: „Du hast ganz recht und wahr gesprochen, und es ist das auch im Himmel aller vollkommensten Geister höchste Seligkeit, so sie bei Mir sich aufhalten, mit Mir reden und Umgang pflegen können.

5. Aber diese übergroße Seligkeit rührt denn eigentlich doch nicht von Meiner ganz einfachen und schlichten Persönlichkeit her, der Ich ebensogut ein Mensch bin wie Du und als Geist ebenso ein Geist wie dieser Urerzengel Raphael, sondern die Hauptseligkeit der vollkommenen Geister liegt darin, daß sie Meine endlosen Vollkommenheiten aus Meinen endlos vielen Werken ohne Zahl und Maß stets vollkommener, lichter und tiefer erkennen.

6. Siehe, Freund, es geht das ungefähr also, wie es schon zuweilen auf dieser Erde bei Menschen zugeht, die für höhere Künste und Wissenschaften einen rechten Sinn haben und dafür eingenommen sind! Du hättest zum Beispiel von einem großen Baukünstler und Bildner gehört, daß seine Werke bei allen Menschen die größte Bewunderung erhalten. Als du solches hörtest, da hatte dich auch die Lust angewandelt, den großen Künstler selbst persönlich kennenzulernen, und weil dir die Mittel zur Reise nicht ermangelten, so machtest du dich auch bald auf und begabst dich in jenes ferne Land hin, in welchem sich der Künstler aufhielt und seine Werke in großartigem Maßstabe auf- und ausführte.

7. Du erlangst nach einer Zeit deiner Reise den Ort, wo sich der Künstler aufhält, und kommst alldort auch mit leichter Mühe bald mit dem Künstler zusammen, von dem du dir während deiner Reise allerlei großartige Vorstellungen machtest, darunter auch die, daß er als Mensch unter den anderen Menschen auch durch eine besonders erhabene Gestalt sich erkenntlich mache. Wie du aber an seinem Orte mit ihm zusammenkommst, da findest du den Künstler als einen ganz schlichten und einfachen Menschen, dessen Persönlichkeit nicht im geringsten merken läßt, was er in seinem Innern birgt. Du unterhältst dich dann mit ihm sehr freundlich, denkst dir aber dabei dennoch heimlich: ,Es ist kaum möglich, daß in dieser höchst einfachen und schlichten Persönlichkeit eine solche schöpferische Größe vorhanden sein soll, von der du so ungeheuer Großartiges dir sogar von den allerverständigsten Menschen hast erzählen lassen!‘ Aber du bist dennoch ganz glücklich, dieweil du in dir die Überzeugung hast, daß du mit dem größten Baukünstler und Bildner in Gesellschaft dich befindest und dich mit ihm über allerlei besprechen kannst, was er geschaffen hat.

8. Endlich aber sagt der Künstler zu dir: ,Weil du dir schon die Mühe genommen hast, mich aufzusuchen und mich persönlich kennenzulernen, so will ich dich denn auch von diesem meinem Wohnorte, der nur weniges von mir aufzuweisen hat, in eine von hier nicht ferne, sehr große Stadt führen, in der du Gelegenheit in Übergenüge finden wirst, dich an meinen Werken zu ergötzen!‘

9. Du gehst darauf voll der brennendsten Neugierde an der Seite deines dir sehr freundlich gewordenen Künstlers hin, der dir auf der ganzen Reise noch immer als ein ganz einfacher und schlichter Mensch vorkommt. Wie du aber immer mehr näher und näher mit dem großen Künstler dich der großen Stadt näherst und schon in einer noch ziemlichen Ferne die großartigsten Gebäude, Tempel, Paläste und Burgen zu erschauen anfängst, da fängt sich auch deine Phantasie über den dich begleitenden Künstler ebenso zu vergrößern an, wie sich seine Werke in jener Stadt stets mehr und mehr zu vergrößern anfangen, je mehr du dich der Stadt näherst. Seine persönliche Schlichtheit fängt an zu schwinden in dem Grade, als dir seine innere, geistige Größe durch seine Werke immer klarer vor die Augen gestellt wird.

10. Nun kommst du erst ganz in die Stadt, und ein Bauwunder nach dem andern, stets größer, kunstvoller und kühner, macht dich vor Verwunderung ordentlich sprachlos, und deine Bewunderung über den dich begleitenden Künstler wird auch dadurch noch hinzu außerordentlich erhöht, so du ersiehst, wie in dieser großen Stadt alle Menschen, groß und klein, ihn auf das allerfreundlichste und ehrfurchtsvollste begrüßen.

11. Sag du, mein lieber Freund, Mir nun, ob deine früheren Begriffe bei der Betrachtung seiner großen Werke eben über den Künstler selbst nicht ganz anderer und für dein Gemüt viel beseligenderer Art geworden sind!“

207. Kapitel. Von der Unfaßbarkeit der Schöpfung.

1. Sagte der Oberstadtrichter: „Ja, Herr und Meister, Du hast ein gar überaus treffendes Bild gewählt, das ich – freilich nicht in dem großartigen Maßstabe – selbst in meiner Jugend erlebt habe; denn ich habe mit meinem damals noch lebenden Vater die nördlicheren Teile des eigentlichen Römerreichsgebietes bereist und kam in die Gegend von Venetien. Da sah ich ein großartiges Palastgebäude, nach allen Regeln der Kunst seiner Vollendung nahe, und mich wandelte auch sehr die Begierde an, den kühnen Baumeister persönlich kennenzulernen.

2. Ich gelangte darauf mit meinem Vater bald in seine Wohnung und in seine bildnerische Werkstätte und kam mit dem Baumeister selbst in Begleitung meines Vaters bald zusammen. Er war aber auch ein ganz schlichter und einfacher Mann, ein geborener Grieche von der kleinen Insel Rhodos, dem man es von weitem gar nicht angesehen hätte, daß er die Fähigkeit besäße, die Finger an seiner Hand in der Ordnung abzuzählen; aber so man mit ihm zu reden anfing, da merkte man es wohl sogleich, daß er neben der alten Rechenkunst des Euklid noch mehrere andere Künste und Wissenschaften in sich unter ein Dach gebracht hatte, und ich bekam dann vor diesem großen Baumeister und Bildner wahrlich eine großartigste Hochachtung.

3. Aber nur weiß ich jetzt noch nicht, o Herr und Meister, was Du mit diesem vortrefflich gewählten Bilde in bezug auf Dich so ganz eigentlich hast sagen wollen!“

4. Sagte Ich: „Mein lieber Freund und Bruder, nichts anderes als das, daß nun deine vermeinte große Seligkeit in Meiner und des Erzengels Raphael Gesellschaft noch nicht den höchsten Grad erlangt hat und diesen erst dann erlangen wird, wenn du alle Meine Bauten und Schöpfungen stets näher und tiefer wirst kennenlernen! Du weißt zwar nun wohl, daß in Mir die großartigste schöpferische Eigenschaft zu Hause ist, und du machst dir von derselben einen dir möglich größten Begriff, seit du die etlichen Zeichen von Mir hast wirken sehen; du wirst dir sicher aber einen ganz anderen Begriff machen, wenn dein innerer Gesichtskreis über Mich durch die tiefere Betrachtung Meiner Werke um ein überaus Großes erweitert und erhöht werden wird. Denn dann wird dir erst das wahrhaft Göttliche in Mir in einem stets höheren Licht erscheinen, obschon im allerhöchsten Finallichte, das Ich Selbst in Meinem Innern bin, ewig niemals, und das darum, weil das jedem aus Mir geschaffenen Geiste selbst in seiner höchst möglichen Vollendung unmöglich ist.

5. Du denkst dir jetzt freilich und sagst in dir: ,Wieso denn? Da bleibt ja der höchste und vollendete Geist dennoch ein ewiges Nichts vor Dir!‘

6. Ja, Ich sage dir, da hast du recht: Mir ist wohl alles möglich, aber ein zweites, Mir gleich vollkommenes Ich kann Ich nicht erschaffen, so wie auch keinen zweiten unendlichen Raum und keine zweite ewig dauernde Zeit, und so kann denn auch der vollkommenste Engelsgeist ebensowenig je die endliche Vollstärke des Lichtes in Mir, noch die Grenzen des unendlichen Raumes je erreichen und die Stunden der unendlichen Zeitdauer zählen. Er kann sich über diese drei Dinge wohl immer weiter hinaus gedehnte Begriffe machen, aber an ein Ende derselben dennoch ewig niemals gelangen.

7. Du siehst die Lichtstärke der Sonne und hältst ihr Licht schon für das stärkste, was dein Begriff fassen kann, – wie wäre es denn, so Ich dir statt der einen Sonne gleich tausend Sonnen von gleicher Größe und Lichtstärke ans Firmament stellte? Würde da das Licht nicht auch ums tausendfache verstärkt auf diese Erde fallen?“

8. Sagte der Oberstadtrichter: „O Herr und Meister, tue du nur das nicht; denn wir haben besonders im Sommer an dem Licht der einen Sonne zur Übergenüge! Wenn erst tausend Sonnen am Firmamente leuchteten, so würden alle Geschöpfe auf dieser Erde in kürzester Zeit verbrennen und nach ihnen auch die ganze große Erde selbst. Denn ich habe schon einmal gesehen, und zwar zu Alexandrien, was durch einen arkadischen Hohlspiegel das Licht der Sonne zu bewirken vermag, – und es wird mittels dieses einen Spiegels nur die eine Sonne etwa ums 10-20fache vergrößert und bewirkt im Brennpunkte schon eine derartig verheerende Wirkung, daß sie alles in Brand setzt; jetzt denke man sich erst die Wirkung von tausend Sonnen!“

9. Sagte Ich: „Nun ja, da hast du recht, und die Erde hat an der einen Sonne zur Übergenüge genug; Ich wollte dich aber dadurch nur darauf aufmerksam machen, daß sogar das Naturlicht bis ins Unendliche potenziert werden kann, – um wieviel mehr erst das geistige Licht! Darum heißt es auch im Moses, daß kein geschaffenes Wesen Gott in Seiner inneren Wirklichkeit schauen und dabei das Leben erhalten kann.“

10. Sagte der Oberstadtrichter: „O Herr und Meister! Nun wird es mir ordentlich bange in Deiner Gegenwart, denn ich fühle stets mehr und mehr meine vollste Nichtigkeit und Dein vollstes Alles in Allem, und Plato hatte recht, als er sagte: ,Ich habe im Gesichte den Saum des Kleides Gottes gesehen, es war alles in Licht verwandelt, und ich fand mich darin wie völlig in nichts aufgelöst; nur die Liebe zur Gottheit behielt mir noch das Bewußtsein!‘“

11. Sagte Ich: „Da hatte dieser Weltweise recht, – aber für seine Zeit; von nun an aber wird es mit dieser Sache anders stehen! Denn darum habe Ich Mich Selbst mit einem Leibe umgeben, damit Ich euch künftighin nicht mehr als ein unbegreiflicher und unschaubarer Gott erscheine, sondern als ein Mensch, mit dem ihr ebenso wie mit euch selbst reden und verkehren könnet, und habe euch dadurch nicht nur zu Meinen vollkommen ebenbildlichen Kindern, sondern auch zu Meinen wahren Freunden und Brüdern gemacht.

12. Mit dieser Bescherung von Meiner Seite aus werdet ihr wohl alle zufrieden sein, und es wird euch nicht genieren, so ihr es einsehet, daß Ich in Meinen ewigen, göttlichen Eigenschaften niemals erreichbar bin.

13. Aber jetzt kommt das gebratene Lamm, und wir wollen uns mit dem beschäftigen und alles andere unterdessen beiseite setzen!“

208. Kapitel. Die wunderbare Speisung in der Herberge.

1. Das Lamm wurde in ebenso viele Teile geteilt, als der Gäste beim Tische saßen, und es fielen die Teile selbstverständlich etwas knapp aus.

2. Und der Wirt selbst bemerkte die Sache und fragte Mich, sagend: „Herr und Meister, dies eine Lamm ist offenbar zu wenig für die bedeutende Anzahl von Gästen! Wie wäre es denn, wenn ich in der Schnelligkeit noch zwei oder drei Lämmer herrichten ließe? Denn wie ich es bemerkt habe, so ist das eine Lamm für den wunderbaren Gast Raphael allein kaum genügend!“

3. Sagte Ich: „Lasse du das gut sein; denn Ich habe schon, wie es Meine Jünger wohl wissen, mit sehr wenigen Broten und noch wenigeren Fischen mehrere Tausende von Menschen derart gesättigt, daß sie alle zur Übergenüge satt wurden und nach dem Mahle immer noch mehrere Körbe voll von den übriggebliebenen Stücken Brotes aufgesammelt wurden, – und so werden wir an diesem einen Lamme mehr als genug haben!“

4. Sagte der Wirt: „Was Dir, o Herr und Meister, recht ist, das ist sicher auch mir recht; allzeit geschehe nur Dein Wille!“

5. Darauf setzte sich auch der Wirt – wie immer – zu uns an den Tisch, getraute sich aber dennoch nichts für sich von dem Lamme zu nehmen, weil er fürchtete, es könne für die andern doch etwas zu wenig ausfallen.

6. Da nahm Ich ein Stück aus der großen Schüssel und legte es auf seinen Teller und sagte dabei zu ihm: „Freund, glaube, was Ich dir gesagt habe! Wir werden das Lamm noch nicht derart aufgezehrt haben, daß wir bis zur Übergenüge dabei satt werden, und es wird am Ende noch für dein ganzes Hausgesinde zur Übergenüge übrigbleiben.“

7. Darauf wurden alle Gäste mit dem geteilten Lamm versehen und aßen davon nach den Bedürfnissen ihres Magens, und je mehr sie aßen, desto mehr erblickten sie auf ihrem Speiseteller vorrätig liegen; am Ende blieb bei allen so viel übrig, daß die übriggebliebenen Stücke in der großen Schüssel, in der das Lamm auf den Tisch gesetzt wurde, nicht mehr Platz fanden, und es mußte noch eine zweite, ebenso große Schüssel hereingebracht werden, damit in derselben noch die andern Stücke Platz fanden und vom Tische in die Küche überbracht werden konnten. Darauf wurden die beiden Schüsseln zurückgetragen, und des Wirtes Weib mit ihren etlichen Töchtern und andern Küchendienerinnen konnten sich abermals nicht genug verwundern, wie das eine gebratene Lamm so viele Überbleibsel hatte abgeben können; sie dankten alle auch Mir und aßen darauf von den übriggebliebenen Stücken, und es blieben von diesen auch für den nächsten Tag eine ganze Schüssel voll übrig.

8. Als wir nach dem genossenen Lamm noch bei unseren vollen Bechern Weines an den Tischen saßen, da fragte Mich der Oberstadtrichter und sagte: „O Herr und Meister, ich begreife nun schon so ziemlich, wie es Dir möglich ist, und auch dem Raphael durch Dich, eine ganz wüste Gegend in eine an allen Früchten und Gewächsen reiche zu verwandeln und für mich zwei Elefanten und – wie es gestern am Abend der Fall war – für die etlichen Juden und Pharisäer vierzehn grimmigste Löwen als Wächter hinzustellen, so wie es mir eben nicht so unklar ist, wie es Dir möglich ist, das Zisternenwasser alsogleich in den besten Cypernwein zu verwandeln; denn das alles sind Dinge, die Deiner Allmacht leicht möglich sind.

9. Denn ich dachte dabei also: Du darfst es Dir nur denken und darauf mit Deinem Willen sagen: ,Es sei!‘, und es ist schon da, was Du durch Deinen Willen als schon vollendet ins Dasein gerufen hast; denn das alles mußtest Du ja damals auch tun, als Du die ganze Erde aus Dir ins Dasein gerufen hast und mit ihr nach und nach auch alles, was in ihr, auf ihr und über ihr da ist. Und als alles, was Du auf der Erde haben wolltest, schon fertig und vollendet da war, so war es Dir ein ebenso Leichtes, in alle Pflanzen, Tiere und Menschen die Fortzeugungs- und Vermehrungsfähigkeit jeder Art Deiner belebten Geschöpfe zu legen.

10. Aber mit diesem Lamm verhält es sich ganz anders. Es war nur ein Lamm und schon wohlzubereitet und gebraten auf den Tisch gebracht, und bei der Teilung zeigte es sich klar, daß die Stücke aller Gäste offenbar ganz klein ausfallen mußten. Als man aber das kleine Stück an den Mund brachte, da konnte man mit demselben nicht mehr fertig werden; denn es wuchs sichtbar in der Hand des Essenden.

11. Wie konnte denn das schon an und für sich – tote und durch Braten in seinem Organismus ganz zerstörte Lamm in einem gleichfort gut genießbaren Zustande sich derart vergrößern, wie sich da vergrößert eine junge Zeder von Jahr zu Jahr, bis sie zu einem riesigen Baume wird?

12. Bei der Zeder ist das nicht zu verwundern – denn sie hat ihr Pflanzennaturleben, und ihr innerer Organismus ist also eingerichtet –; aber der Organismus eines gebratenen Lammes kann nach meiner Meinung doch nahezu unmöglich mehr die Eigenschaft besitzen, von innen aus zu wachsen und sich zu vergrößern. Da aber dieses Lamm, von dem wir genossen haben, sich doch alsosehr vergrößert hat, daß wir es unmöglich ganz hätten aufzuzehren vermocht, so muß ich offenbar gestehen, daß ich diese Deine Wundertat durchaus nicht verstehe.“

13. Sagte Ich: „Siehe, lieber Freund, diese Meine Jünger sind schon so lange bei Mir und haben derlei außerordentliche Speisenvermehrungen schon zu öfteren Malen gesehen; aber sie sind Juden, und es ist keinem von ihnen auch nur ein einziges Mal eingefallen, Mich darüber besonders zu befragen! Und sie befragten Mich darum nicht, weil sie in ihrer noch mannigfachen echt jüdischen Blindheit keinen Unterschied zwischen dem einen oder dem andern Wunder, das Ich gewirkt habe, zu finden imstande waren; aber ihr scharfsinnigen Römer findet in Meinen Wundertaten einen richtigen Unterschied, der für die Schärfe eures Verstandes würdig ist, weiter besprochen zu werden.“

14. Sagte einer Meiner Jünger, namens Philippus, der sonst nicht leicht seinen Mund auftat: „O Herr und Meister, wir hätten Dich schon so manches Mal bei Gelegenheiten über dies oder jenes näher befragt und haben das auch manchmal getan, aber wir kamen bei Dir noch nie ohne einen Verweis davon, und so ließen wir in der Folge lieber die andern fragen, und wir hörten dann zu, was Du darüber sagen wirst, und so kamen wir in gar vielen Stücken auch hinters große Licht von Dir und hatten dabei keinen Verweis von Dir zu erwarten!“

15. Sagte Ich: „So ihr Mich um derlei Dinge gefragt hättet, so wäret ihr auch bei Mir ohne Verweis gleich allen andern Menschen durchgekommen; aber so fragtet ihr Mich immer um etwas, was Ich euch ohnehin schon mehrere Male erklärt hatte, und habt Mir dadurch die für euch etwas unliebsame Gegenfrage abgenötigt: ,Wie lange werde Ich euch noch ertragen müssen, bis ihr verständig werdet?‘

16. Aber hier sehet, diesen Römern habe Ich nicht notwendig, eine solche Gegenfrage zu stellen, denn ihr Scharfsinn findet alles auf, worin irgendein Unterschied zwischen einer und der andern Tat von Mir bewirkt liegt! Habe Ich doch damals auch eine Speisenvermehrung im großartigsten Maßstabe bewerkstelligt, als Ich mehrere Tausende Menschen mit wenigen Broten und Fischen zur Übergenüge gesättigt habe und habe vor euren Augen auch eine Menge solcher Taten geleistet, die dieser unser Römer unter die mehr natürlichen und begreiflichen zählen würde. Und doch habt ihr damals nicht gesagt: ,Herr und Meister, uns kommt es begreiflich vor, daß Du unsere Netze schon mehrere Male mit Fischen gefüllt hast, ganze wüste Gegenden in fruchtbare verwandelt, und bei der Hochzeit zu Kana in Galiläa und auch an vielen andern Orten das Wasser in Wein verwandeltest; aber wie konntest Du die an und für sich toten Brote und Fische alsosehr verwandeln, daß sich viele Tausende davon zur Genüge sättigen konnten?‘

17. Siehe, du Mein lieber Freund Philippus, hättet ihr Mich damals darum gefragt, so wäret ihr auch ganz sicher ohne Verweis von Mir durchgekommen; aber ihr habt Mich um nichts gefragt! Denn ihr macht keinen Unterschied zwischen Meinen Taten und werfet sie alle in einen Sack; aber unser Freund hier, ein echter Römer von reinstem Wasser, hat mit seines Verstandes Scharfsinn einen richtigen Unterschied gefunden, und Ich werde ihm diesen auch erklären, ohne ihm wegen seiner Frage einen euch lästig scheinenden Verweis zu geben!“

209. Kapitel. Der Ernährungsprozess des menschlichen Körpers.

1. (Der Herr:) „Mein lieber Freund und Oberstadtrichter, Ich will dir auf deine Frage, die aus Deinem Munde ganz scharfsinnig gegeben wurde, auch eine helle und scharfsinnige Antwort erteilen.

2. Siehe, dem Anscheine nach hat es zwischen den von Mir ausgeübten Wundertaten wohl einen recht fühlbaren Unterschied, aber im Grunde des Grundes gar nicht. Siehe, alles, was du genießest und zur Stärkung und Belebung deines Leibes in deinen Magen aufnimmst, ist nicht gar so tot, wie Du es glaubst! Es hat drei Teile: erstens den materiellen, den du siehst und fühlst, und von dem du, so die Speise wohlbereitet ist, in deinem Munde einen Wohlgeschmack verspürst und zuvor schon auch mit deiner Nase den Wohlgeruch der Speise in dich einhauchst. Siehe, diese Stücke gehören zur Belebung deines Leibes!

3. Wenn zweitens die Speisen in den Magen gelangen, so werden sie dort gewisserart zum zweiten Male gekocht, und es entwickeln sich dabei zwei Hauptbestandteile, von denen der eine als der gröbere zur Ernährung des Leibes, seiner Glieder und Muskeln dient, der andere durch das Blut, das von diesen beiden Bestandteilen herrührt, überall hingeleitet wird, wo der Leib einer Nahrung und Stärkung bedarf.

4. Sind diese beiden Bestandteile in dem oberen Magen von dem, was du gegessen hast, gehörig ausgeschieden und in den Leib hinausgeleitet, so bekommst du Durst, und du nimmst Trank zu dir. Dadurch kommt die Speise in den unteren, kleineren Magen, der in zwölf Fächer abgeteilt ist. In diesem wird auf dem Wege eines eigenen Gärungsprozesses der ätherische Stoff aus den kleinen Zellen der zu dir genommenen Speisen abgesondert und dient zur Belebung der Nerven, daher du ihn auch den Nervengeist nennen kannst.

5. Das ganz außerordentlich fein Ätherische, das wir Substanz nennen wollen, wird durch die Milz auf einem ganz geheimen Wege ins Herz geleitet und geht vom Herzen aus als völlig geläutert in die Seele des Menschen über, und so zieht die Seele von jeder in dich aufgenommenen Nahrung auch das ihr Verwandte an sich und wird dadurch in allen ihren dem Leibe ganz ähnlichen Einzelbestandteilen genährt und gestärkt.

6. Das kannst du daraus recht leicht entnehmen, daß deine Reden und Urteile, wenn du hungrig und durstig bist, ein holperichtes und unzusammenhängendes Gedanken- und Ideengewebe sind; hast du aber zuvor eine reine und gute Kost und auch einen reinen und guten Wein genossen, so werden deine Reden und Urteile auch in kürzester Zeit einen ganz andern Charakter annehmen, und das bewirkt die Mitsättigung und -stärkung der Seele. Würdest du aber lange Zeit keine Speise und keinen Trank zu dir nehmen, so würde es dir mit deinem Denken, Reden und Urteilen bald sehr kümmerlich ergehen.

7. Haben die Speisen einmal das Wichtige an den Leib, an dessen Nerven und an dessen Seele abgegeben, so wird dann das eigentlich Unlautere der zu sich genommenen Belebungsmaterie durch die zwei natürlichen Gänge aus dem Leibe hinausgeschafft. Ist aber ein Mensch in jeder Hinsicht ein Schwelger geworden und hat sich seinen Bauch zu seinem Abgott gemacht, so kann die zu sich genommene Speise, wie auch der zu viele in den Magen hineingegossene Wein, in den beiden dir bekanntgegebenen Magen nicht völlig mehr abgesondert werden, und es gehen dadurch noch viele unausgeschiedene Leibes-, Nerven- und Seelenbelebungsteile in den großen Bauch, in die Gedärme und andernteils durch die Leber und Milz in den Urinsack über, bewirken daselbst abermals Gärungen, aus denen sich mit der Zeit für den Leib allerlei Krankheiten entwickeln und die Seele träge, stumpf und gefühllos machen.

8. Aus diesen bösen Stoffen geht aber dann oft noch ein anderes Übel hervor. Wenn nämlich die argen, noch ungegorenen Naturgeister aus dem Dunstkreise eines solchen Menschen gar wohl merken, daß sich in seinem Bauche und auch in seinem Unterleib schon eine Menge ihnen verwandter Naturgeister angesammelt haben, so dringen diese bald in den Leib solch eines Menschen und vereinigen sich mit ihnen gattungsähnlichen Geistern im Leibe.

9. Ist dieser Akt vor sich gegangen, so sieht es mit solch einem Menschen schon sehr übel aus. Es bemächtigen sich bald nicht nur seines Leibes eine Menge schwer- und unheilbarer Krankheiten, sondern auch seiner Seele, die dadurch, als in sich sehr geschwächt und träge gemacht, sich nimmer wehren kann, stets mehr und mehr in ihr sinnliches und leidendes Fleisch überzugehen.

10. Um das gänzliche Materiellwerden der Seele zu verhindern, ist und gibt es da kein anderes Mittel als die großen Krankheiten des Leibes selbst. Solch ein Mensch verliert dann alle Eßlust und sucht durch Arzneien den alten Unrat aus dem Leibe zu schaffen. Es gelingt hie und da wohl eine Art Heilung, aber niemals vollständig, und ein solcher Mensch darf sich nur ein wenig vergessen, so hat er schon wieder seine früheren Plagegeister belebt, und sein zweiter leidender Zustand ist dann gewöhnlich ärger als sein erster.

11. Aber es ist alles das nicht der einzige schlimme Zustand, welchen sich der Mensch durch seine Freß- und Saufgier zugezogen hat; es kommt noch ein dritter, viel ärgerer dazu, und der besteht in dem sogenannten Besessensein von einem oder mehreren wirklich bösen Geistern, die kürzer oder länger vorher in der Wirklichkeit im Leibe eines oder des andern Menschen ihre Lebensfreiheitsprobe durchgemacht haben.

12. Von diesem dritten Übel kann kein irdischer Arzt den Menschen mehr befreien, sondern allein Ich und der auch, der von Mir aus die Kraft und Macht überkommen hat.“

210. Kapitel. Die wichtigsten Nahrungsmittel für den Menschen.

1. (Der Herr:) „Will daher ein Mensch dem Leibe und der Seele nach vollkommen gesund bleiben, so soll er von Kindheit an mäßig mit einer reinen Speise ernährt werden.

2. Sehet Mich an! Ich bin dem Leibe nach auch ein Mensch, esse und trinke aber nur stets ein und dieselbe Speise und stille Meinen Durst mit ebenfalls einem reinen, guten und gesunden Wein, – aber allzeit mit dem gerechten Maß und Ziel; und was Ich jetzt genieße vor deinen Augen, das genoß Ich schon in Meinen Kinderjahren, desgleichen auch die meisten dieser Meiner Jünger, die nahe sämtlich Fischer waren und von den Fischen lebten.

3. Für den Überfluß der gefangenen Fische bekamen sie Geld und kauften sich dafür die nötige Kleidung, Brot, Salz und auch Wein, den sie mäßig mit Wasser genossen; und frage sie, ob je einer von ihnen irgendwann von einer Krankheit geplagt worden ist bis auf den einen, den Ich dir nicht näher bezeichnen will.

4. Ich sage es dir: Wenn die Menschen bei der ihnen durch den Propheten Moses angezeigten Kost verblieben wären, so hätten bei ihnen die Ärzte mit ihren Arzneien nie etwas zu tun bekommen; aber so haben sie angefangen, gleich den Heiden nach der Weise der Epikureer ihren Leib mit hunderterlei sogenannten Leckerspeisen vollzustopfen und sind dadurch in kurzer Zeit in allerlei Krankheiten verfallen.

5. Fische von guter Art, die sich in reinen Gewässern aufhalten, sind in der Art Zubereitung, in welcher wir sie genossen haben, die allergesündeste Kost für den menschlichen Leib.

6. Wo aber derlei Fische nicht zu haben sind, da ist das Weizen- und Gerstenbrot an und für sich die gesündeste Nahrung des Menschen, so wie auch die Milch von gesunden Kühen, Ziegen und Schafen. Unter den Hülsenfrüchten nehmen die Linsen den ersten Rang ein, wie auch zur Bereitung des Muses (Brei) der große persische Maisweizen. Fleisch ist nur von einigen Hühnern und Tauben, dann vom gesunden und reinen Rind, so wie auch von Ziegen und Schafen im vollkommen blutlosen Zustande, entweder gebraten oder gekocht, als Speise zu genießen; das gebratene aber ist dem gekochten vorzuziehen.

7. Das Blut der Tiere aber soll von niemandem genossen werden.

8. Das jetzt von Mir dir Vorgesagte (Aufgezählte) ist und bleibt für den Menschen die einfachste, reinste und gesündeste Kost; alles andere – besonders im Übermaß genossen – ist für den Menschen schädlich, besonders wenn es zuvor nicht jene Zurichtung bekommt, durch die das Bösnaturgeistartige völlig ausgeschieden wird.“

9. Hier fragte Mich der Oberstadtrichter: „O Herr und Meister, was ist es denn mit den vielen überaus wohlschmeckenden Obst- und Wurzelgattungen für ein Fall?“

10. Sagte Ich: „Das genießbare Obst muß erstens vollkommen reif sein. In solchem Zustand kann man es dann auch mäßig genießen; es ist aber dennoch im gekochten, gebratenen oder gedörrten Zustande gesünder als in seinem rohen, weil durch das Sieden, Braten und Dörren die schlechten und noch ungegorenen Naturlebensgeister hinausgeschafft werden. Und dasselbe ist auch mit den Wurzeln der Fall.

11. Du kennst das Obst und die Wurzeln, die für den Menschen zum Genuß geeignet sind; die hungrigen und freßgierigen Menschen aber begnügen sich nicht mit dem, sondern erfinden in einem fort noch eine große Menge Nährmittel, sowohl aus dem Pflanzen- als auch aus dem Tierreich, und die Folge davon sind die stets mehr und mehr zunehmenden, verschiedenartigsten Leibeskrankheiten.

12. Aus dem aber, was Ich dir nun gesagt habe, kannst du mit leichter Mühe selbst urteilen, daß es Mir im Grunde des Grundes eines und dasselbe ist, durch Meinen Willen entweder ein Ackerfeld mit einer oder der andern Getreidegattung zu versehen oder deine Getreidekästen mit schon reifem Getreide zu füllen oder vor dich hin, wie vor jeden andern, ein fertiges Brot zu stellen und es auch zu vermehren, so es not täte. Und ebenso ist es mit allerlei Fleisch der Fall; denn so Ich lebendige Tiere erschaffen kann, da wird es Mir wohl auch nicht unmöglich sein, ihr Fleisch zu erschaffen, es auch zuzubereiten und auch im zubereiteten Zustand es nach Bedarf zu vermehren.“

211. Kapitel. Jesus als allmächtiger Schöpfer.

1. (Der Herr:) „Denn siehe, in der Urzeit der Zeiten erschuf Ich nur eine, für deine Begriffe unermeßlich große Sonne, – und sieh nur zur Nachtzeit an das Firmament, und du wirst es mit lauter Sternen übersät erblicken! Und siehe, alle diese Sterne, mit Ausnahme der dir bekannten wenigen Wandelsterne, sind auch Sonnen, um die sich Erdkörper, wie diese Erde da ist, bewegen!

2. Zu diesen Sternen aber, die du in der Nacht am Firmamente siehst, mußt du dir in einem übergroßen Raumgebiet noch mehr als tausendmal tausendmal so viele hinzudenken, und siehe, alle diese für dich unzählbar vielen Sonnen und andern Erdkörper sind mit den Zeiten der Zeiten aus der einen urgeschaffenen großen Sonne hervorgegangen, – freilich nicht schon als vollkommen reif und fertig, sondern gleich wie Samenkörner aus der Ähre eines Halmes im Besitze der Weiterpflanzungsfähigkeit!

3. Jetzt frage Ich dich aber: Wer hat denn für die weitere Ausbildung und Herstellung der großen Weltkörper den Vermehrungsstoff hergegeben?“

4. Sagte der Oberstadtrichter: „Wer sonst wohl als Du, o Herr und Meister?“

5. Sagte Ich zu ihm: „So dir, Mein lieber Freund, das begreiflich ist, so wirst du wohl auch einsehen, daß es Mir ebenso möglich sein muß, einen etwas zu klein ausgefallenen Lammbraten auf unserem Tische eben auf dieselbe Art zu vermehren und zu vergrößern, wie es Mir möglich war, mit den Zeiten der Zeiten aus der einen, übergroßen Ursonne die zahllos vielen andern Sonnen und Erdkörper ins sichtbare Dasein hinauszustellen und sie in ihrer Art kräftig und tätig auf ihren Punkten aufzustellen.

6. Siehe, ein Stein ist für dich ein völlig totes Ding; und so du einen Stein hier hättest, so könnte Ich ihn dir entweder bis ins Ungeheure alsogleich vergrößern oder aber auch den größten Stein alsogleich derart auflösen, daß von ihm für deine irdischen Sinne nichts dabliebe, oder Ich könnte ihn auch augenblicklich verwandeln in ein fruchtbares Erdreich.

7. Und es ist demnach einerlei, ob Ich auf irgendeinem Weltkörper erst so nach einer gewissen Ordnung alles nach und nach herstelle oder in einem Augenblick urplötzlich, so es irgend nötig ist.

8. Daß aber auf den Weltkörpern alles so nach und nach und wie eines aus dem andern ins Dasein tritt, davon liegt der Grund vorzüglich in Meiner Liebe, Geduld und Sanftmut zu den Menschen, erstens vorzüglich auf dieser Erde, dann aber auch zu jenen, die auf andern Weltkörpern wohnen und ihre Lebensfreiheitsprobe durchmachen. Denn siehe, der ganze ewig-unendliche Raum ist Mein eigentliches Wohnhaus, und in diesem Wohnhause gibt es denn auch gar unendlich viele Wohnungen, die du einmal in Meinem Reiche erst näher kennenlernen wirst.

9. Ist dir, Mein lieber Freund, nun begreiflich, wie es Mir möglich war, den Lammbraten zu vergrößern und zu vermehren?“

10. Sagte der Oberstadtrichter, völlig zerknirscht in seinem Gemüte: „O Herr und Meister, begreiflicher ist mir das alles freilich wohl denn zuvor, aber ich fühle mich vor Deiner zu unendlichen Größe und Erhabenheit wie nahe gänzlich vernichtet. Ich empfinde es wohl, daß ich noch bin, aber ich empfinde daneben auch, daß ich gegen Dich so gut wie nichts bin!“

11. Sagte Ich: „Und doch bist du, so wie jeder andere Mensch, aus Mir und durch Mich eben auch unendlich und ewig! Willst du noch mehr sein? Wie aber das, dessen wirst du erst durch Meinen in dir wach gewordenen Geist innewerden!“

212. Kapitel. Petri Bekenntnis und Bitte um Erklärung des Gleichnisses vom Sämann.

1. Als Ich diese Belehrung vollendet hatte, da erhob sich Simon Juda, genannt Petrus, und sagte: „Herr, auch wir alle danken Dir für diese großartige Belehrung; denn jetzt fühle ich erst in der vollen Tiefe meines Gemütes, daß Du Deinem Leibe nach der Sohn Gottes bist und bist denn auch wahrhaft Christus, von dem die Propheten, von Moses angefangen, vielfach geweissagt haben, aber auch schon vor Moses, von Abraham angefangen, die erleuchteten Urerzgroßväter der Menschen. Ich wüßte nun wahrhaftig nicht mehr, mit welch einer noch weiteren Frage ich Dir zur Last fallen könnte; denn es scheint mir nun alles klar, wie in einem großartigsten Bilde vor den Augen zu schweben.“

2. Sagte Ich darauf: „Simon Juda, du hast recht gesprochen, weil es also ist; aber dennoch wirst du samt den andern Schafen die Flucht ergreifen, wenn der Hirte geschlagen wird; denn der Mensch muß zuvor gar manche Probe seines Glaubens an den Tag legen, bevor er als ein Vollendeter seinem Meister ähnlich wird. Daher gedenke dieser Meiner Worte, daß auch für dich noch der Fall eintreten wird, wo du Mich aus Furcht vor der Welt völlig verleugnen wirst! Du wirst dann wohl wieder umkehren und deinen schwachen Glauben stärken, – aber aus dir selber nicht, sondern aus Meinem Geiste in dir, der dich ordentlich bei den Haaren dazu ziehen wird!“

3. Sagte darauf Simon Juda: „Herr und Meister, es ist aber doch sonderbar von Dir, daß Du uns, die wir doch schon von Anfang bei Dir waren und alles Dir zuliebe verlassen haben – als unsere Äcker, Häuser, Weiber und Kinder –, nie etwas so recht Gutes voraussagen kannst!“

4. Sagte Ich: „So Ich euch nur für diese Welt geschaffen und berufen hätte, so könnte Ich euch auch nur weltlich Gutes vorhersagen; da Ich euch aber nur für Mich und für Mein Reich jenseits berufen habe, – was kümmert es dich denn, so Ich dir, als für diese Welt geltend, nichts Gutes und Angenehmes vorhersagen kann? Denn du weißt es ja, daß die eigentliche arge und finstere Welt nur das liebt und beglückt, was so ist, wie sie selbst ist; was aber nicht also ist, das verfolgt und verdammt sie.

5. Ihr seid aber ebenso wie Ich nicht von dieser Welt, sondern von oben her, – somit verfolgt und haßt uns die Welt denn auch; und weil es so und nicht anders ist, so kann Ich dir, Mein lieber Simon Juda, von seiten dieser Welt auch nichts anderes weissagen als das nur, was Ich euch allzeit gleich geweissagt habe! Verstehst du dieses wohl?“

6. Sagte darauf Simon Juda: „O Herr und Meister, ich verstehe es wohl, aber es geht mir dabei nicht viel anders als dem Freunde Oberstadtrichter, – man wird von Deiner unendlichen Vollkommenheit und persönlichen Gegenwart ganz vernichtet!

7. Aber weil ich schon einmal im Reden bin, so möchte ich Dich um eine nähere Aufklärung über ein von Dir uns einmal in der Nähe von Besetha erzähltes Gleichnis vom Reiche Gottes bitten. Du hast uns damals zwar eine Erklärung gegeben, die ganz gut (verständlich) war, – aber mit dem Bilde selbst konnte ich mich, selbst mit meinem besten Willen, nie so ganz recht einverstehen (zurechtfinden).

8. Das Bild oder Gleichnis aber lautete, daß nämlich das Reich Gottes, welches auch gleich ist das Himmelreich, einem Sämanne gleicht, der ausging, um Weizen auf seinen Acker zu säen. Als er aber säte, da fiel ein Teil auf Wege und Straßen, der wurde zum Teil bald zertreten und zum Teil von den Vögeln aufgezehrt, ging demnach denn auch nicht auf und brachte keine Frucht. Ein Teil aber fiel auf Felsen und Steine, der ging wohl auf, solange er eine Feuchtigkeit hatte, aber diese verlor sich bald, und somit hatte der Same keine weitere Nahrung, verdorrte und brachte auch keine Frucht. Ein Teil des Weizensamens aber fiel unter Dornen und Gestrüpp, ging zwar auf, ward aber von den Dornen und dem Gestrüppwerk bald überwachsen, erstickte und brachte somit auch keine Frucht. Nur ein Teil fiel auf gutes Erdreich und brachte hundertfältige Frucht.

9. Das, o Herr und Meister, war das Bild, nach dessen Erzählung – als wir dich fragten: ,Wo und wieso denn?‘ – Du uns sagtest: Euch ist es gegeben, die Geheimnisse des Reiches Gottes zu verstehen, – den andern aber nicht, wie es denn auch in der Schrift geschrieben steht: ,Sie werden sehen und doch nichts sehen, hören und nichts vernehmen und verstehen!‘

10. Darauf erklärtest Du uns das Bild, und wir alle waren mit der Erklärung überaus zufrieden, aber nur mit dem Bilde selbst noch bis jetzt nicht vollkommen.

11. Wenn Du, o Herr und Meister, uns hast darunter verstanden haben wollen, die wir von Dir aus dazu bestimmt sind, Deine Lehre, welche ist das eigentliche Reich Gottes auf Erden, unter den Menschen auszubreiten, und eben uns als den Sämann darstelltest, so hätte Dein Bild seine volle Richtigkeit; aber wenn Du Dich Selbst als den Sämann darstelltest, so kommt mir das Bild immerwährend etwas sonderbar vor, weil ich mir keinen recht klugen Sämann vorstellen kann, der drei Teile seines edlen Weizens dorthin aussät, wo ihn doch die Erfahrung schon seit überlangen Zeiten her lehren mußte, daß Wege und Straßen, Felsen und Steine, Dornen und Gestrüpp durchaus nicht geeignet sind, daß man sie mit dem edlen Weizen besäete, weil er auf solchen Plätzen nie eine Frucht bringen kann, – und so klug wird der Sämann auch sein, daß er sich zur Aussaat seines reinen Weizens zuvor auch einen tauglichen Acker herrichten wird, auf den er seinen Weizen aussät, auf daß er ihm dann hundertfältige Frucht abwerfe.

12. Du, o Herr und Meister, aber bist als Sämann unendlich weiser, als wir alle je werden werden, und so kommt es mir immer vor, daß ich eine bedeutende Sünde begehe, so ich Dich für einen so unklugen Sämann hielte; hast Du aber uns, Deine Jünger, als den unklugen Sämann dargestellt, dann, wie gesagt, ist Dein Bild vollkommen gut, – denn in uns steckt noch viel Unklugheit und Unwissenheit.

13. Zudem hast Du uns schon zu öfteren Malen gewarnt, daß wir Deine Perlen, die auch sind gleich dem reinsten Weizen und somit auch gleich dem Reiche Gottes, nicht den Schweinen vorwerfen sollen, und ich meine, daß Du mit jenem Bilde auch hast sagen wollen, daß wir Deinen Weizen auf Wegen und Straßen, auf Felsen und Steinen und unter Dornen und Gestrüpp nicht aussäen sollen, weil er da keine Früchte tragen wird. Herr und Meister, habe ich auf diese Weise mir Dein Gleichnis richtig aufgehellt?“

213. Kapitel. Über das Predigen des Evangeliums aller Kreatur.

1. Sagte Ich: „Nun endlich fängt doch Mein Geist in euch an rege zu werden! Denn so ihr ein stärkeres Gedächtnis hättet, als ihr es habt, da würdet ihr euch auch dessen erinnern, daß Ich Selbst euch dieses Bild nachher bei einer guten Gelegenheit dahin erklärt habe, daß ihr bei der Verbreitung Meiner Lehre nicht gleich sein sollet jenem unklugen Sämann, der den Weizen auch auf Straßen, Steine und Gestrüpp aussäte, sondern gleich dem klugen Sämann, der den Weizen über ein gutes Erdreich aussäte. Siehe, Ich sagte zu euch einmal schon, daß ihr in alle Welt hinausgehen und Mein Evangelium aller Kreatur predigen sollet! Sage Mir, du Simon Juda, wie hast du denn dieses verstanden?“

2. Sagte Simon Juda: „O Herr und Meister, Du hast mir mit dieser Deiner heiligen Frage einen gewaltigen Stein von meiner Brust gewälzt. Denn diese Deine Berufung an uns hat in mir wenigstens den lächerlichen Gedanken zuwege gebracht, daß Du damit etwa ernstlich wolltest, daß wir späterhin nicht nur den tauglichen Menschen, die eigentlich ein gutes Ackerfeld darstellen, sondern auch den Bergen, Wäldern, Seen und Flüssen, allen Vögeln und allen die Luft belebenden Tieren, allen Tieren auf der Erde und sogar allen Fischen im Wasser Dein Evangelium vorpredigen sollen; denn Kreatur ist einmal alles, was von Dir geschaffen ist, und so wir Dein Evangelium in der ganzen Welt aller Kreatur vorpredigen sollen, so hat mein Verstand dabei doch unmöglich etwas anderes denken können, als das buchstäblich ins Werk zu setzen, was Du uns aufgetragen hast.

3. Ob wir bei dieser Arbeit, besonders mit den reißenden Bestien der Wüste, mit heiler Haut davongekommen wären, ist nicht als sicher anzunehmen. Dein Wille ist freilich der Herr über alles, und so wir das nach Deinem Willen auch buchstäblich tun würden, da hätten wir von der Grimmigkeit und Wut solcher Tiere vielleicht weniger zu befürchten als von dem Hochmut und Eigennutz der Weltmenschen; aber mit der Sprache, die auch solchen Kreaturen verständlich wäre, würde es uns offenbar sehr schlecht gehen!

4. Es soll zwar im großen Indien im Ernste Menschen geben, die mit den Tieren reden können; aber mir ist darüber noch nichts Näheres zu Gesichte gekommen, und somit kann man solch eine Sage glauben oder nicht. Das letztere ist meiner Meinung nach auch das Klügste!“

5. Sagte Ich: „Nun siehe, du Simon Juda, jetzt wird dir das Bild von dem Sämann, auf dich und euch alle bezogen, in Hinsicht seiner Unklugheit etwa doch noch klarer sein als früher; denn wenn du Meine bildliche Aufforderung, Mein Evangelium aller Meiner Kreatur zu predigen, also verstanden hast, wie du es soeben ausgesprochen, so hast du dir damit schon selbst das Zeugnis gegeben, daß es mit der Klugheit deiner Sämannschaft eben noch nicht gar zu weit her ist.

6. Und doch habe Ich damit an euch eine ganz richtige und wahre Aufforderung gemacht. Denn siehe, so ihr Mein Evangelium den rechten Menschen prediget, so werden diese dadurch in allen Dingen weise und mächtig werden durch Meinen Geist in ihnen, und sie werden mit solcher Meiner Kraft dann auch die minder geeigneten Menschen für Meine Lehre eingenommen machen!

7. Ich habe aber den Menschen auf diese Erde gestellt, daß er ein Herrscher und Herr sei über alle Kreatur, – was er aber schon seit gar lange nicht mehr ist und muß sich umgekehrt von der Kreatur der Erde beherrschen lassen; wird er aber durch Meinen Geist wieder das, was er sein sollte, so wird er wieder ein Herr und Beherrscher aller Kreatur werden und sich dieselbe dienst- und nutzbar zu machen imstande sein.

8. Wenn aber der Mensch das wird bewirken können, wird dann das nicht soviel heißen als: Mein Evangelium ist aller Kreatur gepredigt worden? Denn so du mit Meiner Macht in dir einem Löwen, einem Tiger oder einem Bären gebieten kannst, daß er sich dahin begebe, wo sein Ort ist – wie du schon von Mir aus zu öfteren Malen gesehen hast –, so wird es dir dabei doch auch klar sein, daß Mein Wort und Wille aller Kreatur verständlich ist.

9. Habe Ich euch nicht schon zu öfteren Malen gesagt, daß ihr, so ihr einen rechten und ungezweifelten Glauben hättet, sogar zu einem Berge sagen könntet: ,Hebe dich und stürze dich ins Meer!‘, und es würde geschehen, was ihr ausgesprochen habt? So aber schon den Bergen Mein Wort in euch verständlich ist, so wird es auch sicher aller andern Kreatur verständlich sein; aber dazu gehört freilich zum voraus eine wahre Sämannsklugheit!

10. Und so wirst du, Mein lieber Simon Juda, nun das Bild des Sämanns wohl klarer begreifen, als es bis jetzt der Fall war! Hast du etwa noch etwas, das du ebenfalls auch also verstehst, wie du Meine Aufforderung, Mein Evangelium aller Kreatur vorzupredigen, verstanden hast, so komme damit zum Vorschein!“

214. Kapitel. Die Bilder vom Augenausreißen Händeabhacken und vom Essen und Trinken des Fleisches und Blutes Jesu.

1. Sagte Simon Juda: „Herr und Meister, es gäbe wohl noch so etwas, und zwar aus der Zeit Deiner berühmten Bergpredigt; aber ich schäme mich – aufrichtig gesagt – das hervorzubringen, weil dadurch meine Dummheit einen Grad stärker beleuchtet werden wird!“

2. Sagte Ich: „Nun, was habe Ich denn in der Bergpredigt gesagt, das du noch immer nicht gehörig in deinem Gemüte verdaut hast?“

3. Sagte darauf Simon Juda, so etwas kleinlaut: „Ach, es ist dort die Rede gewesen von der Augenausreißerei und Händeabhackerei, so einen das eine oder das andere ärgern sollte; denn es wäre besser, einäugig und einhändig in den Himmel aufgenommen zu werden, als zweiäugig und zweihändig in die Hölle hinabzufahren.

4. Ich weiß, o Herr und Meister, es wohl, daß Du das nur geistig gemeint hast, – aber wir haben trotz Deiner an uns gerichteten Beleuchtung das Geistige noch nie so recht in der Tiefe erfassen können und blieben dabei denn doch gut zu dreiviertelteile am immerhin etwas sonderbar klingenden Buchstabensinn hängen und begriffen aber dabei dennoch wirklich nicht, wie man es bei einem das Auge ärgerlichen Falle anfangen solle, das Auge gerade herauszureißen; mit dem Blenden des Auges wäre es in jeder Hinsicht bequemer. Mit dem Abhauen einer Hand ginge es in den meisten Fällen vielleicht noch mißlicher vor sich; denn fürs erste hätte man nicht immer eine scharfe Hacke bei sich, und fürs zweite ginge es besonders mir beim Abhacken der Hand schlecht, wenn ich etwa meine rechte Hand abhacken sollte, da ich mit meiner linken Hand zu diesem Geschäfte wahrlich sehr ungeschickt bin.

5. Ich weiß zwar wohl, o Herr und Meister, daß ich hiermit etwas sehr Dummes und des Auslachens Würdiges zum Vorschein gebracht habe, – aber was nützt das, daß Du solches in Deiner Bergpredigt ausgesprochen hast und ich es im wahren geistigen Sinne nicht habe verstehen können, wie Deine Predigt zu Kapernaum, in der Du auch ausdrücklich befohlen hast, Dein Fleisch zu essen und Dein Blut zu trinken, ohnedem man nicht das ewige Leben überkommen und in Dein Reich eingehen könne?

6. Dieses Gleichnis aber hat uns der scharfsinnige Wirt aufgeklärt, welche Aufklärung Du Selbst für gut und wahr bestätigt hast, und wir alle waren damit vollkommen zufrieden; aber mit der besprochenen Leibesverstümmelung will es uns noch nicht so gut gehen, und so wir jene Bergpredigt weiter unters Volk verbreiten, so könnte es wahrlich hie und da so schwache Menschen geben, die solch eine Belehrung buchstäblich ins Werk zu setzen vermöchten, und der weisere Teil der Menschen würde dann solch eine Lehre für grausam und unweise erklären, und wir würden damit nicht viele gute Früchte zustande bringen.

7. Es könnte sich am Ende treffen, daß dadurch eine ganze schwache Gemeinde einäugig und einhändig würde und gar zu blind fromme Eltern etwa eine solche Verstümmelung aus Vorsicht an ihren Kindern vornähmen, damit sie später von dem einen Auge oder der einen Hand nicht geärgert werden möchten!“

8. Sagte Ich darauf zu Simon Juda: „In dieser Hinsicht wende du dich an Meinen lieben Johannes, der das Bild schon gleich nach der Bergpredigt in seiner geistigen Wahrheit zu erklären vermochte, und du wirst dann schon auch klar einsehen, daß Ich damit keine leibliche Verstümmelung anbefohlen habe, sondern nur die strenge Überwachung des stets freien Willens des Menschen und seines Verstandes! Verstehst du das?“

9. Sagte nun Simon Juda: „O Herr und Meister, Du hast mir mit Deinen zwei letzten Worten die Sache völlig erklärt, und ich kann darum den Bruder Johannes ruhen lassen; denn daß der Verstand des Menschen der Seele Auge ist und der Wille die handelnde Hand, liegt mir nun ganz klar vor den Augen.

10. Nun hat aber der Mensch zwei Augen und zwei Hände und hat somit entsprechend auch zwei Verstande und zwei Willen, nämlich einen guten und schlechten Verstand und somit auch einen guten und schlechten Willen.

11. Wenn der schlechte Verstand den guten ärgert, so erkenne man das und verabschiede den schlechten für immer, und desgleichen tue man auch mit dem Willen, und dann ist es freilich besser, mit dem guten Verstande und Willen sicher ins Himmelreich einzugehen, als mit beiden Verstanden und Willen versehen in die Hölle zu fahren. Denn ich halte nun dafür, daß ein Mensch, der sich je nach den Umständen der Liebe zur Welt bald von seinem schlechten Verstande und von seinem schlechten Willen und bald wieder von seinem guten Verstande und guten Willen zu allerlei Handlungen verleiten läßt, schon auf dieser Welt ein Erzteufel ist. Denn ein anderer Mensch, der infolge seiner ursprünglichen Erziehung nur einen schlechten Verstand und einen schlechten Willen hat und sonach auch nicht anders als schlecht handeln kann, ist im Grunde des Grundes kein eigentlich böser, sondern vielmehr ein dummer Teufel, für den man noch zu Dir die Bitte emporrichten kann: ,Herr, vergib ihm und mache ihn besser; denn bis jetzt hat er noch nie gewußt, was er getan hat!‘ O Herr und Meister, sage es mir gnädigst, ob ich nun gut und recht geurteilt habe!“

12. Sagte Ich zu Simon Juda: „Du hast nun vollkommen gut und recht geurteilt; aber das wirst du auch dabei bemerkt haben, daß dir solch ein Urteil dein Fleisch nicht gegeben hat, sondern nur Mein Geist in dir! Darum suche auch du deines Weltverstandes und Weltwillens vollkommen loszuwerden, so wird des Geistes himmlisches Verständnis und die Kraft des himmlischen Wollens vollkommen dir zu eigen werden!

13. Hast du nun noch etwas aus dem Bereiche Meiner an die Menschheit ergangenen Belehrungen, so laß es hören; denn heute bin Ich in der Stimmung, für euch alles euch krumm Scheinende gerade zu machen!“

215. Kapitel. Die rechte Anwendung des Gebotes der Nächstenliebe.

1. Sagte darauf Simon Juda: „Ja, Herr und Meister: Es gäbe wohl noch so manches, das sich in meinem Verständnisse nicht so ganz geradlinig gestalten will; aber ich denke mir: weil das mir bis jetzt am meisten ungerade Scheinende mit solch einer Leichtigkeit gerade geworden ist, so werden sich mit der Zeit die weniger krummen Linien meines Verstandes von selbst in völlig gerade umgestalten.“

2. Sagte Ich: „So fahre nur hervor mit dem, was dir irgend noch etwas ungerade vorkommt!“

3. Sagte Simon Juda: „Herr, ich will das schon tun, aber eben nicht gar zu gern, weil ich mich dadurch vor den andern Jüngern enthülle, daß ich in manchen Stücken vielleicht blöder bin als sie; aber weil Du es schon wünschest, so will ich denn auch reden und mich selbst demütigen vor allen meinen Gefährten!

4. Siehe, bei der Gelegenheit, als Du uns und das Volk von der Liebe zu Gott und von der Liebe zum Nächsten belehrtest, da gabst Du auch an, daß man sogar die Erzfeinde lieben solle, und daß man segnen solle diejenigen, die einem fluchen, und Gutes tun denjenigen, die einem Böses tun, und daß man dem, der einem eine Ohrfeige gibt, noch die andere Backe hinhalten sollte, statt ihm eine Ohrfeige zurückzugeben.

5. Ich sehe es wohl ein, daß in diesem Verhalten die von Dir gelehrte und zur Ausübung anbefohlene Nächstenliebe die wahre, himmlische Form einnimmt, – denn so wir den Menschen alles das tun sollen, das wir wünschen und wollen, daß sie in ähnlichen Fällen auch uns täten, so ist dadurch das freilich wohl auch völlig gerechtfertigt, daß man sogar seine Feinde lieben soll, für die beten, die einem fluchen, und denen Gutes tun, die einem Böses tun; aber da kommt mir doch so manches noch ungerade vor, und das darum, weil in diesen Fällen die Notwehr ganz beiseite gesetzt ist. Man kann wohl dieses beachten gegen Menschen, die es in ihrer Bosheit gegen einen andern Menschen nicht zu weit treiben, aber gegen Menschen, die gegen ihre Nebenmenschen beharrlich zu wahren Erzteufeln geworden sind, sollte da solche Deine göttliche Lehre irgendeine kleine Ausnahmeabänderung finden.

6. Ich will von der Ohrfeige nicht reden, und es würde mir gerade nichts machen, dem, der mir bei irgendeiner Gelegenheit eine mäßige Ohrfeige versetzt hat, am Ende, so er Lust hätte, mir noch eine zu geben, auch die andere Backe hinzuhalten, damit dann Friede und Einigkeit zwischen uns würde; aber was dann, so mein Gegner mich mit seiner ersten Ohrfeige schon beinahe halbtot geschlagen hat? Soll ich in dem Fall nicht lieber zu einer Gegenwehr schreiten, so mir diese in einer Art irgend möglich wäre, als mich von solch einem zornigen Riesen Simson ganz totschlagen lassen?

7. Ich meine, o Herr und Meister, daß in dieser von Dir aufgestellten Lehre über die Nächstenliebe – freilich nur nach dem Urteil meines Weltverstandes – auch noch so manch Krummliniges vorhanden ist, das sich von unserem geradlinigen Gemütsmagen nicht gar zu leicht verdauen läßt. Ich weiß zwar nicht, ob ich klug oder unklug geredet habe; aber weil ich denn doch glaube, daß mein diesweltlicher Verstand besserer Natur sein muß, ohne die ich Dich schwerlich als den Herrn und Meister je erkannt hätte, so bin ich denn auch der Meinung, daß eben diese bessere Natur meines Verstandes auch derlei kleine Krummheiten erkennt.“

8. Sagte Ich: „Du hast eine ganz gute und richtige Frage gestellt; aber Ich muß dir auch immer dagegen die Bemerkung machen, daß du zwar wohl einen recht scharfen Verstand hast, aber dafür – woran dein vorgerückteres Alter schuldet – ein schwächeres Gedächtnis, und so erinnerst du dich an so manches nicht mehr, das Ich bei so verschiedenen Gelegenheiten zur Erklärung der wahren Nächstenliebe den Menschen hinzugetan habe.

9. Das ist an und für sich schon ganz klar, daß man einem erzbösen Menschen durch eine zu große Gegenfreundschaft nicht noch mehr Gelegenheit verschaffen soll, daß er dadurch in seiner Bosheit wachse und noch immer ärger werde, als er vorher war.

10. In diesem Fall wäre eine fortgesetzte Nachsicht nichts anderes als eine wahre Hilfeleistung für des Feindes überwachsende (zunehmende) Bosheit; dafür aber habe Ich in dieser Welt zu allen Zeiten strenge Richter aufgestellt und ihnen das Recht erteilt, die zu schlecht und böse gewordenen Menschen, nachdem sie es verdient haben, zu züchtigen und zu strafen, und habe euch darum auch dieses Gebot gegeben, daß ihr der weltlichen Obrigkeit untertan sein sollt, ob sie sanft oder strenge ist.

11. Wer demnach einen so argen Feind besitzt, der gehe zum Weltrichter hin und zeige ihm solches an, und dieser wird dem schon erzböse Gewordenen seine Bosheit austreiben.

12. Geht das mit puren körperlichen Züchtigungen nicht, so geht es am Ende wirksam durch das Schwert. Und so ist es auch der Fall mit der Ohrfeige. Erhältst du sie von einem minder bösen Menschen, den eine plötzliche Aufwallung seines Gemütes dazu verleitet hatte, so wehre dich nicht, auf daß er dadurch, daß du ihm mit keiner Ohrfeige entgegenkommst, besänftigt wird, und ihr werdet darauf leicht ohne Weltrichter wieder zu guten Freunden werden.

13. Aber so dir jemand mit einer mörderischen Ohrfeige in voller Wut entgegenkommt, so hast du auch ein volles Recht, dich zur Gegenwehr zu stellen; und siehe, wenn die Sache nicht also wäre, so hätte Ich zu euch nicht gesagt, daß ihr auch den Staub von euren Füßen über jene Menschen in einem Orte schütteln sollet, die euch nicht nur nicht aufnehmen, sondern euch dazu noch verhöhnen und mit allerlei Verfolgung bedrohen.

14. Oh, sei du dessen sicher, daß Ich mit Meiner Predigt von der Nächstenliebe die Macht und Gewalt des Schwertes nicht im geringsten aufgehoben habe, wohl aber auf so lange hin gemildert, als die Feindseligkeit unter den Menschen nicht jenen Grad erreicht hat, den man mit vollem Recht den höllischen nennen kann!

15. Bei den Alten nach dem Gesetze Mosis und der meisten alten Richter hieß es wohl: ,Leben um Leben, Auge um Auge, Zahn um Zahn!‘, aber da soll es bei euch nicht also sein, daß man derlei Gesetze zu buchstäblich nimmt, und daß man seinem Feinde nicht öfter denn siebenmal vergeben solle, wovon Ich euch zu öfteren Malen auch eine Erklärung gegeben habe, und die ihr auch wohl begriffen habt!

16. Aber, wie gesagt, dadurch habe Ich das Gesetz Mosis, der Richter und Propheten nicht aufgehoben, sondern nur gemildert; denn diese nahmen das Gesetz zu buchstäblich und straften auch den mit gleicher Strenge, der oft sehr viel mehr zufällig als infolge seines bösen Willens seinen Nebenmenschen irgend eine oder die andere Beschädigung zugefügt hatte.

17. Die Folge davon, daß sich die Richter zu strenge nach dem Gesetze hielten, war denn auch, daß das Volk zur Zeit Samuels, des letzten Richters in Israel, von Mir einen König verlangte, weil es unter ihm eine mildere Handhabung der Gesetze erhoffte als unter den Richtern. Es täuschte sich das Volk zwar, besonders mit dem König Saul, der es noch viel ärger züchtigte als die früheren Richter; aber unter David und auch Salomo ging es wohl menschlicher her als unter den Richtern.

18. Aber unter den späteren Königen, besonders als das Reich unter mehrere Könige verteilt wurde, ging es dann um noch vieles ärger zu als unter den Richtern. Und als es am Ende gar zu schlecht zu gehen anfing, da blieb denn auch nichts anderes übrig, als alle Juden und auch viele andere ihrer nachbarlichen Völkerschaften, mit denen die Juden in beständiger Fehde standen, der vereinten Macht Roms zu übergeben, weil Rom in weltlicher Hinsicht die besten, weisesten und zweckmäßigsten Gesetze hatte. Und siehe, dann ging es unter den Juden, wie auch unter den andern Nachbarvölkern sogleich in voller Ruhe und Ordnung her!

19. So aber nun die Juden sich nach und nach immer mehr werden zu erheben anfangen und die Priester der Juden der Römer Gesetze werden als gotteslästerlich immer mehr und mehr zu bezeichnen anfangen und jene besseren Juden darum verdammen, weil sie der Römer Freunde sind, so werden die Römer sich wieder erheben und mit großer Macht in dieses Reich eindringen und es also zerstören, daß da kein Stein auf dem andern ungebrochen bleiben wird. Und die Juden selbst werden darauf in alle Teile der Welt hinausgetrieben werden, und dann wird es auch geschehen, was Ich euch schon vorausgesagt habe, daß die Juden bitten sollen, daß diese ihre Fluchtzeit nicht im Winter und auch nicht an einem Sabbat sich ergebe; denn da würde es ihnen noch schlechter ergehen denn zu einer andern Jahreszeit und an irgendeinem Werktage. Besonders schwer wird diese Flucht den schwangeren Weibern werden.

20. In der Zeit werden auch zwei Juden in einem Bette schlafen; der eine, als ein bekannter Römerfreund, wird behalten und der hartnäckige Jude verworfen werden. Und so werden auch zwei andere in einer Mühle mahlen; da wird auch aus dem gleichen Grunde der eine behalten, der andere verworfen sein. Wer da auf einem Felde arbeiten wird, der kehre um seines Rockes willen ja nicht wieder in sein Haus zurück, und wer auf seinem Hause ein Dach ausbessern wird, der steige auch nicht wieder ins Haus vom Dache, um aus seinem Hause etwas zu holen, sondern springe lieber vom Dach zur Erde und suche durch die Flucht zu retten sein Leben! Denn so er ins Haus hinabsteigt, so wird er sein Leben sicher verlieren; springt er aber vom Dache, so kann er im günstigen Falle sein Leben noch erhalten und sich retten durch die Flucht.

21. Siehe, du Mein lieber Simon Juda, solches habe Ich euch alles schon zu öfteren Malen vorhergesagt, wie auch vielen andern Juden und Pharisäern, und Ich meine, daß du in allem dem keine krummen Linien finden wirst!“

216. Kapitel. Vom ungetreuen Haushalter.

1. Sagte Simon Juda: „O Herr und Meister, in diesem Stücke durchaus nicht mehr, aber es gäbe noch so ein paar andere Stücklein, mit denen ich noch nicht so ganz ins reine kommen kann; ich hoffe aber von Deiner Liebe und Gnade, daß sich auch diese beiden kleinen Stücklein so gewisserart von selbst ausgleichen werden!“

2. Sagte Ich: „So nenne Mir wenigstens die beiden Stücklein!“

3. Sagte Simon Juda: „Ach, o Herr und Meister, es zahlt sich fast gar nicht aus, aber weil Du es schon also haben willst, so bestehen sie in Deinem Lobe des ungetreuen Haushalters und in dem Verwerfen des Mahlzeitgastes, darum, daß er kein Festkleid anhatte! Denn da kommen zwei unbegreifliche Dinge vor: erstens, wie und wo diejenigen Gäste, welche von den Dienern des Gastgebers an den Zäunen und Gassen stehend aufgefangen und zum Gastmahl hineingeschoben wurden, mit den erforderlichen Festkleidern versehen worden sind, und fürs zweite, wieso der eine arme Teufel, der auch von den Dienern des Gastgebers zum Gastmahle getrieben ward, hinausgeworfen werden mußte, weil er kein Festkleid anhatte. Siehe, o Herr und Meister, dieser Hinausgeworfene und Dein Lob über den ungerechten Haushalter sind für mich noch so ein paar krumme Linien, die ich noch nicht gerade zu machen imstande war!“

4. Sagte Ich: „Habe Ich damals nicht zu euch gesagt: ,Tut auch ihr desgleichen wie der ungerechte Haushalter, und sammelt euch Freunde durch den ungerechten Mammon, so werden sie euch dereinst, so ihr noch wohnungslos sein solltet, in ihre himmlischen Wohnungen aufnehmen!‘?

5. Damit du, Simon Juda, dieses aber richtig verstehst, so höre Mich an, aber mit beiden Ohren zugleich, damit das nicht bei dem andern Ohr wieder hinausgeht, was das eine aufgenommen hat, und dadurch in deinem Herzen haften bleibt! Siehe, ein jeder irdisch reiche Mensch, der viel mehr Güter und Geldes besitzt, als solche notwendig wären zu seinem irdischen Lebensunterhalt, ist Mir gegenüber, der Ich der alleinige wahre Gutsherr bin, stets mehr oder weniger ein ungerechter Haushalter, und die Güter, die er sein nennt, sind zusammengenommen ein ungerechter Mammon.

6. So er aber wenigstens dann mit seinen ungerechten Reichtümern reichlich der Armen gedenkt, so ihm die Natur seiner Krankheiten, die Meine Amtsboten sind, klar und deutlich sagt: ,Der Herr dieser Güter hat vieles wider dich in bezug auf dein ungerechtes Gebaren, und du wirst fürder nicht mehr Haushalter sein!‘, dann wird er sich durch die vielen beteilten Armen Freunde machen, und so er dann bald darauf nackt und verlassen zu ihnen in Mein Reich hinüberkommen wird, so werden sie sich seiner erbarmen und ihm sein gutes Werk an ihnen reichlich vergelten.

7. Denn siehe, als Ich die Welt erschaffen habe, da habe Ich keine Grenzsteine gesetzt, die Erde nicht mit dem Faden abgemessen und somit auch nicht gesagt: ,Siehe, dieser Teil gehört dem, ein anderer dem andern!‘, sondern Ich habe die ganze Erde zu einem Gemeingut für alle Menschen gemacht. Erst mit der Zeit hat der Geiz, die Habgier und Herrschlust der Menschen angefangen, die Erde abzumessen und mit Gewalt zu bestimmen: ,Dieser große Teil des Landes gehört mir, und wer mir dienen und arbeiten will, der soll auch ein kleines Stück Land gewisserart in Pacht bekommen; dessenungeachtet aber bleibe ich der Herr des ganzen großen Stück Landes!‘

8. Und siehe, das war die erste sogenannte patriarchalische Verfassung unter den Menschen, – und so ungerecht sie auch an und für sich war, so war sie dabei aber dennoch die beste und gerechteste; denn war wie gewöhnlich der Patriarch ein guter und gottesfürchtiger Mann, so hatten es an seiner Seite seine Untertanen oder Kleinpachtbesitzer ebenfalls auch gut, denn er sorgte für das gemeinsame Wohl des großen Stück Landes.

9. Er besaß freilich für seine Person und sein Haus viele tausend Male mehr, als er benötigte, und war somit auch ein ungerechter Haushalter, – aber er verwendete seinen ungerechten Mammon zu lauter guten und Mir wohlgefälligen Zwecken und machte sich dadurch aus seinen Untertanen eine große Menge Freunde nach Meinem Willen und Wohlgefallen, und Ich mußte ihm ebenfalls Mein Wohlgefallen und Mein Lob zukommen lassen.“

217. Kapitel. Die Erklärung des Gleichnisses vom ungerechten Haushalter.

1. (Der Herr:) „Also war der Patriarch Abraham, der ein Besitzer des ganzen Gelobten Landes war, ebenfalls ein ungerechter Haushalter; aber ihr werdet gehört haben, daß er in dem von ihm bewohnten Orte zu Salem stets einen großen Tisch aufgerichtet hatte, an dem tagtäglich mehrere Tausende von Armen und dürftigen Menschen gesättigt wurden, und es ward dann zum Sprichwort, daß diejenigen zu den Glückseligen gehören, die das Glück haben, am Tische Abrahams zu speisen.

2. Und sehet, darum war Abraham Mein Liebling, und Ich habe ihn und sein ganzes Haus vielfach gesegnet, – was ihr aus dem entnehmen könnt, daß Abraham als ein erster und größter Freund des Königs der Könige und des Priesters der Priester, der ohne Anfang und Ende war und Melchisedek hieß, demselben selbst den Zehnt gab und unter den vielen damaligen Königen allein das Glück und das Recht hatte, sich dem Wohnsitze des Melchisedek zu nähern, und Dieser aber einmal Selbst zu ihm kam in Begleitung zweier Engel und ihm voraussagte, daß sein betagtes Weib Sara ihm einen Sohn zur Welt bringen werde, was Abraham denn auch allerfestest glaubte!

3. Aber zugleich offenbarte Melchisedek, daß die Städte Sodom und Gomorra untergehen würden, und weiter weissagte Er ihm, daß aus seinem Stamme endlich Er Selbst als Mensch, mit Leib und Blut angetan, zur wahren Beglückseligung aller Menschen hervorgehen werde.

4. Lassen wir aber nun den Abraham und den Melchisedek, denn der Letztere sitzet in Meiner Person nun unter euch, und der alte Patriarch Abraham ist im Geiste nicht ferne von Ihm! Wenden wir uns zu einem andern ungerechten Haushalter, der nun in der Nähe von Jerusalem lebt, und in dessen Hause wir uns in Bälde befinden werden! Sehet, es ist unser Lazarus, ein Sohn Simons, des Aussätzigen, den Ich aber, ihm unbewußt, schon in Meinem zwölften Jahre, bevor Ich noch Jerusalem besuchte, mit Meinem Willen geheilt habe, und das darum, weil er in aller Rechtschaffenheit mit seinem großen, ungerechten Mammon vielen Tausenden, woher sie auch immer kommen mochten, große Wohltaten erwies, so wie nun auch sein Sohn Lazarus!

5. Ihr wißt, was er alles getan hat, als wir zu mehreren Malen in seiner Stadt in seinem Hause beherbergt wurden, und sehet, wer den ungerechten Mammon auf diese Weise verwendet, der macht sich doch sicher gar viele und allerbeste Freunde in Meinem Reiche, – ist auch Mir wohlgefällig, und so er sterben wird, werde Ich ihn alsbald wieder auferwecken ins Leben, daß er fürder ewig nimmer sterben wird, und sein Übergang von dieser in die andere Welt wird sein, wie dereinst der Meines lieben Henoch war, der nun hier als ein wahrer Erzengel an Meiner Seite sitzet.

6. Mit dem, Mein lieber Juda, meine Ich dir nun übersonnenklar gezeigt zu haben, wohin Mein Lob an den ungerechten Haushalter abzielt, und Ich habe dadurch in dir die eine krumme Linie zu einer geraden gemacht.

7. Jetzt kommt es noch auf den von Meinem Gastmahle wegen des unfestlichen Kleides Hinausgeworfenen, von dir benannten ,armen Teufel‘ an.

8. Siehe, daß die Geladenen nicht erschienen sind und sich wegen ihrer Weltgeschäfte haben entschuldigen lassen – siehe, das sind lauter solche sehr ungerechte Haushalter, die aber von Mir aus kein Lob verdienen; die anderen, später Geladenen auf den Gassen, Straßen und an den Zäunen sind aber solche, die, wenn irdisch auch arm, innerlich durch ihr gerechtes Leben nach Meinem Gesetze dennoch festlich gekleidet sind.

9. Der eine, der aber auch zu Meinem Gastmahle kam, stellte durch seine Persönlichkeit das starre Pharisäertum dar und nahm denn auch Platz an Meinem Gasttische. Als Ich aber Selber kam, wie es nun vor euch allen der Fall ist, da erkannte Ich, Mein lieber Simon Juda, daß dieser dein ,armer Teufel‘ kein festliches Gewand anhatte, und Ich habe darum Meinen Dienern befohlen, ihn zu ergreifen und in die äußerste Finsternis hinauszuwerfen.

10. Und siehe, dieses Gastmahl gebe Ich soeben jetzt, – seit der Zeit, als Ich als Führer und Lehrer der Menschen in dieser Welt aufgetreten bin, und du wirst es auch schon zu öfteren Malen bemerkt haben, daß sich bei gar verschiedenen Gelegenheiten derlei Gäste zu Meiner Tafel drängten, die Ich durch Mein Wort auch allzeit zur Tür hinauswerfen ließ, – und warum denn? Weil sie eben kein festliches Kleid anhatten! Verstehst du, Simon Juda, nun, was Ich mit dem unfestlich gekleideten Gaste an Meinem Gastmahlstische habe anzeigen wollen?“

11. Sagte Simon Juda: „Ja, Herr und Meister, ich verstehe das nun mehr als sonnenklar und sage aber auch hinzu, daß sich am Tische Deines Gastmahles sicher noch zu sehr öfteren Malen solche Gäste einfinden werden, die kein festliches Gewand anhaben, und ich meine, es wäre an der Zeit, solche Gäste alsbald von dem Mahlzeitstische zu entfernen.“

12. Sagte Ich: „Allerdings, doch auf dieser Welt wird sich das wohl nicht immer ausführen lassen! Ich will euch dafür ein anderes Sämannsbild aufstellen, nach dem ihr euch in der Folge zu richten habt, und so höret!“

218. Kapitel. Das Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen.

1. (Der Herr:) „Es war ein Hausherr, der hatte viele Weinberge, Wiesen, Gärten und Äcker. Er bekam aber einen überaus edlen und reinen Weizen von seinem Vater und sagte darauf zu seinen Knechten: ,Gehet hin und reiniget mir einen großen Acker auf das sorgfältigste, auf daß, so ich den reinsten und edelsten Weizen auf den Acker säe, mir kein Unkraut dazwischen aufgehe!‘

2. Die Knechte taten das, und der Weizen wurde auf den gereinigten Acker reichlich gesät; und er ging bald auf, und der Herr des Ackers hatte eine rechte Freude, daß er zwischen dem aufgegangenen Weizen kein Unkraut bemerkte.

3. Doch nach einer Zeit, als der Weizen schon hoch emporgewachsen war, daß er in die Ähren zu schlagen anfangen konnte, siehe, da kamen auf einmal die Knechte zum Hausherrn und sagten: ,Herr, wir haben den Acker gereinigt und nach deinem Willen den reinsten Weizen in denselben gesät, und er ging auch rein auf, worüber du selbst eine große Freude hattest; aber siehe, nun, da der Weizen schon bald in die Ähren schlagen sollte, schießt auf einmal eine Menge Unkraut zwischen dem Weizen hervor! So du willst, wollen wir hingehen und das Unkraut ausjäten!‘

4. Sagte darauf der Herr des Ackers: ,Lasset das nun gut sein, auf daß ihr durch eure Arbeit nicht auch dem bereits hoch aufgegangenen edlen Weizen schadet; denn ich weiß es schon, daß mir solches ein Feind getan hat! Lasset daher alles bis zur Reife kommen, den Weizen samt dem Unkraut! Mit der Zeit der Reife des Weizens werde ich durch euch, meine Diener, den Weizen sammeln lassen und bringen in meine Scheune, – darauf aber dann erst auch das viele Unkraut zusammenbinden lassen in Bündel, bis es dürre wird; dann wollen wir es zur weiteren Reinigung des Ackers anzünden und verbrennen!‘

5. Sehet, das ist das Bild, aus dem ihr lernen sollt, was ihr in bezug auf das Unkraut auf Meinem Lebensacker zu tun habt!

6. Der edle Weizen stellt jene Menschen dar, die bei Meiner Gastmahlstafel ein rechtes Festkleid anhaben, das Unkraut aber stellt insgesamt jenen Gast dar, der kein hochzeitliches Festgewand anhatte. Er bediente sich zwar auch so lange der auf den Tisch gesetzten Speisen, bis der scharfsichtige Gastgeber selbst ins Gastzimmer kam, – was das Reifwerden des edlen Weizens und des Unkrautes bezeichnet.

7. Die festlich geschmückten Gäste werden behalten, und der unfestlich gekleidete wird in das Zornfeuer des Gastgebers hinausgeworfen werden, und er wird dann dazu dienen müssen, daß durch sein Verbrennen er den verunreinigten Acker am Ende selbst reinigen wird.

8. Ihr werdet darum auf dieser Welt noch auf gar viele unfestlich gekleidete Gäste kommen (treffen) und gar viel Unkraut unter dem reinen Weizen aufwuchern sehen; aber ereifert euch darum nicht allzusehr, und lasset alles zur Reife kommen, – und wartet ab, bis der große Gastgeber Selbst kommen wird! Dann wird mit Ihm auch die gehörige Ausscheidezeit kommen, und es wird einem jeden das zum Lohne werden, nach dem seine gute oder böse Liebe gestrebt hat. Denn in Meinem Hause gibt es zwar sehr viele beseligende Wohnungen, aber daneben auch sehr viele Kerker, und die Meine vielen Kerker den beseligenden Wohnungen vorziehen und sie zu bewohnen trachten, die sollen denn auch das haben, was sie wünschen, und wir werden sie nicht und niemals durch was immer für eine Gewalt aus denselben herausziehen und durch sie dann unsere reinsten Himmelswohnungen verunreinigen. Würden sie sich aber selbst eines Besseren bedenken, so sollen ihnen darin auch keine Schranken gesetzt werden. – Verstehet ihr nun alles das?“

219. Kapitel. Die Kennzeichen eines falschen Propheten.

1. Sagte Simon Juda: „O Herr und Meister, ich verstehe das nun alles so hell und klar, daß es mir vorkommt, als wäre es unmöglich, die Sache noch klarer zu verstehen! Doch muß ich das auch offen hinzubekennen, daß uns, Deinen ersten Jüngern, ein solches Verständnis wohl leichter ist, weil wir durch deine Gnade und Liebe bei den vielen Gelegenheiten große und ähnliche Erklärungen vernommen haben; aber es wird das so manche Schwierigkeiten haben, derlei Wahrheiten auch vielen andern, noch in der Finsternis wandelnden Menschen ebenso klarzumachen, als wie klar wir sie nun selbst einsehen, und es wird, o Herr und Meister, mit so mancher Deiner ganz einfach ausgesprochenen Lehren nicht viel besser gehen als mit den gar vielen Lehren aus dem Munde der Propheten, besonders der Propheten Daniel und Hesekiel, und den Lehren, die der Weisheit Salomos entstammen. Denn je öfter man sie liest, oder je öfter man sich dieselben vorlesen läßt, desto weniger versteht man sie!

2. Und so einen ähnlichen Charakter hat auch Deine Lehre, besonders dort, wo Du in Gleichnissen und Bildern sprichst. Wir verstehen jetzt Deine Gleichnisse und Bilder wohl; aber viele Tausende und abermals Tausende, die nach uns kommen, werden Deine Lehre auch annehmen, werden aber die Gleichnisse und Bilder nicht verstehen und ihnen höchstwahrscheinlich nur zu oft einen falschen Sinn beilegen, und so wird denn Deine so reine und wahre Lehre vielfach zerklüftet werden. Was sollen wir aber tun, um diesem Übel zu begegnen?“

3. Sagte Ich: „Sagte Ich euch nicht, daß es euch, als den von Mir erwählten Jüngern und Mir nachfolgenden Volkslehrern, gegeben ist, die Geheimnisse Meines Reiches zu verstehen? Denn ein jeder Lehrer und Meister muß offenbar mehr kennen und verstehen als sein Jünger, sonst könnte er kein Lehrer und Meister sein!

4. Es würde, so der Meister nicht klüger wäre denn der Jünger, also gehen und stehen, wie wenn ein Blinder den andern führte, so lange, bis eine Grube da wäre, in die dann beide zugleich hineinfallen würden; darum sind nur wenige auserwählt, wennschon viele berufen.

5. Sie sollen anfangs nur mit der ganz einfachen Milch Meiner Lehre genährt werden; werden sie dann männlich und kräftig, da kann man ihnen denn schon auch eine männlichere und kraftvollere Kost verabfolgen. Daher habt auch vor allem darauf acht, daß sich nicht irgend nur bloß Berufene erheben und zum Volke sagen: ,Auch wir gehören zu den Auserwählten!‘, um dasselbe dann zu belehren um irdischer Vorteile willen; denn da würde auch ein Blinder den andern führen!

6. Wer aber unter den Menschen ein Erwählter ist, das werdet ihr daraus erkennen, daß er von Meinem Geiste gleich wie auch ihr erfüllt ist und eine wahre Liebe zu Gott und zum Nächsten predigen wird.

7. Predigt er aber, gleichwie da im Tempel predigen die Pharisäer, so ist er auch ein von den Pharisäern Erwählter und ist gleich ihnen von dieser Welt und gleich ihnen ein Teufel; denn wer da nicht durch die wahre Liebe und Weisheit aus Mir sammelt, der zerstreut und ist ein Falschlehrer und stürzt die Menschen in den Aberglauben, aus dem sie dann auch, besonders so die Menschen älter geworden sind und sich in die Finsternis des Aberglaubens so recht fest hineingewachsen haben, alle Engel des Himmels nicht mehr in die Sphäre der reinen Wahrheit bringen können, durch die sie dann frei würden in allen Dingen. Und Ich sage es euch, daß da alle Übel leichter von einem Menschen zu entfernen sind als ein Aberglaube, denn bei jedem andern Übel ist die Seele des Menschen nur teilweise gefangen, aber durch den finsteren Aberglauben ganz!

8. Darum, wie Ich euch schon einmal gesagt habe, daß sogar noch zu eurer Lebenszeit eine Menge falscher Lehrer und Propheten und mit ihnen auch eine Menge falscher Christusse aufstehen, das Volk belehren und sagen werden: ,Siehe, hier ist Christus!‘ oder ,Dort ist Er!‘ oder ,Er wohnt in den Tempeln!‘ oder ,in den Kammern!‘, so saget es solchem Volke, daß es mit solcher Lehre betrogen sei!

9. Und welches Volk sich nach euch kehren wird, dem leget eure Hände auf, und taufet es in Meinem Namen! Ich werde über sie Meinen Geist ausgießen, und sie werden die Wahrheit erkennen und dann die falschen Propheten und die falschen Christusse selbst aus der Gemeinde schaffen.

10. Werden aber irgend die verführten Menschen euch nicht hören wollen und euch noch verfolgen ihrem falschen Lehrer und Propheten zuliebe, dann wendet euch von ihnen ab und ziehet weiter, wohin euch Mein Geist ziehen wird! Alles andere aber überlasset Mir; denn Ich werde zur rechten Zeit solche falschen Lehrer und Propheten schon mit Meinen Gerichten heimzusuchen verstehen, und jenseits soll es solchen falschen Lehrern und Propheten also ergehen wie dem Gaste bei Meinem Festmahle, der kein hochzeitliches Kleid anhatte, und die von ihnen finster gemachten Seelen werden ihre bittersten Verfolger sein!

11. Es ist genug, so Meine Lehre nur unter wenigen rein erhalten wird, und dafür wird zu allen Zeiten gesorgt sein. Aber der Janhagel (Pöbel) der Weltmenschen soll sich bis ans Ende fortwälzen und baden in seinem alten Kote und Morast, und da gilt wieder Mein Gebot an euch, demzufolge ihr Meine Perlen nicht den Schweinen vorwerfen sollt.

220. Kapitel. Über die Wundertätigkeit.

1. (Der Herr:) „Es solle wohl Mein Evangelium über die ganze Erde ausgebreitet werden, aber dabei lege Ich keinem wahren Lehrer und Propheten die Pflicht auf, daß durch sie alle Menschen zum Vollichte der Wahrheit aus Mir gebracht werden sollen, – es genügt, daß die reine Lehre dem besseren und vollkommeneren Menschen erteilt wird und das Recht, diese, soviel als möglich ist, auch unter die andern Menschen zu verbreiten. Wohl denen, die sie annehmen werden! Aber das wird kein noch so vollkommener Lehrer und Prophet zuwege bringen, daß auf den Dornen die Trauben und auf den Disteln die Feigen wachsen werden.

2. Ich bin doch der Herr Selbst, und ihr wißt, daß Mir nichts unmöglich ist, – aber die Menschen dieser Erde, solange Ich ihnen den vollkommen freien Willen belassen muß, kann selbst Ich nicht bei aller Meiner Liebe und Meinem besten Willen in die Sphäre Meines ewigen Wahrheitslichtes erheben. Was Ich aber Selbst nicht kann und vermag, das werdet ihr um so weniger können und vermögen.

3. Es dünket euch freilich, es sollte Mir auch so etwas durch ein großartigst gewirktes Wunder möglich sein, und Ich sage euch, daß ihr teilweise wohl recht habt, – aber im ganzen gar nicht! Denn ein Wunder wirkt wohl örtlich, und das besonders zur Zeit, wenn es gewirkt worden ist, – an andern Orten muß davon schon erzählt werden, und es werden dann wohl einige daran glauben, die andern aber werden sagen: ,Wenn dort das Wunder zur Erweckung des Glaubens gewirkt worden ist, – warum denn bei uns nicht?‘ Und für die Folge der Zeiten wird ein noch so großartig gewirktes Wunder wie eine andere geschehene Sache um so weniger geglaubt, je mehr Aufhebens davon gemacht wird, geht somit in den Bereich der geschichtlichen Märchen und Fabeln über und dient bei der überwiegenden Leichtgläubigkeit der Menschen mehr zur Bekräftigung ihres andersartigen Aberglaubens und dient daher nicht zur Erweckung des wahren Lichtes im Herzen des Menschen.

4. Die Menschen unterscheiden da gar nicht ein wirklich wahres Wunder von einem falschen, betrachten beide für etwas Außerordentliches und lassen sich dadurch zum Glauben zwingen.

5. Darum sollet auch ihr so wenig als möglich irgendein Wunder wirken, außer kranke Menschen heilen durch die Auflegung eurer Hände und die Menschen, die vollgläubig geworden sind, taufen, damit sie den Geist der Wahrheit in sich aufnehmen.

6. Darum haltet ihr euch vor allem nur an die reine Wahrheit; denn diese allein macht den Menschen vollkommen frei; alles andere hinterläßt in seinem Gemüte einen stets mehr oder weniger haftenden Zwang, dessen er nicht leicht los wird. Ein Zwangsglaube aber ist zumeist um vieles schlechter als gar kein Glaube.

7. Die Stoiker, größtenteils aus der Lehre des Griechen Diogenes hervorgehend, glauben an gar nichts, und Ich sage euch, daß sie Mir als Menschen um vieles lieber sind als jene dummen, blindgläubigen Juden, die da noch heutzutage des Glaubens sind, daß der Tempelmist ihre Äcker, Gärten, Wiesen und Weinberge belebe und sie fruchtbar mache, und daß derjenige Gott einen viel wohlgefälligeren Dienst erweise, der sein Geld als Opfer in den Gotteskasten im Tempel zu Jerusalem lege, als so er dasselbe Geld einem andern armen Menschen darreichte, dem damit auf längere Zeit geholfen wäre. Daher prediget nur die Wahrheit vor allem und seid seltsam im Wunderwirken!“

8. Sagte hierauf endlich einmal Mein Johannes: „Herr und Meister, was mich betrifft, so werde ich mit der Wundertätigkeit mich sehr wenig abgeben; denn ich habe es jetzt klar eingesehen, daß das Zeichenwirken dem Menschen eben nicht so viel nützt wie das Wort allein.

9. Wen das wahre Wort nicht frei macht, den wird das Zeichen noch weniger frei machen. Es haben zwar die Zeichen schon auch ihr entschieden Gutes, wenn sie von Dir aus gewirkt werden, indem Du allein am besten zu berechnen imstande bist, wo ein Zeichen zu wirken nötig ist, und wie es beschaffen sein muß; aber wir, Deine Jünger, werden das nie vollkommen verstehen, solange unsere Seelen mit diesem Fleische umhüllt sind, und somit bin ich der Meinung, daß es besser ist, beim alleinigen Worte zu bleiben, das sich dann durch seinen Wahrheitsinhalt von selbst kräftigen wird und keiner Nebenbekräftigung bedarf, wie denn das auch bei unserer Rechenkunst mit Händen zu greifen verständlich gemacht werden kann.

10. Soll ich vor dem, dem ich beigebracht habe, daß zwei und noch einmal zwei genau vier ausmachen, etwa auch noch ein Zeichen wirken, das ihm diese Rechenwahrheit bekräftigen soll? Ich meine, daß das unnötig wäre; und so ist denn auch Deine höchst einfache Lehre in sich selbst gleich wie eine rechenkünstlerische Wahrheit, die ein jeder Mensch, so er nur einen Funken guten Willens besitzt, auf ein einzigmaliges Hören einsehen, verstehen und begreifen muß.

11. Denn es liegt dazu schon in jedem Menschen ein innerer Drang, erstens Den zu suchen, der die Welt und alles, was auf ihr ist, erschaffen hat, indem ein solcher Mensch wohl einsieht, daß der Schöpfer aller dieser großen Dinge höchst weise, höchst mächtig und auch höchst gut sein muß, und daß der Mensch, der Ihn also nur erkennt, Ihn schon über alles achten und lieben muß, und daß er darauf auch seine Nebenmenschen als ein ihm gleiches wunderbarstes Gotteswerk ebenso achten und lieben muß wie sich selbst. Das sind zwei mathematische Wahrheiten, wider die niemand einen Zweifel erheben kann. Und dann kommt zweitens, daß der Mensch, der solches klar begreift, daß Gottes Macht und Weisheit alle diese Dinge erschaffen hat, darauf auch einsehen muß, daß Gott derlei Wunderdinge nicht darum ins Dasein gerufen hat, daß sie von heute bis morgen gewisserart zum Zeitvertreib des Schöpfers da seien, sondern daß selbst das kleinste Seiner Werke für ewig hin eine stets höhere Bestimmung in sich trägt.

12. Ich meine, diese Wahrheit wird einem jeden Menschen auch ohne eine Zeichenwirkerei begreiflich sein; es kommt nur darauf an, wie man es ihm vorträgt.

13. Ja, zum Beispiel, irgend Kranke zu heilen, auch einen oder den andern Besessenen von seinen Plagegeistern zu befreien, also dadurch seinen Nebenmenschen Gutes erweisen, sind auch Werke der Liebe, aber sie sollen nicht deswegen gewirkt werden, damit die Wahrheit durch sie bekräftigt werde, sondern aus Liebe!

14. Herr und Meister, habe ich mit diesen meinen schlichten Worten recht oder vielleicht auch nicht völlig recht gesprochen?“

221. Kapitel. Von der Bekehrung durch Wunder.

1. Sagte Ich: „Mein lieber Johannes, du hast vollkommen wahr und richtig gesprochen, und es soll also auch Meine Lehre den andern Menschen überbracht werden, so wird sie auch bleibend gute Frucht tragen, – wird sie aber den Menschen mit zu vielen Wunderzeichen aufgedrungen werden, so wird sie gleichen einer notreifen Frucht, die selten einen wahren, inneren Gehalt hat und sich für die Folge schlecht aufbewahren läßt.

2. Denn alles Notreife hat wenig inneren Geist und geht bald und leicht in Fäulnis und in Verwesung über, – denn was bald und leicht bewirkt werden kann, gleicht auch demjenigen Bauherrn, der sein Haus im Tale mit geringen Unkosten auf Sand gebaut hat, das, als Stürme und Wolkenbrüche kamen, denselben keinen Widerstand leisten konnte, sondern ward niedergerissen. Und ebenso geht es mit der Lehre vom Reiche Gottes, welche mit Hilfe der vielen Zeichen und Wunder den Menschen gepredigt und aufgedrungen wurde.

3. Ja, die Menschen nehmen die Lehre auch leicht und bald an; wenn aber mit der Zeit Versuchungen und Prüfungen über sie kommen, so wissen sie dann den Versuchungen nichts entgegenzustellen – das heißt jenen Menschen, die sie mit einer andern und falschen Lehre versuchen – als eben nur die erlebten Wunderzeichen. Wirken nun die Versucher als falsche Lehrer und Propheten ihre falschen Wunder vor den Augen solcher notreifen Christen, so haben diese notreifen Christen gar nichts, wodurch sie die innere Wahrheit Meiner Lehre bekräftigen könnten, fallen dann ab und gehen zu den falschen Lehrern und Propheten über.

4. Denn derlei Menschen, weil sie in sich noch nicht die Wahrheit begreifen, sind gleich einem Schilfrohr, das sich vom Winde nach allen Seiten hin beugen läßt.

5. Mit den Eichen und Zedern aber können die Winde kein solches Spiel treiben. Den Eichen und Zedern aber gleichen nur jene Menschen, die durch die pure Wahrheit Meiner Lehre zu Mir bekehrt worden sind. Vor denen mögen die falschen Lehrer und Propheten ihr tausendfaches Windspiel treiben, und sie werden sich nicht beugen, denn die Kraft der inneren Wahrheit ist mächtiger denn alle andern Kräfte auf der ganzen Erde.

6. Wer von euch bei der Verbreitung Meiner Lehre sich das zum Grundsatze machen wird, der wird wahrlich demjenigen Sämanne gleichen, der den Weizen nur in einen guten Acker säte und bald darauf eine hundertfache Ernte hatte; wer aber diesen Lehrgrundsatz nicht oder weniger beachten wird, der wird seinen Weizen auch auf Wege und Straßen, auf Steine und Felsen und zwischen die Dornen und Disteln aussäen und wird von seiner Arbeit und Mühe eine schlechte Ernte haben.

7. Also sollet ihr auch von den Wundertaten, die Ich gewirkt habe, nicht viel Aufhebens machen, aber dafür lieber den Menschen recht klar vor Augen stellen die Wunder und Zeichen, die Ich vor jedermanns Augen tagtäglich wirke, und ihr werdet dadurch um vieles bessere und reichlichere Früchte ernten, als so ihr den Menschen in aller Länge und Breite Meine Wundertaten vorerzählt. Denn werden die Menschen einsehen, daß Ich der Herr und der Meister von Ewigkeit in allen Dingen bin, so werden sie etwa wohl auch einsehen, daß Mir während Meines leiblichen Daseins eben auch nichts unmöglich zu bewirken war.

8. Wer dieses versteht, der handle auch danach, und er wird gute Früchte Mir verschaffen! Doch sage Ich euch nun auch, daß es noch einige unter Meinen Jüngern gibt, die das nicht also verstehen wie Mein Jünger Johannes. Darum wird auch sein Wort sich halten bis ans Ende der Zeiten, aber nicht also auch jedes anderen Jüngers Wort, besonders dessen nicht, der seinen Mund zu sehr im Weitererzählen über Meine Wundertaten auftun wird.“

9. Diese Meine Rede, so wie die frühere des Johannes mundeten zwar einigen andern hier anwesenden Jüngern nicht besonders, aber es getraute sich dennoch keiner etwas dagegen einzuwenden.

222. Kapitel. Notreife und vollreife Seelen.

1. Es erhob sich aber hierauf der Oberstadtrichter und sagte: „O Herr und Meister, ich, der Wirt und sein ganzes Hausgesinde, wie auch diese drei Apollopriester und jene zwei Pharisäer und Juden sind vorderhand wohl zuerst durch Deine hier gewirkten Zeichen zum Glauben an Dich bekehrt worden, obschon ich in mir nun selbst überzeugt bin, daß mir Deine vielfachen Belehrungen um vieles mehr genutzt haben als Deine Zeichen; aber kurz und gut, wir sind zuerst dennoch nur durch Deine Zeichen auf Dich aufmerksam gemacht worden, und es war dann auch mit uns bald und leicht zu reden, weil wir einsahen, daß derlei Zeichen kein Mensch auf der ganzen Erde zu bewirken imstande ist.

2. Sollen wir aber nun deshalb, weil wir zuerst durch Deine Zeichen zum Glauben an Dich erhoben wurden, auch in die Klasse der notreifen Früchte gehören, und sollte es wohl möglich sein, daß darum auch uns ein von irgendwoher kommender anderer, falscher Lehrer und Prophet durch seine allfälligen, ebenfalls falschen Wunder und Zeichen von unserem Glauben an Dich abwendig machen könnte?

3. Von mir kann ich das behaupten, daß es solch einem falschen Lehrer und Propheten nimmer gelingen würde, indem ich alle die falschen Wunderzeichen ihrer Natur nach nur zu wohl kenne; denn ich habe derlei Magier, deren Geschäft es war, sich mit allerlei Wundern abzugeben, nur zu häufig gesehen und bin in ihre Wundertätigkeitsgeheimnisse eingedrungen, was für mich im Grunde sehr gut war, weil ich dadurch alles Aberglaubens ledig geworden bin und mich dadurch dann mit einer desto größeren Vorliebe zu den Werken der alten Weltweisen gewendet habe.

4. Da Du aber hier Zeichen gewirkt hast – sowie auch Dein Diener Raphael –, die auf jedem natürlichen Wege unmöglich sind, so habe ich in Dir denn auch den einen und allein wahren Gott in aller Seiner Allmachtsfülle gefunden und glaube nun an Dich fester, als wie fest da ist ein Diamant, und bin aber nun noch mehr von der Kraft der Wahrheit in Deinem Worte in meinem Innern im Glauben an Dich gestärkt denn durch die zwingende Macht Deiner Zeichen, indem Du mir und allen die Gnade erwiesen hast, die Art und Weise, wie Du Deine Zeichen bewirken kannst, überaus hell zu erklären; aber es fragt sich nun dessenungeachtet, ob ich und auch die andern von hier zu den notreifen Früchten gehören.

5. Sagte Ich: „Mitnichten, Mein lieber Freund, denn ein gewirktes Zeichen ist nur für den gewisserart eine Notreifwerdung, der auf das gewirkte Zeichen alsogleich gläubig geworden ist und sich darauf um nichts Weiteres mehr bekümmert hat. Siehe, das war aber bei dir durchaus nicht der Fall, denn du bist Mir auch nach Meinem gewirkten Zeichen mit ganz kuriosen Einwürfen gekommen, und Ich habe dann mit Meinem Worte sogar eine rechte Not gehabt, dich auf den rechten Weg zu setzen, was wahrlich keine leichte Aufgabe war; denn du hast sogar dann noch, als du in dir schon an Mich glaubtest, eine scharfe Kritik über Mein Verhalten zu allen Geschöpfen, und so auch besonders zu den Menschen auf dieser Erde, Mir an den Hals geworfen, und hätte Ich mit der Wahrheit Meiner Rede nicht auf das kräftigste zu begegnen verstanden, so hätten dich alle Meine gewirkten Zeichen nicht dahin gebracht, daß du an Mich völlig geglaubt hättest. Du bist daher vielmehr durch die Kraft der Wahrheit in Meiner Rede zum wahren Glauben an Mich erhoben worden, und Meine vor- und nachher gewirkten Zeichen hast du da nicht mehr als eine Kräftigung deines Glaubens an Mich angenommen, sondern nur als eine dir und dieser Stadt erwiesene Wohltat, deren Bewirkungsmöglichkeit du nun selbst so gut einsiehst wie Ich und Raphael – und in der kurzen Folge noch besser einsehen wirst.

6. Was aber ein Mensch in seinem Herzen und Geiste, gewisserart von Faser zu Faser analysiert, einsieht und begreift, das dient für ihn nicht mehr zu einer Glaubensnötigung, sondern nur zur Vollkräftigung seines Geistes in ihm, und er gehört darum nicht mehr in die Klasse der notreif gewordenen Früchte, sondern schon in die Klasse der vollreif gewordenen. Denn Ich sage es dir: Ein jeder Mensch, der in seinem Leben irgend eine Wahrheit vernimmt, aber ihre inneren Grundelemente noch nicht näher kennt, an die vernommene Wahrheit aber doch glaubt, ohne sich weiter um die inneren Elemente zu kümmern, der gehört noch sehr zu einer unreifen Frucht; wer aber über die vernommene Wahrheit so lange allerlei Zweifel in sich aufkommen läßt, bis er hinter alle ihre Grundelemente gekommen ist, der gehört wahrlich zu keiner notreifen, sondern zu einer vollreifen Frucht.

7. Denn Mir gegenüber muß ein Mensch entweder ganz kalt sein oder schon ganz heiß in seinem Herzen, so er von Mir angenommen werden will, – denn die Lauen sollen von Mir so lange ferne gehalten werden, bis sie entweder kalt oder heiß werden. Ein entschiedener Charakter ist Mir tausend Male lieber als tausend Unentschiedene; denn diese Unentschiedenen gleichen den rohen Töpfen auf der Drehscheibe eines Töpfers, die so lange zu nichts zu gebrauchen und zu verwenden sind, bis sie im Feuer gehärtet worden sind. Und so müssen auch diese lauen Menschen zuvor durch allerlei Prüfungs- und Versuchungsfeuer gehen, bis sie für Mich und Mein Reich geschickt und tauglich werden.

8. Ich meine, dir nun damit alles gesagt zu haben, was zu deiner und euer aller Beruhigung vollkommen dienen kann. Ich könnte dir zwar noch so manches darüber sagen, aber wozu? Wer die Wahrheit einer kurzen Rede vollkommen einsieht, für den ist eine längere Belehrungsrede überflüssig; wer aber die Wahrheit einer kurzen Belehrungsrede nicht einsieht, der wird dieselbe noch weniger einsehen in einer langen Belehrungsrede. – Bist du mit dieser Meiner Belehrung einverstanden und zufrieden?“

9. Sagte der Oberstadtrichter: „O Herr und Meister, – überaus, und ich möchte sagen, tausend Male mehr als vollkommen, und es bleibt mir und uns allen nichts anderes übrig, als Dir aus dem tiefsten Grunde unserer Herzen bis an unser diesirdisches Lebensende zu danken. Du, o Herr und Meister, – Du hast durch diese Deine uns erwiesene Gnade Dir in unseren Herzen einen Tempel erbaut, den alle Macht der Welt nimmer zu zerstören imstande sein wird; bewahre aber auch diesen Deinen Tempel vor zu großen Versuchungsstürmen!“

10. Sagte Ich: „Um was ihr bitten werdet, das wird euch auch gegeben werden!

11. Nun ist es aber schon gegen die Mitte der Nacht geworden, und so wollen wir denn auch unserem Leibe eine kurze Ruhe gönnen; am Morgen früh werden wir uns noch vor Meiner Abreise sehen und sprechen.“

12. Darauf begaben wir uns alle zur Ruhe.

223. Kapitel. Judas Jschariot.

1. Früh am Morgen befand sich alles schon auf den Füßen, und Ich ebenfalls mit Meinen Jüngern, und der Wirt hatte sein Weib und seine Küchendienerschaft auch schon frühzeitig in Bewegung gesetzt, um für uns ein Morgenmahl zu bereiten.

2. Ich begab Mich aber sogleich mit Johannes, Petrus und Jakobus ins Freie, und zwar wieder auf den schon bekannten Berg Nebo. Die andern Jünger hatten noch mit ihren Anzügen und mit dem Waschen zu tun; auch waren ihre Haare in Unordnung, und sie mußten sie zurechtbringen.

3. Der Wirt selbst und sein Sohn aber kamen Mir bald nach, – so auch der Oberstadtrichter, diesmal mit seinem Weibe und Kindern, die eben noch nicht sehr groß und sehr alt waren. Auch die drei Apollopriester ließen nicht lange auf sich warten. Kurze Zeit darauf kamen auch die andern Jünger, mit Ausnahme des Judas Ischariot; denn dieser hatte sich lieber in der Stadt herumgetrieben und den Bürgern die Wohltat Meiner Wunderwerke so recht angepriesen, die ihn dann mit mehr oder weniger Geld beschenkten, das er in seinen Beutel schob, worauf er dann in die Herberge ging und sich sogleich noch eine volle Stunde vor dem Morgenmahle Brot und Wein vorsetzen ließ.

4. Der Wirt fragte Mich zwar auf dem Berge, was es mit dem einen Jünger für eine Bewandtnis habe, daß er diesmal nicht anwesend sei.

5. Und Ich sagte zum Wirte: „Laß ihn abwesend sein; denn Mir ist sein Abwesendsein lieber als sein Anwesendsein, und mehr brauche Ich dir nicht zu sagen!“

6. Nun fragte Mich der Oberstadtrichter, sagend: „O Herr und Meister, wie ist jener Mensch in die Zahl Deiner Jünger aufgenommen worden? Denn siehe, ich frage Dich nicht umsonst; dieser Mensch ist mir bei meinem richterlichen Scharfblick sogleich aufgefallen, weil er niemandem gerade ins Gesicht schauen konnte und auch bei Deinen überaus göttlichen Reden und Vorträgen ganz teilnahmslos finster vor sich hinblickte und mit keiner Miene irgendein Erstaunen oder irgendeinen Beifall zu erkennen gab! Auch gab er kein Wort von sich, damit man doch wenigstens hätte wissen können, welches Redeorgan er besitzt, während doch alle Deine andern Jünger hin und wieder redeten, teils mit Dir Selbst, zum Teil auch untereinander. Kurz, ich muß Dir sagen, daß mir dieser Dein Jünger durchaus nicht gefällt. Wenn ich einen solchen unter meinen vielen Dienern hätte, so hätte ich ihm schon lange den Laufzettel gegeben. Von welcher Stadt ist er denn gebürtig?“

7. Sagte Ich: „Er ist ein Galiläer und seiner Profession nach ein Töpfer. Er ist unter allen Meinen Jüngern der schriftkundigste und als irgend ein Lehrer voll Redeschwunges; aber er ist dabei auch voll Geldgeizes, und das ist der eigentliche Teufel in ihm, dessen er nicht loswerden wird, – denn jede Gattung von Teufeln und bösen Geistern, so sie eines Menschen Herz einmal gefangengenommen haben, sind leichter aus dem Menschen zu schaffen als der Geizteufel.

8. Denn in einem jeden andern argen Geiste sind noch Fünklein von einer Nächstenliebe anzutreffen, aber bei einem Geizteufel nicht; darum ist er auch der hartnäckigste und durchdringt den ganzen Menschen so, bis dieser ihm ganz ähnlich wird, und er kann ihn dann zu den allerschändlichsten Taten am besten gebrauchen. Darum hüte sich ein jeder vor allem vor dem Geiz; denn ein jeder Sünder wird leichter und eher in das Reich Gottes eingehen denn ein Geizhals!“

9. Sagte der Oberstadtrichter: „Wenn Dein Jünger von dieser Art ist und Du doch allmächtig bist, schaffe ihn von Dir! Denn was hat ein solcher Mensch in Deiner Gesellschaft zu tun?“

10. Sagte Ich: „Eben darum, weil Ich der Herr und allmächtig bin, muß Ich – besonders auf dieser Erde, welche eine Pflanzschule für Meine Kinder ist – auch die Teufel ebensogut dulden wie die Engel; denn niemand kann ohne den vollkommensten freien Willen Mein Kind werden, und dem Teufel selbst ist der Weg zur Umkehr nicht völlig abgesperrt. Und somit wirst du auch einsehen, daß Ich einen Jünger, an dem Ich sonst gar kein Wohlgefallen habe, so lange in Meiner Nähe dulde, als er selbst in derselben verbleiben will; will er sich aber heute von Mir entfernen, so wird ihm von niemandem aus Meiner Gesellschaft der Weg vertreten werden.

11. Übrigens, so er sich nicht ändert, wird er in Kürze schon seinen Lohn finden. Doch lassen wir jetzt den abwesenden Jünger; denn es gibt ja noch andere Dinge, die wir zu besprechen haben!

12. Nach dem Morgenmahle werde Ich ohnehin alsogleich fortreisen und Mich in die Gegend hin begeben, wo der altbekannte Bach Arnon seinen Ursprung nimmt. Denn von hier sind die Wege ins Jordantal hinab sehr böse und beschwerlich; aber durch das Arnontal führt ein noch ziemlich guter Weg, der aber späterhin auch zu einem sehr beschwerlichen werden wird.

13. Ich aber habe noch manches zu tun im Jordantal, und es wird sich noch eine kurze Zeit verziehen, bis Ich hinauf nach Jerusalem komme!“

224. Kapitel. Die Warnung Jesu vor Trägheit.

1. Sagte der Oberstadtrichter: „Herr und Meister! Dir sind offenbar alle Wege und Stege auf der Erde bekannter denn mir, doch weiß ich, daß man auch von dieser Stadt aus – aber mehr in nördlicher Richtung – hinab ins Jordantal gelangen kann auf einem noch so ziemlich passierbaren Fußsteige!“

2. Sagte Ich: „Mein Freund, das weiß Ich wohl, aber Ich weiß noch viel anderes, was du nicht weißt, – und unter dem vielen anderen Meines Wissens befindet sich auch das, daß Ich weiß, welchen Weg Ich zu nehmen habe, welchen Ort zu besuchen, und in welcher Zeit Ich in dem zu besuchenden Orte einzutreffen habe; denn bei Mir geht es nicht wie hie und da bei den Menschen, die da bei einer bevorstehenden Arbeit sagen: ,Siehe da, die Arbeit muß ja nicht gerade am heutigen Tage vorgenommen werden; es wird sich wohl morgen oder auch übermorgen noch eine Zeit dazu finden!‘

3. Ich aber sage: Was ihr heute wohl tun könnet, das sollet ihr nicht auf den andern Tag verschieben. Denn so ein Hungriger und Durstiger zu euch käme und möchte euch bitten um etwas Speise und Trank, ihr aber würdet sagen: ,So komme du morgen, denn heute haben wir keine Zeit dazu, dich zu bedienen!‘, meinst du wohl, daß dem Armen damit gedient sein wird? Und gehört eine solche Verlegung einer Wohltuenszeit auch in die Sphäre Meiner euch gepredigten Nächstenliebe?

4. Gehört aber dieses nicht zur Nächstenliebe, so gehört auch überhaupt das Verlegen einer Arbeit auf den nächsten Tag, die man gar wohl um den einen Tag früher hätte verrichten können, nicht zur Nächstenliebe, sondern es gehört ein solches Verlegen der Arbeit in die Klasse der Trägheit der Menschen, – und die Trägheit ist allzeit der Anfang zu allerlei Sünden und Lastern. Denn ein allzeit gleich tätiger Mensch in rechten und guten Dingen wird wenig Muße finden, eine oder die andere Sünde zu begehen; aber der träge Mensch wird stets mehr und mehr in seiner Trägheit nachzudenken anfangen, womit er sich seine Langeweile, die aus seiner Untätigkeit entsprungen ist, vertreiben könnte. Und da ein jeder Mensch fortwährend sowohl von guten als auch von bösen Geistern umgeben ist, so versteht sich das von selbst, daß sich die bösen Geister eher einen Zugang zu einem trägen Menschen verschaffen können denn zu einem tätigen; und haben sich diese bösen Geister einmal den Zugang zu einem Menschen verschafft, so verstricken sie sein Gemüt auch bald mit allerlei unnützer Phantasie und ziehen ihn stets mehr und mehr in ihre schmutzigen und finsteren Sphären hinab.

5. Da ihr das nun wisset, so verschiebet eine Arbeit nicht auf den nächsten Tag, die ihr gar wohl heute ausüben könnt!“

6. Sagte darauf der Oberstadtrichter: „Aber, Herr und Meister, ich danke Dir auch für diese Belehrung, denn ich habe daraus entnommen, daß ich auch als Heide nicht unrecht hatte, solche Deine Belehrung schon seit geraumer Zeit zu einem ersten meiner Lebensgrundsätze zu machen, und auch ein jeder Diener bei mir hat diesen Lebensgrundsatz auf das strengste zu befolgen, und so haben wir in unserer Amtssphäre auch niemals etwelche lästigen Arbeitsrückstände!“

7. Sagte Ich: „Ja, ja, Ich kenne eure römischen Gesetze; die sind gut, und wer sie beachtet, fährt in der Welt nicht schlecht! – Aber nun naht sich die Sonne ihrem Aufgange, und wir wollen ihr unsere Aufmerksamkeit widmen!“

8. Darauf fing alles an, die lichten Wölkchen im Osten zu betrachten, die ein ganz rosenrotes Aussehen hatten und stets glänzender und glänzender wurden, was allen, besonders den drei Apollopriestern, so wohl gefiel, daß sie bald in die Lobsprüche des Gottes Apollo übergegangen wären; aber sie ermahnten sich bald und fingen an, Mich zu preisen, und sagten, daß Ich der eigentliche, wahre, ewige Apollo sei, der die Sonne auf- und untergehen lasse, so wie auch den Mond und alle die andern Sterne.

9. Ich aber sagte zu ihnen: „Meine lieben Freunde, Ich heiße nur ,Herr und Meister‘, und so verschonet Mich mit dem Namen ,Apollo‘; denn was dieser zu bedeuten hat, habe Ich euch schon gestern ganz gründlich erklärt!“

10. Damit waren die drei Apollopriester zufrieden und dankten Mir für diese Zurechtweisung.

225. Kapitel. Über die Sparsamkeit.

1. Es fragte Mich aber hierauf der Wirt: „Herr und Meister, wie sieht es denn mit der gepriesenen Tugend der Sparsamkeit aus, die auch zu den Hauptlebensgrundsätzen der Römer gehört? Denn es heißt: ,Wer in der Jugend spart, der braucht im Alter nicht zu darben!‘, und dieser Lebensgrundsatz ist auch bei den Juden beinahe häufiger als unter den Römern anzutreffen.“

2. Sagte Ich darauf: „Bei den Römern aber gibt es auch noch einen anderen Lebensgrundsatz, und der lautet: ,In medio beati!‘ oder: ,Golden ist die Mittelstraße!‘ Ich sage dir, daß eine rechte Sparsamkeit so lange eine Tugend ist, als sie sich nicht zu einem sehr hohen Grade versteigt, und solange nicht einer oder der andere Nebenmensch an der Seite eines zu Sparsamen mehr oder weniger benachteiligt wird; denn wenn bei der Sparsamkeit der letztere Fall eintritt, so hört sie auf, eine Tugend zu sein, geht leicht in den Geiz über und wird somit ein Laster.

3. Daher ist mir so mancher, freilich nicht übertrieben mit seinen Gütern verschwenderische Mensch lieber als ein zu sparsamer; denn der verschwenderische Mensch läßt auch seinen Nebenmenschen etwas zukommen, und das Schlimme an ihm ist nur die oft zu unkluge Verschwendung seiner Erdengüter; denn dadurch stiftet er nichts Gutes, sondern mehr Schlimmes.

4. Der sehr sparsame Mensch aber läßt am Ende schon gar niemandem mehr etwas Gutes zukommen, scharrt alles für sich zusammen unter dem Titel, daß man für sein Haus und seine Familie sorgen müsse. Ich aber sage dir: Das Feuer deiner Liebe zu deiner Familie sei gleich einem Lichte, das man in der Nacht anzündet; aber deine Liebe zu den Kindern anderer, armer Eltern sei gleich wie ein großer Feuerbrand, durch den weithin eine große Gegend erleuchtet wird!

5. Wer das von Mir nun Ausgesprochene bei seiner haushälterischen Sparsamkeit beachtet, der wird von Mir aus in allem Glück und Segen in der Fülle haben, und solch ein Glück und solch ein Segen werden auch fortan bei seinem Hause und bei seiner Familie verbleiben, – wer aber diesen Meinen ausgesprochenen Lebensgrundsatz nicht beachten wird, der wird es erleben, daß seine Kinder und Angehörigen das von ihm mühsam Ersparte nur zu bald und zumeist auf die liederlichste Weise vergeuden werden und darauf bald mit allerlei Not und Elend zu kämpfen bekommen. Daher tue du alles nach Meiner Lehre klug und weise, und bedenke bei allem wohl die Folgen und das Ende deiner Handlung!“

6. Sagte darauf der Wirt: „O Herr und Meister, ich danke Dir aus dem tiefsten Grunde meines Herzens für diese höchst weise Belehrung, und ich habe über sie um so mehr Freude, weil sie auch schon aus meiner Jugendzeit teilweise zu meinen Lebensgrundsätzen gehörte und für die Folge noch immer mehr und mehr gehören wird.“

7. Sagte hierauf auch der Oberstadtrichter: „Herr und Meister, das werde auch ich mir tief ins Herz einprägen und werde das auch befolgen, daß meine Liebe zu diesem meinem Weibe und meinen Kindern zu einem wahren Lichte werden soll; aber mit meiner Liebe zu den Kindern anderer, armer Eltern will ich eine ganze Stadt in Flammen setzen, und das Licht des Brandes soll alles weit und breit hin erhellen! – Ist es also recht, Herr und Meister?“

8. Sagte Ich: „Das wirst du aus deinem Handeln nach Meinem Worte gar wohl erkennen; darum handle und lebe!“

226. Kapitel. Ein Morgengruß der Kraniche.

1. Als Ich dieses ausgeredet hatte, da flog ein großer Zug Kraniche in der Luft von Westen her in der Richtung gegen Osten, und zwar in die Sumpfgegenden des Stromes Euphrat.

2. Als der ganze Zug aber gerade über uns ziemlich hoch in der Luft schwebte, da machte er gewisserart halt und fing in mannigfachen Kreisen an, sich unserem Standpunkte zu nähern.

3. Da sagte der Oberstadtrichter: „Herr und Meister, das bedeutet, daß wir bald eine andere Witterung bekommen werden! Was sagst Du, o Herr und Meister, zu dieser Annahme?“

4. Sagte Ich: „Also hat es der Glaube des Volkes aus der Erfahrung wohl herausgebracht; aber ob Kraniche oder keine Kraniche, so versteht es sich schon von selbst, daß in der Zeit des Spätherbstes, auf den unaufhaltsam der Winter folgt, sich die Witterung auch über etwas kürzer oder länger ändern wird. Allein für dieses Jahr soll die Witterung noch etwas längerhin also verbleiben, wie sie jetzt ist.

5. Die Kraniche, die da über uns kreisen, sind diesmal keine Witterungsveränderungspropheten, sondern ihre Seelen gewahren es auch, in wessen Nähe sie sich befinden, und sie bezeigen nun Dem eine Art Ehre und bringen Ihm gewisserart einen Morgengruß, weil sie in sich gewahr werden, daß Er auch ihr Schöpfer ist.

6. Sehet, ein Hund, der seinen Herrn wohl kennt und ihm sehr zugetan ist, gewahrt auch die Nähe seines Herrn, läuft ihm zu und bezeigt ihm durch allerlei Sprünge, Mienen und Schmeicheleien, daß er seinen Herrn liebhat und ihn wohl erkennt; einem Fremden aber läuft er nicht zu, und nähert sich einer seinem Herrn, so wird er vom Hunde ganz grimmig angefallen, und er folgt da niemandes Stimme als nur der seines Herrn. Wer sagt aber das dem Hunde, daß der eine Mensch sein Herr ist, und ein anderer nicht?

7. Siehe, Mein lieber Freund Oberstadtrichter, das erkennt nicht das Fleisch des Hundes, sondern die schon auf einer etwas höheren Stufe der Intelligenz stehende Seele des Hundes! Wie aber?

8. Sehet, der Mensch sowohl als auch die Tiere besitzen nach außen hin eine sie umgebende, zum Leben notwendige und mit ihrer Seele sehr verwandte Sphäre. Manche Menschen, die ganz einfach leben, nehmen oft auf Stunden lange hin wahr, daß sich ein ihnen bekannt gewesener, lange abwesender Freund ihnen nähert, und können sogar die Zeit bestimmen, in welcher dieser Freund bei ihnen eintreffen wird.

9. Die Tiere besitzen oft in einem noch schärferen Grade das Vermögen, irgend etwas ihnen Feindliches oder Freundliches aus einer noch bedeutenden Entfernung zu wittern und wahrzunehmen. Hunde und Katzen haben dieses Vermögen in einem besonders hohen Grade. Daher magst du einen deiner Haushunde einige Tagereisen weit von dir entfernen lassen, allwo er dann freigelassen werden soll, und er wird in kurzer Zeit ohne alle Erd- und Wegkunde zu dir zurückkehren. Wer zeigt ihm denn den Weg, und nach was richtet er sich, daß er wieder zu dir kommt?

10. Fürs erste zeigt ihm das deine weithin reichende Außenlebenssphäre, die er durch sein starkes Witterungsvermögen gar wohl als die deinige erkennt, obschon sie von zahllos vielen anderen durchkreuzt wird. Und zweitens: Was treibt ihn hernach zu dir? Nichts anderes als seine instinktmäßige Liebe und Treue zu dir. Daß er aber den Weg nicht verfehlt und gar wohl erkennt, ob er sich dir stets mehr und mehr nähert, das erkennt er aus dem stets minder oder mehr Dichterwerden der von dir gewisserart ausstrahlenden Außenlebenssphäre.

11. Denn es verhält sich mit dieser, freilich in mehr seelischer Beziehung nur, wie mit dem Ausstrahlen eines Lichtes. Wo das Licht selbst sich befindet, da ist die Lichtausstrahlung auch am dichtesten, und je weiter und weiter vom Lichte entfernt, wird auch die Lichtausstrahlung immer dünner und schwächer, und in einer großen Entfernung wird man von einem angezündeten Lichte wohl kaum mehr etwas merken; besonders ein Mensch, der nicht ein sehr scharfes Auge hat, wird von der Ausstrahlung nichts mehr merken, wohl aber der, welcher ein scharfes Auge besitzt.

12. Und so merken auch Menschen und Tiere in weite Entfernung hin die Ausstrahlungen sowohl ihnen befreundeter Menschen als auch von Tieren um so mehr, ein je schärferes Witterungsvermögen sie besitzen.

13. Und siehe, Ich bin aber der Herr aller Kreatur in der ganzen Unendlichkeit und somit sicher auch der dieser Erde, – und siehe, so bezeigen Mir diese Kraniche, wie Ich dir schon gesagt habe, einen Morgengruß! Und damit du es bestätigt siehst, werden sich die Kraniche ganz in unserer nächsten Nähe befinden, und auf Meinen Wink werden sie sich dann in den Teich begeben, den Ich gestern für dich durch Meinen Raphael geschaffen habe, und werden dort auch ein Morgenmahl nehmen und sich mit einem Wasservorrat versehen, der zu ihrem Weiterfluge notwendig ist.“

14. Als Ich dieses kaum ausgesprochen hatte, siehe, da ließen sich bei dreihundertvierzig Kraniche zur Erde nieder und bildeten um uns gewisserart ein Spalier und sahen nach Mir hin. Bald darauf winkte Ich diesen Tieren mit der Hand gegen den Teich hin, und sie erhoben sich und befanden sich alsbald im Teiche und zeigten durch ihr Geflüster, daß sie eine große Freude hatten über die für sie im Teiche vorhandene Kost und auch über das reine Wasser, mit dem sie sich ihre inneren Wasserbeutel füllten.

15. Alle betrachteten dieses Naturspiel mit großem Wohlgefallen und priesen Meine Liebe, Weisheit und Macht.

227. Kapitel. Die Wasseraufnahme der Vögel.

1. Darauf fragte Mich der Oberstadtrichter: „O Herr und Meister, der Du in allen Dingen allerhöchst kundig bist, wie brauchen denn diese Vögel das Wasser zu ihrem Weiterfluge? Denn meines Wissens habe ich wohl allzeit bemerkt, daß die Vögel im Verhältnis zu ihrer Größe zehnmal mehr Wasser zu sich nehmen als ein anderes Tier, und doch lassen sie keinen Urin von sich; ich wenigstens habe es noch nie bemerkt, daß irgendein Vogel gepißt hätte, und Du hast nun gesagt, daß diese Vögel des Wassers zum Weiterfluge sehr benötigen, während ich der Meinung war, daß das Wasser sie samt der zu sich genommenen Nahrung nur mehr beschweren und somit ihren Weiterflug beschwerlicher machen werde!“

2. Sagte Ich: „Ja siehe, du Mein Freund, der Meister Seiner Werke muß auch am allerbesten wissen, was sie zu ihrer zeitweiligen Erhaltung benötigen, und wie ihre Körper eingerichtet sein müssen, damit sie das verrichten können, wozu sie bestimmt sind. Über das aber, wie ein Vogel des Wassers zum Fliegen benötigt, wende dich an Meinen, wie du siehst, noch anwesenden Raphael!“

3. Auf diese Worte wandte sich der Oberstadtrichter an den Raphael und bat ihn, daß er ihm darüber eine kleine Erklärung geben möchte.

4. Und Raphael sagte: „Das will ich dir recht gern und in möglichster Kürze tun. Siehe, so ihr ein Lamm oder eine Ziege, ein Kalb oder auch einen Ochsen schlachtet, so nehmet ihr seine Eingeweide heraus – das heißt seinen Magen, seine Gedärme und seine Urinblase –, reinigt alle Teile in eurer Weise und blaset sie dann auf, damit sie aus- und inwendig trocken werden! Die größeren dieser Hohlorgane gebraucht ihr zu kleineren Schläuchen und Säcken, und die kleineren gebraucht ihr auch zur Aufbewahrung von allerlei Samenkörnern und noch andern kleinen Dingen.

5. So du nun eine solche ausgetrocknete Urinblase oder auch einen andern Schlauch hier besäßest, so würde ich dir um so leichter zeigen, wie die Vögel zum Fliegen sich des Wassers bedienen müssen; aber ich werde schon dafür sorgen, daß zu meiner Erklärung die nötigen Hilfsmittel zu Gebote stehen werden! Und siehe, da haben wir schon einen ziemlich großen, mit Wasser gefüllten Schlauch, und in diesen Schlauch wollen wir nun einige Ingredienzien hineintun, welche die Eigenschaft in sich haben, den Kohlen- und Sauerstoff im Wasser in sich zu saugen, den reinen Wasserstoff aber frei zu machen. Und da sind auch schon die Ingredienzien, die dir sicher bekannt sind; es ist etwas Eisen, Schwefel, Kalk, Salz und Kohle.

6. Nun gebe ich diese in das Wasser, – sie befinden sich nun schon im Wasser, und du vernimmst auch sogleich ein eigentümliches Sausen und Brausen im Schlauche. Nun nehmen wir eine trockene Blase her; wir werden sie mit dem leicht aufsteigenden Wasserstoff füllen, – und siehe, die eine Blase ist schon gefüllt! Nimm sie in deine Hand unten bei der Mündung, und du wirst es sogleich verspüren, wie sie nach oben zieht; und jetzt laß du sie los, und beobachte, was sie machen wird!“

7. Der Oberstadtrichter tat das, und die Blase stieg alsbald überaus rasch zu einer solchen Höhe in die Luft empor, daß sie von niemandem mehr erschaut werden konnte; imgleichen ward darauf eine andere, größere Blase gefüllt und mit einem Baumzweige an der Mündung behängt, ward darauf losgelassen und flog sogleich mit gleicher Raschheit in die Höhe.

8. Darauf wurden bei zwölf Blasen mit dem noch vorrätigen Wasserstoff gefüllt und an einen etwas größeren und schwereren Baumzweig gehängt, mit dem sie ebenfalls in aller Raschheit in die Höhe flogen.

9. Als das Experiment beendet war, sagte Raphael zum Oberstadtrichter: „Hast du nun schon so einen kleinen Begriff, warum die Vögel sich des Wassers hauptsächlich zum Fliegen bedienen?“

10. Sagte der Oberstadtrichter: „Es geht mir nun schon so ein kleines Lichtlein auf; aber das Wie, – wie sich die Vögel des Wassers zum Fliegen bedienen, ist mir natürlich noch unklar.“

11. Sagte Raphael: „Siehe, jeder Vogel ist inwendig so eingerichtet, daß er von dem zu sich genommenen Wasservorrat ebensoviel des reinsten Wasserstoffes, der an und für sich eine äußerst leichte und feine Luftart ist, erzeugt, als er zum Fliegen notwendig hat, – was er aus dem Gefühle seines Instinkts auf ein Haar zu berechnen vermag. Mit diesem feinen Wasserstoff füllt er in einem Augenblick alle seine größeren und kleineren Federkiele und Knochenröhren und wird darauf so leicht wie ein Menschenhaar, welches kleine Gewicht er dann mit seinem Flügelpaare immer leicht besiegt und sich dann in die Höhe erheben kann nach seinem Belieben.

12. Wenn du dieses nun so recht beachtest, so wirst du auch leicht einsehen, auf welche Art das Fliegen bei allen jenen Tiergattungen ermöglicht wird, die sich von der Erde nach ihrem Belieben in die Luft erheben können.

228. Kapitel. Über das Fliegen der Menschen. Jesus im Jordantale

1. Sagte darauf der Oberstadtrichter: „Das verstehe ich nun ganz gut, aber woher nehmen diese Tiere die zur Scheidung des Wasserstoffes – wie du sagtest – von seinem Sauerstoffe nötigen Ingredienzien her? Denn das Eisen, der Kalk, der Schwefel, das Salz und die Kohle sind doch nicht überall schon vorrätig vorhanden?“

2. Sagte darauf Raphael: „Mein lieber Freund, auf der ganzen Erdoberfläche zerstreut um viele tausendmal tausend Male mehr, als alle Vögel auf der Erde in vielen tausend Jahren zu ihrem Fliegen benötigen! Die Vögel sind für sich ganz gute Mineralogen, gleichwie die Wurzeln und Äste der Bäume und Pflanzen überaus scharfsinnige und intelligente Lebensstoffkundige sind; wären sie das nicht, so würden nicht so viele Arten von Bäumen und Pflanzen auf dem Erdboden wachsen, und die Vögel würden auch nicht fliegen können. Du siehst daraus, daß ein jedes Tier, wie auch eine jede Pflanze das ihr Dienliche überaus scharf erkennt und es dann auch zu benutzen versteht.

3. Betrachte einmal ein Ei! Seine Schale ist Kalk und sein innerer Gehalt, was den materiellen Teil anbelangt, besteht auch noch aus etwas Kalk, Salz, Kohle, Eisen und Schwefel. Das Wieviel von jedem kennt ein jeder Vogel genau für sich, wie auch, wo er es zu bekommen hat; denn dazu hat auch der Vogel, so wie ein jedes andere Tier und der Mensch selbst die fünf Sinneswerkzeuge, und die Pflanze hat ihre Fühlfäden sowohl an der Wurzel als auch an den Ästen. Und ich bin nun der Meinung, dir diese für Menschen schwer begreifliche Sache in aller Kürze möglichst klar gezeigt zu haben.“

4. Sagte darauf der Oberstadtrichter: „Höre, du mein himmlischer Freund, so die Menschen um die Verhältnisse, das ist, um das eigentliche Wieviel von jedem der fünf Ingredienzien wüßten, so könnten sie am Ende große Schläuche mit dem Wasserstoff füllen und dann mittels so mancher mechanischer Behilfsbeigaben sich auch in die Luft erheben und gleich den Vögeln umherfliegen!“

5. Sagte darauf Raphael: „Was nun nicht ist, kann dereinst noch werden! Vorderhand ist es aber um vieles besser für den Menschen, daß er leiblich nicht fliegen kann; denn könnte er auch das, so würde er bald zum größten Raubtiere auf der Erdoberfläche werden, und er würde der Kultur des Erdbodens nimmer gedenken.

6. Besser ist es daher für den Menschen, so seine Seele geistig recht flügge wird, der Mensch aber seinem Leibe nach schön fein auf dem Boden der Erde verbleibt, für den er auch die leibliche Einrichtung hat. Der Mensch kommt mit seinen Füßen noch weit genug und gar oft nur zu weit; und kommt er mit seinen Füßen nicht schnell genug fort, so hat er dazu der tauglichen Tiere in Genüge, die schnellfüßiger sind als er und ihn nach einiger Abrichtung in sehr abgekürzter Zeit von einem Orte zum andern bringen können, und er kann sich auch Schiffe bauen, mittels denen er über das Meer wie auf trockenem Lande fahren kann. In der späteren Zeitenfolge aber werden die Menschen noch eine Menge Transportmittel erfinden, die mit großer Schnelligkeit von einem Ort zum andern dahinbrausen werden.

7. Und jetzt weißt du, lieber Freund, von allem mehr, als du brauchst. Ich habe dir darum nun alles dieses gezeigt, auf daß du leichter erkennst, daß der Herr wahrhaft der allervollkommenste und unerreichbarste Meister in allen Seinen geschaffenen Dingen ist, und das hat dir vor allem not getan!“

8. Hierauf dankte der Oberstadtrichter Mir und dem Raphael mit aller Inbrunst seines Herzens und sagte darauf: „Wahrlich, von Dir, o Herr, kann man in einer Stunde mehr lernen als sonst selbst von dem allergescheitesten Menschen durch sein ganzes Leben mit allem Fleiß; denn bei den Menschen heißt es immer: ,Bis daher, und dann aber auch um kein Haar mehr weiter!‘, bei Dir aber heißt es: ,Bis daher, und nachher noch immer bis ins Unendliche vorwärts!‘, denn Deine Weisheit, o Herr und Meister, hat keine Grenzen.

9. Wir alle sind Dir für alle die uns erwiesenen rein göttlichen Gnaden auch über alle die Maßen dankbar und werden Dir auch bis ans Ende unseres diesirdischen Lebens nimmer zu danken aufhören. Herr und Meister, vergib Du uns nur unsere Schwachheit und unsere Sünden!“

10. Sagte Ich: „Euch sind sie auch vergeben; doch in der Folge müßt ihr euch selbst hüten vor der Sünde!

11. Nun aber wollen wir uns von hier aufmachen, in der Kürze das Morgenmahl zu uns nehmen und dann uns zur Weiterreise anschicken!“

12. Darauf begaben wir uns sogleich in die Herberge, nahmen das Morgenmahl ein, und während desselben wurden noch so manche Besprechungen geführt, welche wiederzugeben Ich hier für nicht notwendig finde, weil über derlei schon ohnehin zu öfteren Malen Besprechungen vorgekommen sind.

13. Nach dem kurz dauernden Morgenmahle erhob Ich Mich mit Meinen Jüngern schnell, segnete des Wirtes Haus, den Oberstadtrichter und alle, die da waren, und wir traten dann sogleich unsere Reise an.

14. Der Wirt, dessen Sohn und der Oberstadtrichter begleiteten uns bei zwei Stunden Weges und verwunderten sich über die Maßen, daß sie noch immerfort ihr Land in einem guten Kulturzustande fanden.

15. Am Ende der Begleitung dankten Mir alle noch einmal und kehrten dann zurück. Bei dieser Gelegenheit verschwand auch Raphael wieder, da Ich seiner nicht mehr vonnöten hatte.

229. Kapitel. Jesus mit den Seinen im Jordantale.

1. Ich aber ging mit Meinen Jüngern schnell vorwärts und gelangte gegen Mittag in einen kleinen Ort, der von lauter arabischen, armen Hirten bewohnt war.

2. Es war zwar in diesem Orte keine Herberge, doch war da ein gewisser Oberhirte, dessen Hütte etwas besser bestellt war als die der andern, kleineren Unterhirten.

3. Dieser Oberhirte fragte uns in seiner Sprache, wohin wir gingen, indem er sagte, daß von hier aus sich eine ziemlich lange Strecke kein Ort mehr befinde, und so wir uns stärken wollten, so möchten wir das bei ihm tun, da wir vor der Nacht nicht leichtlich wohin an einen Ort kommen könnten, in welchem wir etwas zu essen und trinken bekommen könnten.

4. Sagte Ich zu ihm: „Du hast wohlgetan, daß du also in deinem Herzen für uns dachtest, und Ich nehme deinen guten Willen fürs Werk an; wir müssen aber heute noch ins Jordantal gelangen, und somit können wir uns hier gar nicht länger aufhalten.

5. Sagte darauf der Oberhirte: „Wenn ihr in das Jordantal hinabkommen wollt, so führt gerade von dieser meiner Hütte ein am meisten bequemer Steig ins Tal hinab! Denn hier befindet sich die erste Quelle des Arnonbaches, und sie fällt nicht stark ab; der Weg ist daher ganz gut zu begehen, während die andern Quellen, die zusammen den Arnon ausmachen, äußerst steil abfallen und die äußerst schmalen Stege für den Wanderer sehr beschwerlich sind.“

6. Sagte Ich: „Auch für diesen Rat sollst du belohnt werden, – doch weder mit Gold, Silber und Edelsteinen, sondern mit etwas anderm, was dir nützlicher sein wird als das tote, glänzende Zeug, nach dem die Menschen so sehr gieren. Siehe, dieses Landstück, das du und deine Nachbarn bewohnen, soll fruchtbar werden, und deine Herden sollen sich vermehren, auf daß du daraus erkennen wirst, daß Ich, der Ich dir das sage, mehr bin als ein gewöhnlicher Mensch!

7. Reise du bei Gelegenheit in die Stadt am Nebo, und die Einwohner werden es dir sagen, wer Ich war, jetzt bin und für immer sein werde!“

8. Darauf sah Mich der Oberhirte groß an und bat Mich um die Erlaubnis, Mich ins Jordantal hinabbegleiten zu dürfen, da er sehr wegkundig sei.

9. Sagte Ich: „Darum hast du nicht notwendig, uns zu begleiten, indem Ich Selbst aller Wege auf dem ganzen Erdboden allerbestens kundig bin; aber deiner Freundlichkeit wegen magst du Mich schon einige Zeitlang begleiten!“

10. Darauf setzten wir unsere Reise fort, und der Oberhirte dieses Ortes ging voran und führte uns einen recht guten Weg nahe ganz ins Jordantal hinab, allwo wir uns dann trennten und Ich mit Meinen Jüngern Mich im Jordantal ganz eiligen Schrittes nordwärts begab.

11. Wir erreichten erst bei drei Stunden nach dem Untergange einen kleinen Ort, in welchem sich auch eine Herberge befand; und als wir zu der Herberge kamen, pochten wir an die Eingangstür derselben.

12. Der Wirt kam darauf an ein offenes Fenster und fragte etwas mürrisch, was wir so spät in der Nacht wollten.

13. Und Ich sagte: „Ein Meister der Herberge ist gesetzlich bemüßigt, zu jeder Stunde, auch in der Nacht, Reisende aufzunehmen und zu beherbergen!“

14. Als der Wirt solches von Mir vernahm, ward er der Meinung, daß Ich etwa so ein römischer Richter sei, schloß die Tür auf, machte Licht, und wir gingen in die Herberge.

15. Als wir in der ziemlich geräumigen Herberge unsere Plätze nahmen, da fragte uns der Wirt, ob wir auch etwas essen und trinken wollten.

16. Sagte Ich: „Wir haben seit dem Morgen weder etwas gegessen noch getrunken; somit wirst du auch einsehen, daß wir bedürftig sind, irgendeine Nahrung zu uns zu nehmen! Du hast Brot und Wein, und das genügt.“

17. Sagte der Wirt: „Ich habe auch Fleisch und Fische, wollt ihr davon etwas genießen, so kann ich es bereiten lassen; denn meine die Küche besorgenden Mägde haben sich noch nicht schlafen gelegt.“

18. Sagte Ich zum Wirte: „Dein Fleisch, indem du ein Grieche bist, taugt für uns Juden nicht; denn der Schweine und der Esel Fleisch genießen wir nicht, und deine Fische aus dem Jordan sind schon bei fünf Tage alt und tot, und derlei Fische genießen wir auch nicht. Daher bringe uns nur einen ordentlichen Wein und Brot!“

19. Darauf nahm der Wirt seinen Krug, ging, um den Wein zu holen, und sein Weib brachte uns Brot. Ich nahm den eben nicht gar zu großen Laib Brotes, brach ihn in Stücke und teilte diese unter die Jünger aus und behielt auch ein Stück für Mich.

20. Nun kam auch der Wirt mit dem Weine, setzte vor jeglichen von uns einen Trinkbecher und füllte ihn mit Wein, der aber eben nicht von der besten Qualität war.

21. Und Ich sagte zu ihm: „Du hast noch einen besseren Wein; warum hast du uns deinen schlechtesten aufgesetzt?“

22. Sagte der Wirt: „Den besseren behalte ich für Römer und Griechen; für euch Juden aber ist der hinreichend gut genug! Denn alle Juden sind schlechte Zahler; darum muß man als Wirt sehen, wie man mit ihnen noch am besten darauskommt.“

23. Sagte Ich darauf zum Wirte: „So nimm denn einen andern Krug und fülle ihn mit Wasser, und setze uns das Wasser vor!“

24. Sagte der Wirt: „Das kann ich schon tun.“

25. Der Wirt ging, brachte uns einen großen Krug voll Wassers und setzte auch noch eine für uns genügende Anzahl Trinkbecher auf den Tisch und sagte etwas mürrisch: „So euch mein Wein nicht schmeckt, so trinket in Neptuns Namen Wasser!“

26. Ich aber segnete das Wasser und machte es zum Weine, wie Ich schon öfter getan hatte. Dann wurden damit unsere zweiten Becher gefüllt, und wir tranken und stärkten uns.

27. Der Wirt bemerkte aber, daß uns das Wasser ganz gut schmeckte, und sagte: „Sonderbar, daß euch mein schlechtes Wasser besser zu schmecken scheint als mein Wein; denn unser Wasser ist darum nicht gut, weil wir eigentlich kein Quellwasser besitzen, sondern uns mit dem Jordanwasser begnügen müssen, das hier in der Nähe des Toten Meeres kein gutes Wasser mehr den Durstigen bietet!“

230. Kapitel. Der unartige Wirt.

1. Ich reichte dem Wirte darauf einen Becher voll des Wassers, und er verwunderte sich über alle Maßen, daß er statt des Wassers einen außerordentlich wohlschmeckenden Wein in den Mund bekam, und sagte darauf: „Soviel ich merke, seid ihr Magier und Hexenmeister; mit solchen Menschen ist nicht gut umgehen!“

2. Sagte Ich zu ihm: „Mit Magiern unserer Art magst du wohl auskommen, aber mit Magiern, die dir bekannt sind, nicht so leicht; denn diese haben böse Absichten und sind voll Betruges. Ich aber bin die Wahrheit Selbst, und jede Art des Betruges ist endlos ferne von Mir. In der Folge wirst du das noch klarer einsehen als jetzt; aber nun bringe uns mehr Brot!“

3. Sagte der Wirt: „Ich besitze nur einen Laib noch, und den brauche ich morgen für meine Leute, und meine Nachbarn schlafen alle, daß ich hinginge und bei ihnen einen Laib Brotes entleihete!“

4. Hierauf segnete Ich die noch etlichen Stücke Brot auf unserem Tische, und wir hatten alsbald Brot in Übergenüge, und es blieb davon noch so viel übrig, daß der Wirt von den übriggebliebenen Stücken einen ganzen großen Korb anfüllen konnte.

5. Dieses Wunderwerk machte ihn stutzen, und er sagte, das Wasser in den Wein verkehren, sei nicht etwas gar so Unbekanntes, denn er wisse, daß etwas Ähnliches auch die Bacchuspriester zustande gebracht hätten; aber die Vermehrung des Brotes stehe bei ihm höher. Denn wo etwas sei, könne ein Mensch, der die Geheimnisse kennt, schon etwas machen, – aber wo nichts sei, etwas schaffen, das scheine ihm göttlicher Art zu sein; denn das vermöchten nur die Götter, aber die Menschen nie und niemals!

6. Sagte Ich zum Wirte: „Du bist zwar ein Grieche und hast auch mehrere Städte Griechenlands bereist; aber um die Wahrheiten, die hie und da doch noch unter den Menschen waltend zerstreut sind, hast du dich eben nicht gar zu sehr bekümmert, und als Wirt gehörst du zu den gefälligsten nicht! Du bist zwar sehr habsüchtig, aber dessenungeachtet hast du dir noch wenig Vermögen erworben. Wenn es heute nicht so spät an der Zeit gewesen wäre, hätte Ich es wohl vermieden, in deinem Hause zuzusprechen (einzukehren).“

7. Sagte darauf der Wirt: „Höre, du mein sonderbarer Freund und Gast! Ich wäre dir schon auch artiger entgegengekommen, aber es war dein Benehmen gegen mich auch ein wenig von einer abstoßenden Art. Denn ich habe euch Fleisch und Fische angetragen; du aber hast darüber eine Bemerkung gemacht, die mich nicht freuen konnte. Ich konnte zwar nicht erraten, woher du wußtest, daß meine Fische nicht frisch sind, und daß ich euch auch nur Schweinefleisch aufzuwarten hätte. Deine Bemerkung war zwar richtig, aber ich mußte mich darob doch ärgern; denn das wirst du einsehen, daß sich kein Mensch – sei es ein Jude, Grieche oder Römer – gern beschimpfen läßt. Ich erkenne es jetzt wohl, daß du etwas Außerordentliches sein mußt – dein ganzes Wesen scheint von einem höheren Geiste beseelt zu sein –, aber dessenungeachtet kann ich dir in der späten Nachtzeit nur das bieten, was ich besitze. Mein einziger Fehler, den ich dir gegenüber begangen habe, wird wohl der sein, daß ich euch nicht den besten Wein aus meinem Keller vorgesetzt habe; aber diesen Fehler kann ich ja gutmachen und will dir sogleich einen Krug von meinem allerbesten Wein auf den Tisch bringen.“

8. Sagte Ich: „Alles dessen ist nicht vonnöten; denn so Ich es wollte, müßten der ganze Jordan und das Tote Meer sich im Augenblick in den besten Wein verwandeln! Aber wir haben nun des Brotes und Weines zur Genüge, und somit kannst du mit uns halten und brauchst deinem Keller keinen Nachteil zu bringen!“

9. Darauf setzte sich der Wirt zu uns, nahm Brot und Meinen Wein, aß und trank und ward darauf recht guten Mutes und bat Mich dabei mehrere Male um Vergebung, daß er Mir nicht mit der gehörigen Artigkeit entgegengekommen sei, indem er meine, daß Ich ein weiser Mann sei und als solcher wohl wissen werde, daß man die Unwissenheit keinem Menschen zu einem außerordentlichen Fehler anrechnen kann.

10. Sagte darauf Ich: „Nun, nun, es ist schon alles wieder gut! Iß und trink, und sei heiteren Mutes; denn am morgigen Tage wirst du Mich viel unlieber weiterziehen lassen, als du Mich heute mit diesen Meinen Begleitern aufgenommen hast!“

11. Darauf nahm auch Ich ein Stück Brot, bestreute es mit Salz, aß es und trank auch den Wein dazu. Meine Jünger taten das gleiche, wie auch der Wirt.

231. Kapitel. Jesus meldet dem Wirte eine Karawane an.

1. Es kamen aber auch das Weib und zwei seiner Töchter zu uns ins Gastzimmer, und das Weib fragte den Wirt, sagend: „Werden diese Gäste denn keine warmen Speisen nehmen, keine Fische und kein Fleisch?“

2. Sagte der Wirt: „So sie das gewünscht hätten, hätte ich es dir schon gesagt; diese Gäste begnügen sich mit Brot und Wein, und somit kannst du mit deinen Kindern dich schon zur Ruhe begeben!“

3. Sagte die Wirtin: „Wir werden in dieser Nacht nicht eben gar zu viel ruhen dürfen; denn wir haben nur noch zwei Laibe Brotes, und es sind, wie ich sehe, viele Gäste hier, und die werden morgen mit den zwei Laiben Brotes nicht auskommen.“

4. Sagte der Wirt: „Da macht euch denn an eure Arbeit, und sehet, daß wir morgen ein gutes Brot haben!“

5. Darauf aber sagte Ich: „Lasset unsertwegen das Brotbacken stehen; denn solange wir hier verweilen, werden wir am Brote keinen Mangel haben! Nimm aber etliche Stücke Brot vom Tische und gib sie deinem Weibe und deinen zwei Töchtern, und fülle auch drei Becher mit Meinem Wein und gib ihnen zu trinken!“

6. Das geschah denn auch, und das Weib und die beiden Töchter konnten sich über die Güte des Weines nicht genug verwundern und fragten den Wirt, woher er denn den Wein genommen habe; denn sie wüßten nichts von einem gar so guten Wein in des Wirtes Keller.

7. Der Wirt aber sagte: „Davon wollen wir morgen reden, – die Gäste haben den Wein mitgebracht; gehet aber hinaus und saget es meinen Knechten, daß sie für den morgigen Tag frische Fische herbeischaffen sollen!“

8. Als das Weib und die Töchter das vernahmen, dankten sie für den Wein, wie auch für das Brot, nur konnte das Weib nicht recht begreifen, wo wir so viel Brot hergenommen hatten, indem der ganze große Tisch noch voll Brotes war, und das Weib meinte, ob der Wirt etwa das Brot von einem Nachbar entliehen habe.

9. Der Wirt aber sagte: „Das geht dich gar nichts an, – morgen wirst du es schon erfahren; für heute aber tue das, was ich dir gesagt habe!“

10. Darauf verließ uns das Weib mit ihren beiden Töchtern, und wir hatten Ruhe vor einem weiteren Weibergefrage.

11. Als der Wirt durch den Wein so recht gemütlich geworden war, da fragte er Mich, woher Ich mit Meinen Gefährten gekommen sei, und wohin Ich etwa weiterreisen werde.

12. Und Ich sagte zu ihm: „Auch davon sollst du morgen mehreres erfahren; soviel aber magst du wissen, daß Ich von oben her gekommen bin und nun nach dem Jordantale bis in die Nähe von Jerusalem hinaufziehen werde.“

13. Der Wirt war mit diesem Bescheid zufrieden und fragte Mich, ob Ich Mich mit Meinen Gefährten bald zur Ruhe begeben werde.

14. Sagte Ich: „Deine Stühle um den Tisch herum sind äußerst bequem, und wir bleiben sonach alle bei diesem Tische sitzen und werden so auch unsere Nachtruhe nehmen!“

15. Sagte der Wirt: „Wie ihr es wünschet, sollt ihr es auch haben! Ich besitze aber auch ganz gute Ruhebetten; ziehet ihr aber diese Stühle vor, so ist mir auch das recht.“

16. Sagte Ich zu ihm: „Ich weiß wohl, daß du auch Ruhebetten besitzest, und das in rechter Menge; aber du wirst diese Ruhebetten heute noch brauchen, – denn in einer Stunde wird eine kleine Karawane über Jericho herüberkommen und wird ebenfalls Herberge bei dir nehmen. Du magst dich daher vorsehen; denn Ich sage dir keine Unwahrheit.“

17. Als der Wirt solches von Mir vernommen hatte, da begab er sich schnell in die Küche und hinterbrachte das seinem Weibe, und das Weib geriet darüber in eine ordentliche Verzweiflung wegen des Brotmangels.

18. Der Wirt aber kam bald zurück und sagte Mir, daß sein Weib in eine große Verlegenheit gekommen sei, da sie nur noch zwei Laibe Brotes im Vorrate habe.

19. Ich aber sagte zum Wirte: „So gehe denn hinaus in deine Brotkammer und sieh nach, ob du nicht mehr als zwei Laibe Brotes im Vorrat hast!“

20. Da ging der Wirt schleunigst hinaus, denn er ahnte, daß Ich etwa seine zwei Laibe ebenso vermehrt habe wie das Brot auf dem Tische. Und als er in die Brotkammer kam, fand er dieselbe voll angefüllt mit dem besten Brote.

21. Solches zeigte er sogleich seinem Weibe an, das vor lauter Erstaunen die Hände über dem Kopfe zusammenschlug und den Wirt fragte, was Ich denn für ein Mensch wäre, daß Ich aus nichts so viele Laibe Brotes in einem Augenblick herschaffen könne, und ob es wohl geheuer sein werde, solch ein hergezaubertes Brot zu essen.

22. Sagte der Wirt: „Hast du doch schon zuvor im Zimmer vom gleichen Brote gegessen samt den zwei Töchtern, und es hat euch das Brot nicht geschadet, sowenig wie mir und den sonderbaren Gästen, die alle das wundersame Brot aßen und noch essen; daher sei du ganz unbesorgt! Gehet aber in das anstoßende zweite große Gastzimmer und richtet daselbst alles in die Ordnung für die bald ankommenden Gäste; zündet Lichter an, auf daß die Ankommenden sogleich in ein wohlerleuchtetes Gastzimmer treten können! Wenn sie sich werden an die Tische gesetzt haben, dann bedienet sie ordentlich; denn ich werde mich nicht mit den Neuankommenden viel abgeben können, da ich bei den ersten Gästen verbleibe und sie nötigenfalls auch bediene!“

232. Kapitel. Des Wirtes Urteil über die Juden.

1. Hierauf kam der Wirt wieder zu uns, fiel vor Mir auf die Knie nieder und sagte: „O du edler Menschenfreund, du weilst noch kaum eine Stunde hier und hast mich schon zu deinem Schuldner gemacht! Du mußt ein großer Prophet unter den Juden sein, die dich aber sicher nicht erkennen; denn nach meiner Beurteilung sind die Juden, besonders in ihren Städten, das schlechteste Volk, und soviel ich weiß, so verfolgen besonders ihre über alle Maßen stolzen Priester alle die großen Männer, die unter ihnen aufgestanden sind, und halten einen jeden gemeinen Juden, der sich mit einem Römer oder Griechen abgibt, für einen Sünder, – aber der Griechen und Römer Gold verachten sie nicht, was mir nur zu wohl bekannt ist!“

2. Sagte Ich: „Darum habe Ich dir gesagt, als du Mich fragtest, von wo Ich hergekommen sei: von oben. Du verstehst zwar dieses noch nicht, wirst es aber schon noch verstehen; aber dieses verbrämte Priestergeschlecht in den meisten Städten und Märkten dieses einst so gelobten Landes ist eine Schlangenbrut und ein Natterngezücht und ist nicht von oben her, sondern Ich sage es dir: von unten! Verstehst du, was das heißt: von unten!?“

3. Sagte der Wirt: „Liebster Freund und vielleicht der allermerkwürdigste Mann, der mit seinen Füßen je den schmutzigen Boden dieser Erde betreten hat, mir geht jetzt so ein kleines Lichtlein auf: du bist einer der größten Propheten aus deinem Volke! Aber als Freund rate ich dir, ja nicht nach Jerusalem hinaufzugehen; denn du wirst es wohl selbst am besten wissen: ein schlechteres Menschenpack gibt es auf der ganzen Erdoberfläche nicht, als eben diese Jerusalemer sind samt ihren Priestern und ihrem Pachtkönige Herodes, von dem wir Griechen nicht begreifen können, wie die sonst so weisen Römer an solch einen Menschen haben ein Reich, wie dieses Judäa ist, verpachten können.

4. Siehe, ich bin ein Makedonier und habe Gelegenheit gehabt, mich in der großen Bücherkammer von Alexandria umzusehen! Ich wählte darauf den Militärstand und kam in den verschiedenen kleinen und größeren Feldzügen sogar bis nach Indien, darauf nach Afrika bis an die Herkulessäulen, und in Europa kam ich so weit, daß ich vor lauter Eis beinahe erstarrt wäre, und Britannien habe ich ebenfalls betreten, und zwar von Gallien aus, – aber, lieber Freund, ich versichere dir, daß ich nirgends so ein Hundevolk angetroffen habe wie in Jerusalem.

5. Siehe, von hier aus kann ein mäßiger Fußgänger in drei Stunden bis ans Ufer des Toten Meeres gelangen! Von diesem Meere sagt man, daß es einst durch die Macht des großen Gottes der Juden mittels eines Feuerregens aus den Himmeln und infolge eines ungeheuer großen Erdbebens zehn Städte verschlungen habe samt Menschen und Tieren; aber ich möchte alles darauf wetten, daß jene unglücklichen, im Toten Meere begrabenen Menschen doch unmöglich schlechter haben sein können als das über alle Maßen stolze und hochtrabende Volk von Jerusalem.

6. Laß du die Götter heruntersteigen vom Olymp oder den großen Gott der Juden aus seinen Himmeln, und ich stehe dir dafür, daß die Jerusalemer ihn anpissen und am Ende gar steinigen werden!

7. Ich bin ein grauer Kriegsmann, aber ich bin allzeit ein Freund von großen und außerordentlichen Männern gewesen, obschon ich eigentlich nie ein besonderer Götterverehrer war; aber jeder große Mann war für mich gewisserart ein Gott.

8. Aber mit wem soll ich diese Jerusalemer vergleichen? Als Soldaten sind sie die schlechtesten, – als Menschen sind sie aber noch um tausendmal schlechter! Daher wirst du mir auch gehörig vergeben können, daß ich mich gleich nach deiner Ankunft hier über die Juden sicher nicht am besten habe äußern können. Denn ich kannte dich vorher nicht näher, hielt dich auch so halbwegs für einen Jerusalemer; allein du hast mir durch deine Worte und deine Taten bewiesen, daß du ein ganz anderer bist.

9. Siehe, dieser Ort besteht aus ungefähr siebzig Insassen, lauter Griechen! Ein einziger Jude hat einmal auch einen Anteil besessen, dem wir aber seinen Anteil um einen ziemlich hohen Preis darum abgekauft haben, damit wir in unserem kleinen Orte völlig judenfrei wurden, und wir leben jetzt in größter Eintracht untereinander; solange aber der Jude unter uns war, verstand er alles durcheinanderzubringen.

10. Wir treiben Schaf-, Rinder- und Schweinezucht. Die letztere gedeiht hier besonders gut in der Nähe des Jordans und gewährt uns einen ganz bedeutenden Ertrag. Um die Schweine aber vor den Raubtieren zu schützen, benötigen wir auch eine bedeutende Anzahl von sogenannten Schweinehunden. Ich selbst besitze deren vierzehn an der Zahl, – aber ich versichere dir, mein edelster, wunderbarer Freund: der schlechteste meiner Schweinehunde ist um vieles besser als die Jerusalemer! Ich will gerade nicht alle Jerusalemer damit meinen – denn es mag ja auch irgendeinen bessern und edlern darunter geben –, aber mir ward das Glück nicht zuteil, je mit einem solchen zusammenzukommen, und somit warne ich dich als ein welterfahrener Mensch vor Jerusalem und seinen Bewohnern.“

11. Sagte Ich: „Morgen wollen wir mehreres darüber sprechen, und Ich sage dir, daß du nicht unrecht hast; aber jetzt wird die von Mir angesagte Karawane sogleich ankommen, und du siehe, daß du sie beherbergen wirst!“

233. Kapitel. Weitere Urteile des Wirtes über die Juden.

1. Der Wirt ging vors Haus, um zu sehen, ob die Karawane ankomme, und richtig brauchte er nicht lange zu warten, so kam auch die Karawane, auf Kamelen und Eseln reitend, an, und es waren auch des Wirtes Knechte bei der Hand, um die Kamele und Esel zu versorgen samt dem Packwerk, mit dem sie beladen waren.

2. Die Menschen aber traten ins Haus, und der Wirt führte sie sogleich ins zweite Zimmer und sagte zu ihnen: „Hier sind schon die Diener; was ihr wünschet, mit dem werdet ihr auch bedient werden!“

3. Dann begab sich der Wirt sogleich wieder zu uns heraus und sagte zu Mir: „O du mein wundersamer, liebster Freund! Mit diesen jetzt angekommenen Gästen werde ich mich nicht soviel abgeben; denn ich habe sie gleich erkannt, da sie Kaufleute aus Jerusalem sind, in deren Gesellschaft sich auch drei Leviten befinden, die auch Handel treiben.

4. Sagte Ich: „Ich hätte dir das schon im voraus sagen können; aber es wäre dir das nicht angenehm gewesen. Da du aber jetzt weißt, mit wem du es zu tun hast, so wirst du auch wissen, wie du mit diesen Menschen umzugehen hast, um mit ihnen möglichst gut auszukommen.“

5. Sagte der Wirt: „Die können auch meine noch vorrätigen Fische verzehren, die gerade nicht schlecht sind, weil sie gleich nach dem Fange gebraten und gut gesalzen worden sind; dann haben sie Brot und Wein, und damit werden sie sich schon begnügen müssen. Ich besitze wohl auch geräuchertes Schaf- und Ziegenfleisch; wenn sie es haben wollen, kann auch davon für sie etwas zubereitet werden, obschon die Juden das geräucherte Fleisch nicht genießen, besonders wenn sie unter sich sind, – wenn sie aber zu uns Heiden kommen und so recht hungrig sind, da essen sie alles, gleich was wir ihnen vorsetzen mögen.“

6. Sagte Ich: „Das werden sie auch jetzt tun, und du hast wohl daran getan, daß du sie in ein anderes Zimmer gesteckt hast!“

7. Der Wirt ging nun in die Küche und sagte es seinem Weibe, was sie den neu angekommenen Gästen zu geben habe.

8. Das Weib aber hatte schon ihre Fische auf einem Rost über die Kohlen gelegt und war mit der Herrichtung beschäftigt.

9. Es kam aber einer dieser Gäste in unser Zimmer, um mit dem Wirte zu reden, ob er keinen besseren Wein habe.

10. Sagte der Wirt: „Hier in der Nähe des Toten Meeres wächst kein besserer, und so müßt ihr euch schon mit dem begnügen.“

11. Der Gast aber bemerkte, daß Jericho auch in der Nähe des Toten Meeres liege, und doch hätten sie dort einen vortrefflichen Wein zu trinken bekommen.

12. Sagte der Wirt: „Dieser Ort hier ist kein Jericho, und wir haben auch nicht das Vermögen dazu, unsere Keller mit dem vortrefflichen Cypernweine zu versehen! Daher müssen wir uns schon mit dem begnügen, was unser kleines Landstückchen uns als Ernte bescheidet (beschert)!“

13. Als der Gast einsah, daß er mit dem Wirte nichts ausrichten konnte, da begab er sich wieder zu seinen Gefährten in sein Gastzimmer.

14. Nachdem dieser sich wieder bei seinen Gefährten befand, da sagte der Wirt zu Mir: „Ich habe schon besseren Wein, und es tut mir nun leid, daß ich ihn dir und deinen Gefährten aus demselben Grunde vorenthalten habe, aus dem ich ihn nun diesen zweiten angekommenen Gästen vorenthalte. Aber dies versteht sich leicht von selbst, – denn ich hielt auch euch für Juden; daß ich aber mit den Juden durchaus kein Freund sein kann, davon habe ich euch den Grund dargetan. Aber ich habe von eurer Seite nur zu bald erkannt, daß ihr wohl dem Äußern nach dem Judengeschlechte angehöret; aber euer Inneres scheint weit erhaben zu sein über das gegenwärtige Judentum.

15. Ah, die alten Juden noch unter der Zeit ihrer Richter waren ganz andere Menschen, als diese nun sind! Ich bin auch ein wenig bewandert im Altertume der Juden; aber die gegenwärtigen Juden sind schlechter als schlecht! Sie geizen nur nach irdischen Schätzen und irdischem Ansehen und lassen dabei ihren Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs samt den alten Propheten – wie man zu sagen pflegt – ganz gute Wesen sein; aber ich bin der Meinung, daß auch nicht einer von den besonders hohen Jerusalemern mehr an einen Gott oder an einen Propheten glaubt. Ich gehöre zwar auch nicht zu jenen Menschen, die irgend zu besonders an eine oder die andere Gottheit glauben, aber ich habe immer vor der Wahrheit jener Weisen Ägyptens und Griechenlands die gerechte Hochachtung, weil ich durch solche Wahrheit erst zu einem Menschen geworden bin.

16. Ich habe mich zwar auch schon dann und wann mit euren Propheten abgegeben, aber sie dann wieder auf die Seite gelegt, weil sie mir zu unverständlich waren; denn der althebräischen Sprache, und noch weniger ihrer Schrift, bin ich weniger mächtig als der griechischen Sprache, in der ich geboren bin. In diese meine Muttersprache aber sind diese hebräischen Werke noch nicht übersetzt, sondern nur bruchstückweise in die römische, und somit ist es begreiflich, daß ich in der altjüdischen Weisheit überaus schwach bewandert bin.

17. Nur eines ist mir – soviel ich verstanden habe – aufgefallen, und das besteht darin, daß die Juden auf irgendeinen neuen König hoffen, der mit großer Macht und Kraft kommen und für die Juden ein großes, mächtiges und unbesiegbares Reich gründen wird. Aber ich bin der Meinung, daß dieser von den Juden erhoffte König noch sehr lange wird auf sich warten lassen, und sie werden sich die römische Oberherrschaft auch noch so hübsch lange hin gefallen lassen müssen.

18. Es wäre auch ewig schade, so sich irgend aus dem tiefen Asien heraus ein weiser und mächtiger Held erheben möchte, um das Judengesindel von der römischen Oberherrschaft zu befreien. Ich weiß zwar nicht, ob ich recht habe oder nicht, – aber meine Vernunft, die ich den griechischen Weisen zu verdanken habe, wie auch mein so ziemlich aufgehellter Verstand sagen es mir, daß ich über dieses Volk ein rechtes Urteil fälle!

19. du, lieber Freund, bist offenbar weiser als ich und wirst mir hoffentlich nicht völlig unrecht geben; denn wie ich schon ehedem bemerkt habe, so ist dieses Volk ganz dazu geeignet, jedes dasselbe beherrschende Oberhaupt am Ende vom Throne zu stürzen und es zu steinigen! Und ich habe dich daher auch aufmerksam gemacht, ja nicht nach Jerusalem zu gehen und dich mit deiner wunderbaren Weise erkenntlich zu machen; denn dieses Volk zu Jerusalem kann niemanden brauchen, der irgend ersichtlich weiser wäre als dieses hochmütige Volk selbst.

234. Kapitel. Jesus zeugt von Sich und Seiner Mission.

1. Sagte Ich zum Wirte: „Du hast wohl ganz recht in deinem Urteil, aber du mußt auch bedenken, daß du im andern Gastzimmer Jerusalemer zu Gästen hast, und ob dich nicht einer geheim behorcht und dir dann allerlei Anstände und Verdrießlichkeiten macht!“

2. Sagte der Wirt: „Dessen sei du, lieber, wundersamer Freund, völlig unbesorgt, denn die meisten Jerusalemer von Stand und Ansehen kennen mich schon und wissen recht gut, daß ein römischer Krieger vor ihnen keine Furcht hat! Ich habe ihnen schon ganz andere Wahrheiten ins Gesicht geschleudert, und sie mußten sie einstecken, da sie wohl wußten, mit wem sie es in mir zu tun hatten. Und somit werde ich vor diesen etlichen zwanzig Juden auch keine Furcht an den Tag legen, denn ich besitze noch mein Schwert, mit welchem ich mich getraue, hundert von diesen Jerusalemischen Feiglingen jählings in die Flucht zu schlagen!“

3. Sagte Ich: „Ich kenne wohl die Biederkeit, Gerechtigkeit und den Mut der Römer, wie auch die beinahe schon bis an das Unbegrenzte reichende Falschheit der Juden, namentlich der Templer zu Jerusalem, – aber dennoch bleiben die letzteren das erwählte Volk des allein wahren Gottes, an den ihr Römer auch glaubet, da ihr diesem allein wahren Gott einen Tempel erbaut habt und habt ihm den Namen gegeben: der Tempel des unbekannten Gottes. Dennoch aber bleibt, wie gesagt, das jüdische Volk das von diesem allein wahren Gott schon von Uranbeginn der Menschheit dieser Erde erwählte Volk Gottes.

4. Aber das sage Ich dir auch, daß dieser Titel diesem Volke bald genommen werden wird und wird gegeben werden euch Heiden. Dieses jetzt so groß und hochmütig tuende Volk wird in alle Welt zerstreut werden, und es wird kein Land und keinen König aus seinem Stamme besitzen bis ans Ende der Zeiten.

5. Ich weiß, daß Mich dieses Volk über alles haßt und verfolgt, und dennoch werde Ich nach Jerusalem hinaufziehen müssen und werde Mich ihrem großen Haß und Zorn gegen Mich nimmer entziehen können und wollen, und das Opfer, das durch Mich dargebracht wird, wird für alle Menschen der Erde das Tor in das Reich Gottes auftun.

6. Bis jetzt herrschte noch immer der alte Tod und die Sünde, durch die der Tod in die Welt gekommen ist, durch das Gesetz, das zu allen Zeiten dem Menschen gegeben wurde; nach Meinem Opfer aber wird herrschen das Leben durch die Lehre Dessen, der geopfert wird, durch die vollste Freiheit des Glaubens.

7. Jedermann, der da die Wahrheit suchen wird, wird da dieselbe leicht und sicher finden und wird dadurch in sich haben das freieste, ewige Leben.

8. Ich bin einer der Ersten, der diese Lehre in die Welt gebracht hat. Ich kam zu den Meinigen, aber diese haben Mich nicht erkannt und haben Mich nicht aufgenommen, sondern sie verfolgen Mich noch allenthalben auf allen Wegen und Stegen, – daher werde Ich aber auch Mein Angesicht von ihnen abwenden und euch Heiden zuwenden.

9. Du bist ein Heide, und Ich bin ein Jude, – dennoch bin Ich bei dir eingekehrt mit Meiner ganzen Jüngerschar, und wie du weißt, habe Ich dir nur Gutes getan, und was Ich dir getan habe, das habe Ich schon vielen deines Stammes getan und werde es fortan tun bis ans Ende der Zeiten!“

10. Sagte darauf der Wirt: „Aus diesen deinen Worten, wundersamer Meister, weht ein sonderbarer Geist, und es kommt mir so vor, daß du bei weitem mehr bist als irgendein Prophet des jüdischen Volkes, von denen ich auch schon viel Großes gelesen habe! Auch diese Propheten wirkten mehr oder weniger Wunderzeichen; doch von der Art, wie du sie gewirkt hast, habe ich nie etwas gehört. Auch fehlte ihnen dein Wort, denn so wie du redest, sprach auch nicht einer von ihnen. Die zwei größten der altjüdischen Propheten waren offenbar Moses und Elias. Sie brachten eine große Lehre aus dem Geiste Gottes in ihnen unter die Menschen in diese Welt und wirkten auch Zeichen, die groß waren; allein gegen dich erscheinen sie doch nur als ganz kleine Menschen, die ihren Nebenmenschen das gegeben haben, was sie selbst empfangen haben.

11. Bei dir scheint es aber ganz anders zu sein; denn du sprichst wie aus dir selbst und handelst wie aus ganz eigener, in dir wohnender Kraft und Macht. Die andern Propheten mußten bitten ums Wort und um die Machtgabe zur Tat, – du brauchst nicht zu bitten, sondern handelst wie ein Herr, der niemanden zu bitten braucht, daß ihm ein höheres Gottwesen das Wort einhauche und ihn stärke zur Tat.

12. Siehe, du wundersamer Meister, ich als ein viel erfahrener, alter römischer Krieger habe diese Bemerkung (Beobachtung) an dir gemacht, und ich glaube, daß ich mich in meinem Urteil über dich nicht im geringsten getäuscht habe; ich möchte darum von dir selbst aus deinem Munde vernehmen, was du über dich selbst aussagst!“

13. Sagte Ich: „Mein lieber Freund, dazu ist der morgige Tag bestimmt; du wirst Mich dann näher kennenlernen, sowie auch deine Nachbarn! Ich will aber heute in dieser Hinsicht nichts reden wegen der Pharisäer und andern Juden, die in dem Nebengastzimmer gegenwärtig sich noch mit Brot, Wein und andern Speisen ihre Bäuche voll anstopfen, die so ganz eigentlich ihre Götter sind; denn keiner von ihnen glaubt mehr an den allein wahren Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, und weil sie an Den nicht glauben, so glauben sie auch Moses und den Propheten nicht, und an Mich nun um so weniger! Daher tun wir nun am besten, daß wir noch Wein nehmen, Brot und etwas Fleisch, jeder nach seinem Bedürfnis, und so wir schon dazwischen etwas reden, so reden wir mehr über so manche anderen Dinge und lassen das, was Mich betrifft, für heute beiseite!“

14. Mit dem war der Wirt einverstanden und füllte unsere Becher mit Wein, und wir nahmen darauf wieder etwas Brot und etwas Fleisch und tranken dazu den Wein.

235. Kapitel. Die Entstehung des Toten Meeres.

1. Während solcher unserer leibstärkenden Beschäftigung fragte Mich dennoch wieder der Wirt, ob Ich ihm nichts Näheres über die sonderbare Natur des Toten Meeres sagen könnte, und ob es wohl wahr sei, daß an seiner Stelle in der alten Zeit mehrere Städte bestanden hätten, die dann durch eine sonderbare Fügung in die Tiefe der Erde eingesunken seien und an deren Stelle sich dann dieses Tote Meer gebildet habe.

2. Sagte Ich: „Du hast ein richtiges Thema gewählt, und es hat dieser bedeutend große See seit jener Zeit den Namen ,Totes Meer‘ erhalten, weil in seinem Grunde zwei große Städte, Sodom und Gomorra, und noch sieben andere, kleinere Städte samt allen ihren Bewohnern und Tieren begraben liegen.

3. Zu jener Zeit hatte der Jordan eine ganz andere Richtung und ergoß sich in das wirkliche Meer, und zwar in den Arabischen Meerbusen, der auch das ,Rote Meer‘ genannt wird. Aber in der Zeit Abrahams und Lots geschah diese Katastrophe durch den Willen des einen, allein wahren und allmächtigen Gottes, und das Stromgebiet des Jordans selbst hat eine tiefere Einsenkung bekommen, als sie zuvor war; und so ergießt sich der Strom Jordan nicht mehr in den Arabischen Meerbusen, sondern in das Tote Meer.

4. Wenn du oder jemand anders mit einem gehörigen (geeigneten) Schiff die Ufer dieses Meeres befahren würdest zu einer Zeit, in welcher der See keine Dämpfe von sich gibt, so würdest du noch etwelche Überreste der kleineren Städte unter dem Spiegel des Wassers erblicken; aber wie gesagt, die Ufer dieses Sees dürfen nur dann befahren werden, wenn sich auf der Oberfläche des Wassers kein Dunst zeigt.“

5. Sagte der Wirt: „Also ist doch wahr, was der Prophet Moses über die Entstehung dieses Meeres in seinen Büchern spricht! Es haben mir wohl schon mehrere Reisende, die dieses Meer auf verschiedenen Punkten bereist haben, erzählt, daß sie von den hohen und steilen Ufern, welche diesen See umgeben, ein gewisses Mauerwerk wollen gesehen haben; ich selbst aber habe bis jetzt noch nie mit den Umgebungen des Toten Meeres irgend etwas zu tun gehabt. Was sollte man da auch zu tun bekommen? Denn so weit das Auge reicht, erblickt man nichts als hohe Felsenklippen, die gegen den See hin sehr steil abfallen und so tot – das heißt, ohne irgendeine Bewachsung – sind wie der See selbst, in welchem man nicht einmal beim Einfalle des Jordans einen Fisch mehr zu entdecken imstande ist.

6. Es sollen nur sehr wenige Stellen sein, wo man mit vieler Mühe hinab bis zum Wasserspiegel gelangen kann, der gleichfort einen starken Schwefelgeruch von sich lassen soll, und somit habe ich denn auch nie eine besondere Lust gehabt, die Natur dieses toten Meeres näher zu besichtigen. Jäger bin ich keiner, und sonst wüßte ich nicht, warum ich als ein alter Mann mich der Gefahr aussetzen sollte, die steilen Klippenufer dieses Sees zu besteigen, die mitunter eine ziemliche Höhe haben; die Flachufer aber, an denen man sich dem See leichter nähern kann, liegen ein paar Tagereisen weit von hier und gehören schon zum steinigen Arabien. Und somit glaube ich lieber deiner Aussage in der Ruhe, denn ich bin kein Freund des Todes, und somit auch nicht des Toten Meeres. Ich hatte Gelegenheit, das wirkliche, große Meer zu befahren und zu genießen, das mir Anstände genug gemacht hat, und somit wird dieses Tote Meer von mir schon verschont bleiben!

7. Was war aber eigentlich die Ursache, aus der der allein wahre, große Gott diese Städte hat in die Tiefe der Erde versinken lassen?“

8. Sagte Ich: „Nichts anderes als der Ungehorsam gegen den allein wahren, großen Gott, der dieses Volk zu öfteren Malen sehr ernstlich gemahnt hatte, von seiner großen Sündhaftigkeit abzulassen und seine sündige Wohnstätte zu verlassen, weil das Ganze auf einem tief in der Erde lagernden Schwefellager gelegen war und die Gottheit wohl wußte, wann es sich entzünden wird.

9. Allein das Volk blieb in seiner großen Sündhaftigkeit, bei Hurerei und Schwelgerei aller Gattung, und achtete der göttlichen Mahnung nicht, bis auf den Lot und seine kleine Familie. Und siehe, es kam in dem ganzen, weiten Umkreis des Toten Meeres zu den gewaltigsten Feuerausbrüchen, so wie du sie schon in der Gegend Italiens und Siziliens gesehen hast, und das ganze Firmament war voll Feuers, so daß dasselbe über alle die Städte in einem dichtesten Regen herabzustürzen anfing, bestehend in brennenden Schwefel- und Erdpechklumpen.

10. Diese Feuerszene dauerte über vierzehn Tage lang. Dadurch wurde unter der leichten Erddecke dieses Landstückes ein hohler Raum gebildet, und das Land stürzte mit allem, was es trug, in die feurige Tiefe hinab, die erst nach und nach mit dem Wasser des Jordans und einiger kleiner Bäche ausgefüllt wurde. Wäre das nicht geschehen, so wäre auch das ganze Jordantal in den inneren Brand geraten und eingesunken; denn auch dieses ganze Tal ruht auf Schwefel und Erdpech. Und somit habe Ich dir jetzt in der Kürze alles natürlich enthüllt, was du im Moses in weiterer Umfassung gelesen hast!“

236. Kapitel. Die Entstehung des Kaspischen Sees.

1. (Der Herr:) „So du dich nach dem Jordantale aufwärts begeben würdest und gingest sogar über das Gebirge von Kleinasien, da würdest du an einen sehr großen See kommen, den ihr Römer MARE CASPIUM nennt. Dieser überaus große See ist zu den Zeiten Noahs oder, wenn du es leichter begreifen kannst, zu den Zeiten Deukalions auf eine gleiche Art entstanden wie das Tote Meer, nur mit dem Unterschied, daß im Toten Meere eigentlich nur neun Städte begraben liegen, im MARE CASPIUM aber bei fünfhundert samt der damaligen überaus großen Stadt Hanoch.

2. Siehe, Mein lieber Freund, du wirst zwar sagen: ,Warum hat denn dieses Gott zugelassen, daß vertilgt ward beinahe das ganze Volk der Erde?‘!

3. Ich sage dir aber dagegen: Gott hat die Menschen, besonders damals die Hanochiten, bei fünfhundert Jahre lang durch geweckte Propheten und sogar durch Engel aus den Himmeln belehren und ermahnen lassen, daß sie dies und jenes nicht tun und namentlich die Berge der Erde in Ruhe lassen sollten; allein ihr starrer Sinn und ihr übergroßer Hochmut hat der Ermahnungen nicht geachtet.

4. Die Hanochiten hatten eine Art Sprengkörner erfunden, machten in die Berge tiefe Löcher, füllten diese mit den Sprengkörnern und zündeten sie mittels fortlaufender Brandfäden an. Die Sprengkörner explodierten und zerrissen die Berge. Die Hanochiten wußten aber nicht, daß unter den Bergen sich oft überaus große und tiefe Wasserbehälter befinden. Die zerstörten Berge, da sie keinen Halt hatten, stürzten dann bald in diese großen und tiefen Bassins hinab und trieben dafür große Massen Wasser auf die Oberfläche der Erde. Andernteils wurden bei dieser Feuertätigkeit auch die in den Bergen vorhandenen Schwefel-, Kohlen- und Pechlager brennend, machten dann auch in der Ebene großartige Feuerausbrüche, wodurch dann das Erdreich samt allem, was auf ihm stand, versank und an seiner Stelle dann ein Meer entstand.

5. Es ist leicht begreiflich, daß bei dieser Gelegenheit eine übergroße Masse Wasser aus dem Innern der Erde hervortreten mußte, und mit dem Wasser auch eine große Dunst- und Wolkenmasse, die sich in eine gewisse Höhe erhob und als wolkenbruchartiger Regen, über zwölf Monate lang andauernd, herabstürzte, was im höchsten Grade notwendig war, weil sonst im Verlauf von mehreren Jahren die ganze Oberfläche der Erde in Brand geraten wäre; denn bei zweitausend Klaftern Tiefe, und manchmal viel weniger, gibt es Brennmaterialien zur Übergenüge, so Schwefel, Erdpech und Erdkohle, wie auch hie und da ganz überaus große Naphthabassins.

6. Daher wirst du, mein lieber Freund, auch einsehen, daß in jener Zeit eine der allergrößten Überschwemmungen der Erde, das heißt des größten Teils von Asien, im höchsten Grade notwendig war; denn sonst würde nun der größte Teil der Erde eine Wüste sein, wie auch das nun der Fall ist von dem Mare Caspium aus bis nahe ans östliche Ende von Asien durch eine Strecke von zweitausend Stunden in der Länge und bei fünfhundert Stunden im Durchschnitt in der Breite.

7. Gott der Herr aber sorgte dafür, daß die Erde nicht zerstört werden solle, damit die Menschen nicht um ihr Schulhaus kommen, in welchem sie für das ewige Leben durchgeschult werden, – denn wer nicht die Schule des Lebens im Fleische auf dieser Erde durchgemacht hat, der kann nicht zur Kindschaft Gottes gelangen, sondern bleibt ewig auf der geschöpflichen Stufe der Tiere.

8. Daher ist, wie selbst begreiflich, die Erhaltung dieser Erde als des Schulhauses zur Erwerbung der Kindschaft Gottes allerhöchst notwendig. Dies wirst du zwar jetzt noch nicht ganz verstehen, jedoch wir werden morgen wieder auf dieses Thema kommen, und dann wirst du es verstehen!“

9. Sagte der Wirt: „Mein lieber, freundlichster, wundersamer Meister! Es geht in mir jetzt etwas vor wie in einem, der frühmorgens ausgeht und dem die ersten Strahlen der Morgendämmerung den Weg zu erleuchten anfangen. Wir haben unter den Römern ein uraltes Sprichwort, welches also lautet: ,Es besteht und bestand auf der ganzen Erde kein großer und weiser Mann ohne einen göttlichen Anhauch!‘; du aber scheinst sogar von der Gottheit der Allerangehauchteste zu sein, was soviel sagen will als: In dir wohnt die ganze Fülle der wahren Gottheit körperlich!“

10. Sagte Ich: „Dieses hat dir dein Fleisch nicht gegeben, sondern dein Geist! – Jedoch heute wollen wir auch über dieses Thema nichts Weiteres reden; denn diese Pharisäer fangen an, einer um den andern ihre Ohren zu spitzen, weil sie uns reden hören. Daher rede du wieder von etwas anderem, was gleichgültiger Natur ist!

237. Kapitel. Die Frage des Wirtes nach dem Grunde der Zerstörung Babylons und Ninives.

1. Hier dachte der Wirt eine Zeitlang nach und sagte endlich: „Mein lieber, wundersamer Freund, der Du erfüllt bist mit aller Kraft und Macht aus der allein wahren Gottheit! Weil Du durch Deinen Willen alles schaffen kannst, was Du willst, gib mir doch einen kleinen Aufschluß, warum es der Gott der Juden, den ihr für den einen und allein wahren haltet, zugelassen hat, daß Städte wie Babylon und Ninive derart zerstört wurden, daß man jetzt nicht einmal mehr bestimmen kann, wo sie gestanden sind!

2. Warum hat denn da die Gottheit zugelassen, daß solche Werke des menschlichen Fleißes vernichtet wurden. Es ist wohl wahr, daß auch diese Menschen als Bewohner dieser Städte nicht viel weniger werden gesündigt haben als die Sodomiter, – aber was ist denn eigentlich die Sünde?

3. Sie ist nichts anderes als eine Handlungsweise gegen irgend bestehende Gesetze, von denen ein jeder Mensch in einem Lande entweder gar keine oder nur eine schwache Kenntnis besitzt, und es ist auch ganz in der Ordnung, daß ein Volk der notwendigen bürgerlichen Ordnung wegen Gesetze haben muß.

4. Zu den Gesetzen gehört aber auch die entsprechende Erziehung, – aber in welchen Händen steht oft die Erziehung! Wer ist der erste Erzieher der Kinder? Es sind das die Eltern, die zum größten Teil, mit Ausnahme der Sprache und einigen Erfahrungen, ebenso dumm sind wie ihre neugeborenen Kinder; die Kinder aber wachsen auf ohne alle Kenntnis, Wissenschaft und Erfahrung.

5. Im Staate bestehen zwar Gesetze, von denen aber so aufgewachsene Kinder nichts wissen, und das ist der Fall in den Städten wie auf dem Lande, und in den Städten oft noch mehr als auf dem Lande.

6. Nun aber sind dergleichen Menschen mit sehr vielen Leidenschaften, wenig Vernunft und wenig Verstand behaftet; jene Leidenschaften üben daher die größte Kraft über sie aus, und derlei Menschen frönen dann ihren Leidenschaften und sündigen wider die bestehenden Gesetze, von denen sie keine Kenntnis haben.

7. Je länger solch ein Volk besteht, desto dümmer wird es, und desto mehr wird gesündigt, und die Machthaber eines solchen Volkes, so wie die Priester, leben dann stets zufriedener, je dümmer das Volk wird, und niemand kümmert sich um die Erziehung der Menschheit, auch die allmächtige Gottheit nicht; wenn aber solche Menschheit sich einmal so recht zu Tode gesündigt hat, so läßt dann die Gottheit Gerichte von unten und von oben kommen.

8. Wäre es denn nicht noch weiser, wenn die Gottheit schon beim Entstehen eines solchen Volkes die gleiche mächtige Sorge für eine zweckmäßige Erziehung des Menschen tragen würde, derzufolge die Menschen wüßten, woran sie sind, und woran sie dann auch zu bleiben hätten?

9. So aber sieht man nichts als das ewige Strafen auf der Erde, und die vom Gottesgeiste begabten Lehrer kommen erst dann, wenn die Menschen schon so arg geworden, daß sie nicht mehr zu bessern sind.

10. Daß derlei Menschen dann ausarten, auf dem Lande wie in den Städten, ist selbstverständlich und bedarf keiner weiteren Erläuterung, und der von Gott begeisterte Prophet und Lehrer kann mit einem so verdummten Volke keine Wunder mehr wirken. Höchst wenige bessere Menschen werden ihn anhören und seine Lehre annehmen; der allergrößte Teil der Menschen aber wird ihn ergreifen und töten.

11. Siehe, Du mein lieber, wundersamer Freund, da kann ich denken, wie ich will, und ich finde eine solche Vernachlässigung in der Erziehung der Menschen, die von einer höchst weisen und mächtigen Gottheit zugelassen wird, nicht völlig in der Ordnung! Ihre Gesetze mögen immerhin höchst weise sein; was nützt aber das, so die Menschheit im allgemeinen nie zu ihrer intensiven Kenntnis gelangt?

12. Warum ist denn im römischen Staat mehr Ordnung als überall? Weil die römische Regierung dafür sorgt, daß ihre sehr weisen Gesetze jedem Römer bekanntgemacht werden, und das so lange, bis er eine Prüfung ablegen muß, in der er bezeugt, daß er die nötige Kenntnis der Staatsgesetze hat. Denn man bekommt erst dann das römische Bürgerrecht, so man sich bei den Prüfungen ausweist – in den Städten sowohl als auf dem Lande –, daß man die nötigen Gesetzeskenntnisse innehat.

13. Das sollte nach meiner Ansicht auch bei allen andern Völkern eingeführt sein; aber so läßt man sowohl von der göttlichen als auch staatlichen Seite zu, daß die Völker oft unter das Tierreich verwildern, darauf nicht anders als nach ihren Leidenschaften handeln können und statt besser immer schlechter und noch finsterer werden und dann Sünden und Verbrechen ohne Zahl und Maß begehen. Und wenn sie in solcher Lebensweise den höchsten Kulminationspunkt erreicht haben, so kommen dann die Strafen von oben und von unten, und es werden dann Städte und Völker aus dem Dasein vertilgt. Mit dieser Erziehungsweise der Menschen bin ich durchaus nicht einverstanden!

14. Daher fragte ich, warum es die Gottheit zugelassen hat, daß Städte, wie Babylon und Ninive, so ganz aus dem Dasein verschwunden sind. Die Menschen müssen zwar ohnedies sterben, ohne zu wissen, was ihnen der Tod beschert hat; aber die Wohnorte und der durch die Menschen kultivierte Erdboden haben doch nichts verschuldet, daß sie samt der sündigen Menschheit aus dem Dasein haben verschwinden müssen!

15. Wenn nun wieder ein Volk auf die Welt kommt, so muß es von vorne wieder anfangen, sich Wohnungen zu erbauen und den Landboden zu kultivieren, und bei dieser Arbeit hat solch ein Volk auch wieder keine Ruhe, sondern es wird in einem fort mit allerlei Feinden von oben und von unten bedroht, auf daß es sich ja in der wahren, reinen Sittlichkeit und Tugend nie völlig entfalten kann.

16. Wir Römer hier in diesem Flecken, zumeist aus lauter alten Kriegern bestehend, haben uns soweit, als es dem Menschen überhaupt möglich ist, entfaltet und haben auch unseren Kindern eine solche Erziehung gegeben, daß sie in unserer Weise lange fortleben können, vielleicht Jahrhunderte hindurch, so uns wer dafür gutsteht, daß dies unser kleines Landfleckchen nicht von was immer für Feinden bedroht und zerstört wird, – was die allmächtige Gottheit wohl verhindern könnte, so sie es wollte, aber sicher nicht verhindern wird!

17. Und so wirst Du, lieber, wundersamer Freund, mit Deiner viel tieferen Weisheit, als die meinige ist, wohl einsehen, daß es auf dieser mageren Erde wohl recht verzweifelt schwer ist, ein rechter Mensch zu sein. Es wäre dies zwar eben nicht zu schwer, so von der allmächtigen Seite eines wahren Gottes dafür gesorgt würde, daß alle Menschen rechte Menschen wären! Aber so läßt die Gottheit zu, daß die Menschen sich schon lange zuvor bis auf den Grund verderben; dann erst erweckt sie unter solch einem Volke mehrere weise Lehrer und Propheten, und diese sollen das Volk zur alten Sittenreinheit und Tugend zurückführen, wie solches auch aus der Urgeschichte des jüdischen Volkes zu ersehen ist.

18. Als das israelitische Volk unter der Herrschaft der Pharaonen schon recht entsittlicht war, da erst erweckte die Gottheit einen Moses, der es von allen seinen Sünden und Unarten befreien sollte. Ich aber frage: Warum hat denn die Gottheit nicht früher einen weisen Moses im israelitischen Volke erweckt, als dasselbe noch besser und gefügiger war?

19. Siehe, Du mein lieber, wundersamer Freund, ich und auch meine Nachbarn haben darüber oft nachgedacht und miteinander gesprochen; aber keiner von uns konnte auf diese Frage eine nagelfeste und wahre Antwort geben. Darum habe ich diese Frage mit allen Bedenken nun Dir vorgetragen und bin der zuversichtlichen Meinung, daß Du mir darauf eine rechte Belehrung wirst geben können.

238. Kapitel. Die Geistespest der Trägheit.

1. Sagte Ich: „Mein lieber Freund, du hast hier eine ganz gute und richtige Frage gestellt; aber eines hast du dabei vergessen, und das besteht darin, daß Gott auf dieser Erde weder die Erde selbst, noch alles, was sie enthält, für eine ewige Dauer erschaffen hat und auch nicht hat erschaffen wollen und können!

2. Auf dieser Erde ist alles veränderlich und vergänglich, und sie ist nur der Übergangspunkt aus dem Urgerichte und Tode zum wahren, ewigen beständigen Leben.

3. Die Gottheit könnte freilich mit ihrer Allmacht dahin wirken, daß der Mensch gleich den Pflanzen und den Tieren in einer gewissen Ordnung bestehen müßte, – allein dann wäre der Mensch nicht mehr Mensch; denn er hätte von selbst weder eine Vernunft noch einen Verstand, noch einen freien Willen. Da aber die Gottheit dieses nicht wollte aus den höchst weisesten Gründen, so gab sie dem Menschen Vernunft, Verstand und freien Willen, dadurch auch die Fähigkeit der Gottähnlichkeit darin, sich geistig selbst zu bilden und zu vollenden.

4. Daß die Menschheit in der Erziehung vernachlässigt worden ist, für die aber die Gottheit schon uranfänglich allerbestens gesorgt hat, daran schuldet die Trägheit der Menschen. Wenn es noch jetzt unter den Menschen gleich dir und deinen Nachbarn biedere und rechtliche Menschen gibt, – warum sind denn nicht alle so wie ihr? Weil sie träge sind! Darum hat die Gottheit auch solche großen Städte vertilgen lassen, weil in ihnen die Trägheit und durch sie die Entsittlichung aller Art überhandzunehmen angefangen hatte.

5. Wären die Städte und ihre Bewohner wie ihr geblieben, so hätte die Gottheit keine Feinde wider sie gesandt, sondern sie erhalten. Daß sie aber vertilgt worden sind, hatte den Grund, damit durch ihre Trägheitspest am Ende nicht alles Volk der Erde verpestet und verdorben würde.

6. An weisen Lehrern unter diesen Völkern hat es aber die Gottheit zu keiner Zeit ermangeln lassen, und durch sie sind auch noch viele in diesen Städten lebende bessere Menschen gerettet worden; aber die zu trägen mußten am Ende samt ihren Wohnungen hinweggeräumt werden.

7. Eine weise Regierung, die auf eine gute Ordnung durch ihre Gesetze etwas hält, wird den mutwilligen Übertreter des Gesetzes sicher auch zur Rechenschaft und Züchtigung ziehen, – soll denn die Gottheit, wenn sie auch noch so gut und langmütig ist, irgendein zu sehr entartetes Volk nicht auch züchtigen und es mit der gerechten Rute aufwecken aus der zu großen Trägheit und es hinlenken zur Tätigkeit?

8. Du wirst dieses wohl einsehen, daß es notwendig ist; beherzige vor allem des Menschen vollkommen freien Willen, gegen den die Gottheit nicht hemmend auftreten kann, so wirst du alles in deiner ziemlich gedehnten Frage verstehen und einsehen! Denn siehe, auf einer Erde, auf welcher ein Mensch nicht in alle größten Laster versinken kann durch seinen freien Willen, durch seine Vernunft und durch seinen Verstand, kann sich der Mensch auch nicht bis zur höchsten und gottähnlichen Tugend erheben!

9. Wenn du dieses in dir ein wenig überdenkst, so wirst du über alle deine Fragepunkte heller werden –, denn siehe: Tiere, Bäume und Pflanzen zu erschaffen und zu erziehen, ist für die Gottheit ein leichtes, aber nicht ein so leichtes ist die Erziehung der Menschen; die kann sie nur belehren, aber ihnen keinen inneren Zwang antun! Verstehest du dieses?“

10. Sagte der Wirt: „In der Hauptsache bin ich jetzt schon im reinen; aber es gibt freilich noch eine ziemliche Menge kleiner Nebendinge, über die man nicht sogleich ins klare kommen kann.“

11. Sagte darauf Ich ganz kurz: „Mein Freund, wer einmal in der Hauptsache ins klare kommen kann, der wird es auch in den Nebendingen werden! Morgen werden wir aber davon noch weiter sprechen, Mein lieber Freund, denn es ist jetzt nicht die Zeit, davon weiter zu reden, weil die Pharisäer ihre Ohren wieder an die Wand legen und sie in Mir und in dir ein paar Weise vermuten. So werden wir noch morgen unsere Not mit ihnen haben; darum sollst du nun über etwas ganz Gleichgültiges deinen Mund auftun, und wir wollen darüber eine Zwiesprache führen!“

12. Sagte der Wirt: „Mein lieber, wundersamer Freund, es ist wahrlich recht schwer, gerade dann, wenn man es möchte, etwas so recht Gleichgültiges zum Vorschein zu bringen. Wir Römer sind überhaupt mehr nachdenkender, ernster und forschender Natur, und es kostet uns wahrlich mehr Mühe, etwas ganz Gleichgültiges ans Tageslicht zu fördern als etwas Ernstes, mit der wahren Würde eines Römers zu Vereinbarendes. Weil Du es aber einmal so haben willst, so will ich versuchen, ob ich nicht etwas aus mir hervorbringe, daran wahrlich nicht viel gelegen ist, ob so oder so.

239. Kapitel. Eine Kritik der mosaischen Speisevorschriften.

1. (Der Wirt:) „Warum essen denn die Juden kein Schweinefleisch, das doch offenbar besser ist als das Hammelfleisch? Warum hat ihnen solches Moses untersagt? Wir Römer verstehen es, uns das Fleisch der Schweine wohl zuzubereiten, essen es, und wir werden älter als die Juden.

2. Ich meine, mit diesem Verbot hat sich der gute Moses mit diesem Volke einen Witz gemacht. Er, ein in alle ägyptischen Geheimnisse eingeweihter Mann, hat es wohl eingesehen, daß seine Stammesgenossen in Ägypten lauter Schweine geworden sind, und wir Römer machen uns darüber lustig und sagen: Moses hat eingesehen, daß dieses Volk bis in die größte Tiefe der Tiefen der Unflätigkeit herabgesunken ist, und damit es nicht noch unflätiger würde, solle es das Schweinefleisch nicht essen, weil es ohnehin schon unflätiger war als das unflätigste Schwein selbst. Und ich meine, daß da Moses ganz recht hatte; denn dieses Volk in Ägypten hatte keinen andern Sinn als den, in einem fort zu fressen. Es war am Ende schon gar kein Tier mehr vor seiner Freßgier sicher.

3. Moses aber hatte doch als selbst Jude Erbarmen mit diesem Volk und hatte alles angeordnet, um dieses Volk zur früheren Gesundheit und Nüchternheit zurückzuführen; denn er, als ein in allen ägyptischen Wissenschaften und Geheimnissen eingeweihter Mann, verstand sich wohl darauf, was er zu tun hatte, um sein in jeder Hinsicht ganz herabgekommenes Volk in jeder Beziehung zu retten, machte demnach auch eine Vorschrift, was es essen und nicht essen dürfe.

4. In Ägypten war, wie schon früher bemerkt, kein Tier vor ihrer Freßgier sicher, alle Vögelgattungen der Luft, alle Tiergattungen auf der Erde und alle Tiergattungen des Meeres waren nicht sicher, während die alten Israeliten und auch die alten Ägypter nichts zu sich nahmen als nur das Fleisch der Kühe, Kälber, Ochsen und Stiere, der Hühner, der Lämmer und Ziegen, einige Gattungen der besten Fische, Brot und Wein, und sie blieben vollkommen gesund dabei. Würden die alten Ägypter und auch die alten Hebräer so wie wir Römer es gewußt haben, wie man das Schweinefleisch herzurichten hat, damit es der leiblichen Gesundheit nicht schadet – und so auch das Fleisch verschiedener anderer Vögel und auch Tiere, wie da sind Hirsche, Rehe, Gazellen und Hasen –, so würden sie auch gesund dabei geblieben sein, so wie wir.

5. Allein Moses war der Erziehung nach ein Ägypter und hatte denn auch bei seinem Volke, nachdem er es aus den Krallen des Pharao gerettet hatte, den Speisezettel eingeführt, der beim Hofe des Pharao, an dem er gelebt hatte und erzogen wurde, gang und gäbe war. Er hatte zwar diesem Speisezettel – unter uns gesagt, mein lieber, wundersamer Freund – einen divinativen (göttlichen) Anstrich gegeben, weil er selbst mit der Gottheit in einer innigsten Verbindung gestanden habe, und sagte sogar, daß ein Mensch sich verunreinige auch in seiner Seele, der eine andere Speise zu sich nähme, als die er vorgeschrieben habe. Das hat er wohl deswegen getan, um sein Volk desto beharrlicher in der Nüchternheit zu erhalten; er hatte aber dennoch danach in der arabischen Wüste über vierzig Jahre zu tun, bis er es dahin durchgeschult hatte, daß es nur bei diesen ihm vorgeschriebenen Speisen stehenblieb.

6. Aber er hatte damit wahrlich nicht viel gewonnen, wie wir Römer es beurteilen; denn er hatte es zu sehr und zu strenge an die Haltung der äußeren Normen gewöhnt und in den Glauben versenkt, daß man vor einer höchst reinen, lieben und allmächtigen Gottheit schon völlig genug getan habe, wenn man nur die äußeren Gesetze beachtet, – und ich muß Dir offenbar sagen, mein lieber, wundersamer Freund, daß er seinem Volke dadurch keine ganze, sondern nur eine halbe Wohltat erwiesen hat.

7. Das Beste waren die Gesetze, die er gegeben hat, durch die er das Volk wieder mit seinem Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs bekannt gemacht hat.

8. Was aber den sogenannten Speisezettel sowie die uralte, wieder aufgefrischte Beschneidung betrifft, so hat er nach meiner Ansicht damit eben nicht das Beste gewirkt; allein er hatte im ganzen einen guten Willen und hat sich bei diesem Volke als sein Befreier sicher ein ewiges Denkmal gegründet. Hätte er aber sein Volk mit der Weisheit der alten Ägypter mehr bekannt gemacht, als er es getan hat, so hätte er dadurch einen besseren Zweck bei seinem Volke erreicht als mit dem Verbot, das wohlzubereitete Schweinefleisch zu genießen.

9. Und das scheint, wie es mir vorkommt, auch die Ursache gewesen zu sein, daß dieses israelitische Volk, wie in dieser gegenwärtigen Zeit, gar so tief herabgesunken ist. Was würdest denn Du, wundersamer Meister, hinsichtlich dessen, was ein Mensch genießen oder nicht genießen darf, den Menschen für einen Rat erteilen?“

240. Kapitel. Ernährungswinke. Die Mängel der Prophetengesetze.

1. Sagte Ich: „Gerade den, den du nun ausgesprochen hast! Was zum Munde hineingeht, so es frisch und gut zubereitet ist, verunreinigt den Menschen nicht und schadet bei mäßigem Genuß auch seiner Gesundheit niemals; nur von dem Fleische der erstickten Tiere, wie es bei manchen Heiden gebräuchlich ist, soll der Mensch nichts genießen, weil im Blute der Tiere gewisse ungegorene Naturgeister walten, die für die menschliche Natur so gut wie Gift sind und daher auch das Blut beim Menschen verunreinigen, ihn nur zu bald krank und zu seinen Geschäften unfähig machen.

2. Siehe, der Wein, so er ausgegoren ist und sich von aller Unreinigkeit gereinigt hat, ist für jedermann zu seiner leiblichen Stärkung innerlich wie äußerlich bestens zu empfehlen! So aber jemand den neuen Most trinkt, aus dem die unlauteren Naturgeister noch nicht entwichen sind durch den Akt der Gärung, so ist dies Getränk für den Menschen schädlich; daher soll man nur einen alten und reinen Wein trinken und den Most so lange stehen lassen, bis er sich gehörig gereinigt hat und zum wenigsten zwei bis drei Jahre alt geworden ist.

3. Daß Moses bei seinem Volke gewisse Fehler begangen hat, so wie auch sein Bruder Aaron, das weiß Ich sehr wohl; daher kamen auch beide nicht ins Gelobte Land. Aaron kam bis an den Berg Hor, durfte das Gelobte Land sehen, dann sich auf den Berg niederlegen und sterben. Moses kam auf den Berg Nebo, sah auch das Gelobte Land und mußte darauf sterben. Du, Mein lieber Freund, kennst beide Berge, weil sie in deiner Nähe sind!

4. Moses hatte, wie gesagt, mit vieler Weisheit besonders den Stamm Levi, der beständig um ihn war, bereichert; die andern Stämme aber ließ er mehr in der Roheit und beherrschte das Volk mitunter sogar tyrannisch, ohne daß ihm dazu die Gottheit gerade Gebote gegeben hätte, und dafür hat er denn auch von der Gottheit eben nicht gar zu selten Zurechtweisungen bekommen.

5. Es war aber dasselbe auch mit allen andern Propheten der Fall; denn nicht einer von ihnen hatte eine so rechte Freude an seinem Berufe, und die Gottheit mußte stets mit allerlei Mitteln als Korrektor hinter ihnen stehen und sie zur Tat förmlich zwingen. Aber siehe, es ist das in dieser Welt schon so gang und gäbe, aus dem Grunde, weil die Gottheit selbst dem weisesten Propheten den freiesten Willen, seine Liebe, seine Vernunft und seinen Verstand nicht wegnehmen kann und darf; denn sonst würde er zu einem toten Werkzeuge herabgestimmt werden.

6. Die Gottheit zwingt den Propheten zwar mit ihrem allmächtigen Geiste in jenen Momenten seiner Tätigkeit, die Gott von ihm fordert, streng nach dem Willen der göttlichen Weisheit zu reden, zu schreiben und zu handeln, – aber darauf läßt sie ihn wieder ganz frei, und er kann dann tun und handeln, wie er will, und bei dieser Gelegenheit kann dann der Prophet auch Fehler begehen gleich wie ein jeder andere Mensch. – Hast du dieses verstanden, Mein lieber Freund?“

241. Kapitel. Die Unvollkommenheit des menschlichen Wissens.

1. Sagte der Wirt: „Ja, Du wundersamer Meister, diese Deine kurze Antwort auf meine ziemlich gedehnte Frage war mir verständlicher denn die frühere; aber ich muß mich auch dabei eines Spruches der alten Weisen erinnern, demnach unter der Sonne nichts Vollkommenes existiert, alles menschliche Erfahren, Wissen und Erkennen ein Stückwerk ist, und daß eben derjenige, der es durch seinen Fleiß dahin gebracht hat, vieles zu wissen, am Ende einsehen wird, daß der Mensch, so er auch alles gelernt, gesehen und erfahren hat, erst dann am weisesten wird, so er zu der Einsicht gekommen ist, daß er eigentlich gar nichts weiß, – denn alles weiß nur ein göttlicher Geist, der Mensch aber nur so viel, als ihm dieser Geist, gewisserart ihn anhauchend, mitteilen will.

2. Es ist aber auch zu einer tieferen Ausbildung des Menschen sein Leben viel zuviel veränderbar und zu kurz. Ist der Mensch noch jung und kräftig, so ist er mit allerlei Leidenschaften behaftet, mit guten und schlechten, denen er frönt und sich daher sehr schwer zu einem reineren Lichte aus dem Geiste Gottes erheben kann; unter tausend vielleicht kaum einer, der davon eine Ausnahme macht. Endlich wird der Mensch älter und kommt zu einer etwas geläuterten Ansicht; allein da wird er schon oft kränklich, müde und träge, hält sich bloß an die äußeren Gesetze und Formen und läßt dabei den göttlichen Geist ein gutes Wesen sein. Er erreicht, wenn es gut geht, sechzig, siebzig, auch achtzig Jahre; aber in diesen alten Tagen denkt er schon immer an den Tod, wird mutlos und kraftlos, und ein intensives Sich- Beschäftigen mit dem Geiste Gottes ist ihm oft gar nicht mehr möglich.

3. Und so steht es mit der wahren Weisheit unter den Menschen immer schlecht, und das aus den früher angeführten drei Gründen. Ja, wenn ein Mensch in der wahren Manneskraft zum wenigsten dreihundert Jahre alt werden könnte, so stünde es mit der wahren Weisheit unter den Menschen auch sicher besser als jetzt; aber so kann er infolge seiner kurzen Lebenszeit hie und da etwas erhaschen, aber das Erhaschte nie in einen vollkommenen Zusammenhang bringen, weil ihm dazu die nötige Lebenszeit mangelt.

4. Zu Alexandrien besteht eine der größten Büchersammlungen, in denen eine große Menge in allen Fächern des menschlichen Erfahrens und Wissens aufgezeichnet ist. Wo befindet sich aber ein Mensch, der so lange lebte, daß er diese Bücher nur einmal in seinem Leben durchlesen möchte? Und so müssen wir besseren Menschen uns denn stets mit unserem alten Spruche: SAPIENTI PAUCA SUFFICIT begnügen und vertrösten, und ich bin der Meinung, daß sich mit diesem Grundsatze auch alle noch so großen Weisen dieser Erde haben begnügen und vertrösten müssen.

5. Ich habe als Krieger doch gar viele Länder der Erde durchwandert, bin aber nirgends an irgendein Ende gekommen und habe auch nichts von allem verstanden, was ich gesehen habe. Ich habe mir wohl Erfahrungen und Bilder in meinem Gedächtnisse gesammelt, aber was nützen sie mir, wenn ich nicht verstehe, was sie sind, wie sie entstanden sind und zu welchem Zweck?

6. Daß gewisse gute Früchte zum Essen sind, daß in manchen Kräutern eine heilsame Kraft waltet, und daß das Gras zur Nahrung für jene Tiere dient, die wir die grasfressenden nennen, daß das Holz zur Feuerung, wie auch zum Bau der Häuser und Hütten dienlich ist, das wissen die Menschen aus der Erfahrung; aber viel weiter darüber hinaus wissen die Menschen im allgemeinen sicher nicht! Und somit erscheinen mir die Menschen auch stets als die beklagenswertesten Geschöpfe einer allmächtigen Gottheit, ob sie nun in der tiefsten Nacht ihres Aberglaubens leben oder als höchst gefeierte Weise auf dem Erdboden umherwandeln, indem sie alle zusammen nicht wissen, warum sie eigentlich auf diese Erde ohne ihr Wissen und Wollen gesetzt worden sind, – und ich meine, Du Selbst als ein überaus weiser und wundersamer Meister wirst mir da nicht unrecht geben!

7. Daß es nach dem Abfalle des Leibes mit der Seele des Menschen irgendein Fortkommen und Fortbestehen haben müsse, darin sind alle Weisen der Erde, die ich kennengelernt habe, einig; aber wie geartet dieses sei, darüber besteht bis jetzt noch keine Einigung.

8. Du wirst sicher in diesem Punkte auch vielleicht eine der weisesten Ansichten innehaben; aber wenn man damit die Ansichten aller andern Weisen vergleichen wird, so wird sie sich mit den Ansichten der andern Weisen nicht vereinigen lassen. – Habe ich recht oder nicht?“

242. Kapitel. Die römische Toleranz.

1. Sagte Ich: „Mein lieber Freund, in der weltlichen Anschauungsweise der Menschen hast du vollkommen recht, aber in der geistigen durchaus nicht; denn für den Geist gibt es nur eine alleinige Wahrheit, und diese besteht darin: den einen, wahren Gott erkennen, Ihn über alles lieben und seinen Nächsten wie sich selbst. Dies ist besser als alle diese Wissenschaft der Erde, und dazu ist das Menschenleben immer lang und gut genug.

2. Wer in diese eine Wahrheit eingeweiht wird durch den Geist der Liebe in seinem Herzen aus Gott, der wird auch in kürzester Zeit mehr Weisheit und Wissenschaft in sich besitzen als alle Büchersammlungen auf der ganzen Erde, wofür Ich dir bürgen kann. Aber heute ist nicht die Zeit dazu, um dich in dieser Sphäre weiterzuführen; morgen aber sollst du in allem, besonders aber in dieser Sphäre, näher eingeweiht werden, – und wirst du in dieser Sphäre vollends eingeweiht sein, so wirst du um wenig andere Dinge mehr zu fragen haben!“

3. Während Ich und der römische Wirt solches miteinander besprachen, machte ein Pharisäer die Tür auf und trat ins Zimmer, trat sogleich an unseren Tisch und sagte: „Meine Freunde, es fehlen noch eine und eine halbe Stunde nach unserer Sanduhr bis zur Mitternacht, und da wir euer Gespräch vernommen haben über Moses und die Propheten und über noch allerlei andere Dinge, und wir Pharisäer auch wissen, daß die Römer nicht selten sehr gescheite und erfahrene Menschen sind und unsere jüdischen Geschichten nicht selten besser verstehen als wir selber, so habe ich mir die Freiheit genommen, zu euch hereinzugehen, um hier mit euch auch hie und da ein Wörtchen zu reden. Ihr könntet mich zwar einer besonderen Keckheit beschuldigen; aber ich weiß, daß die Römer artige Menschen sind und auch einen Pharisäer reden lassen werden, wenigstens fragend, wenn auch nicht belehrend!“

4. Das war dieses Pharisäers Rede.

5. Sagte der Wirt: „Wir Römer hören alles an, was jemand hervorbringt – vorausgesetzt wir merken, daß in seiner Rede Geist und Verstand vorhanden ist –, und sind auch eines jeden Menschen Freunde, der es überhaupt mit uns sowie auch mit allen andern Menschen redlich meint, und er hat in unserer Gesellschaft auch das Recht zu reden, ob er ein Grieche, Jude, Araber, Perser oder Indier ist.

6. Aber eure Begriffe zu Jerusalem über den wahren Wert und über die wahre Würde der Menschen sind von den unsrigen oft himmelhoch verschieden; denn ihr haltet alle Menschen, die nicht euch gleich Erzjuden sind, für von eurem Gott verachtete Sünder. Wir Römer sind von solch einem Grundsatze überaus weit entfernt; denn bei uns heißt es: ,Lebe ehrbar, gib jedem das Seinige, und beschädige niemanden!‘ – In dieser Denkungs- und Handlungsweise ist uns demnach jeder Mensch gleich, aus welcher Gegend der Erde, ob nah oder fern, er auch her sei. Wir halten niemanden für einen Sünder, außer Diebe, Räuber und Mörder und den auch, der mutwillig wider das Gesetz handelt.

7. Was übrigens aber den Glauben an irgendeinen Gott betrifft, so lassen wir jeden Menschen bei seinem Glauben, ob im selben Wahrheit oder Lüge daheim ist, – denn jeder Mensch soll seines Glaubens leben, sterben und selig sein; alles andere überlassen wir denjenigen Mächten, die die Erde, die Sonne, den Mond und alle andern Gestirne geschaffen haben, und wider solche unsere Grundsätze hat noch nie ein weiser Mann eine Stimme gegen uns erhoben.

8. Wir sind wohl allgemein bekannt als ein kriegerisches und äußerst tapferes Volk, und das römische Zepter gebietet jetzt mehr denn über halb Europa, halb Afrika und halb Asien; aber wir sind niemals mit unseren Waffen wider ein Volk ausgezogen, das uns in Ruhe gelassen hat. Aber so ein Volk uns zu bedrohen sich unterfangen hatte und Störungen bei uns in unserer Ruhe und Ordnung anzurichten begann, – über solch ein Volk fielen wir her mit einem wahren Löwenmut, besiegten es und machten es uns untertänig und zinsbar, so wie euch Juden und andere asiatische Völkerschaften bis an die Grenzen des großen Indien; aber was ihre Gottesverehrungen anbelangt, so haben wir sie alle, wie auch euch Juden, bei ihren Lehren belassen, und haben sogar in Rom, wie auch in Athen, Tempel für ihre Götter erbaut, was ihr Juden nicht getan habt.

9. Wir können mit unserer großen Toleranz auch gefehlt haben; aber mir kommt es immer vor, daß auch unsere Toleranz in dieser Hinsicht in das Gebiet unseres Grundsatzes gehört, demzufolge man jedem das Seinige leisten und lassen soll. Alles, was darüber hinausgeht, soll einer höheren, göttlichen Weisheit anheimgestellt sein und verbleiben.

10. Bist du, Jerusalemer, mit dieser meiner Ansicht einverstanden, so kannst du in unserer Gesellschaft reden, wie es dir gefällt; denn wir Römer sind für jede echte Wahrheit und Weisheit zugänglicher als jedes andere Volk der Erde, und bei uns wird ein wahrhaft weiser und verständiger Mensch gleich geachtet, ohne Unterschied des Glaubens in den transzendental-psychischen Sphären.“

11. Sagte darauf der Pharisäer: „Mein lieber, freundlicher Wirt, ich habe schon mit so manchem Römer auch gesprochen, – aber ein freierer und vernünftigerer als du ist mir noch nicht untergekommen! Aber was möchtest du über unsere, in dieser Zeit sehr bedrohte Glaubenssache sagen?

12. Es ist nämlich in Galiläa ein Mann aufgestanden, der sich bereits nahe an drei Jahre herumtreibt und überaus schmählich über uns drauflospredigt, dabei auch gewisse Zeichen nach Art der Essäer wirkt und alles Volk zu seiner Lehre bekehrt, indem er sich für einen Sohn Gottes ausgibt und etwa sogar aus der Schrift klar beweist, daß er der verheißene Messias sei. Und wir wissen nun nicht, was wir anfangen sollen.“

243. Kapitel. Die schlechten Absichten der Pharisäer.

1. Sagte darauf der Wirt: „Ich habe von diesem Manne auch schon reden hören, und er würde mir die höchste Freude machen, so er zu mir käme; denn ist er weiser und in allen Dingen kundiger als unsereiner, so kann ich von ihm gar vieles lernen; ist er das nicht, so höre ich ihn an und lasse ihn dann gehen, so wie er gekommen ist, und werde ihm höchstens sagen: Freund, wenn du nicht weiser bist, so kannst du mit deiner Lehre fein zu Hause bleiben und mit der Arbeit deiner Hände dich ehrlich ernähren! Aber wie ich gehört habe, so soll dein Galiläer, obschon ein Jude, überaus weise und wundermächtig sein, und er würde mich sehr beglücken, so er zu mir käme.

2. Es sind bei mir schon gar viele Weise eingekehrt und haben nebst ihrer Weisheit auch so manche staunenswerte Wundermächtigkeit besessen, und siehe, da sitzt neben mir gleich ein erst heute aus dem Morgenlande angekommener Weiser mit Seiner hier am Tische sitzenden Gesellschaft! Ich habe Ihn freundlichst aufgenommen und will Ihn so lange beherbergen, als Er bei mir bleiben will. Tut ihr mit eurem Galiläer desgleichen, und er wird euch sicher dann nimmer schädlich sein! So ihr ihn aber verfolget und haßt, so wird er auch euch verfolgen, was ich auch ganz vollkommen recht finde. Ich bin aber im voraus überzeugt, daß er uns Römer nicht verfolgen wird, weil wir derlei erweckte Menschen hochachten und lieben. Hast du dieses verstanden, mein lieber Freund? Tue danach, so wirst du keine Feinde haben!“

3. Sagte darauf der Pharisäer: „Auch wir Jerusalemer sind keine Feinde von hochgelehrten und gebildeten Männern, aber solche Gelehrte und Weise können wir durchaus nicht brauchen, die uns um unser Brot und Einkommen bringen wollen; denn es ist sogar auch ein römischer Grundsatz, daß man selbst leben, aber auch andere leben lassen solle.

4. Wenn uns aber ein Weiser entgegentritt und verdächtigt uns beim ganzen Volke, so können wir solch eine Handlungsweise eines solchen Weisen nicht mit gleichgültigen Augen ansehen, und das schon besonders nicht, weil sich dieser Weise, soviel ich gehört habe, für einen Gottessohn ausgibt, dabei allerlei Kranke heilt und mit seinen Wundertaten das ganze Volk an sich zieht.

5. Er soll zu öfteren Malen in Jerusalem gewesen sein und im Tempel gelehrt haben, und viele Tausende sind durch seine Reden und Taten von uns abgefallen und haben sich nach seiner Lehre gerichtet.

6. Nun, derlei Sachen können wir Jerusalemer doch nicht mit gleichgültigen Augen ansehen! So er aber sagt, daß er ein Gottessohn sei, so widerspricht er offenbar unserer mosaischen Einheitgotteslehre; denn in unserem Gesetz heißt es: ,Du sollst nur an den allein wahren Gott glauben und neben Mir keine fremden Götter haben!‘ So aber er ein Gottessohn ist, da haben wir offenbar zwei Götter. Was sollen wir dann mit einer solchen Lehre machen, die unserer alten mosaischen Lehre widerspricht?

7. Ihr Römer habt uns doch bei unserem alten Glauben gelassen, – der will ihn uns aber nehmen, und so haben wir einen Grund, ihn zu verfolgen.

8. Es ist übrigens möglich, daß er wirklich ein neu aufgestandener großer Prophet ist, was unter den Juden zu öfteren Malen der Fall war, daß die Gottheit Männer im Geiste erweckt hat, die dem Volke voraussagten, was ihm bevorstehe, so es die Gesetze Gottes vernachlässige. Also sind dem Volke Verheißungen gemacht worden, so es zu dem alten Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs zurückkehre, daß Gott besonders dem jüdischen Volke einmal einen Messias senden werde und es befreien von allerlei Knechtschaft und harter Bedrängnis.

9. Das benutzt aber dieser Weise aus Galiläa auch und gibt sich für den verheißenen Messias aus, ist aber dabei aus Nazareth in Galiläa geboren, eines Zimmermanns Sohn, und wir wissen, daß er mit seinem bereits verstorbenen Vater und seinen Brüdern in dieser Sphäre etwa bei fünfzehn Jahre lang gearbeitet hat. Woher er übrigens seine Weisheit genommen hat und die Kraft, Wunder zu wirken, darüber können wir nichts Entschiedenes in Erfahrung bringen.

10. Siehe, du mein lieber, freundlicher Wirt, darin liegen so die Hauptgründe, aus denen wir den Galiläer verfolgen! Denn wer uns zugrunde richten will, den wollen auch wir zugrunde richten, da wir am Ende doch stärker sind als er mit seinem ganzen Anhange.“

244. Kapitel. Die Kritik des Wirtes über die jüdische Priesterschaft.

1. Sagte darauf der Wirt: „Du hast zwar nicht übel geredet, aber ich muß dir hingegen doch die Bemerkung machen, daß wir reinen Römer als von euch bezeichnete Heiden von euch Jerusalemischen Priestern nie etwas besonders Gutes gehört haben! Denn ihr seid voll Hochmutes, voll Selbst- und Herrschsucht und verfolget jeden Menschen, der es wagt, euch mit der reinen Wahrheit unter das Gesicht zu treten, und ich bin sehr der Meinung, daß eure Propheten, die ihr selbst gesteinigt habt, weil sie euch die Wahrheit sagten, nicht unrecht hatten, euch ob eurer nicht sehr löblichen Eigenschaften den Untergang zu prophezeien.

2. Denn vieles, was sie über euch zum voraus gesagt haben, ist meines Wissens eingetroffen, und ihr habt noch so manches zu erwarten, und das wird auch eintreffen. Denn euer Gotteskult besteht bloß darin, daß ihr einen Tempel habt, wohl ausgestattet mit allerlei Köstlichkeiten, einen Opferaltar und ein sogenanntes Allerheiligstes, versehen mit der sogenannten Bundeslade, die noch von Moses und Aaron herrühren soll, während ihr aber die alte hinwegschafftet und eine neue dahin gebracht habt, die ohne Kraft und Wirkung sein soll, was gar viele Römer wissen. Da frage ich als ein wahrheitsliebender Römer: Warum bleibet ihr denn nicht bei der Wahrheit und betrügt und belügt dafür das Volk, treibt es mit Gewalt in die Finsternis eines baren Aberglaubens, während ihr doch selbst nicht ein Jota davon glaubt, was ihr das Volk lehret?

3. Wäre es denn nicht vernünftiger von eurer Seite, daß ihr, so ihr wahrgenommen habt, daß die alte Bundeslade die Kraft verloren hat, dem Volke gesagt hättet: ,Unser Gott hat Seine Gnade von uns unserer vielen Sünden wegen genommen; daher tun wir alle eine rechte Buße und bitten Gott so lange, bis Er Sich in Seiner Gnade wieder unser erbarmt!‘? Aber siehe, das habt ihr nicht getan; des weltlichen Wohllebens und der Weltehre wegen habt ihr lieber das Volk betrogen, als daß ihr euch samt dem Volke lieber wieder zu eurem Gott zurückgewendet hättet!

4. Siehe, das ist bei uns Römern nicht der Fall! Es gibt zwar auch bei uns eine große Menge allerlei Aberglauben; aber ein wahrer Römer hält sich an die Wahrheit, und so er irgendeinen Menschen gefunden hat, der in allerlei Wahrheit tief bewandert und eingeweiht ist, so nimmt er ihn freundlich auf und bereichert sich selbst mit den geistigen Schätzen des wahrheits- und weisheitsvollen Mannes.

5. Die geistigen Schätze sind ja doch ums unvergleichbare mehr wert als die materiellen; denn alle materiellen Schätze sind vergänglich und verwesbar, doch die geistigen dauern fort und fort und schaffen Gutes unter den Menschen, und das Gute und Wahre soll sich daher unter den Menschen stets in steigender Progression (Zunahme) erhalten, solange diese Erde von Menschen bewohnt bleiben wird.

6. So aber sich irgend menschliche Gesellschaften bilden, die sich aus Hochmut, Herrschsucht, Selbstsucht sowie auch aus Trägheit dem Guten und dem Wahren mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln entgegenstellen, so ist es leicht begreiflich, wie solche Menschen und das ihnen anhängende Volk von Tag zu Tag tiefer in die Finsternis herabsinken und jene von einer Gottheit erweckten Männer verfolgen, die es wagen, ihnen mit der Wahrheit entgegenzutreten, – und wie es mir vorkommt, so ist das bei euch Juden nicht jetzt erst, sondern seit gar lange her der wirklich sehr bedauerliche Fall gewesen, daß ihr alle jene Männer verfolgt habt, die bei euch die alten göttlichen Wahrheiten wieder haben einführen wollen.

7. Wären wir Römer nicht so mächtig, wie wir sind, so hätte uns euer Hochmut und eure Herrschsucht schon lange aus dem Lande getrieben! Aber wir sind gegenwärtig ein großes und tapferes Volk, halten auch euren Moses und eure Propheten in Ehren; aber vor euch haben wir keine Furcht und verachten das an euch, was schon lange zu verachten war. Und ich will euch sagen, daß wir euch und eurem betrügerischen Spiel nicht mehr lange zusehen werden, und so wir wiederkommen werden, mit den Waffen in der Hand, da wird es euch nimmer so glimpflich ergehen, wie es euch damals ergangen ist, als wir zum ersten Mal in euer Land gedrungen sind und euch uns unterworfen haben.

8. Denn so wir wiederkommen werden, so werden wir eurer Städte und Synagogen nicht also schonen, wie wir derselben früher geschont haben; daher erteile ich dir den Rat, weise und wahrheitsvolle Männer nicht zu verfolgen, sondern sie liebreich aufzunehmen, sie zu hören und sich dann danach zu richten, und wir werden dann leicht eines gleichen Sinnes werden.

9. Ich wäre auf diesen Galiläer äußerst begierig und gäbe mein halbes Vermögen darum, so er mir die Ehre gäbe, diese meine Herberge zu besuchen! Und so bin ich denn der Meinung, daß ihr Jerusalemer desgleichen tun solltet, und es wäre für euch sicher besser, so ihr meines Sinnes und meines Wunsches wäret, den weisen Galiläer freundlichst aufnähmet, ihn anhören möchtet, dann aber auch tun, was er euch Gutes und Wahres gesagt hätte. Und ich sage dir, mein lieber Freund: Alles Gute und Wahre belohnt sich am Ende von selbst; das Gegenteil aber straft sich auch von selbst!

10. Siehe, das sind so meine Ansichten, die ich mir durch meine vielen Reisen in unserem römischen Kaiserreich gesammelt habe! Bleibe du denn auch bei dieser meiner Ansicht und Bestrebung, so wirst du besser fahren, als so du bei deiner starren Verfolgungssucht verharrest und darin gegen jedermann, der mit deiner Ansicht darum unmöglich einverstanden sein kann, weil sie an und für sich grundfalsch ist, verbleibst und die weisen Männer, wo sie auch immer her seien, verfolgst, so wie sie auch beinahe alle deine Gefährten und Kollegen verfolgen! – Bist du mit mir einverstanden oder nicht?“

11. Sagte der Pharisäer darauf ganz verlegen: „Mein lieber Wirt, du magst von deinem Standpunkte aus ganz recht haben: Die Wahrheit und das Gute soll man vor allem suchen, – aber wo ist es daheim? Am Ende ist und bleibt der Mensch doch immer auf irgendeinen Glauben beschränkt, und euren Isisschleier hat noch niemand gelüftet! Und so sind wir der Meinung, daß es besser sei, ein Volk bei einem systematisierten Glauben zu belassen – ob er in seinen Sätzen viel oder wenig Wahres enthält –, als es zu sehr mit neuen Wahrheiten bekannt machen zu lassen, die es am Ende doch nicht völlig fassen kann, dabei aber doch den alten Glauben verläßt und dann die alten Vorsteher des Glaubens zu hassen und zu verfolgen anfängt.“

12. Sagte der Wirt: „Da bist du grundirrig daran! Wenn kein Mensch mehr die Wahrheit suchen wird, so geht alles Bestehende auf dieser Erde in eine Art Fäulnis und Verwesung über - - -.“

(Nota Bene des Herausgeber: Mit diesen bedeutsamen Worten bricht das Diktat des Herrn, soweit es durch Lorber gegeben wurde, am 19. Juli 1864 ab. Jakob Lorber, der schon seit längerer Zeit kränkelte, wurde am 23. August 1864 vom Herrn aus seiner irdischen Wirksamkeit abberufen.)

— Ende des gesammten Werkes —